SAMUDRÄ IM VEDA
Von Konrad Klaus, Bochum
Bei der Interpretation des vedischen Schrifttums stellt das Wort samudrd scheinbar kein Problem dar. Es ist von J. Wackemagel analysiert worden als Zu¬
sammensetzung aus sam „zusammen", *jiär „Wasser" sowie einem Suffix -d-' und bedeutet danach wörtlich „Zusammen[fluß von] Wasser". Als solcher wird
in der vedischen Literatur, den Wörterbüchem und Übersetzungen nach, das
Meer bezeichnet. Die vedischen Vorstellungen über dieses gelten als von H.
Lüders abschließend behandelt^: Von der Zeit des RV^an dachten sich die Inder
die Erde ringsum vom Meer umgeben, wobei sie mythische Vorstellungen
mischten mit realen, die sie aus der Kenntnis des Indischen Ozeans bezogen".
Danach scheint heute allenfalls noch die Frage offen, ob es im Weltbild der vedi¬
schen Sänger neben dem irdischen auch einen himmlischen samudrd gegeben
hat'. Doch möchte ich im folgenden nicht dazu Stellung nehmen. Vielmehr
möchte ich der Frage nachgehen, ob samudrd im Veda tatsächlich stets das die
Erde umgebende Meer bezeichnet.
Anlaß dazu geben einige Stellen in den Brähmanas und Upanisads, von
denen eine hier als Beispiel genügen muß: SB 12, 2, 1, 1-5 wird die Durch¬
fühmng des gaväm ayana, eines ein Jahr dauemden Somaopfers, mit dem Durch¬
schwimmen des samudrd verglichen. Letzteres geht im einzelnen so vor sich:
Man begibt sich über einen Zugang, tlrthä, ins Wasser. Von einer Untiefe, gädhä,
aus, an der einem das Wasser bis zur Achsel oder zum Hals reicht, schwimmt
man los. Hierauf muß man eine weite Strecke schwimmen, ehe man wieder auf
eine Untiefe stößt. Von dort aus geht man über Stellen, an denen einem das
Wasser bis zum Schenkel, zum Knie bzw. zum Knöchel reicht, auf eine Insel,
dvlpä. Von der Insel aus begibt man sich wieder ins Wasser und muß emeut eine
weite Strecke schwimmen, ehe man das andere Ufer des samudrd erreicht*. Auch
1 Allindische Grammaiik. Bd. II, 1. 2. Aufl. Göttingen 1957. S. 75; 112.
2 Vgl. Hoffmann, K.: Aufsäize zur Indoiranistik. Hrsg. von J. Narten. Bd. 1. Wiesbaden 1975.
S.47.
3 Die hier für vedische Texte verwendeten Abkürzungen sowie die benutzten Ausgaben und Übersetzungen sind die üblichen. Die vollständigen Anga>^n entnehme man bei Bedarf folgender Publikation: Rau, W.: Zur vedischen Alieriumskunde. Wiesbaden 1983. (=
AAWL, Geistes- und Sozial wissenschaftliche Klasse, Jg. 1983, Nr. 1). S. 7 ff 4 Varuria. Aus dem Nachlaß hrsg. von L. Alsdorf [Bd.] 1. Göuingen 1951. S. 92 ff 5 Vgl. Lüders, a.a.O., S. 10 ff ; 111 ff; dazu etwa Hoffmann, a.a.O., S. 46 ff; Kuiper, F.B.J.:
Ancient Indian Cosmogony. Essays selected and introduced by J. Irwin. New Delhi 1983. S.
74 f ; 148 ff
6 samudrdip vd eld prätaranti I ye samvaisardya dik^ante täsya tlrthäm evä präyanfyo ' tiräträs tlrthina hi prasndnti täd ydl präyanfyam alirälräm upayänli yäthä llrihena samudrärp
wenn Eggeling hier samudrd mit „ocean" übersetzt, bedarf es wohl keiner
näheren Begründung, warum an dieser Stelle nicht das die Erde umgebende
Meer gemeint sein kann, sondem irgendein anderes Gewässer, wahrscheinlich
ein breiter Fluß, gemeint sein muß. Die Frage ist dann: welches Gewässer oder
welcher Fluß?
