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Zur Serie von Entweichungen aus dem Landeskrankenhaus für forensische Psychiatrie Bernburg

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Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung des Landes Sachsen-Anhalt Vorstand: Dr. med. Bernd Langer, Ärztlicher Leiter der AWO Psychiatriezentrum Halle GmbH Erhard Grell, Präsident des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt

Geschäftsstelle: Ernst-Kamieth-Straße 2, 06102 Halle (Saale), Tel. 0345 – 514 1732, www.psychiatrieausschuss.sachsen-anhalt.de

Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung des Landes Sachsen-Anhalt

Pressemitteilung 11/2011

Zur Serie von Entweichungen aus dem Landeskrankenhaus für forensische Psychiatrie Bernburg

Das Landeskrankenhaus Bernburg ist die einzige Maßregelvollzugseinrichtung in Sachsen-Anhalt, in der nach § 64 Strafgesetzbuch in einer Entziehungsanstalt unter- gebrachte Straftäter behandelt werden.

In den vergangenen Tagen ist eine Serie von fünf Entweichungen aus der Maßregel- vollzugsklinik in Bernburg bekannt geworden. Im Jahr 2011 sind somit bereits 23 Pa- tienten aus der Klinik entwichen.

Zu Recht fragt die Öffentlichkeit nach den Ursachen dieser beängstigenden Entwick- lung. Hierzu weist der Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Kranken- versorgung auf folgendes hin:

1. Unzureichende Personalsituation

Seit Jahren wird sowohl seitens der Klinik als auch seitens des Psychiatrieausschus- ses beklagt, dass die Personalstärke nicht ausreicht. Eine externe Ermittlung des Personalbedarfs durch die Kienbaum Management Consultants GmbH, Düsseldorf, deren Ergebnisse im zuständigen Sozialministerium seit Juli 2010 bekannt sind, bes- tätigte einen zusätzlichen Bedarf von 8,58 Personalstellen. Leider wurden die not- wendigen Mittel erst im Juni 2011 freigegeben. Beim Besuch der zuständigen Be- suchskommission im September 2011 waren von 194 Stellen nur 183,5 Stellen be- setzt. Ferner stellte sich heraus, dass die Personalbedarfsermittlung von einer Bele- gung mit 167 Patienten ausging – tatsächlich sind aber durchschnittlich 185 Patien- ten untergebracht.

Die beabsichtigte Absenkung des Anteils der Fachkräfte an der Gesamtpersonalstär- ke verstärkt die Problematik zusätzlich. Zeitweise muss ein Psychologe 20 bis 30 Patienten betreuen. Die früher übliche Beteiligung der Pflegekräfte an der Therapie ist aus Zeitmangel nicht mehr möglich. Die Auseinandersetzung mit den zur Einwei- sung führenden Straftaten ist kaum mehr möglich.

2. Veränderte Patientenstruktur

Die Unterbringung eines Täters in einer Entziehungsanstalt wird von den Gerichten gem. § 64 Strafgesetzbuch angeordnet, wenn ein Hang zum übermäßigen Gebrauch von Alkohol oder anderen Rauschmitteln vorliegt, wenn die Tat im Rausch oder we- gen des Hanges begangen wurde, wenn aufgrund des Hanges weitere rechtswidrige

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Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung des Landes Sachsen-Anhalt Vorstand: Dr. med. Bernd Langer, Ärztlicher Leiter der AWO Psychiatriezentrum Halle GmbH Erhard Grell, Präsident des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt

Geschäftsstelle: Ernst-Kamieth-Straße 2, 06102 Halle (Saale), Tel. 0345 – 514 1732, www.psychiatrieausschuss.sachsen-anhalt.de

Taten zu erwarten sind und wenn eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht einer Therapie vorliegt. In der Praxis begegnet man zunehmend häufiger dem Problem, dass neben einer Suchterkrankung auch weitere psychische Störungen vorliegen, namentlich Persönlichkeitsstörungen. Die in den letzten Jahren zu beobachtende vermehrte Anwendung dieser Rechtsvorschrift auch bei solchen Tätern, bei denen Persönlichkeitsstörungen vorliegen, sowie die Zunahme der Konsumenten illegaler Drogen, speziell aus der Klasse der Stimulanzien (Amfetamine, Metamfetamin), führt zu einer Veränderung der Patientenstruktur der Klinik. Die therapeutischen Anforde- rungen steigen deshalb an.

3. Schlussfolgerungen

Insgesamt ergibt sich nach der Einschätzung des Ausschusses für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung ein Missverhältnis zwischen gestiegenen Anforderungen und unzureichenden personellen Ressourcen. Deren Fehlen macht sich in der langfristigen therapeutischen Arbeit bemerkbar, nicht erst in der konkreten Fluchtsituation.

Die aus der Presse bekannt gewordene Reaktion des Ministeriums für Arbeit und Soziales, sämtliche Lockerungen vorerst auszusetzen, begegnet sowohl erheblichen medizinischen als auch rechtlichen Bedenken. Von dieser Maßnahme werden näm- lich auch diejenigen Patienten erfasst, die nach wie vor motiviert an der Erreichung ihres Therapieziels mitarbeiten. Vollzugslockerungen sind ein unverzichtbarer Faktor für die Motivationsentwicklung und Resozialisierung. In einer von vornherein auf ei- nen Zeitraum von zwei Jahren begrenzten Unterbringung ist die Anwendung eines gestuften Systems von Vollzugslockerungen jederzeit den konkreten Umständen je- des einzelnen Patienten anzupassen.

In der jetzigen Situation werden die Auswirkungen der Versäumnisse in der Vergan- genheit erkennbar. Der Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Kran- kenversorgung fordert deshalb dringend die Erhöhung des Personalschlüssels. Die- se Erhöhung muss der veränderten Patientenstruktur und der erhöhten Auslastung Rechnung tragen. Nur durch eine Verbesserung der Personalstärke, verbunden mit einer kontinuierlichen Verbesserung der Qualifikation, kann eine Verbesserung des Klimas in der Institution erreicht werden. Eine erfolgreiche Kriminaltherapie ist der beste Schutz der Bevölkerung. Die Durchführung des Maßregelvollzuges darf nicht faktisch unter Finanzierungsvorbehalt gestellt werden.

Halle, 25. November 2011

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