Universität Hohenheim 430
Fachgebiet Landwirtschaftliche Kommunikations- und Beratungslehre
PT02.doc August 2000 Hoffmann, Gerster
Die vier Verständlichmacher1
Oberstes Ziel der Präsentation sollte die verständliche Darstellung von Sachinformati- on sein. Wie ist Verständlichkeit aber zu beurteilen? Gibt es „objektive“ Maßstäbe, die man heranziehen kann? In den Jahren 1970-1973 entwickelte das Hamburger For- schungsteam LANGER, SCHULZ V. THUN, TAUSCH, 1991 mit Hilfe von zahlreichen Un- tersuchungen ein Konzept der Verständlichkeit, das durch vier Eigenschaften gekenn- zeichnet ist:
• Einfachheit (versus Kompliziertheit)
• Gliederung (versus Ungegliedertheit)
• Kürze (versus Weitschweifigkeit) und
• Zusätzliche Stimulanz / anregende Zusätze (versus Farblosigkeit, keine zusätzliche Stimulanz bzw. keine anregenden Zusätze).
Dabei stellten sie ein Polaritätsprofil mit fünf Abstufungen auf, um auch eine quantita- tive Beurteilung zu ermöglichen (vgl. Abbildung 1). Die stark umrandeten Felder stel- len dabei das Optimum für gute Verständlichkeit dar.(vgl. LANGER, SCHULZ VON THUN und TAUSCH, 1981)
Abbildung 1: Die Vier Verständlichmacher
Einfachheit ++ + +/- - -- Kompliziertheit
Gliederung – Ordnung ++ + +/- - -- Unübersichtlichkeit Zusammenhanglosigkeit Kürze – Prägnanz ++ + +/- - -- Weitschweifigkeit
zusätzliche Stimulanz ++ + +/ - -- keine zusätzliche Stimulanz
Quelle: SCHULZ VON THUN,1981/1998
Diese Verständlichmacher werden im folgenden näher erläutert, und es werden konkre- te Hinweise gegeben, wie diese in einem Vortrag umgesetzt werden können.
1 Alle Literaturangaben finden sich in PT09, am Ende des Skripts
Einfachheit
Einfachheit ++ + +/- - -- Kompliziertheit
• einfache Darstellung • komplizierte Darstellung
• kurze, einfache Sätze • lange, verschachtelte Sätze
• geläufige Wörter • ungeläufige Wörter
• weitgehender Verzicht auf Fremdwörter • „gespickt“ mit Fremdwörtern
• Fachwörter erklärt • Fachwörter nicht erklärt
• konkret • abstrakt
• anschaulich (Beispiele verwenden) • unanschaulich
• angemessene Lautstärke • zu laut oder zu leise sprechen
• angemessene Sprachgeschwindigkeit • zu schnell oder zu langsam sprechen
• deutliche Aussprache • undeutliche Aussprache
Quelle: erweitert nach Langer, Schulz v. Thun & Tausch, 1974
Die Einfachheit ist keine konstante Größe (HOBERG 1994, 295-296). „Einfachheit“ be- deutet nicht Banalität, sondern sie hängt vom Kreis der Adressaten ab. Daher ist es wichtig sich zu überlegen, vor welchem Kreis der Vortrag stattfinden soll. Die Infor- mation muß für die Zuhörer zugeschnitten und verpackt sein. Das bedeutet, daß - je nach Adressatenkreis - Fremdwörter oder anspruchsvolle Satzkonstruktionen benutzt oder nicht benutzt werden können. Mit Fachbegriffen verhält es sich ebenso.
Gliederung - Ordnung
Gliederung – Ordnung ++ + +/- - -- Unübersichtlichkeit Zusammenhanglosigkeit
• gegliedert • ungegliedert
• folgerichtig • zusammenhanglos, wirr
• übersichtlich • unübersichtlich
• gute Unterscheidung von Wesentlichem
und Unwesentlichem • schlechte Unterscheidung von
Wesentlichem und Unwesentlichem
• der rote Faden bleibt sichtbar • man verliert den roten Faden
• alles kommt schön der Reihe nach • alles geht durcheinander
Quelle: erweitert nach Langer, Schulz v. Thun & Tausch 1974
Die Gliederung und Ordnung eines Vortrages erhält mit der Dauer der Präsentation zunehmendes Gewicht. HOBERG (1994, 297) unterscheidet zwei Arten: die äußere und die innere.
Die äußere Gliederung
• nennt das Thema, zum Beispiel für den Vortrag
• Ankündigung, wie Vortrag aufgebaut ist bzw. macht deutlich, in welcher Reihen-
zen mündlichen Überblick oder schriftlich (Gliederung auf Flipchart, Folie, mar- kierte Randleiste in PowerPoint) gegeben werden (und während des Vortrages sichtbar für alle Teilnehmer stehen bleiben).
• gezielter Einsatz von Strukturierungselementen wie Form, Farbe, Aufzählungszeichen
• Überschriften
• Überschriften deutlich kennzeichnen (Schrift, Farbe)
• Pausen einlegen
• kurze Zusammenfassung nach Abschluß eines behandelten Themenbereiches
Innere Gliederung
Die innere Gliederung hilft den Teilnehmern, neue Information in ihr bisheriges Ge- dankengebäude einzusortieren. Dazu helfen
• logischer Aufbau (Einleitung, Hauptteil, Schluß)
• Reihenfolge (einen Punkt nach dem anderen abhandeln)
• Oberbegriffe
• Vergleiche mit bereits Bekanntem (Ähnlichkeiten, Unterschiede)
• Bezug herstellen
Die Art, Anzahl und Gestaltung der verwendeten Hilfsmittel sind bei der Gliederung ausschlaggebend, ob der logische Aufbau für die Zuhörer deutlich wird oder nicht.
