Hanns Stock: Die erste Zwischenzeit Ägyptens. (Analecta Orientalia 31,
Studia Aegyptiaca II, Pontificium Institutum Biblicum Rom 1949)
110 S., 14 Taf. imd 5 Karten.
Der Münchner Ägyptologe Hanns Stock hat es vor dem Kriege im We¬
sentlichen an Hand von Kleinfunden unternommen, historische Probleme
der zweiten Zwischenzeit der altägyptischen Geschichte zu klären und in
seinen Studien zur Geschichte und Archäologie der 13. bis 17. Dynastie unter
besonderer Berücksichtigung der Skarabäen dieser Zwischenzeit (1937) eine
Überlagerung der in sie fallenden Dynastien nachgewiesen. Seither befaßte
er sich mit der Zeit zwischen dem Alten und dem Mittleren Reich, wobei die
gewonnene Methode gegenüber den reicheren Nachrichten und Denkmälern
verfeinert und erweitert werden mußte. Die Ergebnisse seiner Unter¬
suchungen liegen in einer reich ausgestatteten, übersichtlich gegliederten
Abhandlung Die erste Zwisclienzeit Ägyptens, Untergang der Pyramidenzeit
Zwischenreiche in Abydos und Herakleopolis, Aufstieg Thebens vor, die im
Biblischen Institut des Vatikans erschienen ist. Sich auf Untersuchungen
H. Kees über das Aufkommen von Feudalherren in Oberägypten stürzend
(S. 2 f.), verfolgt Stock die Auflösung überragender Königsmacht bis zu
ersten Anzeichen von Nebenregierungen, die in der Einrichtung einer
eigenen zentralen Verwaltungsstelle für das langgestreckte Oberägypten
greifbar werden und eine Auseinandersetzung mit dem oberägyptischen
Feudaladel aufzeigen oder einleiten. ,,Die interessante Entwicklung" des
Amtes eines Vorstehers Oberägyptens und seines „Titels verläuft völlig
parallel zu jener der Feudalherren, nur eben in umgekehrter Richtung, in¬
sofern als eines am Wachsen des anderen verging" (S. 3). Daß diese Ent¬
wicklung in der 5. Dynastie beginnt und sich mit dem Aufbau eines neuen
Königskultes in Heliopolis abzeichnet, bestätigen auffällig die Königs¬
annalen, nach denen die Könige diesen Kult in Unterägypten verankern und
dort unmittelbarer herrschen als in Oberägypten. Sie ist schon in der Zu¬
sammenfassung der Residenzen und Königsgräber in Memphis durch König
Djoser, den ersten Pyramidenerbauer, vorgezeichnet, die zwar nach einer
Rebellion Unterägyptens zur Sicherung der Einheit der beiden Länder er¬
folgte, aber doch zugleich das Gleichgewicht dieser Länder störte, insofern der König nun dicht am Deltarand residierte und im langen oberägyptischen
Tal früher oder später Statthalter benötigte. Wenn das Königtum, das durch
Geschwisterheirat ,, göttlichen Samen" wahrte und mit der Fiktion der Ab¬
stammung vom Sonnengott den „Menschen", Beamten und Untertanen,
Schranken setzte, sich mächtige Gaufürsten durch Heirat zu verpflichten
sucht, ist es vermutlich schon zu spät.
Die Urkunden, die das Alte Reich hinterlassen hat, beschränken sich in
ihrer Mehrzahl auf Beamtentitel, Verwandtschaftsangaben und Namen, die
an Opfergebete oder Bitton um Opfergebete anschließen. Nachrichten,
welche die historische Vergangenheit unmittelbar erschließen, wie Lebens-
beriohte, königliche Handschreiben, Dekrete imd Annalen bleiben selten und
werden als mehr oder weniger zufällig erhaltene Reste angesehen und be¬
wertet. Stock hat solche Nachrichten wie in einem Indizienbeweis zusammen¬
geschlossen und zeigt mit dem gewonnenen Bilde, daß sich der Versuch lohnt.
Wenn der Name einer Königin, die auf Grund nicht genannter Vorkomm-
uisse im Palast abgesetzt wird, vom verantwortlichen Beamten (Weni) ver¬
schwiegen wird, liegt dies an der Natur des Verfahrens, das ihn im Geheimnis
des Palastes sowohl als Schreiber wie als Richter, ohne Hinzuziehung eines
Veziers und anderer Beamter fungieren läßt. Stock findet die Königin in
der leiblichen Königstochter mit Königinnennamen wieder, die mit einem
erwachsenen Sohn als Gemahlin des Veziers Mereruka in dessen Grabe mit
besonderen Grabkulten erscheint (S. 5). Ihre Absetzung und Wieder¬
verheiratung habe den Weg zur Heirat ihres Gemahls, Königs Pepi I. mit
■zwei Töchtern eines abydenischen Fürsten freigemacht, von der wir durch
einen Pfosten aus dem Grabe eines Vezirs unterrichtet sind, der sich rühmt,
Bruder zweier Königinnen — mit gleichem Hofnamen (S. 6) — zu sein.
Ihre Söhne folgen nacheinander als König Merenre und König Pepi II. ihrem
Vater. Diese Versohwägerung muß der „oberägyptischen Sippe" (S. 6) der
letzten Könige des Alten Reiches besondere Vorrechte eingebracht haben,
was Stock an Titeln verfolgt. In die Zwischenzeit treten sie als Herren über
5 Gaue, an deren Spitze Abydos und nicht Koptos steht (S. 32ff.). In der
großen Linie der Betrachtung gewinnen die gesammelten Daten ein Gewicht,
das ihnen auch bei vorsichtiger Einschätzung zukommen kann. Selbst wenn
Einzelheiten einer wirren Zeit anders zu beziehen sind und einige der heran¬
gezogenen Inschriften genauer gelesen werden können (S. 46), bleibt die
<}rundlage gesund und ergibt durch sorgfältiges und umfassendes Studium
sämtlicher zugänglicher Denkmäler und ihrer Literatur eine Übersicht,
welche dio Auflösung des Alten Reiches und das Aufkommen einer neuen
Macht in Theben chronologisch sichert und in seinen Machtverhältnissen
klärt. Stock hat den Überblick durch vorsichtiges Abschätzen und Ab¬
stimmen der vielen unmittelbaren Nachrichten und Anzeichen gewonnen.
Um Memphis und Abydos bleiben in den Grenzen Ägyptens größere
Räume frei, Herrschaftsbereiche weiterer Dynastien, welche Königslisten
vom Turiner Königspapyrus bis zu Manetho zwischen die Dynastien legen,
die wir als Altes und Mittleres Reich zusammenfassen. Einen Anhalt über
die Länge des fraglichen Zeitraumes geben Gräber von Gaufürstenfolgen in
Mittelägypten (S. 98f.). Sie erweisen die erste Zwischenzeit vom Ende der
6. Dynastie bis zum Sieg der thebanischen 11. Dynastie, der Wieder¬
vereinigung der beiden Länder, als kürzer, als man nach den Königslisten
annehmen kann. Die Dynastien von Memphis, Herakleopolis, Abydos
(S. 41f.) und Theben müssen zum Teil nebeneinander regiert, ihre Re¬
gierungszeiten sich überschnitten haben, wie dies Stock (S. 103) ansetzt und
in einer chronologischen Übersicht am Ende der Abhandlung für die Herr¬
scherreihen zusammenstellt. Vom Tode Königs Pepi II. erstreckt sich danach
die erste Zwischenzeit bis zum Sieg der Thebaner über rund 150 Jahre.