Einen Ansatzpunkt für die Beantwortung dieser Frage bietet die Sekun¬
därliteratur zum R V aus dem vorigen Jahrhundert. Nach Ansicht von H. Zimmer
etwa gibt es im ganzen RV nur eine Stelle, an der samudrd eindeudg das Meer
bezeichnet. Es handelt sich dabei um die Strophe 7,95,2, auf die im Verlauf noch
einzugehen sein wird. Danach mag samudrd das Meer auch an weniger ein¬
deutigen Stellen meinen. In der Regel läßt sich jedoch darunter der Strom
verstehen, den der Indus nach seiner Vereinigung mit den Flüssen des Pafijab
bildet'. Wenn Zimmer recht hat, steht der Annahme nichts im Wege, daß
samudrd auch in der späteren Literatur gelegentlich noch den Indus und, wie wir
weiter vermuten dürfen, auch den Ganges bezeichnet*. Die erwähnten Stellen in
den Brähmanas und Upanisads erhalten so alle einen befriedigenden Sinn'.
Wenn Zimmer recht hat ... Dagegen steht aber die heute gühige Ansicht über die
Bedeutung von samudrd und der ausdrückliche Widerspmch von Lüders'".
Damm bleibt nichts anderes übrig, als die Belege für samudrd imRV durch¬
zusehen und sich ein eigenes Urteil zu bilden.
prasnäyüs tädrk lät Hillgädhäm eväprati{[ha caturvimsäm dha/i Iyälhopapaksadaghnäm vä kanlhadaghnäm vä ydlo viSrämya prasnanti prasneyo 'bhiplaväh prasneyah prs(hyah Hill gädhäm evä praUslhabhijü I ydthopapak}adaghnärp vä kai}(hadaghnätp vä ydlo visrdm- yotkrdmanty ürudaghnä evä prathamäh svärasämä jänudaghnö dvitiyah kulphadaghnäs irltyo dvipäh prati^iha vi^uvän kulphadaghnd evä pralhamd 'rväksämäjänudaghnö dviltya ürudaghnäs trityah Ißll gädhäm evä pratinha visvaj'u I ydlhopapakfadaghnätp vä kanjha- daghndm vä ydlo viSrdmya prasndnu prasneyah pr^thyah prasneyo 'bhiplaväh prasneye goäyüsi prasneyo dasarätrdh HAU gädhäm evä pralistha mahävraiäm I ydihopapakfaäaghnärp väkaiflhadaghnäifi väyälo viSrdmyotsndnli lirlhäm evödayantyo ' lirätrds llrihena hy ütsnänü läd ydd udayaniyam atirätrdm upayänti yäthä llrihena samudrärp prasnaya ilrihenoisnäyüs täd^k idi (= GB 1,5,2 [113,14 ff.]). Vgl. TS 7,5,1,2 f.; 7,5,3,1 f.; KS 33,5 [30,17 ff.]; AB 6,21,10(= GB 2,6,3 [247,5 ff.]); PVB 5,8,5; 14,5,17;yB 1,165 [69,12 f.]; 1,332 [138,28 f.];
ferner JUB 1,25.5; C/if/ 6,10,1.
7 Allindisches Leben. Die Culiur der vedischen Arier nach den Samhiiä dargestellt. Berlin 1879. S . 21 ff Vgl. De Saint-Martin, V.: ^tude sur la geographic et les populations primitives du nord-ouest de finde d'apres les hymnes vediques. Paris 1860. S. 21, Anm. 2; 62 ff.
