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P H Y S I K I M A L LTA G

48 Physik Journal 11 (2012) Nr. 12 © 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

I

mmer mehr Menschen möchten Brille oder Kontaktlinsen Adieu sagen. Die LASIK (Laser-in-situ- Keratomileusis) ermöglicht es, eine Fehlsichtigkeit zu korrigieren.

Doch ihr geht ein entscheidender Schritt voraus: Zunächst muss der Arzt nämlich wissen, an welchen Stellen der Hornhaut er wie viel Material abtragen soll. Um dieses

„Schnittmuster“ zu ermitteln, bedient er sich der Wellenfront- analyse, die ihren Ursprung in der Astronomie hat.

Turbulenzen in der Atmosphäre beeinträchtigen das Licht der Sterne und erfordern daher zusätzlichen Aufwand bei der Messung mit erdgebunde nen Teles kopen. Diese Änderungen des Brechungs index auf kurzen Zeitskalen führen dazu, dass die Abbildung eines Sterns im Fokus nicht beugungsbegrenzt ist, sondern mehr oder minder ver- schwommen. In den 90er-Jahren entwickelten Astronomen und Ingenieure daher ein Verfahren, das die Einflüsse der Atmosphäre quasi in Echtzeit misst und die Te- leskopspiegel über einen Regelkreis entsprechend deformiert, um eine beugungsbegrenzte Abbildung zu erhalten. Dazu erzeugen die Astro- nomen mithilfe eines Laserstrahls einen „künstlichen Leitstern“ am Himmel in unmittelbarer Nach-

barschaft des Beobachtungsobjekts (Abb. 1). Je nach Wellen länge wird das Laserlicht durch Rayleigh- Streuung an Mole külen und Aero- solen in den unteren 10 bis 20 km der Atmosphäre oder an Natrium- atomen in 90 km Höhe zurückge- streut. Das Licht des künstlichen Sterns fällt auf einen Sensor, der die durch die Atmosphäre deformierte Wellenfront misst. Damit liefert er die Information, wie stark die Teleskopspiegel verformt werden müssen, um den Effekt zu kom- pensieren. Dank dieser adaptiven Optik können erdgebundene Fern- rohre bei der Abbildungsqualität inzwischen mit Satellitenteleskopen konkurrieren.

Das Prinzip der Wellenfront- sensoren geht auf die beiden Astro- physiker Johannes Hartmann und Roland Shack zurück, weswegen man auch von Hartmann-Shack- Sensoren spricht. Sie bestehen aus einem Mikrolinsen-Array, in dessen Fokus sich ein Bildsensor befindet.

Die Durchmesser der Linsen liegen in der Größenordnung von einigen hundert Mikrometern. Jede Mikro- linse erzeugt in der Brenn ebene ein Bild, das entsprechend der lokalen Neigung der einfallenden Wellenfront mehr oder minder stark gegenüber der Position ver-

schoben ist, die bei einer ebenen, senkrecht einfallenden Wellenfront zu erwarten wäre. Aus den linearen Verschiebungen, die der Bildsensor misst, lässt sich die tatsächliche Form der einfallenden Wellenfront ableiten. Die Größe der Mikrolin- sen und ihre Brennweite sowie der Auswerte algorithmus müssen an die jeweilige Anwendung angepasst sein. Ist die einfallende Wellen- front nämlich zu stark deformiert, kommt es sonst zu einem Über- sprechen des Bildsensors, weil die Abbildung der einen Mikrolinse in den Sensorbereich der benachbar- ten Mikrolinse fällt.

Bekanntlich ist das Auge kein perfektes optisches System. Wer sich einer LASIK-Behandlung unter ziehen möchte, ist mit Sicher heit kurz- oder weitsichtig und hat oft einen Astigmatismus („Stäbchen sehen“), weil die Horn- haut unterschiedliche Krümmungs- radien aufweist. Diese Beeinträch- tigungen ermitteln Augenarzt oder Augenoptiker gewöhnlich mit dem

„Phoropter“ oder mit einer Mess- brille: Sie variieren die Glasstärke so lange, bis der Patient das beste Sehergebnis hat. Die Korrektur von Astigmatismus, Kurz- und Weit- sichtigkeit betrifft Abbildungsfehler niedriger Ordnung. Aber es treten

n Perfekt vermessen

Die Wellenfrontanalyse hat im vergangenen Jahrzehnt die Diagnose- und Therapiemöglichkeiten in der Augenheilkunde erweitert. Pate für die Technologie stand die Astronomie.

Daten aus der Wellenfrontanalyse flie- ßen in die Planung von Augenkorrek- turen per Laser, in die Kontrolle von

Augenimplantaten und in die individu- elle Anpassung von Brillengläsern ein.

