Mit der Bahn durch Kamerun
(Dr. Peter Romen, Austria)
Sicher ist Kamerun, das sich Cameroun schreibt, nicht ein alltägliches
Reiseland und das Eisenbahnnetz ist auch nicht eben groß. Auch ist das Land von Europa aus nur sehr schwer ohne Flugzeug zu erreichen, sodaß ich ganz gegen meine sonstige Gewohnheit in die Hauptstadt Yaounde geflogen bin.
Dadurch erhielt ich sicher nicht den richtigen Eindruck von der Entfernung, noch konnte die Anreise eine vernünftige Einstimmung auf das Land sein. Ich hatte einfach nicht genug Zeit und auch nicht die richtigen Informationen um eine Überlandanreise zu unternehmen. Leider!
Daher erreichte ich Yaoundé in wenigen Stunden mit der Swissair von Zürich aus und quartierte mich im ehemaligen Sofitel auf einer Anhöhe etwas
außerhalb der Stadt ein. Auch dieses Hotel war nicht sehr glücklich gewählt, da es zwar noch die Preise der ehemaligen Hotelkette hatte, der Service aber
unterdessen sehr nachgelassen hatte. Wenn man schon sehr gut
untergebracht sein will, so wähle man besser das Hilton im Stadtzentrum. In Bahnhofsnähe bin ich jedenfalls auf keine Übernachtungsmöglichkeit gestoßen.
Ehedem befand sich der Hauptbahnhof – damals ein Kopfbahnhof -gegenüber dem bereits erwähnten Hilton Hotel. Man erkennt auch heute noch gut die noch unbebaute Fläche des ehemaligen Bahnarreal mit verschiedenen
Lagerhäusern. Das Bahnhofsgebäude selbst ist verschwunden. Heute liegt der Bahnhof - ein Durchgangsbahnhof - etwas nördlich des Zentrums, ist aber von dort noch gut zu Fuß zu erreichen. Selbstredend ist dieses Bahnhofsgebäude neu und für afrikanische Verhältnisse erstaunlich sauber. Im Erdgeschoß
befindet sich ein Imbißlokal und im ersten Stock der Fahrkartenschalter für die 1. Klasse und die Liegewagen. Hier kaufte ich auch meine Liegewagenplätze nach N‘gaoundéré, dem nördlichen Endpunkt der Bahn. Leider fährt dorthin nur ein Nachtzug; Tageszüge bis zum nördlichen Endpunkt gibt es nicht. Die
Fahrkarten sind Computerausdrucke, so daß es zu keinen Fehlbuchungen, wie ich sie aus manch anderen Ländern in unguter Erinnerung habe, kommen
kann. Durch diese Ausstattung mit Computern ist auch eine Reservierung bis zwei Monate im voraus möglich.
Vom Hotel ließ ich mich bereits mittags mit einem Taxi zum Bahnhof bringen, stellte mein Gepäck in der Gepäckaufbewahrung unter und durchstreifte bis zum Abend die Stadt. Yaoundé besitzt zwar nur sehr wenige
Sehenswürdigkeiten im eigentlichen Sinn, aber das Stadtzentrum bietet genug Abwechslung um keine Langeweile aufkommen zu lassen. Es gibt einige
wenige nette Straßencafes und in der Nähe des Bahnhofs befindet sich der große Markt in dem für einen Europäer Erstaunliches feilgeboten wird:
Affenfleisch! Fotografieren darf man das zwar nicht, da die Affen nach dem
internationalen Artenschutzabkommen und auch aus gesundheitlichen Gründen nicht getötet und verzehrt werden dürfen, aber hier kümmert sich niemand um diese Vorschriften.
Um 18.10 Uhr ist die Abfahrt des Zuges 101 nach N‘gaoundéré angesagt.
Zuvor fährt noch um 17.30 Uhr der Anschlußzug aus Douala, der Hafenstadt des Landes, ein. Die Züge sind in Kamerun sehr voll, aber da für den
Liegewagen Computerfahrkarten ausgegeben wurden ist mein Liegewagen nicht überbelegt. Die Abteile sind wie in französischen Liegewagen 1.Klasse mit vier Liegen pro Abteil ausgestattet aber leider nicht klimatisiert. Da aber die Nächte nicht übermäßig heiß sind ist es auszuhalten. Allein die Toiletten sind unbenutzbar, denn natürlich steigen mehr Fahrgäste zu, als der Zug über
Plätze verfügt. Diese Menschen stehen nun im Einstiegsbereich der Waggons, wo sich auch die Toiletten befinden. Da diese Fahrgäste aus der untersten Gesellschaftsschicht stammen – Bauern zum Teil – sehen die Toiletten
entsprechend aus. Bei der Rückfahrt wurde in einer Toilette gar ein Schwein mitbefördert. In Afrika ist eben fast alles möglich. Bis auf die hygienischen
Mängel in den WCs ist die Liegewagenfahrt angenehm, da die Abteile durchaus nicht schmutzig sind. Leider fährt der Zug fast nur in der Dunkelheit, sodaß die Landschaft nicht genossen werden kann. Yaoundé liegt noch im tropischen Teil des Landes während N‘gaoundéré bereits im trockenen Norden liegt. Eine
Fahrt bei Tageslicht durch diese Landschaft wäre sicher ein schönes Erlebnis.