8 Daß Sb 12,2,1,1 -5 - wenn überhaupt - der Ganges und nicht der Indus gemeint ist, ergibt sich aus dem, was wir über das Entstehungsgebiet dieses Textes wissen. Vgl. Mylius, K.:
Untersuchungen zur Entstehungsgegend des ^atapatha-Brähmana. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universiiät Leipzig. Gesellschaftswissenschafüich-sprachwis- senschafUiche Reihe. 14. Jg. 1965. S. 759-61.
9 JUB 1,25,5 und ChU 6,10,1 wäre dann vom Indus bzw. vom Ganges und dem Meer um die Erde die Rede.
10 A.a.O., S. 104. Vgl. Hillebrandt, A.: Vedische Mythologie. 2. Bd. Nachdruck der 2.
veränderten Aufl. Breslau 1929. Hildesheim 1965. S. 11 ff.
Folgende Eigenschaften des samudrd werden imRV genannt: Er liegt in der Feme", er ist feucht'\ er ist in Bewegung wie der Wind und der Wald". Er ist einerseits unerschöpflich'" und wird andererseits durch die Flüsse, die in ihn Hießen, nicht gefüllt". Schließlich ist er tief'*, gibt es in ihm iceinen Halt, Iceine
Stelle zum Stehen, nichts zum Anfassen". Diesbezüglich sind zwei Dinge
festzuhalten: Zum einen treffen die genannten Eigenschaften auf beide zu, auf
das Weltmeer ebenso wie auf den Indus. Zum anderen bedarf es, wenn samudrd
das Weltmeer ist, einer Erklämng, wamm für das Meer charakteristische Dinge
wie z.B. die Erscheinung von Ebbe und Flut oder die Salzigkeit des Wassers
nicht erwähnt werden. Diese Erklämng liefert Lüders, der von den vedischen
Sängem sagt: „Mögen sie immerhin eine Kunde von dem Indischen Ozean
gehabt haben; mit eigenen Augen wüd kaum einer von ihnen das Meer gesehen
haben, das mehr als tausend Kilometer vom eigentlichen Schauplatz der Lieder
entfemt liegt. Was die Rsis von dem Meere zu sagen haben, ist herzlich wenig,
und das Wenige so farblos, daß Zimmer gewiß recht hat, wenn er ihnen eine auf
eigene Anschauung gegründete Kenntnis des Meeres abspricht"'*.
Handelte es sich zuvor nur um vereinzelte Mitteilungen, so wird eines im
Zusammenhang mit dem samudrd immer wieder erwähnt: Die Flüsse, Ströme,
Wasser usw. fließen zu ihm hin. 1, 55, 2 heißt es z.B.: sö arnavö nä nadyäh
samudrlyah präti grbhnäti visrtä värimabhih „Er (nämlich Indra) nimmt durch
[seine] Weiten [die Somatränke] entgegegen wie die zum samudrd gtKongt Flut
die auseinandergelaufenen Rüsse"". Die Vermutung liegt nahe, daß es diese
Erscheinung war, die den Eindmek hervorgerufen hat, der zur Bildung der
Bezeichnung samudrd führte. Für denjenigen, der unter samudrd das Meer
verstehen will, ergeben sich daraus mehrere Probleme: Es ist eine historische Tatsache, daß die vedischen Stämme zu der Zeit, als der R V verfaßt wurde, ganz
ungefähr, das nordwestliche Indien besiedelten. Die \m RV genannten Flüsse
sind daher im wesentlichen die Flüsse des nordwestlichen Indien, und diese
fließen alle mehr als 700 Kilometer vom Meer enfemt in den Indus. Wie konnten
11 yddväsahaparävdnsamuäräädhimdndase8A2,\7\ydttesamudrämarnavämmänojag^^
dürakäm 10,58,5.
12 samudräsya dhänvann ärdrdsya pari 1,116,4.
13 yäthä väto yäthä vdnarp yäthä samudrd ejan 5,78,8.