Kürze, Prägnanz
Kürze – Prägnanz ++ + +/- - -- Weitschweifigkeit
• zu kurz • zu lang
• Verzicht auf Umschreibungen • benutzt Umschreibungen
• aufs Wesentliche beschränkt • viel Unwesentliches
• gedrängt • breit
• aufs Lehrziel konzentriert • abschweifend
• knapp • ausführlich
• jedes Wort ist notwendig • vieles hätte man weglassen können
• treffende Wörter verwenden • Umschreibungen
Quelle: erweitert nach Langer, Schulz v. Thun & Tausch 1974
Was ist unnötig? Informationen dürfen nicht zu knapp, aber auch nicht zu weitschwei- fig sein. Es kommt immer wieder vor, daß man bei einem Vortrag einen Augenblick nicht zugehört hat. Jeder Hörer, der kurz mit seinen Gedanken abschweift, muß eine Chance haben, wieder zuhören zu können. Daher ist es wichtig, daß „Redundanz“ der Information erlaubt, daß man „das Versäumte“ nachholen kann: Der Präsentator sollte daher zunächst die Kerngedanken prägnant darlegen und anschließend mit anderen Worten oder mit Hilfe von Beispielen das Gesagte noch einmal erläutern. Dies bedeu-
tet nicht, einen langen Vortrag zu halten, denn Aufnahmen und Konzentrationsfähig- keit sind begrenzt.
Zusätzliche Stimulanz
Das Interesse der Zuhörer und Zuhörerinnen ist nicht automatisch gegeben. Anregende Zusätze sollen das Interesse und die Aufmerksamkeit der Zuhörer erhöhen. Hier ist der Präsentator mit seiner gesamten Persönlichkeit gefordert. Unter diese Rubrik fallen die unterschiedlichsten Stilmittel, um die Zuhörer nicht nur intellektuell, sondern auch ge- fühlsmäßig anzusprechen (SCHULZ V. THUN 1986, 146), wie direkte Rede, Kurzdialog, Frage aus Publikum, griffiges Zitat, Sprichwort, Redensart, Wortmetapher, Bildmeta- pher, Bild. Dabei gilt es jedoch, vorsichtig zu dosieren („... zuviel von dir würde die Suppe versalzen!“(S. 147), daher wird hier ein breites Optimum vorgeschlagen. Der Präsentator soll kein Clown oder Entertainer sein, sondern sich der Mittel bedienen, die Verständlichkeit erhöhen.
zusätzliche Stimulanz ++ + +/- - -- keine zusätzliche Stimulanz
• anregend • nüchtern
• Sachinformation mit der eigenen
Person verbinden • Persönliches konsequent vermeiden
• abwechslungsreich • gleich bleibend neutral
• persönlich • unpersönlich
• bildhaft • abstrakt begrifflich
Quelle: Langer, Schulz v. Thun & Tausch 1974
Gestaltungsmöglichkeiten für zusätzliche Stimulanz während eines Vortrages sind:
• Beispiele aus der eigenen und vermuteten Lebenswelt der Teilnehmer verwenden (SCHULZ V. THUN 1986, 146)
• Sprachliche Bilder gebrauchen, die Analogien zu elementaren Grunderfahrungen aufweisen (SCHULZ V. THUN 1986, 146), z.B. „...daß sich aus Phantasien sowohl Käfige als auch Brücken bauen lassen“ (SCHULZ V. THUN, 1986, 146)
• Graphische Abbildungen und Zeichnungen; diese dienen oft zusätzlich der Gliede- rung - Ordnung, da sie die gedankliche Struktur oder den „Bauplan“ eines Texters sichtbar machen (SCHULZ V. THUN 1986, 146-147)
• Die Möglichkeiten der eigenen Stimme nutzen. Gleichförmige Intonation schläfert die Zuhörer ein. Bereits schon durch die Nutzung der vielen Möglichkeiten der Stimme kann man das Interesse und die Aufmerksamkeit der Zuhörer wach halten.
Mit der Stimme spielen bedeutet, dynamisch sprechen: laut, leise, schneller, lang- samer, Pausen machen, an passender Stelle die Stimme heben oder gegebenenfalls flüstern (HOBERG 1994, 301).
• Von sich selbst sprechen und die Sachinformation mit der eigenen Person verbin- den, z.B. erklären, weshalb bestimmte Inhalte herausgestellt werden, was für mich
Die vier Dimensionen sind unabhängig voneinander, d.h. eine positive Ausprägung in der Dimension „Einfachheit“ besagt noch nicht, daß der Text/Vortrag auch gut geglie- dert ist und umgekehrt. Lediglich die Dimensionen „Kürze/Prägnanz“ und „Zusätzliche Stimulanz“ können sich ins Gehege kommen, wenn einmal anregende Textelemente auf Kosten der Kürze gehen sollten. Von allen vier Dimensionen konnte nachgewiesen werden, daß sie Einfluß auf das Verstehen und Behalten ausüben. Auch konnten Texte aus vielen Bereichen des wissenschaftlichen und öffentlichen Lebens in diesen Dimen- sionen so verbessert werden, daß sich nachweisbar bessere Verstehens- und Behaltens- leistungen ergaben.