Während dieser Zwischenzeit löst sich in Memphis das Reichskönigtum in
einer „chaotischen" Periode kurzer Regierungen (sogenannte 8. Dynastie), die Stock (als 7. Dynastie) mit 27 Jahren (S. 95) ansetzt. In Abydos (Stocks 8. Dynastie) und Herakleopolis (9. und 10. Dynastie) entstehen selbständige
Staaten, die längere Zeit durch selbständige Gaufürstentümer getrennt
bleiben. Im langgestreckten Oberägypten erringt während Kämpfen dieser
Staaten ein Fürst von Theben (11. Dynastie) gegen Widerstand seines
südlichen Nachbarn (S. 73) Selbständigkeit und wird nach dem Untergang
der Abydosdynastie Nachbar des erweiterten herakleopolitanischen Reiches
(10. Dynastie), dem schon Antef II. Abydos abgewirmt (S. 73ff.). Dieser
Vorstoß stößt vor Assiut auf Widerstand, dessen sich der dortige Gaufürst
rühmt (S. 93). Erst in neuen Kämpfen gelingt Mentuhotep die Wieder¬
vereinigung Ägyptens (S. 78ff.), der dies — wie Könige der Frühzeit —
diirch Änderung seiner Kronennamen dokumentiert (S. 78), womit die
Zveischenzeit, der Zerfall Ägyptens in zwei und mehr Reiche endet. Diese
Zwischenzeit ist diuch die eingangs erwähnte Literatur bedeutsam geworden,
in der zum ersten Male Zweifel am Zustand der Welt, am Verhalten der
Machthaber, ja am Sinn der Schöpfung formuliert werden. Die vorliegende
Arbeit Stocks darf in Anspruch nehmen, die Hintergründe dieser Literatur
in ihren Gnmdzügen und die Entstehung eines neuen Reiches mit vielen
Einzelheiten erheUt imd überschaubar gemacht zu haben. Sicherlich bleiben
bei der Fülle des vorliegenden Materials und der Weitläufigkeit der Unter¬
suchung Einzelheiten nachzuholen. Doch verspricht die unter schwierigen
Verhältnissen gewonnene Sicht mit der an den Ausgang gestellten, in ihren
Anfängen nicht näher begründeten „Chronologie des III. Jahrtausends"
/S- 103) weitere Ergebnisse.
Siegfried Schott, Mainz
Hans Kayser : Göttliche Tiere — Ein Bilderbuch aus dem Pelizaeus-Museum
zu Hildesheim. — Erschienen im Verlag Gebr. GerstenbergHildesheim 1951.
Hans Kayser legt in dem Bilderbuch Göttliche Tiere, das anläßlich des
100. Geburtstages des Stifters des Pelizaeusmuseums, Wilhelm Pelizaeus,
erschien, eine Arbeit vor, die sich an weite Kreise wendet. Die vorzüglichen
und feinsinnig zusammengestellten Abbildungen von Kunstwerken der
Hildesheimer Sammlung und der erläuternde Text geben ein anschauliches,
auch den Laien ansprechendes Bild von der Verehrung der göttlichen Tiere
im alten Ägypten.
Die frühgeschichtlichen Tierdarstellungen auf Gefäßen und Schmink¬
paletten, die Reliefs und Plastiken geschichtlicher Zeit und endlich der aus¬
gedehnte Tierkult der Spätzeit zeigen die bedeutsame Stellung, die dem Tier
an sich und besonders als „göttliches Tier" in der Religion zukam.
Da für die Spätzeit sowohl Bildwerke wie auch literarische Quellen in
reichem Maße vorliegen, ist es verständlich, daß die Spätzeit stark in den
Vordergrund tritt.
In seiner gefälligen Aufmachung und schlichten Sprache ist das Heftchen
geeignet, in weiten ICreisen Interesse für ägyptisches Denken zu wecken und
Verständnis für die ägyptischen Kunstwerke, die sich in Hildesheim und
anderen Sammlungen finden.
Irmgard Woldering, Hannover
A-tiawahl frühdemotischer Texte zumGebrauch im akademischen Unterricht sowie
zum Selbststudium zusammengestellt von W. Erichsen. I.Heft: Texte,
2. Heft: Umschrift und Glossar, S. Hett: Schriftliste. Ejnar Munksgaard,
Kopenhagen 1950.
Soit Adolf Erman ist in der Ägyptologie große Sorgfalt darauf verwandt
worden, dem wissenschaftlichen Nachwuchs zur Erlernung der ägyptischen
10 ZDMG 102/1
Schrift und Sprache geeignete Lehrbücher an die Hand zu geben. So ent¬
standen, um nur die gewissermaßen klassisch gewordenen zu nennen, zuerst
Adolf Ermans Ägyptische Orammatik, deren erste Auflage (1894) noch heute
als pädagogisches Musterstück gilt, Ermans Ägyptische Chrestomathie,
Steindorffs Koptische Orammatik und Gardinbrs Egyptian Orammar. Die
Sorge um die Ausbildung des Nachwuchses entspricht durchaus dem Geiste
der ägyptischen Schriftkundigen des Altertums. Der Unterricht, die Unter-
weisimg des Nachwuchses in Schrift und Sprache, nahm im alt ägyptischen
Bildungswesen einen sehr großen Platz ein. In unserem Jahrhundert freilich
unterlag man in dem Bestreben, die ägyptische Schrift und Sprache dem
Lernenden in immer einfacherer, einprägsamerer und knapperer Weise ge¬
druckt darzubieten, manchmal der Gefahr, vom wissenschaftlichen zum
elementaren Niveau abzusinken^.
Ganz ausgenommen von den pädagogischen Bemühimgen war bis vor
kurzem die späteste Gestalt der mit einheimischer Schrift geschriebenen
ägyptischen Sprache, das Demotische. Es hatte hier eine Sonderstellung,
wie es sie in der Ägyptologie auoh wissenschaftlich hat, wo es — übrigens
mit Recht — als Grenzgebiet zur Papyrologie gilt. Sich mit ihm zu befassen,
war eine wissenschaftliche Extravaganz, die sich nur ganz wenige unter den
Ägyptologen leisteten. Ja, nach dem Hinscheiden Spiegelbergs und Sethes
schienen die Demotiker in Deutschland ausgestorben zu sein. Die schwierige
demotische Schrift, zu deren Verständnis es keinen Zugang zu geben schien
schreckte von der Beschäftigung mit diesem Grenzgebiet der Wissenschaft
vom alten Ägypten ab. Das änderte sich, als 1937 Erichsens Demotische
Lesestücke I erschienen'', die es dem Ägyptologen ermöglichen, sich in Schrift
und Sprache der demotischen Literatur einzuarbeiten. 1939 erschien als Er¬
gänzung dazu der II. Teil, die Urkunden der Ptolemäerzeit enthaltend^. Er
ist eine Art Kompendium der demotischen Schrift und Sprache des Ge¬
schäfts- und Rechtslebens der griechischen Zeit Ägyptens. Im Vorwort dazu
kündigte Erichsen noch einen III. Teil der Demotischen Lesestücke an, der
die frühdemotischen Urkunden, also aus der Zeit zwischen der 25. Dynastie
und der griechischen Eroberung Ägyptens, enthalten sollte. Der liegt nim¬
mehr in der „Auswahl frühdemotischer Texte" vor. Jetzt ist also das lange entbehrte Hilfsmittel geboten, das es dem Ägyptologen wesenthch erleichtert,
in das bisher gemiedene Gebiet des Demotischen einzudringen. Freilich
die Hoffnung wird sich kaum erfüllen, daß man durch das Studium der Lese¬
stücke I und II und nun auch der ,, Auswahl" zum „Demotiker" wird, d. h.
zu einem Kenner des Demotischen, der in der Lage ist, neue Texte zu ent¬
ziffern. Für das Entziffern demotischer Texte gilt das gleiche, was Schu¬
bart über das Lesen griechischer Handschriften gesagt hat*: „Es ist eine
Kunst, die man, von einem Könner angeleitet, am besten durch Übung
^ Zeugen dafür sind die noch vor wenigen Jahrzehnten wenigstens im
deutschen Universitätsunterricht sehr beliebten grammatischen ,, Abrisse",
deren übertriebene Knappheit zur Dürftigkeit geworden ist.