14 tvdrp vhhänadyä indrasärtavi 'chäsamuärdmasrjo [...] itdütirayuhjatasämandmdrtham dlqitam 1,130,5.
15 S. S. 370 f
16 samudrdsyeva mahima gabhirdh 7,33,8.
17 anH-ambhani iddavtrayethämanäslhäne agrabhaiie samudrd \,\\6,5.
18 A.a.O., S. 106 f
19 Vgl. 1,32,2; 1,52,4; 1,71,7; 1,130,5; l,190,7;2,19,3;3,33,2;3,36,6f;3,46,4;6,17,12; 6,19,5;
6,30,4; 6,36,3; 8,3,10; 8,6,4 u. 13; 8,44,25; 8,92,22; 9,88,6; 9,107,9; 9,108,16; femer 5,44,9;
5,85,6; 8,6,35; 1,12,2; 8,16,2.
die vedischen Inder da das Meer und nicht den Indus sam-udrä „Zusammen[fluß von] Wasser" nennen? Hätten sie das Meer nicht *vy-udrä „Auseinander[fluß von] Wasser" genannt? Diese Überlegung ist keine spitzfindige Spielerei, sondem basiert auf /4 V 6,105,3: evä tväm käsepräpata samudräsyänu viksaräm
„So fliege du, Husten! fort zum Auseinanderfluß des samudrähinV Hier ist, wie
Zimmer gesehen hat, samudrd der Indus und samudräsya viksarädtr Indische
Ozean^", vielleicht auch nur das Mündungsdelta des Indus. Will man der
Gmndbedeutung von samudrd keinen so großen Wert beimessen, so bleibt doch
die Frage: Wamm erwähnen die Dichter nie, daß sich die Flüsse erst zu einem
breiten Strom vereinigen, ehe sie ins Meer fließen?^' Und weiter: Wenn der
samudrd, in den die Flüsse fließen, das Meer ist, wenn also die Worte
samudrärthä ... äpah in der Sffophe 7,49,2 als „die Wasser, deren Ziel das Meer ist" zu übersetzen sind, wie kann dann der Dichter von 2, 17, 3 gar sagen: prä
jiräyah sisrate sadhryäk prthak „Die Ströme laufen jeder für sich vor¬
wärts dem gemeinsamen Ziel zu"?-^. Ich vermag auf diese Fragen ebensowenig eine befriedigende Antwort zu finden wie auf die folgenden:
1) In der Strophe 1,8,7 wird von Indras Bauch gesagt, daß er wie der sowwdrd anschwillt". Ähnlich heißt es 8, 3, 4, Indra habe sich ausgebreitet wie der samudrd^, und 8,6,35, Indra hätten die Lx)blieder wachsen lassen wie die Flüsse den samudrd^. Diese Vergleiche spielen sicher nicht auf die tägliche Flut oder
auf Spring- oder Sturmfluten an: Zum einen wird das Anschwellen, Sich¬
ausbreiten, Wachsen des samudrd dem Zusammenhang nach auf die Wasser¬
zufuhr durch die Flüsse zurückgeführt. Zum anderen heißt es auch von Flüssen,
Strömen oder Wassem, daß sie anschwellen-'*, sich ausbreiten^', wachsen^, und
es wird sich jeweils um das gleiche Phänomen handeln wie im Fall des samudrd.
20 A.a.O., S. 28. Vgl. Lüders, a.a.O., S. 93, Anm. 7; 101.
21 Von der Vipäi und der Sutudri, deren Wasser zusammenfließt, ehe sie dann als Sutudri in den Indus münden, heißt es dagegen in der Strophe 3,33,2: [...] dchä samudrdm [...] yäthafi I samäräne ürmQjhih pmvamäne anyäväm anyäm dpy eli s'ubhre „[...] geht ihr zum Meere [... ].
Wenn ihr mit den Wogen an.schwellend euch vereinigt habt, geht die eine von euch in der anderen auf, ihr Schmucken". (Geldner).
