DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
D
ie niedergelassenen Ärz- te sind heiß umworben:Abonnieren Sie unsere Zeitung! Nein, abonnieren Sie unsere! Am besten gleich unsere zwei! Ein Dummen- fang „im Zeitungsformat"?
Es ist seit vielen Jahren Brauch, daß Zeitschriften und Zeitungen, die sich speziell an Ärzte wenden, den „Ziel- gruppen" gratis zugestellt werden. Meist handelt es sich um die Zielgruppe der nieder- gelassenen praktischen Ärz- te/Allgemeinärzte und Inter- nisten, für die es im Werbejar- gon eine gängige Abkürzung gibt — die NP+Is. Oft „zielt"
man weitergehend auf die Gruppe „niedergelassene Ärzte". Der Grund? Ganz ein- fach: dies sind die Hauptver- ordner von Arzneimitteln, und für die Pharma-Industrie ist es deshalb sinnvoll, diese Ärzte bevorzugt über Arzneimittel zu informieren. Dazu inseriert sie, und so ermöglicht sie den Verlagen, die Zeitschriften und Zeitungen kostenlos zu versenden. Genauer gesagt:
kostenlos für den Empfänger, den einzelnen Arzt.
Eigentlich findet niemand et- was bei solchem Gratisver- sand (es sei denn, möglicher- weise, die Bundespost, aber
Sind Ärzte so dumm?
das steht hier noch nicht zur Debatte). Um so merkwürdi- ger ist die jüngste Beobach- tung, daß Verlage für Zeit- schriften und Zeitungen, die gratis an eine ärztliche Ziel- gruppe versandt werden, in- nerhalb der selben Zielgrup- pe um Abonnenten werben.
Man versucht also, den Ärz- ten für eine Lieferung, die oh- nehin gratis ist, zusätzlich ei- ne Abonnentengebühr zu ent- locken. Eine Fachzeitschrift des Buchhandels, „Buch- Markt", stellt dazu (in Heft 7/1985) die Frage: „. . . wel- cher Arzt abonniert schon et- was, von dem er weiß, daß er es umsonst bekommen kann?" Nun, vielleicht weiß er es nicht, daß er die meisten Medizin-Blätter, auch die neuen Zeitungen, im Gratis- Streuversand erhält. Dazu der
„BuchMarkt": „Zwar haben alle Streu-Titel einen regulä- ren Abonnementspreis und können auch abonniert wer- den, aber jeder Arzt ist ei- gentlich zu bedauern, der
noch für ein Abonnement be- zahlt, das der Kollege zwei Häuser weiter umsonst be- kommt "
Man hat auch noch von kei- nem Fall gehört, daß ein Arzt
„bestraft" würde, mit ewiger Nichtbelieferung etwa, wenn er ein „Abo" verweigert. Er wird im allgemeinen das Blatt auch weiterhin geschenkt be- kommen, weil der „schenken- de" Verlag den Anzeigenge- bern halt einigermaßen glaubhaft machen muß, daß die Auflage möglichst kom- plett an die „Zielgruppe"
geht, an welcher der Inserent interessiert ist .. .
Nun sei den ehrenwerten Verlagen keineswegs unter- stellt, daß sie einfach nur die
„dümmsten Ärzte der Repu- blik" herausfiltern und dann übers Ohr hauen wollen. Eher gäben die Abo-Aktionen ei- nen Sinn, wenn damit etwa die Post hinters Licht geführt und eine Gratis-Zeitung zur Abonnements-Zeitung (oder -Zeitschrift) deklariert wer- den sollte. Aber warum soll dafür der Arzt sein schwer und schwerer verdientes Geld auswerfen? Das fragt sich nicht nur Ihr
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
111 anchmal lohnt es doch, überflüssige Kommen- tare zu lesen. Eine Randbemerkung über den an- geblichen „Spendenskandal"
beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie und/oder seines früheren Hauptgeschäftsführers gibt ein solches Beispiel.
Gerade in der Gesundheits- politik hat sich leider oft ge- nug gezeigt, was dabei her- auskommt, wenn fachlich kompetente Leute nicht an den Entscheidungen mitwir- ken dürfen. Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Kar- sten Vilmar, aber er nicht al- lein, ist in der letzten Zeit
Lobby durch Sachkompetenz
nicht müde geworden, darauf zu drängen, daß mehr medizi- nischer und ärztlicher Sach- verstand in die Gestaltung der Gesundheitspolitik einbezo- gen wird.
Jetzt aber heißt es in dem er- wähnten Kommentar, die Pharma-Lobby gehöre zu den
„besten und gefürchtetsten"
im Lande, weil ihre Stärke nicht so sehr in irgendwel- chen Zahlungen liege, son-
dem in „viel subtileren For- men der Beeinflussung".
Bloß: was heißt hier „subtil"?
Sekt und Frauen, Drogen, Er- pressung oder Terror können damit wohl nicht gemeint sein. Nein, diese Pharma-Leu- te sind noch viel raffinierter.
Denn diese viel subtilere Be- einflussung erfolgt „zum Bei- spiel auch durch Sachkompe- tenz" — das ist doch geradezu der Gipfel des Durchtriebe- nen! Was aber noch viel subti- ler ist: Die Gleichsetzung von kompetentem Sachverstand und finsterer Lobby-Machen- schaft findet sich ausgerech- net in der sonst doch so seri- ösen „Zeit"! gb
Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 30 vom 24. Juli 1985 (1) 2149