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Der. Name Sanherib's.
Von A. Ung>nad.
Der Name des Königs Sanherib, der entweder äftSin-a^^ifneg-
SU oder »^«ÄVi-aħg'»«^--^ff-Äa geschrieben wird, ist bisher als
Sin-aM^)-erba transskribiert worden, wobei man erbu als Präteritum
oder Imperativ einer Wurzel ai'' „mehren" ansah*) mit dem Ideo¬
gramm SU. 5
Auffällig mußte bei dieser Erklärung vor allem zweierlei
bleiben: 1. daß ai"< nur in Eigennamen nachweisbar ist'), 2. daß
die Form, in der uns der Name des Königs im Alten Testament
begegnet, nämlich aiinJD, nicht auf eine Wurzel ai'', sondern a''1
weist. Der letztere Einwurf ließe sich nun durch eine leichte lo
„Emendation" (a^fnao) entkräftigen, wenn nicht das angebliche
assyr. al'' in bilinguen Texten stets als a''1 erschiene ; die vor¬
kommenden Fälle sind:
1. CIS. II, 76 (No. 70) wird der im babylonischen Texte als
S ü-a (bisher Erbd) wiedergegebene Name in der aramäischen Auf- 15
Schrift ''a''1'' geschrieben;
2. im X. Bd. der Babyl. Exped. of the Univ. of Penns. No. 99
erscheint der babylonische Name UftEn-SU (bisher Bil-griba ge¬
lesen) als a''-iNba*);
3. ebendort, Bd. IX No. 66a ist babylonisches Sü-a (bisher 20
Eribä gelesen) = •«a'^IN.
Hieraus folgt mit Notwendigkeit, daß eine Wurzel ai'' in all
diesen Fällen nicht vorliegt, sondeni eine Wurzel a''1. Dem wider¬
spricht augenscheinlich die phonetische Schreibung -^ff-Äa, das
man er-ba liest. Nachdem aber Thureau-Dangin nachgewiesen 25
hat^), daß »^ff in altbabylonischen Texten den Lautwert ri hat,
1) Besser ä^e, als Plural wie im hebr. Q'^nN mit verdoppeltem Jf.
2) Vgl. Delitzsch, Assyr. LesestUcke, 4. Aufl., S. 193a: „Sin, mehre die Brüder"; dagegen H. Ranke, Pers. Names, S. 227, Anm. 3, der sowohl erba als auch eriba als> Präterita erklären will.
3) Auch Streck, Babyloniaca II, S. 232, Anm. 2 ist dieses aufgefallen;
über 3"''' in der Nabonid-Stole (II, 13) s. unten.
4) Übei: ra^l = Ri-bat in demselben Text s. unten.
5) Inscriptions de Sumer et d'Akkad., S. 240, m. Col. II, 1.
722 Ungnad, Der Name Sanherib'i
wird man noch einen Schritt "weiter gehen und annehmen dürfen,
daß der gleiche Wert später noch vorkommt : der Name des Königs
ist also zu lesen : Stn-ah^S-riba.
Dieses gilt nun für alle Eigennamen, die mit der angeblichen
Wurzel a—i zusammengesetzt sind. Im Altbabylonischen fallen dem¬
nach unter die Wurzel ail:
1. rt-ba-am und ri-tb in Namen wie Ri-ba-am-l-U und Ri-
ib-Nu-nu-);
2. -^ff-Äa, lies ri-ba in Ri-ba-Sm^); Ri-ba-Ura^*); Sin-rt-
ba-am^); I-U-ri-ba-am^);
3. i-ri-ba-am'^) in Sin-i-ri-ba-am , UpS-i-rt'-ba-am; I-li-i-ri- ba-am''); I-ri-ib^);
4. e-ri-ba-am^) und e-ri-ib in I-h-e-ri-ba-am; Samai-e-ri-ba-
ajw(?); Sin-e-ri-ib, Sin-e-ri-ba, Sin-e-ri-ba-am; E-ri-ib-Ea; E-ri-
ib-8in; E-ri-ba-am-Sin; E-ri-ba-am; E-ri-ba^'^); E-ri-ba-UraS^^);
E-ri-ib-UraS^^); hyp. E-ri-ba-tum^^), E-ri-bi-ja ''■*);
5. ta-ri-ba und ta-ri-ba-am in litar-ta-ri-ba und Aja-ta-ri-
ba-am^^).