22 Vgl. visriäoben in der Stfophe 1,55,2. Auf den Indus trifft diese Aussage um so mehr zu, als dieser sei t alter Zeit sein Bett ständig nach Westen verlagert hat, vgl. Wilhelmy , Herbert: Der
„wandernde" Strom. In: Erdkunde. Archiv für wissenschaftliche Geographie. Bd. xx. 1966.
S. 265-76.
23 ydh kuk^ih somapatamah samudrd iva pinvate I ürvir apo nd käküdah. Vgl. 8,12,5; 9,64,8.
24 äydrp sahäsram r^ibhit} sdhaskrlafi samudrd iva paprathe.
25 indram ukthdni vävrdhuh samudrdm iva sindhavah.
26 1,8,7 (s. Anm. 23);'3,33,2 (s. Anm. 21) u. 4; 6,52,4 u. 6; 7,34,3.
27 7,18,5; 10,62,9.
28 5,11,5:8,98,8.
Welche natürliche Gegebenheit liegt dann den Vergleichen zugrunde, wenn samudrd das Meer ist?^
2) Nicht nur das Anschwellen des samudrd, auch das Fließen der Flüsse in
den samudrd und dessen Eigenschaften werden zu Vergleichen herangezogen'".
Ebensooft dient samudrd als übertragene Bezeichnung für verschiedene
Götter", für das Mischwasser'^, das dem ausgepreßten Soma zugesetzt wird, für die , Ströme' des Regens" und für das Herz des Dichters**. Wie ist dieser Befund
zu erklären, wenn den vedischen Sängem der samudrd nur vom Hörensagen
bekannt war? Anders gefragt: Warum assoziieren die Dichter so häufig Dinge
aus den Bereichen des Mythos, des Rituals und des Profanen mit etwas, von dem sie überhaupt keine Anschauung besitzen?
3) Einige Stellen deuten darauf, daß man den samudrd mit Schiffen befahren hat, etwa 6,58,3": yds tepüsan novo antäh samudre hiranyäyir antärikse cäranti.
Einerlei, ob wir bei der Übersetzung der Suophe Geldner folgen: „Deine
goldenen Schiffe, Püsan, die im Luftmeer fahren" oder Lüders: „deine Schiffe, o Püsan, die im Meere, die goldenen, die im Luftraum dahingehen'"*, so reden
kann der Dichter doch nur, wenn er Schiffe gesehen hat, die auf dem samudrd
fahren. Wie ist dies mit der Tatsache vereinbar, daß die vedischen Inder weit
entfemt vom Meer siedelten? Und wie paßt das zu dem, was wir sonst über
Bauart und Verwendung der nau oder plavä genannten Wasserfahrzeuge erfah¬
ren?"
Meines Erachtens kann danach im RV, an vielen Stellen wenigstens, mit
samudrd nicht das die Erde umgebende Meer gemeint sein Es bleibt allerdings
29 Wer unter samudrd den Indus versteht, kann auf geographische Tatsachen verweisen: „Im März, bei Einsetzen der Schneeschmelze im Himalaya, von Milte Juni bis September durch Monsunregen verstärkt, beginnt der Indus anzuschwellen, steigt im Juli bis 15m [...] über seinen Normalstand an und überflutet die viele Kilometer breite Talaue. Die Wasserführung der Panjabnebenfl üssc steigt auf das 20-40 fache ihres Niedrigstandes [...]. Aus dem Sindhu wird der Mitho Darya, das „Süßwassermeer"." Wilhelmy, a.a.O., S. 267.
30 1,8,7; 1,11,1; 1,30,3; 1,52,4; 1,55,2; 1,71,1; 1,190,7; 3,36,6f; 3,46,4; 5,78,8; 6,19,5; 6,36,3;
7,33,8; 8,3,4; 8,6,4 u. 35; 8,12,5; 8,16,2; 8,44,25; 8,92,22; 9,88,6; 9,107,9; 9,108,16.