Laut Fahrplan sollte der Zug um 5.45 Uhr in der Früh sein Ziel erreichen, aber dank der Verspätung von über einer Stunde kam ich doch noch in den Genuß der schönen Landschaft. Der Bahnhof N‘gaoundéré ist sehr modern und verfügt sogar über Duschen für Reisende, was besonders angenehm ist, wenn man aus dem staubigen Norden nach einer langen Busfahrt ankommt. Denn von N‘gaoundéré fahren nur noch Busse vom Busbahnhof im Stadtzentrum weiter in den Norden nach Garoua und Maroua und weiter in den Wildpark von Waza oder in den Tschad. N‘gaoundéré selbst verfügt über einen sehr sehenswerten Palast eines Lamido, des einheimischen Fürsten, der seit alters her Recht
spricht und von den Menschen weitaus mehr respektiert wird, als die europäisch inspirierten Polizisten. Diese werden weniger geachtet als
gefürchtet. Nordkamerun hat wunderschöne Landschaften. Als Beispiel sei nur die uralte Vulkanlandschaft von Rumsiki erwähnt. Ein gutes Reisehandbuch
weist noch viele interessante Stätten auf. In fast all diesen Orten findet man Hotels, die manchmal sogar über einen Swimmingpool verfügen, sodaß man sich von den oft doch beträchtlichen Strapazen der Busfahrten erholen kann.
Möchte man Autos mieten, so wende man sich an die Hotelrezeption und schon ist ein guter Bekannter mit Auto zur Stelle.
Bei der Rückfahrt erreichte ich N‘gaoundéré an einem Nachmittag und entschloß mich ohne Übernachtung gleich nach Douala weiterzufahren.
Reservierung wurde so knapp vor der Abfahrt keine mehr entgegengenommen, sondern ich wurde auf die Abfahrtszeit verwiesen, bei der noch Restplätze
vergeben würden, falls – wie offensichtlich öfter geschehen – Fahrkarten zurückgegeben würden. Bis zur Abfahrt vertrieb ich mir die Zeit im
Bahnhofsbuffet, wo ich für die einheimischen Reisenden eine nette
Abwechslung war, denn ich wurde unablässig in Gespräche verwickelt. So gewann ich noch interessante Einblicke in das Leben, sowie die Sorgen und Nöte der Menschen im Land. Allein über Politik wurde nicht gesprochen, aber das kannte ich bereits aus anderen afrikanischen Ländern. Als die Abfahrtszeit meines Zuges näher rückte war mir das Glück hold. Ich erhielt noch einen
Liegewagenplatz, sodaß ich ausgeruht in Yaoundé ankam, allerdings nicht wie im Fahrplan vorgesehen um 7 Uhr, sondern erst mit beträchtlicher Verspätung, sodaß ich den Anschlußzug nach Douala um 7.40 Uhr nicht mehr erreichte. So wartete ich auf den 13.30 Uhr Zug, für den ich auch leicht Platzkarten bekam.
Denn auch hier galt: Fahrkarte = Platzkarte. Unglücklicherweise war der Zug nicht wie im Thomas Cook Fahrplan angegeben klimatisiert, denn die Fahrt führte nun in den tropisch heißen Südteil des Landes. Die Fahrt dauerte vier Stunden, will heißen der Zug kam pünktlich an. In einem einfachen, aber
durchaus netten Hotel am Fluß quartierte ich mich ein und feierte Silvester oder wie man es in Kamerun hält: man lauschte der 90 Minuten dauernden Rede seiner Exzellenz, des Präsidenten der Republik Kamerun, Paul Biya, der die Zukunft seines von unfähigen und korrupten Politikern heruntergewirtschafteten Landes in den allerrosigsten Farben schilderte. Er hielt diese Rede auf
Französisch. Da aber der Westteil Kameruns englisch spricht wurde die Rede seiner Exzellenz anschließend nochmals 90 Minuten ins Englische übersetzt.