^ Demotische Lesestücke I, literarische Texte mit Glossar und Schrifttafel,
herausgegeben von W. Erichsen, 1937, Leipzig.
' Demotische Lesestücke II, Urkunden der Ptolemäerzeit, herausgegeben von
W. Erichsen, 1939, Leipzig (1. Heft Texte, 2. Heft Glossar).
* Wilhelm Schubart, Griechische Paläographie, München 1925 (im Hand¬
buch der Altertumswissenschaft 1. Band, 4. Abteilung).
lernt, aber nicht aus Büchern." Letzten Endes muß ,, jeder an den einzelnen
Aufgaben sich selbst den Weg bahnen." Dementsprechend gibt es in der
größeren Schwesterwissenschaft der Demotistik, der Papyrologie, kein nur
nach pädagogischen Gesichtspunkten angelegtes Buch, das nur zum Ziele
hätte, in das Lesen griechischer Papyri einzuführen xmd zum Entziffern
neuer Texte anzuleiten. Das Entziffern ist eine Gabe, die nicht für jedermann
erlernbar ist, sondern nur durch Übung geweckt werden kann. Um die lang¬
wierige Mühe des Übens freilich kommt niemand herum. Erichsbns großes
Verdienst ist es aber, zuvor in seinen Demotisehen Lesestücken, und nun in
seiner Auswahl frühdemotischer Texte, für den Beginn dieser Mühe das not¬
wendige Textmaterial zugänglich gemacht und in Umschrift, Glossar und
Schriftliste als ein anerkannter Könner des Entzifferns die von Sohubart
geforderte persönliche Anleitung, soweit das möglich ist, durch die schrift¬
liche ersetzt zu haben. Der erwähnten Gefahr, zu elementar zu werden, ist
er nicht erlegen. Hat doch seine Auswahl frühdemotischer Texte nicht nur als
Hilfsmittel zur Einführung „in die Welt des frühdemotischen Schrifttmns"
Bedeutung, sondern auoh als wissenschaftliche Textpublikation. Sie bietet
zahlreiche Texte aus längst vergriffenen, zum Teil heute schwer zugänglichen
Veröffentlichungen^, und zwar mit vielfach besseren Lesungen, sowie zwei
bisher unveröffentlichte Urkunden^.
Das erste Heft, der „Textband", enthält zunächst eine ausgezeichnete kleine Einführung, die (1) knapp und klar den geschichtlichen und kultmellen
Hintergrund der frühdemotischen Urkunden zeichnet und damit zugleich
die Zeitbestimmung des Begriffs „frühdemotisch" gibt, (2) einen wertvollen
tiberblick über die frühdemotischen Papyri nach Königen gegliedert (S. III
Anm- 12 unten lies statt „Ehevertrag [Berlin 13571]": „Viehvertrag Berlin
[13571]"), und eine Besprechung der paläographischen Besonderheit des in
Unter- und Mittelägypten entstandenen Frühdemotischen sowie seine Ab¬
grenzung gegen die späthieratische Kiusivschrift Thebens^ und weiter kurze
grammatische Bemerkungen, die auf die Stellung des Frühdemotischen
zwischen dem Neuägyptischen und Demotischen weisen. Es folgen kurze
Hinweise auf Inhalt und Bedeutung der Urkunden, deren vom Neuen Reich
stammender Aufbau, im Gegensatz zu den ohne Nachfolger gebliebenen
späthieratischen Urkunden, den der ptolemäischen stark beeinflußt hat. Die
Einführung schließt (3.) mit Bemerkungen über Anlage und Benutzung des
Buches.
Die 22 Texte sind in streng zeitlicher Reihenfolge gegeben, zum Teil für
den Anfänger mit interlinearer (historischer) Transkription. Die demotische
Schrift hat der Herausgeber, wie er in der Einführung sagt, nach Photo-
1 Z. B. Griffith, Catalogue of the Demotic Papyri in the Rylands-Library
1909, Revillout, Corpus Papyrorum Aegypti 1885—1902, ferner die wich¬
tigen Papyri Lonsdorfer I (zuerst herausgegeben von H. Junkeb 1921) und
Libbey (zuerst herausgegeben von W. Spiegelbebg 1907) u. a. m.
2 Ehevertrag aus Elephantine, Berlin 13614, und Viehvertrag aus Elephantine,
Berlin 13571, jetzt von Erichsen vorbildlich herausgegeben in Coptic
Sttidies in honor of Walter Ewing Crum (1950) S. 271ff., PI. IV und V.
3 Zu den von Erichsen angeführten Neubearbeitungen späthieratischer
Texte ist jetzt nooh nachzutragen: Michel Malinine, Un jugement rendu
ä Thebes sous la XXF" Dynastie (pap. Louvre e. 3228<'), in Revue d'Egypto¬
logie, tome sixieme 1950.
10*
graphien und Publikationen gezeichnet. Diese Formulierung wird seiner graphischen Leistung nicht gerecht. Er hat die demotische Schrift der Texte
nachgeschrieben. Wenn sein Text auch den Originalen in Einzelheiten nicht
aufs Haar gleicht — es ist doch im ganzen die gleiche demotische Schrift. Das
konnte mu ein Gelehrter zuwege bringen, der wie der Herausgeber mit den
kleinen und doch so wichtigen Einzelheiten der Strichführung der demo¬
tischen Schriftzeichen vertraut ist. Zu bedauern ist nur, daß er sich nicht entschlossen hat, auch die Zeugenunterschriften aller in die ,, Auswahl" auf¬
genommenen Urkunden mitzugeben. Dadurch hätte sein Werk als Text¬
publikation noch mehr an Wert gewonnen.
Im einzelnen seien noch folgende Bemerkungen gemacht: Dem Stu¬
dierenden werden einige nicht durch paläographische Unterschiede begründete
Uneinheitlichkeiten in der Transkription beschwerlich sein. Vgl. die Tran¬
skription des gleichen Schriftbildes 19,6 und Glossar 125 a wohl richtig
Wsir-dj.t-hbs aber Glossar 83b Wair-dj.t-hbs.w. 30,8 wtj aber Glossar 36a
iwt{j). 43,1 und 59, b 2 (Glossarheft S. 15) sdr aber Glossar 100a sdr. 46,7
rkj aber Glossar 80a rk (das j ist in allen Belegen außer 69,2 deutlioh ge¬
schrieben). 23,3: statt ist besser Gb.tjw zu lesen, wie auch das Glossar
123b in Übereinstimmung mit allen anderen Belegen transkribiert. 23,8 ist
im Demotischen (und entsprechend in der Transkription) vor sh das Zeichen j
(die Partikel m „siehe") nachzutragen. 52,8 ist vor (dem im Original nach¬
träglich über r.wn.nw gesetzten)^//«/ kj das ^ (= r) zu streichen. 65,5:
zwischen (= n) und ^ (= ts) ist auf dem Lichtdruck der Erstpubli-
kation* die — freilich schwer erklärbare — Gruppe zu sehen. 42,9 ist statt
iddj doch wohl iddj'S (XXIC) zu lesen. An Schreibfehlern ist zu korrigieren:
19,1 Cnh-Wnnjer zu Cnh-Wnnfr, 41,9 ck zu;fc, 44,9 H.t-nn-nsw zu H.t-nn-nsw, 39,4 wn.ni.w zu wn.n.w.