31 Indra-Visnu: 6,69,6; Varuna: 8,41,8; Agni: 10,5,1; Sonne: 5,47,3; Soma: z.B. 1,110,1;
8,13,15; 8,65,2; 9,2,5; 9,64"8; 9,86,29; 9,97,40; 9,101,6; 9,109,4.
32 1,173,8; 9,78,3; femer 9,35,2; 9,62,26; 9,107,21 u. 23?
33 1,164,42.
34 4,58,5 u. 11; nach Gcldner auch 1,159,4; 10,5,1; 10,177,1.
35 Vgl. 1,25,7; 1,116,3 ff (dazu 1,182, 5 f.); femer 1,48,3; 1,56,2; 4,55,6; 7,88,3.
36 A.a.O., S. 114.
37 Vgl. Zimmer, a.a.O., S. 255 ff; dazu Lüders, a.a.O., S. 107 ff
38 Vgl. noch die Suophen 10,30,3 und 10,142,7 f , wo samudrd deudich ein Binnengewässer bezeichnet, nach Lüders, a.a.O, S. 102, allerdings nur in übertragenem Sinne. Die von Lüders, a.a.O., S. 128 ff, für das Wort sindhu angenommene Bedeutung „Meer" - neben
„Strom" - ist natürlich ebenfalls aufzugeben.
fraglich, ob stattdessen in jedem Fall der Indus nach seiner Vereinigung mit den
Flüssen des Panjab gemeint ist, denn von samudrd ist gelegentlich auch in der
Mehrzahl die Rede". Lüders zufolge wäre in diesen Fällen das die Erde um¬
gebende Meer gemeint, das nach den vier Himmelsrichtungen in vier Meere
unterteilt wird"". Dafür spricht, daß an zwei der Stellen ausdrücklich vier Meere erwähnt werden"'. Doch betrachten wir dagegen die Strophe 10, 136, 5: vatas-
yäSvo väyöh sdkhätho devesito münih I ubhaü samudrav ä kseti yäi ca piirva
utäparah „Des Väta (Sturmes) Roß, des Väyu (Windes) Freund und von den
Göttem getrieben ist der Verzückte. Er wohnt an beiden Meeren, am östlichen und am wesüichen". (Geldner). Was ist hier wahrscheinlicher: Handelt es sich
bei den beiden samudrd um mythische Meere im Osten und Westen bzw. konkret
um den Golf von Bengalen und das Arabische Meer?"^ Oder um den Ganges und
den Indus?
Es sind nun die Stellen zu besprechen, an denen samudrd nach Meinung der
Autoren eindeudg das Meer bezeichnet. Zunächst ist hier die Strophe 7, 95, 2
zu nennen: ikäcetat sdrasvati nadtnärn iücir yatt giribhya d sarruidrät I rä^äS
citantl bhüvanasya bhurer ghrtäm päyo duduhe nahusäya. Nach Zimmer wird
darin von der SarasvatT, womnter er den Indus versteht, gesagt, „es sei bekannt, daß sie allein unter den Flüssen von den Bergen bis zum Samudra laufe". Wenn man nicht künsteln wolle, so meint er, sei anzuerkennen, daß hier samudrd Ozean heiße"'. Nun, einmal abgesehen davon, ob die Sarasvatr hier oder sonst irgendwo imRV der Indus ist"": Es wird in der Strophe keineswegs gesagt, daß sie allein
unter den Flüssen von den Bergen zum samudrd fließt. Vielmehr muß die
Übersetzung in Anlehnung an Geldner etwa so lauten: „Einzig unter den Strö¬
men tmg Sarasvatr Sorge, von den Bergen zum samudrd klar fließend. Für den
Reichtum der vielgestalügen Welt Sorge tragend, spendete sie Schmalz und
Milch dem Nahusstamm". Als Beweis dafür, daß samudrd das Meer bezeichnet,
kann diese Stelle damit nicht dienen. Nach Ansicht von Lüders läßt sich
weiterhin die Strophe 5,85,6 „für eine gewisse Kunde der Rsis von dem Meere
geltend machen""'. Diese lautet: imam ü nü kavitamasya mäyäm mahtrn devdsya näkir ädadharsa I ikarn yäd udna nä prnänty inir äsincäntir avänayah samudrdm
„Auch dieses große Kunststück des weisesten Gottes wagt keiner anzutasten,
daß die glitzemden Ströme, wenn sie sich ergießen, das eine Meer mit ihrem
39 1,161,14; 2,16,3; 6,50,13; 7,70A 8,20,25; 9,33,6; 9,80,1; 10,47,2; femer 1,164,42; 6.72,3.
