Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 19|
13. Mai 2011 A 1031E
in Schelm, wer Böses dabei dachte. Im Septem- ber 2007 trat ein bundesweites Nichtraucher- schutzgesetz in Kraft, ließ aber einen zentralen Be- reich völlig außer Acht: die Gastronomie. Denn für den Schutz der Nichtraucher in Restaurants und Gast- stätten sorgen die Bundesländer, hieß es damals, weil das Gaststättenrecht mit der Föderalismusreform an diese übertragen worden sei. Während das bundesein- heitliche Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen, Verkehrsmitteln und Bahnhöfen inzwischen selbstver- ständlich ist, haben die Vielzahl und die Komplexität der Ausnahmeregelungen vom Rauchverbot in Gast- stätten in den einzelnen Landesgesetzen zu genau dem geführt, was immer vermieden werden sollte: einem Flickenteppich re gionaler Verordnungen, die nicht mehr zu kontrollieren sind. In einigen Bundesländern sind etwa abgetrennte Raucherräume erlaubt, gibt es Raucherclubs oder werden Ausnahmen für kleine Eckkneipen gemacht. Letztlich haben Tabaklobbyisten und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband mit Hilfe der vielen Ausnahmeregelungen ihr Ziel er- reicht: In 80 Prozent der Kneipen und Bars, der „ge- tränkegeprägten Gastronomie“ also, und in mehr als 90 Prozent der Spielhallen wird weiterhin geraucht.Das ist ein Ergebnis der größten bundesweiten Evaluationsstudie seit Einführung der Landesgesetze, die das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) Anfang Mai vorgestellt hat. Die Forscher haben dabei sämtliche Gaststätten in den Innenstadtbereichen von zehn Landeshauptstädten unter die Lupe genommen.
Daten über knapp 3 000 Gaststätten liegen vor. Da- nach dürften sich Raucher in Düsseldorf besonders wohlfühlen, dort darf in 41 Prozent der Gaststätten geraucht werden. Schwieriger ist es, in München dem Laster zu frönen: In nur fünf Prozent der Gaststätten ist Rauchen erlaubt. Dabei läuft Bayern fast außer Konkurrenz, denn seit einem Volksentscheid im ver- gangenen Jahr herrscht dort generelles Rauchverbot mit Ausnahme von sogenannten geschlossenen Ge- sellschaften.
Die Ausnahmeregelungen sind dabei ebenso wenig der Gesundheit der Raucher zuträglich wie der der nichtrauchenden Gäste. Die Schadstoffbelastungen sind in Gaststätten, in denen geraucht werden darf, fünf- bis elffach höher als in rauchfreien Betrieben.
Das ergab eine weitere DKFZ-Studie aus dem Jahr 2009. Die Messungen von lungengängigen Partikeln in der Raumluft ergaben selbst höhere Werte in den Nichtraucherbereichen, wenn ein Raucherraum in der Gaststätte vorhanden war.
Die Heidelberger Krebsforscher stellten außerdem fest, dass die Ordnungsämter überfordert sind, den Nichtraucherschutz zu kontrollieren. Acht Prozent der Restaurants sind faktisch Rauchergaststätten, ein klarer Verstoß gegen die Landesgesetze. 13 Prozent der Rau- cherkneipen verfügen über mehrere Räume, obwohl es sich laut Gesetz um Einraumkneipen handeln muss.
Besonders alarmierend ist, das 62 Prozent der Raucher- gaststätten den Jugendschutz missachten: Es fehlt der Hinweis, dass der Zutritt erst ab 18 Jahren erlaubt ist.
Die Botschaft ist klar: Deutschland braucht einen lückenlosen einheitlichen Nichtraucherschutz, durch- setzbar wohl nur über ein Bundesgesetz. Europaweit hat diesen zuletzt im Januar dieses Jahres Spanien eingeführt, wo zuvor ein vergleichbares Regelchaos herrschte. Das sollte Deutschland doch auch schaffen.
NICHTRAUCHERSCHUTZ
Außer Kontrolle
Petra Bühring
Petra Bühring Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik in Berlin