Das zweite Heft bringt zimächst die Transkriptionen der im Textband
ohne interlineare Umschrift veröffentlichten Texte. Einige davon sind hiero¬
glyphisch — eine gute Anregung für den Lernenden, auch in den übrigen
Texten sich an Hand des dritten Heftes, der Schriftliste, die hieroglyphischen
Urformen der demotischen Zeichen klar zu machen. Leider hat der Heraus¬
geber hier die Hieroglj^hen von links nach rechts anstatt, wie in der Schrift¬
liste, und wie es dem Demotischen entspricht, von rechts nach links ge¬
schrieben. Das wäre für die Benutzung angenehmer gewesen. — Das Glossar
enthält (in Transkription) ein ausführliches alphabetisches Verzeichnis des
Wortbestands der Texte. Der Herausgeber hat sich, wie schon im Textband,
aus guten Gründen für die historische Transkription entschieden. Daß er,
UOA diesem Grundsatz abweichend, den Possessivartikel nach dem kop¬
tischen Lautbild umschreibt, ist um der Praxis willen zu begrüßen. Die auf¬
geführten Belege jedes Wortes sind nach seinen jeweihgen grammatischen
Formen und Funktionen gegliedert. Koptische Parallelen sind den einzelnen
Wörtern beigefügt. Vor allem bei den Verben ist es für den Lernenden in¬
struktiv, auoh für die im Koptischen nicht mehr oder nicht mehr selbständig erhaltenen Formen (besonders sdm^f ihre denkbare koptische Rekonstruktion aufgezeichnet zu finden.
An einzelnem ist zu bemerken: S. 28 (Textband 70,6) kann ich der Lesimg
der Zahlen nicht ganz zustimmen: r hd kd 4 ist richtig gelesen gegenüber
1 Revillout, Corpus Papyrorum Aegypti PI. I.
JtJNKERS irriger Lesung 3. Aber in der Größenangabe der Snt ist gegenüber
Ebtchsens Lesung wsh 4^/3 nach dem Photo des Papyrus doch wohl an
JxjNKEBs Lesung wsh S'/a festzuhalten. — mnh braucht nicht ergänzt zu
werden, da es auf der Photographie deutlich lesbar ist. Dagegen ist in Z. 8
das vom demotischen Schreiber ausgelassene Objektssuffix von hic in runde
Klammern zu setzen.
S. 29 (Textband 71,4) ist sicher mit Sethe" dd richtig gelesen. SprEOEL- bbbg'' las n ir, wobei er freilich genötigt war, ein hj zu ergänzen „Zeit des mir
(Gatte) Seins" (vgl. im übrigen weiter unten zur Stelle).
S. 64a: das Bildungselement des Konjunktivs, mtw, als Hilfszeitwort zu
bezeichnen (wie es auch Sethe getan hat — vgl. Bürgschaftsurkunden S. 790),
würde ioh Bedenken haben. Es ist doch wohl ein Präfix (vgl. Ebman, Neuäg.
Gramm. § 575).
S. 76b oben: in dem Zusammenhang ir k.t s.hm.t r.hrA halte ich die Über¬
setzung der Präposition mit ,, statt deiner" für ganz sicher und würde die andere Auffassung streichen.
S. 88b: Die Bedeutung des Personennamens Hscw-s-n-Js ist auf S. 140a
nicht optativisch aufgefaßt. Denkbar ist die eine wie die andere Auffassung.
S. 112a: unter dj.t „nachfolgen lassen" ist Textband 55.8 als Beleg zu
streichen, vgl. Glossar S. 101b.
Die Auswahl der im Glossar zu erläuternden bzw. zu übersetzenden Text¬
stellen wird nicht immer die Wünsche des Benutzers erfüllen. So dürfte
z. B. S. 71b auch der Student wohl gern bei nm „wer" auf die Übersetzimg
der ohne weiteres klaren Belegstelle verzichten. Dafür würde er aber eine
Hilfe für das Textverständnis, wie sie sich etwa S. 91b unter hr Präposition«
findet, auch an manchen anderen schwierigen Stellen begrüßen, wo sie nicht
gegeben wird. So wäre es z. B. nützlich gewesen, wenn die schwierige Stelle
Textband 71,4/5 pij^k sw (n) dd n^j ntj i(w)'k (r) ir^f mj Sp h (n) pi sh ntjhrj
r kj dmc iW'^j {r)dj.t Sp n^j im Glossar unter den entsprechenden Wörtern in
ihrem ganzen Zusammenhang erläutert worden wäre: „zu der Zeit deines
Sprechens zu mir, das du tun wirst : ,laß eine Abschrift der obigen Urkunde auf einem andern Papyrus folgen', werde ich (sie) ihr nachfolgen lassen"'.
Spiegelbebg hatte in seiner Publikation des Papyrus Libbey, abgesehen von
der anderen Lesung des dd, die Sätze anders abgeteilt. Zur Wortstellung vgl.
Erman Neuäg. Grammatik § 695. Und S. 72 a hätte bei nht.tj eine Bemerkung
über die zu postulierende transitive Bedeutung ,, stärken, schützen" für das
Verständnis des passivischen Gebrauchs (Beleg 53,4) und des Infinitivs im
Stat. pron. (Beleg 64 k 3) angefügt werden sollen.
Zur Erleichterung des Benutzens hätte auf Seite 113a dmd „Summe" mit
einem Hinweis auf r S. 74a aufgenommen werden sollen, und von den
Schreibvarianten stj, sti, sti.tj und stj.tj (S. 99b) hätte außer stj noch sti mit
einem Hinweis auf stj für sich verzeichnet werden können. Das sind freilich
äulBerliche Kleinigkeiten. Sie können aber bei einer Verwendung der Auswahl
frühdemotischer Texte zum Selbststudium wichtig werden.
folgende Ungleichheiten in der Transkription sind zu beseitigen : S. 4
(Textband 16,1) P/j'f-tiw-c.wj-Hnsw ist doch wohl richtig. Aber im ersten
1 GöU. gel. Anz. 1918 S. 369.
2 W. Spiegelbebg Der Papyrus Libbey (Schriften der wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg I) 1907, S. 1.
3 Vgl. Sethe in Gött. gel. Anz. 1918 S. 369.
Heft S. 14,2 steht statt c.vrj im gleichen Namen cw. Ebenda Hicw-n-Ja, im ersten Heft S. 14,2 aber Hic-s-Js statt richtig im ersten Falle HiC'W-(s)-n-Js, im zweiten Hic{''W)-s-(n)-j8.
Seite 18 (Textband 61 d 1): rwhj (das w steht im Demotischen nicht da),
S. 78b dagegen richtig rhj.
S. 25 (Textband 68,3/4/5): in der Verbindung n pr-hd n Pth muß das n in
Z. 3 ebenso wie in Z. 4 und 5 in rrmde Klammern gesetzt werden (vgl.
Schriftliste 87 a).
S. 115a: statt dn ist im ersten Heft S. 54,6 dr und im zweiten Heft S. 11
(Textband 57 b 4) dre umschrieben. Nach dem Schriftbild ist freilich eine
Entscheidung schwer. Leider ist das Zeichen nach dem r in der Schriftliste nicht erklärt.