40 A.a.O., S. 96 ff 41 9,33,6; 10,47,2.
42 So Lüders, a.a.O., S. 97.
43 A.a.O., S. 25. Vgl. Pischel, R. u. K.F. Geldner Vedische Studien. 1. Bd. Stuttgart 1889. S.
XXIII; Lüders, a.a.O.. S. 104.
44 Sarasvatr könnte auch ein Name für den Oberlauf des Indus vor der Vereinigung mit den Flüssen des Fanjab sein.
45 A.a.O., S. 104.
Wasser nicht fiillen". (Geldner)"*. Für die Bedeutung „Meer" spricht an dieser Stelle, daß das Wundersame des Geschehens, wenigstens für uns, nicht erkennt¬
lich ist, wenn es sich bei samudrd um den Indus handelt. In diesem fließt ja, für
jedermann sichtbar, das Wasser, das die Ströme ihm zuführen, einfach weiter,
und darum füllt er sich nicht. Doch läßt sich auch für die Bedeutung „Indus" ein
Argument anführen: Das , Kunststück' besteht vor allem darin, daß d i e
Ströme den einen samudrd nicht füllen. Nun trifft diese Aussage auf das
Meer nur dann zu, wenn wir uns die Ströme - über mehr als 700 Kilometer - in
einem Bett dahinfließend denken. Wohl läßt sich nicht gänzlich ausschließen, daß eine solche Vorstellung hier impliziert ist, jedoch nimmt sie dem e;ta jegliche Signifikanz. Eindeutig ist diese Stelle danach jedenfalls nicht, und als Beweis im
genannten Sinne kommt auch sie nicht in Frage. Die dritte und letzte hier zu
besprechende Stelle ist die Strophe 5, 55, 5: üd irayathä marutah samudratö yüyäm vrsti'm varsayathäpurisinah. Lüders übersetzt dies: „Ihr, Maruts, treibt
aus dem Meer den Regen herauf und laßt (ihn dann) regnen, ihr Naßreichen""''.
Zweifellos verliert die Aussage an Prägnanz, wenn wir stattdessen samudratäs durch „vom Indus her" wiedergeben, doch sinnvoll bleibt sie auch dann noch"*.
Damit ergibt sich auch aus dieser Stelle die Bedeutung „Meer" für samudrd nicht zwingend. Es bleibt nur das Lied 10,190 übrig, in dem samudrd nicht einen Fluß, sondern die Urflut bezeichnet, aus der die Welt entstanden ist"'.
Leider fehlt hier der Raum, um sämtliche Belege für samudrd imRV vorzu¬
führen, und auch die Besprechung derjenigen in den übrigen Samhitäs muß
unterbleiben'". Dennoch möchte ich zum Abschluß die These, die ich hier zur Diskussion stelle, für die gesamte vedische Literatur formulieren: samudrd ist in
den Büchem 1-9 des RV immer, im 10. Buch des RV und in den anderen
Samhitäs meistens, in den Brähmanas und Upanisads gelegentlich ein breiter
Strom, der durch die Vereinigung von zwei oder mehr Flüssen gebildet wird. In
den allermeisten Fällen handelt es sich dabei um den Indus bzw. in späterer Zeit um den Indus oder den Ganges. Es sei noch nachdrücklich darauf hingewiesen,