Diese Formen erklären sich so, daß die unter 1. und 2. an¬
geführten Imperative, die unter 3. bis 5. Präterita sind. Hierbei
ist noch zweierlei zu beachten
a) Ein Wechsel von ri-ba am und e-ri-ib findet sich in CT.
IV, 15 a, wo eine Person Z. 6 Sin-ri ba-am , in Z. 12 aber Sin-e-
ri-ib geschrieben wird. Auf dieses einzige Faktum, das dafür
sprechen könnte , daß man statt ri-ba-am vielmehr er-ba-am zu
zu lesen habe , möchte ich jedoch keinen besonderen Wert legen,
sondern eine Nachlässigkeit des Schreibers annehmen");
1) Ob >^TT jemals er zu lesen ist, ist mir zweifelhaft; es müßte noch untersucht werden.
2) Ranke, P. N., S. 139a; S. 244b mit eribam verglichen und mit
.increase" Ubersetzt; hypokoristisch Jti-ba-ja ebend. Vgl. auch BE. VI, 1, S. 50.
3) Ranke, S. 80b.
4) vs. (Vorderas. Schriftdenkm.) VII (in Vorbereitung), 54, 15.
5) Kanke, S. 227 a (unter erba, erbam); ferner VS. VII, 65, 10. 14 u. ö.
6) Ranke, S. 232b.
7) VS. VII, 63, 11; 155, 14.
8) Keisner, Telloh, 209, II, 3.
9) Ranke, S. 227a.
10) VS. VII, 183.
11) VS. VII, 97 (Siegel); 101, 6 u. 8.
12) VS. Vll, 163, 10 u. ö.
13) VS. VII, 102, 5 u. ö.
14) VS. VII, 64, 20 u. ä.
15) Ranke, S. 248, Anm. 5; für ein anderes taribu s. unten.
16) Eine Verkürzung von eribam za^ribam im Neubabylonischen wäre
nichts Auffälliges; vgl. Sanuxä-bäri neben Satnai-abdri (Tallqvist, Namen¬
buch, S. 187 b). Das Gleiche in CT. IV, loa anzunehmen, ist aber nicht ratsam, da solche Verkürzungen sonst im Altbabylonischen nicht begegnen.
Ungnad, Der Name Sanherib'i 723
b) eribam für iribam könnte Bedenken erregen; aber unter
Einfluß eines r geht gern ein i in c über»); genau unter gleichen
Akzentverhältnissen, d. h. in offener Vortonsilbe, begegnet ein Präfix
e für i bisweilen im Präsens des Verbs ragämu; vgl. e-ra-ga-am
CT. II, 34, 15 (Sumu-la el); e-ra-ga-mu CT. II, 37, 24; 50, 23; u. ö. 5
neben i ra ga am CT. II, 9, 16; 22, 20; 28, 15; u. ö.
Es würde zu weit führen, alle mit rib, erib und irib gebildeten
Eigennamen anzuführen; es sei für die Kassitenzeit auf Claj-,
Babyl. Exped. XIV, S. 43 und XV, S. 30 f. verwiesen, wo überall
statt Erba Riba-) zu lesen ist; für tarib vgl. Ta ri-ba-Gula'') lo
(XIV, 10, 45; XV, 154, 37; 198, 37). Für neubabyl. a-'-, finden
sich Belege bei Tallqvist, Namenbuch, S. 317 unter 2-^; für
tariba vgl. ebendort die Namen IStar-ta-ri-ba*) (oder bi) , wofür
sich litar-ta-SU findet, femer Ta SU (d. i. Tariba)-IStar.
Was bedeutet nun diese Wurzel 3''- ? Sie ist zweifellos identisch is mit dem im Kodex Hammm-api's sich häufig findenden a-'i .ersetzen".