Nachzutragen in der Transkription ist
S. 16 (Textband 60 c 4) vor dd : iw^w.
S. 21 (Textband 63 g 8) vor pij^j : n
S. 22 (Textband 63 g 9) vor i.ir : p> (über der Zeile).
S. 23 (Textband 64 i 1) hinter [c] Hj) ■■skp.
Bei den koptischen Verweisen sind folgende Versehen zu beseitigen:
S. 37 a bei ipd ist vor CDBT die Dialektangabe „b" zu streichen (das Wort ist
sahidisch, dagegen im Bohairischen nicht belegt). S. 45a bei cim vor XMG
desgleichen. Der bohairische Singular ist in Spiegblbbugs koptischem Hand¬
wörterbuch anscheinend nur aus dem Plural erschlossen. Cbum, Coptic
Dictionary S. 7 kennt den Singular nur mehrfach im Sahidischen.
S. 51b ist zu bjn ,, schlecht" eher auf BCDCDN als auf 6BIHN zu verweisen.
S. 53b bei bsntj ist vor B6CNHT die Dialektangabe „b" zu streichen. Das
Wort kommt auch sahidisch vor (gegen Spiegblbbbgs Handwörterbitch vgl.
Crum S. 44).
S. 99a muß dagegen ÜJKXfl entweder als bohairisch gekennzeichnet oder
durch das sahidische Ü^^FI ersetzt werden.
S. 100a bei sdr müßte (1)(DT6 nach Spiegelbebg, Handwirterbuch S. 208
als achmimisch bezeichnet werden. Aber Cbum kennt CQCDTG als Infinitiv in
keinem einzigen koptischen Dialekt. Es wäre hier als gedachte koptische
Parallele mit einem Fragezeichen zu versehen.
S. 102b ist der Imperativ MXC1)6 als bohairisch zu kennzeichnen.
S. 109b ist bei tSr die Dialektbezeichnung „a" vorTÜJpü) zu streichen, da das Wort auch sahidisch vorkommt.
S. 103a würde ich bei ^w«;(.«) ,, Scheune" Ü^GYNG nach Spiegelbebg und Cbum zu (1)6YNI korrigieren und als bohairisch kennzeichnen".
Überall da, wo das demotische Wort mit seiner koptischen Parallele in der
Bedeutung nicht genau übereinstimmt, wäre vielleicht für den Lernenden
eine Bemerkimg in dieser Beziehung angebracht gewesen. Ich stelle solche
Beispiele hier zusammen^:
" ein sahidisches (1)6YN6 ist anscheinend nur nach Äg. W. B. VI S. 237 belegt.
' S. 42b isw „Zahlung, Quittung" ist als XCOY bei Crum nur in der Be¬
deutung „Lohn, Preis, Wert" aufgeführt, aber nach des Herausgebers per-
S. 43b jcb „Betrübnis, Schmerz" (siehe unten) und 6IXB6 „Krankheit, Eiter".
S. 60a r mr „an Bord" und 6MHp „auf die andere Seite". . S. 71a nbj „Schaden" o. ä. und NOB6 „Sünde".
S. 81a h.t-ntr „Tempel" und 2eNe6T6 „Kloster".
S. 96b snj „verlassen" und CIN6 „vorübergehen" u. a. m., aber nicht oline weiteres „verlassen".
S. 62a: von mst , .hassen", koptisch MOCT6, lautet der Infinitiv im Stat.
pron. 2. Sg. masc. koptisch MGCTCÜK, 2. Sg. fem. M6CT(D. Statt dessen
sind hier versehenthch die entsprechenden Formen von MIC6 ,, gebären"
angeführt.
S. 43b zu jcb „Müdigkeit" (Griffith, Rylands III 338: „fatigue (?)"): Das
koptische GIXBG bedeutet ,, Krankheit, Eiter". Zu dem Zusammenhang, in
dem das demotische jcb auch anderwärts begegnet, will die Wiedergabe
, »Müdigkeit = fatigue" schlecht passen. Den Ausdruck Sp jcb mit ,,Müdig-
]teit empfangen" wiederzugeben, gibt hier und sonst wenig Sinn. Der Aus¬
druck findet sich in der demotischen Chronik öfter in der Bedeutung „Be¬
trübnis, Schmerz, Ärger erfahren" bzw. ,,sich betrüben". Vgl. dort" das
Glossar B 395, übrigens auch Demotische Lesestücke I Glossar S. 11. Die Be¬
deutung , (Betrübnis, Schmerz, Ärger" dürfte jcb auch hier haben.
S. 7 (Textband 27,5) korrigiere in-niw zu innw, S. 16 (Textband 60 d 1) htp zu htb,
S. 28 (Textband 70,5) hrk zu hrk, desgleichen S. 87a, S. 4'7b lk m hitj zu ck m hitj,
S. 84b hmt.w zu hmt (nach dem Demotischen), S. 90a unter hr Partikel: 48,4 zu 48,8, S. 128b oben unter 3: 64 j 3 zu 64 j 2,
S. 130b oben bei Ns-Imn-htp: 35,5 zu 35,3,
S. 131b bei Pi-mj(w): 1,1 zu 1,2, S. 133a unter Pi-dj-Js 2): 36,1 zu 36,4, S. 135b unter Pth-nfr 49,4 zu 49,9,
S. 138a oben unter: M. der Ti-sn.t-n-Hr mit dem Ns-Hr ist der Beleg 33,3
zu. streichen.
S. 140 a korrigiere Hicw-s-n-Js zu Hicw-s-n-Js, S. 142a imterste Zeile 25,5 zu 25,6.
Das dritte Heft enthält die Schriftliste, wohl den wertvollsten Teil des
ganzen Werkes. Sie ist nach dem System der Möllerschen hieratischen
Paläographie geordnet, aber mit einem durch die Eigenart der demotischen
Schrift gebotenen Unterschied. Gegenüber dem Hieratischen sind im Demo¬
tischen die einzelnen Schriftzeichen — ungeachtet des im späteren Verlauf
der Schriftentwicklung sich stärker durchsetzenden Gebrauchs der Buch-
stabenzeiohen — weniger als selbständige Zeichen und mehr als Glieder von
Zeichengruppen zu werten. Dem entspricht, daß, soviel wir wissen, in den
sönlicher Mitteilung in mehreren koptischen Urkunden in der Bedeutung
Quittung" sicher belegt. Ebenso GCDOY (zu S. 105 b gwj) in der auch von Obum nicht angeführten Bedeutung „Verlust".
^ Spiegelbero, Die sogen, demotische Chronik, Leipzig 1914.
Schreiberschulen besonderer Wert auf die Einübung ganzer Zeichengruppen,
gelegt wurde (vgl. die Bemerkungen in Ebichsens meisterhafter kleiner
Pubhkation Eine Schulübung in demotischer Schriffi). So führt die Schrift¬
liste die einzelnen Zeichen einerseits nach ihrem hieratisch-hieroglyphischen
Urspnmg geordnet auf, andererseits gibt sie in der Regel kein Zeichen als
einzelnes wieder, sondem stets die Gruppen bzw. Wortbilder, in denen es
enthalten ist. Die Zeichen sind hier sorgfältig nach den Publikationen bzw.