46 Vgl. dagegen 1,52,4: äyäm prnänti [...] samudrdm nd „Den [... ] erfüllen wie (die Flüsse) das Meer" (Geldner).
47 A.a.O., S. 104.
48 Es ist außerdem zu berücksichtigen, daß die Vorstellung von der Entstehung des Regens, wie sie die Übersetzung von Lüders voraussetzt, in dieser Form sonst in den Samhitäs, Brähmanas und Upanisads nicht belegt ist.
49 10,190,1 f.: idtordtryajäyataldtah samudrd arnavdh III II samudrädarnavädddhisamvatsarö ajäyata „Daraus entstand die Nacht, daraus der flutende Ozean. 2. Aus dem flutenden Ozean entstand das Jahr". (Geldner).
50 Vgl. Zimmer, a.a.O., S. 28 f. Wenigstens ein sicherer Beleg für samudrd als Bezeichnung eines Binnengewässers sei aus dieser Textgruppe angeführt: KS 17,17 [260,18] = #:'pS 28,1 [139,5] = MS 2,10,1 [131,5] = 17,4 heißt es: samudräsya tvMaicayägne pdrivyayämasi
„Wir umhüllen dich, Agni, mit der ava/tä-Pflanze des samudrd". Bei der ävalcä genannten Pflanze handelt es sich um Blyxa octandra Rieh., eine Süßwasserpflanze.
daß darum die Frage, ob die Arier bereits in der Zeit, als die Bücher 1-9 des R V
verfaßt wurden, von der Existenz des Meeres wußten, nicht automatisch zu
vemeinen ist. Vielleicht lassen sich die Vorstellungen über den mythischen Weltenstrom Rasa für eine solche Kenntnis geltend machen''.
DAS RITUAL DES' SAPTAPADI
Von Wemer F. Menski, London
Mit nicht wenig Genugtuung mag der Indologe feststellen, daß rituelles
Spezialwissen aus seinem Fach auch heute noch großes Interesse findet, und
sogar in recht relevanten und wichdgen Alltagssituationen: Vor kurzem mußte
ein Richter am High Court in London sich mühselig durch einen Stapel von 80
Hochzeitsphotographien eines indischen Ehepaares hindurcharbeiten, um zu
ermitteln, ob dies Ehepaar nun rechtskräftig verheiratet sei oder nicht. Der Mann behauptete, sich nur verlobt zu haben, während die junge Frau zu beweisen such¬
te, daß ein vollständiges Hinduhochzeitsritual ausgeführt worden sei, und zu
diesem Zweck eben ihr Photoalbum vorlegte.
Beide Partner waren Ksatriya Hindus aus dem Panjab. Weil die Photos kei¬
nen Hinweis auf das Saptapadi-Ritual enthielten, tauchte die Frage auf, ob es sich
überhaupt um eine rechtskräftige Zeremonie handeln könnte. Nach Paragraph 7
des indischen Hindu Marriage Act, 1955 erscheint es auf den ersten Blick, daß ein saptapadi unbedingt in einem Hochzeitsritual enthalten sein muß:
„7. Ceremonies for a Hindu Marriage.
(1) A Hindu marriage may be solemnized in accordance widi the customary rites and ceremonies of either party thereto.
(2) Where such rites and ceremonies include the Saptapadi (Üiat is, the talcing of seven steps by the bridegroom and the bride joindy before the sacred fire), the marriage becomes complete and binding when the seventh step is taken".
51 Vgl. etwa 9,41,2; 10,121,4.
1 Es wurde auf der Tagung eingewandt, daß saptapadi als Femininum hier ,der' nötig macht, doch scheint mir der terminus technicus des Rituals hinreichend geläufig zu sein, so daß man ihn als NeuUnam behandeln kann.