Über diese Wurzel hat Streck sich vor kurzem*) eingehend ge¬
äußert und reichliches Material zusammengestellt, dem sich kaum
etwas hinzufügen läßt: zum medialen Grundstamm sei noch der
assyrische Name Nabü tar-ti-ba-u^r (VS. I, 99, 2) erwähnt, der
von Schiffer im 1. Beiheft der Orient. Litt. Ztg. als Nabü-kut-
ti-ba-vt^r verlesen wurde und zu weitgehenden Folgerungen vei--
wendet ist. Die Grundbedeutung dürfte sein „etwas, was man auf
Grund einer Verpflichtung zu geben hat, geben"; die Bedeutung
ist dann ähnlich der von -in im Intensivstamni, mit dem es auch 25
wechselt*); der Name Sin-ahM-rtba bedeutet demnach: „Sin, gib
zur Belohnung (für meine, des Vaters Frömmigkeit) Brüder" ; Namen wie Sin-eribam sind zu übersetzen : „Sin hat Belohnung gegeben", usw.
Auch in Namen wie Nabü-tarüba-usur (VS. I, 99, 2) oder
i^abH-SVyvsur liegen, wie schon bemerkt, Verbalformen vor; die
Namen sind in ihrer Bildung zu vergleichen mit Namen wie Sin-
takiäa-bullit, NabH-taddannii (bezw. tattannu)-usur u. ä. ; sie sind
zu übersetzen : „Nabu, schütze den, welchen Du als Belohnung gabst".
1) Vgl. meine Gramm. § 5ba.
2) Beachte XIV, 19, 18: ^f|l-tÄ-f[«u . . .], d. i. R{-il-[. ..].
3) Für Ta-ri be-Sin, Ta ri be ilu (XV, S. 44) lies wohl Ta-ri-baf.
4) Von ST' könnte ta ri-ba, das des Ideogramms wegen schon von erib nicht getrennt werden darf, nicht abgeleitet werden.
5) Vgl. Babyloniaca II, S. 228 ff.
6) So i-ri-ba iuhte-e parallel u-tir gi-mil-lu (Stele Nabonid's II, 13); vgl.
auch die Namen Nabd-tukte-riba, Nabü-tukte-tirri (TnWqviit, S. 335) und Nabü-gimil-tirri (S. 335 unter nn); ferner Bel-tuk-te-e- GUR (— drri) VS. VI, 204, 8. 13. 26. Hieraus folgt, dafi luktCi. parallel gimillu, rabu par.iilel turru ist.
7) Lies tartiba oder tariba.
724 Ungnad, Der Name Sanherib's.
Ableitungen von der Wurzel sind:
1. ribdiu „Entgelt" (so richtig schon M a cm ill an, BA.
Y, 612), Plural von ribiu; dieses Wort begegnet sehr häufig als
neubabyl. Name: Ribdiu, der in aramäischem Gewände als ra^-i
(Babyl. Exped. X, 99) erscheint *);
2. taribu „Vergeltung" ; so in dem häufigen altbabyl. Namen
Ta-ri-bu-um mit den Ableitungen Tartbatum und Tanbütum.
Man könnte diese Namen für Kurznamen nach Namen wie Nabü-
tartba-usur (s. oben) halten; aber erstens sind derartige Namen
altbabyl. nicht belegt, zweitens sind Vollnamen erhalten, in denen
Taribum ein Substantiv sein muß, nämlich*) Ta-ri-tb-l-U „Ver¬
geltung der Götter" und Ta-ri-ib-ir-^i-tim; der Genetiv zeigt, daß taribum ein Substantiv ist; daneben findet sich tatibtu^).
Wie sich also gezeigt hat, existiert eine Wurzel a-|i im Babyl. -
Assyr. nicht; alle scheinbar davon abgeleiteten Formen gehören
zur Wurzel a''1, die im Grundstamm und im Medium „Vergeltung
geben' oder „als Vergeltung geben" bedeutet.
Die wichtigsten Formen*) sind:
G : Prät. irib{am), erib{am) ; tarib{am) (2. mask, und 3. fem.) ;
Präs. iri'ab (Kod. ^f^i"'"- Hrajah, Hrijab) und irdb; Impr.
rib{am) ; Inf. ri&bum (aus *rjajdbum, *rijabum) *).