Delphimages / Fotolia.com

Abb. 1 Am Very Large Telescope der Europäischen Südstern- warte in Chile erzeugt ein Laserstrahl einen künstlichen Stern am Himmel. Mit dessen Hilfe lassen sich Abbildungsfehler, die durch die Atmosphäre hervorgerufen werden, korrigieren.

ESO

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auch Abbildungsfehler höherer Ordnung auf. Zu ihnen gehören zum Beispiel Koma – ein Asymme- triefehler, der sich durch erhöhte Blendempfindlichkeit bemerkbar macht – und sphärische Aberra- tion. Bei letzterer führt die vom Pupillendurchmesser abhängige Fokuslage der Lichtstrahlen zu ver- ringertem Kontrastsehen.

Mit der Wellenfrontanalyse las- sen sich solche Abbildungsfehler höherer Ordnung ermitteln. Wie in der Astronomie erzeugt ein Laser- strahl einen künstlichen Stern. Der Laserstrahl hat in diesem Fall eine Strahltaille von weniger als einem Millimeter und eine Wellenlänge im tiefen Rot- oder Infrarotbereich.

Er fällt entlang der Hauptachse des Auges auf die Netzhaut und erzeugt dort einen Fleck mit einem Durchmesser von einigen zehn Mi- krometern. Eventuelle Streulicht- anteile der Netzhaut sind für die

Messung vernachlässigbar, da jedes Streuzentrum wieder eine neue Wellenfront erzeugt, die sich von der reflektierten Wellenfront gut unterscheiden lässt. Die reflektierte Wellenfront fällt nach dem erneu- ten Durchgang durch Augenlinse und Hornhaut für die Messung der Aberrationen auf den Hartmann- Shack-Sensor (Abb. ).

Die Auswertung einer Wellen- frontaberration erfolgt meistens mit Zernike-Polynomen, die in der technischen Optik breite Anwen- dung finden. Diese Polynome reprä- sentieren Wellenfronten, die jeweils spezifische Abbildungsfehler des Auges beschreiben. Ihre Überlage- rung ergibt eine eindeutige Darstel- lung der Wellenfront aberration. Um Abbildungsfehler höherer Ordnung zu beschreiben, dienen Zernike- Polynome höherer Ordnung. Aus empirischen Untersuchungen ist bekannt, dass selbst für eine sehr

genaue Beschreibung der Abbil- dungsfehler des mensch lichen Au- ges Zernike-Polynome der siebten Ordnung meistens ausreichen.

Marktgängige Geräte zur Wellen front analyse des Auges lie- fern Ergebnisse mit Polynomen bis zur 0. Ordnung. Sie erreichen eine Auflösung in der Pupillenebene von rund 10 Mikrometern über den gesamten Pupillendurchmesser.

Dieser ist beim jungen Menschen in der Dunkelheit maximal acht Milli- meter groß, bei älteren Menschen vier bis fünf Millimeter.

Die Zernike-Polynome beschrei- ben die optischen Flächen im idea- len wie auch realen Auge. Aus der Differenz leitet sich ab, an welcher Stelle der Hornhaut der Arzt bei der LASIK wie viel Material abtragen muss. Hartmann-Shack-Sensoren finden in der Augenheilkunde wei- tere Anwendung: Zum einen kön- nen Ärzte mit ihrer Hilfe die Abbil- dungsqualität von Intra-Okularlin- sen, also Implantaten, messen. Zum anderen bieten inzwischen erste Optiker die Wellenfrontanalyse an.

Dahinter steckt die Idee, dass beim Sehen in Dämmerung und Nacht die Fehler höherer Ordnung stär- ker ins Gewicht fallen als am Tage.

Daher optimiert der Optiker die mit dem Phoropter ermittelten klas- sischen Werte der Fehlsichtigkeit (Sphäre, Zylinder, Achse…) mithilfe der Wellenfrontmessung. Die resul- tierenden Brillengläser sind dann so optimiert, dass der Einfluss der Aberrationen höherer Ordnung auf die Sehleistung in der Dämmerung möglichst gering ausfällt.

Michael Vogel Abb.  Bei der Wellenfrontvermessung

des Auges erzeugt ein Laser strahl eine Referenzabbildung. Wenn die von der Netzhaut reflektierte Wellenfront wieder den Sensor erreicht, ist sie aufgrund der optischen Aberrationen in Linse und

Hornhaut verzerrt. Über die Mikrolinsen des Sensor-Arrays lassen sich die lokalen Abstrahlwinkel dieser verzerrten Wellen- front mit einem lichtempfindlichen Chip erfassen, der sich im Fokus hinter den Mikrolinsen befindet.

Stern im

Unendlichen Bild auf der

Netzhaut = Punktspreiz- funktion Netzhaut korrigierte und

deformierte Welle ideale

Welle Linse

Sensor

Hornhaut Iris

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