Photographien gepaust. Nach genauer Auswertung der späthieratischen
Kursivschrift wird man in der paläographischen Deutung mancher Zeichen
nooh weiter kommen (siehe Einführung, Textband S. XII), als es hier
möglich war. Für solche noch weiter dringende paläographische Forschung
hat der Herausgeber mit der vorliegenden Schriftliste eine wesentliche Grund¬
lage geschaffen. Sie ist die einzige wissenschafthchen Ansprüchen gerecht
werdende größere paläographische Schriftliste, die wir bisher für das Demo¬
tische überhaupt haben^. In der Erkenntnis des Ursprungs und der Ent¬
wicklung der Zeichen führt sie für das Frühdemotische weiter als der für die
demotische Forschung im ganzen grundlegend gewordene dritte Band von
Geiffith's Publikation der Rylands Papyri und über den bisherigen Stand
der Forschimg hinaus. Sehr willkommen wird nicht nur dem Studierenden
das deutsch-demotische Wörterverzeichnis am Schluß sein, das als not¬
wendige Verbindung zwischen Glossar und Schriftliste diese der praktischen
Benutzung erschließt. Bis zum Erscheinen der vollständigen Schrifttafel in
Gestalt eines paläographischen Wörterbuches, die wir von Ebichsens Hand
in hoffentlich nicht femer Zukunft erwarten können, dürfte die vorliegende Schriftliste auch bereits eine wertvolle Hilfe für den Bearbeiter solcher früh¬
demotischer Urkunden werden, die nicht im Textband enthalten sind. Vor
allem aber bedeutet sie einen großen Schritt auf dem Wege dahin, daß einmal für das Ägyptische eine stilkimdliche Paläographie geschrieben werden kann,
wie sie Schubabt für das Griechische schrieb'. Es wäre schön, wenn Ebich¬
sen selbst sie uns schenken könnte.
Die Einzelbemerkimgen zu den Teilen des ganzen Werkes enthalten keine
Aufzählung der mancherlei Stellen, wo falsche Lesungen früherer Publika¬
tionen stillschweigend berichtigt sind. Darum sei hier zusammenfassend noch
einmal auf die Bedeutung der Auswahl frühdemotischer Texte auch in dieser
Beziehung hingewiesen. Die Wissenschaft hat W. Erichsen nicht nur für ein
ausgezeichnetes wissenschaftliches Unterriohtswerk, sondem auch für eine
nicht weniger gute Textpublikation zu danken, die der weiteren sprach¬
wissenschaftlichen, paläographischen, kultur- und rechtsgeschichtlichen Forschung wichtiges Material in zuverlässiger Bearbeitung darbietet.
Erich Lüddeckens, Mainz.
" Det. Kgl. Danske Videnskabernes Selskab, historisk-filologiske meddelelser.
Bind XXXI, Nr. 4.
^ Von älteren Arbeiten dieser Art wäre der paläographische Teil zu
Spieoelbbrgs Mythus vom Sonnenauge, Straßburg 1917, zu erwähnen. Aber
er ist, an sich schon in seiner Anlage schwer benutzbar, paläographisch un¬
genau. Und die paläographischen Bemerkungen Spiegelbeegs im Sagen¬
kreis dea Königs Petubastis, Leipzig 1910, beschränken sich auf die Deter¬
minative.
' Vgl. Anm. 4.
The Ethiopic Version of the Song of Songs critically edited by the Rev.
Hugh Craswall Gleave. London 1951, Taylor's Foreign Press. XXXII
+ 41 S.
Dem hoffnungsvollen Herausgeber, der sich mit dieser Arbeit um den
Grad des B. Litt, bewarb, war es nicht vergönnt, ihre Publikation zu er¬
leben; sie wurde von Dr. C. Rabin zu Ende geführt, das Vorwort und einen
warmherzigen Nachruf schrieb Prof. G. R. Driver.
Die wissenschaftliche Ausgabe des äthiopischen Alten Testaments ist ein
ersehntes, aber noch in beträchtlicher Ferne schwebendes Ziel; die Schwie¬
rigkeiten, die ihr entgegenstehen, liegen auf der Hand. Die alte, der axu-
mitischen Periode angehörende und auf griechische Vorlagen beruhende
Übersetzung ist handschriftlich nicht erhalten, und der Text der ältesten
Ge'ez-Handschrift, der Oktateuch aus der Zeit Yekünö Amläks (13. Jahrb.),
ist durch eingedrungene Varianten und Korruptelen derartig entstellt, daß
die Abessinier selbst das Bedürfnis nach einer Revision des Bibeltextes
empfanden, die denn auch auf Initiative des Metropoliten Salämä und seines
Kreises (14. Jahrh.) unternommen wurde. Da nun die ganze sonstige äthi¬
opische Übersetzungsliteratur dieser Zeit aus dem Arabischen geflossen ist,
wird sehr wahrscheinlich auch diese Neubearbeitung nicht mehr auf den
griechischen, sondern auf einen auf dem griechischen beruhenden arabischen
Bibeltext zurückgehen; gerade im 13. Jahrb. war ja in Ägypten wenigstens
für die Evangelien die arabische Vulgata Alexandrina zustande gekommen.
Wie diese erste Revision der äthiopischen Bibel — eine zweite fand im
16./17. Jahrh. statt — im einzelnen verlaufen ist und ausgesehen hat, läßt
sich zur Zeit nicht sagen. Es fehlt uns das arabische Zwischenglied und damit die Möglichkeit, über diese Rezension zum altäthiopischen Text vorzudringen.
Dieser Schwierigkeiten ist sich Gleave bewußt gewesen. Da es nicht
möglich ist, die äthiopischen Handschriften nach ihrer Beeinflussimg durch
die verschiedenen griechischen Vorlagen zu sondern, hat er sich mit Recht
auf das Ziel beschränkt, mit den verfügbaren Mitteln einen Text zu re¬
konstruieren, der jener Neubearbeitung des 13./14. Jahrh. so nahe wie
möglich kommt. Verwickelt wird die Sache dadurch, daß diese nicht einen
Archetypus darstellt, aus dem sich die späteren Handschriften ableiten
ließen, sondern daß es mehrere annähernd gleichzeitige Rezensionen gab, die
von einander sehr ähnlichen, aber nicht identischen griechischen Quellen
abhängig waren und insgesamt im Auge behalten werden müssen. Betont
werden muß nur, daß erst dio Kenntnis einer der arabischen Bibelüber¬
setzungen uns instand setzen würde, die Stellung der ersten äthiopischen Rezension genauer zu bestimmen.
Den bereits vorliegenden kritischen Teileditionen des äthiopischen AT
(I. Guidi, Storia della letteratura etiopica 14) folgt hier nun die des Canticum
Canticorum. Wenn auch dem Herausgeber einige wichtige Hss. nicht er¬
reichbar gewesen sind (S. XVII), so wird doch eine spätere Gesamtausgabe
des äth. AT auf diese Vorstudie unmittelbar zurückgreifen können. Für den
kritischen Apparat sind neben den Bibelhss. und früheren Ausgaben des
Hohenliedes auoh eine ganze Anzahl Hss. äthiopischer Gebetbücher (eins
davon mit amharischem Kommentar) sowie die in Frage kommenden nicht¬
äthiopischen alten Bibelübersetzungen herangezogen worden.
Ein Vergleich des äth. Textes mit den benutzten Hss. ist mir natürlich
nicht möglich, doch macht der Text einen sehr zuverlässigen Eindruck.
Gleave hat gründliche und gewissenhafte Arbeit geleistet. Ein paar Kleinig-
keiten: zu S. VII luiten. Der amharische Kommentar findet sich nach
S. XXVIII und XXX in MS. B. M. Or. 535 (nicht 537). — S. XVIIf. Der
bekannte itahenische Gelehrte heißt 0. Conti Rossini (Conti gehört zum
Familiennamen). — S. XXXI sind 9 imd x vertauscht. — Nachdem die
klassische Philologie für den Apparatus criticus von Texteditionen seit
langem eine feste und konzise lateinische Terminologie ausgebildet hat, hätte
diese zweckmäßigerweise auch bei der vorliegenden Edition Anwendung
finden müssen, wie es bei der Biblia Hebraica, Septuaginta usw. von jeher
üblich ist. Der Herausgeber setzt aber im kritischen Apparat z. B. einerseits
„trsp. post", „apud" (S. 40) „vers. om." (S. 12), andererseits „trsp. after"
(S. 22, 26), „erased" (S. 12) und auch sonst immer englisch. Das mag bei
dieser Vorarbeit hingehen, aber für die künftige Gesamtausgabe kommt nur
das Lateinische in Betracht. . T^x ™ u ■.> „
Albert Dietrich, Heidelberg
G. Caton Thompson: The Tombs and Moon Temple of Hureidha (Hadhra¬
maut). Reports of the Research Committee of the Society of Antiquaries of
London, No. XIII. Oxford 1944, University Press. XV + 191 S., LXXXI Taf.