Gt: Prät. irüb; Opt. lirtib'');
ribätum: Entgelt;
taribum: Vergeltung.
taribtum: Vergeltung.
1) Im guten (Belohnung) oder bösem Sinne (Strafe) ; in ersterer Bedeutung in den Eigennamen, in letzterer an der von Macmillan behandelten Stelle.
2) Fraglich ist es, ob auch der altbabylonische Frauen name Ri-ba-tum (Ranke, P. N., S. 192; BE. VI, 1 8. 59) als Rtbätum gefaßt werden darf.
Wahrscheinlich liegt nur die fem. Singularendnng vor, also: Rtbatum,.
3) Ranke, S. 169.
4) Vgl. Ta-ri-bat Sin und Ta-ri-bat-ili: Clay, BE. XV, S. 44.
ö) S. oben, sowie Streck, a. a. O.
6) Hierher wohl auch Li-DAN-Ellil — Li-rib-Ellil „Möge E. ver¬
gelten« : VR 44, IV, 33.
7) Vgl. auch Ir-ti-ba-üuSamai bei Clay, BE. XV, 180, 14.
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Studien über die indische Erzählungsliteratur.
Von Jarl Charpentier.
Unter diesem Gemeintitel werde ich mehrere kleinere Studien
über Motivgeschichte, Versähnlichkeiten usw. innerhalb der indischen
Erzählungsliteratur — und gelegentlich auch einzelne kurze Nach¬
weise über indische oder den indischen ähnliche Motive in der
europäischen Literatur — veröffentlichen. Ich mache hier den An¬
fang mit einem Aufsatze über das Hatthipälajätaka und damit ver¬
wandte Texte. Einige größere , zusammenhängende Studien über
ähnliche Gegenstände habe ich in einer größeren Abhandlung be¬
handelt, die vor kurzem unter dem Titel „Studien zur indischen
Erzählungsliteratur. I. Pacceka-Buddhageschichten' in Upsala er¬
schienen ist.
1. Das Hatthipälajätaka.
In WZKM. V, III ff, VI, 1 ff. hat E. Leumann unter dem Titel
„Die Legende von Gitta und Sambhüta' einen Sagenzyklus behandelt,
der, wie er selbst sagt (VI, 4), einen Teil eines „Cyclus von Brahma-
datta-Sagen' ausmacht. Daß die Brahmadattasagen einen sehr großen
Raum in der indischen Erzählungsliteratur einnehmen, ist sicher'^),
auch hat Leumann durchaus nicht alle dazu gehörigen Erzählungen
behandelt, was ja auch der Weitläufigkeit des Stoffes wegen kaum
zu erwarten gewesen wäre. Hier beabsichtige ich nur ein kleines
Supplement zu Leumann's Ausführungen zu geben , indem ich das
Hatthipälajätaka als ein Glied dem Zyklus beifüge.
In WZKM. VI, 12 ff. spricht Leumann nämlich von dem
XIV. Kapitel des Uttarajjhayana , das er ohne Zweifel mit Recht
1) Aus gewissen Gründen ist es mir sogar glaublich , daß es schon in sehr frühen Zeiten einen ganzen Brahmadattazyklus gegeben hat, der von Süta's erzählt wurde, ebenso wie die Sagen der Pänduiden usw., und aus dem dann die verschiedenen Traditionen geschöpft haben. Die ungeheure Popularität des Namens Brahmadatta wird ja durch die Jätakaliteratur bezeugt. Gerade des¬
wegen glaube ich auch mit Recht annehmen zu dürfen , daß die Brahmadatta- epen im Osten Indiens zu Hause waren, umsomehr als die älteren Teile des MahSbhärata , die ja im Westen entstanden sind, soviel ich weiß, nichts von Brahmadatta zu erzählen wissen. Über alte verschollene Heldengedichte in Indien vgl. besonders Jacobi in Album Kern p. 53 ff.
Zeitsohritt der D. M. G. Bd. LXII. *7