Natürlich nicht vom Herrn Präsidenten, denn der beherrscht die Sprache dieses Großteiles seiner Landsleute überhaupt nicht.
Am nächsten Tag besichtigte ich ein wenig die Stadt, die offensichtlich einmal bessere Zeiten gesehen hatte. Auf dem Friedhof fand ich noch viele Gräber der einstigen deutschen Kolonialherren. Am Bahnhof, unweit meines Hotels kaufte ich mir Fahrkarten für den 14.15 Uhr Zug nach Kumba, einer Provinzstadt im
englischsprachigen Teil des Landes. Der Bahnhof war erstaunlich leer, aber am Schalter bekam ich ohne weiteres eine Fahrkarte 2.Klasse – die sind rot, im Gegensatz zu den grünen für die 1.Klasse, sowie auch bereits die
Rückfahrkarten eine Woche später nach Yaoundé.
Nach dem Mittagessen begab ich mich zum Bahnhof und erspähte lediglich einen Güterwaggon mit angehängtem Personenwagen fast ohne Sitzbänke – sie waren alle bereits entfernt oder völlig zerstört. Wie sich später herausstellte war dies der Zug nach Kumba. Er fuhr fast ohne Fahrgäste ab, änderte am Hafen seine Fahrtrichtung, da das direkte Verbindungsgleis vom neuen Bahnhof Richtung Norden nie fertiggebaut wurde und hielt dann am
Vorortbahnhof. Jetzt wurde der Zug voll! Es war wie in vielen afrikanischen Städten: In der Innenstadt wohnen die Reichen und die fahren nicht Bahn, das tun nur die Armen und die wohnen in den Vororten. Im Zug war ich
selbstredend wieder die Attraktion schlechthin. Afrikaner haben keine Scheu vor Fremden, aber meine Mitreisenden waren nicht unverschämt. Die Fahrt durch tropischen Dschungel war sehr schön. Das Gebüsch reichte bei jedem Halt bis in den Waggon herein, denn natürlich hatte unser Waggon keine
Fenster. Es war dunkel als wir Kumba erreichten und ich mich von einem Taxi in das Hotel „Ideal" fahren ließ, das wohl nur sehr selten Gäste sieht. Es war sehr bescheiden, aber der „Direktor" ließ es sich nicht nehmen mich am nächsten Morgen persönlich zum Mondsee und in von Weißen fast nie besuchte Dörfer in der Nähe des Sees mit einem Einbaum zu fahren.
Die Bahn weiter in den Norden nach Nkongsamba ist bereits wegen
Unbenützbarkeit eingestellt, sodaß ich mit dem Bus weiterreiste. Die Fahrt
führte mich bis Foumban, wo sich ein Prinz erbot mir den Palast des Sultans zu zeigen. Ich bezweifelte anfangs die Herkunft meines Führers, der mir während der Palastbesichtigung beiläufig erklärte, der Sultan sei gerade in Trauer über den Tod seiner Frau. Als ich mein Bedauern darüber ausdrückte fand mein Führer dies sehr mitfühlend, verwies dabei vom Fenster des ersten Stockes des Palastes auf die vielen kleinen Häuschen und erklärte, dies seien die
Wohnungen der über 150 Frauen des Sultans. Dies relativierte die Trauer des Sultans verständlicherweise.
Nach zwei schönen Tagen in Foumban nahm ich einen direkten Bus nach Douala, wobei wir bei dieser Fahrt auch durch Nkongsamba fuhren, wo ich noch die jetzt unbenutzten Gleisanlagen der ehemaligen Bahn sah, um die es wahrlich schlecht bestellt ist, denn eine Wiederaufnahme eines Bahnverkehrs muß bei einem solchen Gleiszustand, wie ich ich vorfand, selbst in Afrika
unmöglich sein.
In Douala quartierte ich mich zur Erholung im Hotel „Akua Palace" ein, das über einen Swimmingpool verfügte und mir so als Erholung vor meinem Rückflug diente. Nur gut, daß ich mir bereits Fahrkarten für meine Rückfahrt besorgt hatte, denn der Zug war brechend voll, sodaß Leute auf dem Dach und auf den Trittbrettern mitfuhren und obendrein funktionierte die vorhandene Klimaanlage nur zum Schein. Die Bahnlinie führt unmittelbar am Flughafen vorbei, Züge halten hier aber nicht, sodaß ich mir am Bahnhof von Yaoundé ein Taxi nehmen mußte um die 50 km zum Flughafen zurückzufahren.
Pünktlich brachte mich die Swissair anschließend wieder nach Hause.