Die Beschäftigung mit dem Zimbabwe-Problem und der eng damit zu¬
sammenhängenden Frage nach dem arabischen Einfluß in Südostafrika hatte
die gelehrte Verfasserin veranlaßt, ihr Augenmerk auf Südarabien zu richten.
Im Jahre 1937 bot sich ihr Gelegenheit, gemeinsam mit der Arabien-Rei¬
senden Freya Stark und der durch ihre Arbeiten für die Wellcome-Ex-
pedition in Palästina hervorgetretenen Archäologin Elinor Gabdneb eine
im ganzen leider zeitlich recht knapp bemessene Reise nach Hadramaut zu
unternehmen. Von Weihnachten 1937 bis Anfang März 1938 wurden bei
^ Huraida, einer im Wädi 'Amd, einem Seitental des Wädi Hadramaut, ge¬
legenen Siedlung, systematische Ausgrabungen durchgeführt. Während
dieser wenigen Wochen, die durch Krankheit zweier Expeditionsmitglieder
nicht voll ausgenutzt werden konnten, wurde Erstaunliches geleistet. Da¬
durch, daß die Arbeit der drei Forscherinnen andere lockende Aufgaben bei¬
seite ließ und sich auf ein einziges, eng begrenztes Objekt konzentrierte, konnte dieses befriedigend ausgeschöpft werden.
Das Ziel der Ausgrabungen war zunächst, den dem altsüdarabischen Mond-
A4gott Sin geweihten Tempel freizulegen. Es konnten drei Bauphasen (A, B
und C) aufgedeckt werden; zwischen ihnen hat die Bautätigkeit nie ganz
ausgesetzt, doch fehlte ihr die Planung: Zusätze und Erweiterungen am
Tempel waren aus Pietät, nicht zur Ausbesserung oder zum Schutze gegen
Verfall vorgenommen worden. Eine absolute Chronologie für die Dauer des
gesamten Tempelbaues oder seiner einzelnen Phasen ließ sich nicht ge¬
winnen. Den Grundriß des ältesten Tempels (A) bildet ein einfaches, nirgends
durchbrochenes Rechteck von nur 12,5 X 9,8 m (vgl. S. 21); dieses ist auch
das Fundament der jüngeren Tempel B und C, die aber bedeutende Ver¬
änderungen im Innern sowie Erweiterungen an der Südostseite aufweisen
(Taf. LXXIII). Kleine, außerhalb der Mauern gruppierte apsidale Heilig¬
tümer, bisher ohne Parahelen, sind später als C anzusetzen (S. 59f., Taf.
LXXIV).
Als sehr ergiebig erwiesen sich die unweit des Tempels freigelegten Höhlen¬
gräber, deren Inhalt (Irdenware, Perlenketten, Siegelsteine u.a.) nach der
beiliegenden Importware in das 7.—4. Jahrh. v. Chr. gehört; der gleiche
terminus post quem ist wohl auchfür die Tempelbauten anzusetzen (S. 60,93), die vmtere Grenze bleibt vorläufig ungewiß. Die in den Gräbern gefundenen
zahlreichen Muscheln deuten auf lebhaften alten Handelsverkehr mit den
Küstenstädten. Alle diese Funde sind der Kompetenz einer ganzen Reihe
von Fachleuten anvertraut worden und von diesen in besonderen Abschnitten bearbeitet (S. 94 — III).
Der Wert der archäologischen Ergebnisse der Expedition wird erhöht
durch 70 altsüdarabische Inschriften, deren Veröffenthchung G. Ryckmans
übertragen wurde. Es handelt sich um Inschriften aus dem Tempelbezirk,
beschriftete Gräberftmde, Topfscherben von einem benachbarten Bauernhof
und eine Anzahl Felsgraffiti, letztere aus Seyün xmd §ibäm. Bis auf eine
oder zwei (sabäische) Axisnahmen sind alle diese Zeugnisse im Dialekt von
Hadramaut abgefaßt. In ihnen erscheint Madäb'"" nicht nur als alter Name
von Hxu-aida, sondern auch als Name des Tempels, der dem örtlichen Schutz¬
gott Sin erbaut wurde; mit diesem ist Haxü, eine andere hadramautische
Mondgottheit, wahrscheinlich identisch (S. 163). Sehr aufschlußreich ist die
paläographische und phonologische Auswertxmg der Inschriften dvuch
Ryckmans (S. 174—77): paläographisch lassen sie sich in relativer Chrono¬
logie drei aufeinanderfolgenden Perioden zuweisen, doch zögert der Ver¬
fasser mit Recht, diese ohne weiteres den drei Tempelbauphasen gleich¬
zusetzen ; lautlich ist, neben vielem anderen, das hier erstmalig nachgewiesene Eintreten von hadramautischem t für sabäisches s hervorzuheben.
Wenn die Verfasserin recht bescheiden bemerkt (S. XII), daß ihr Werk
gar nichts Aufsehenerregendes enthalte, daß weder von Weihrauohstraßen
noch von reichen Funden darin die Rede sei, so möchten wir sie in ihrer im
Anschluß daran zum Ausdruck gebrachten tJberzeugxmg bestärken, daß auch
die „Archäologie des täglichen Lebens und des gemeinen Volkes" ihre hohe
Bedeutung habe. Die Ausgrabungen von Hxxraida sind ein erster entschei¬
dender Schritt in der systematischen Erschließung der epigraphischen und
archäologischen Schätze Hadramauts: der vordringlichsten Aufgabe, der
Zxisammenstellung aller einschlägigen Einzelbeobachtungen, hat sich die
Verfasserin in mustergültiger Weise entledigt, verfrühter Schlxißfolgerungen
sich bewußt enthaltend. Mit großer Vorsicht werden S. 149—154 einige Kon¬
sequenzen gezogen: wir erwähnen nxu die interessante Feststellimg, daß
unter den Fremdeinflüssen, die auf die hadramische Architektur eingewirkt
haben, dem iranischen eine besondere, bisher wenig beachtete Rolle zu¬
kommt", sowie die Bedenken, die gegen die hypothetische, durch den archä¬
ologischen Befund vorläufig nicht gestützte Festlegung der Weihrauch¬
straße vorgebracht werden. Daß der Reichtum des alten Hadramaut weniger
auf dem Weihrauchexport als auf einer hervorragend durchgeführten künst¬
lichen Bewässerung beruht habe, wird in Kap. II (Ancient Irrigation in
Wadi 'Amd) axiseinandergesetzt'.
Der Apparat an Photographien, Plänen vmd Skizzen ist ganz ausgezeichnet
"und macht die Benutzxmg des Buches zur Freude. Das Ausgrabungswerk war
^ Diese Frage ist jetzt auch von V. A. Kbaökovskaja behandelt worden :
latoriieakoe znaf enie pamjatnikov juino-arabskoj architektury (Die geschicht¬
liche Bedeutung der Denkmäler der südarabischen Architektur) : Sovetskoe
Vostokovedenie IV (1947), 105 — 128.
' Vgl. hierzu besonders C. Rathjens u. H. von Wissmann, Südarabien-
Beise Bd. 2 (Vorislamisclie Altertümer), S. 144 ff.
nach den Worten der Verfasserin eine Pionierarbeit (S. 154): der Schwierig
keiten xmd Enttäuschungen, die keiner Pionierarbeit erspart bleiben, Herr
geworden zu sein, ist höchster Anerkennung wert.
Albert Dietrich, Heidelberg
Chaim Rabin: Ancient West-Arabian. London 1951, Taylor's Foreign Press.
XIV + 226 S., 20 Karten.
Die Einteilung der altarabischen Dialekte in higäzenische und tamimische,
wie sie in arabischen philologischen Werken sich findet, ist natürlich nur
grob schematisch und schon insofern schief, als die erste Gruppe auf eine
Landschaft, die zweite auf einen Stamm bezogen wird. Sie bezeugt aber
andererseits, daß das Gefühl für eine östliche imd westliche Dialektgruppe, d. h. für eine irgendwann stattgehabte Dialektspaltung des Arabischen, über
die uns K. Völlers und besonders C. Sabauw (Die altarabische Dialekt¬
spaltung, ZA XXI 31—49) belehrt haben, auch bei den arabischen Philologen lebendig war. Die östliche Gruppe, welche die Tamin, Rabi'a, Asad, 'Uquail, Gani, Bähila, Dabba u. a. umfaßt, hat deutlich gemeinsame, im wesentlichen
auf sie beschränkte Eigentümlichkeiten, die zwar der klassischen Diohter¬
sprache zugrunde liegen, sich aber bei näherem Zusehen als sprachlich relativ jung erweisen. Anders jene Dialekte, welche im Gebiete des westlichen Rand¬
gebirges und der Küste vom Nordwesten bis ins südliche Jemen sich hin¬
ziehen: dieser vom Verf. kurz und zweckmäßig als „westarabisch" be¬
zeichneten Dialektgruppe, wie sie im 6./7. Jahrh. n. Chr. bestanden haben
mag, ist das vorliegende Buch gewidmet. Es unternimmt erstmalig den
Versuch, ihre gemeinsamen Züge, die viel weniger scharf hervortreten als
die der östlichen (Nagd-)Gruppe, auf vergleichender und sprachgeogra¬
phischer Grundlage zu bestimmen.
Die Hauptergebnisse: 1. Die Westdialekte stehen sprachlich auf einer
ältere« Stufe als die östlichen, von denen sie sich fast bis zum Grade einer
Fremdsprache abheben. 2. Das Westarabische hat bestimmte Entwicklungen
des Ost-(Klassisch-) Arabischen nicht mitgemacht, zeigt dafür aber auffallende
Gemeinsamkeiten mit dem Kanaanäischen, Aramäischen und Südarabischen,
so daß es, ganz seinem geographischen Verbreitungsgebiet entsprechend, das
gesuchte Bindeglied zwischen dem Nord- und Südsemitischen darzustellen
scheint. 3. Das Westarabische war keine Literatursprache, sondern die Um¬
gangssprache einer Bevölkerung, die schubweise aus dem Norden (nicht
aus dem Jemen) vorgedrungen war; auf eine bedeutende Rolle der ,, West¬
araber" im Norden scheint auch der ausgedehnte Gebrauch des Namens der
Taiyi' hinzudeuten, der Syrern, babylonischen Juden und Persern zur Be¬
zeichnung der Araber diente (S. 193). 4. Die altarabische Diohtersprache
dürfte im Grenzgebiet zwischen westarabisohen (öatafän, Hawäzin) und
ostarabischen (Gani, 'Uqail) Stämmen entstanden sein; phonetisch neigt sie
der westlichen, grammatisch der östlichen Gruppe zu. 5. Infolge ihres weiteii
Verbreitungsgebietes entwickelten sich innerhalb dieser Diohtersprache
einige leicht von ihr abweichende örtliche Sonderformen; eine solche Sonder¬
form — die des Higäz — ist auch die Sprache, in der der Qur'än vorgetragen und aufgezeichnet wurde. Der Verf. setzt sich damit bewußt ab von Vollbbs,
unter dessen Einfluß er anfangs gestanden hatte. 6. Der Dialekt des Higäz
ist kein echtes Westarabisch mehr, sondem zur Zeit des Propheten in Auf¬
lösung und starker Annäherung an die 'Arabiya begriffen.
Schon die dürftigen Reste des Westarabischen, deren Kenntnis wir ja nur
dem fehlerhaften Gebrauch der 'Arabiya durch Sprecher westarabischer
Dialekte verdanken, zeigen ruis, daß diese von jener ganz erheblich abge¬
wichen sein müssen. Um sie zu erschließen, so sagt Verf. S. 5, "we are
approximately in the position of a linguist who would attempt to reconstruct
the character of German from the mistakes made in the use of English by
semi-educated speakers of hybrid Pennsylvania 'Dutch' ". Damit sind die
Schwierigkeiten unmißverständlich gekennzeichnet. Das Buch enthält
folgende Kapitel: 1. Introduction — 2. The Arab philologists and the dialects
3. Views on the origins of Classical Arabic — 4. Yemen — 5. Himyar —
6. Azd — 7. Northern Yemen — 8. Hudhail — 9 — 13. Hijaz: Introduction,
The Vowels, The Consonants, Morphology, Syntax — 14. Tayyi'.
Die westarabischen Dialekte (oder besser Dialektgruppen) werden je für
sich analysiert und dann aufeinander bezogen unter dem Gesichtspunkt
einer gemeinsamen Basis, wobei die lebenden Mimdarten — die für weite
Gebiete ja überhaupt noch nicht aufgenommen sind — ausgiebig heran¬
gezogen werden. Das Buch ist mit 20 Kartenskizzen der arabischen Halb¬
insel ausgestattet, auf denen das ungefähre Verbreitimgsgebiet bestimmter
lautlicher oder grammatischer Erscheimmgen jeweils durch Schraffur an¬
gedeutet ist. Z.B. zeigt Karte 20 (S. 204) Formen und Vorkommen des
archaischen Relativpronomens: dl (waagerecht schraffiert), dü (senkrecht
sehr.), msprünglich dü, später dl (Kreuzschraffur). Daß auf fast allen Karten
die „weißen Flecke" den größeren Raum einnehmen, ist bei dem Stande der
"Überlieferung leider nicht zu ändern. Man wird ohne weiteres zugeben, daß
eine derartige strikte Anwendimg der spraohgeographischen Methode, zu der
sich ja freilich auch schon in der oben genannten Arbeit von Sabauw An¬
sätze finden, eine der Hauptvoraussetzungen ist für die Erschließung und
Bestimmung einer Sprache, die dann auf komparativer Grundlage zu er¬
folgen haben". Man vergleiche damit etwa H. Koflbbs Reste altarabischer
Dialekte (WZKM XLVII—XLIX) — die reichhaltigste Stoffsammlung zur
altarabischen Dialektologie, die wir haben, die aber ohne Rücksicht darauf,
aus welchem Winkel der arabischen Halbinsel die einzelnen Belegwörter
stammen, das ganze Material nach grammatischen Kategorien anordnet.
Das Buch, das die mit einer Londoner Doktordissertation (1939) be¬
gonnenen arabischen Dialektstudien des Verf. fortführt und sich besonderer
Förderung seitens der Professoren Gibb und Tbitton erfreute, zeugt nicht
nur von gründlichen semitistischen Kenntnissen und sicherer Methode ihrer
Anwendung, sondern auch von einer selbständigen Sicht der Probleme, die
auch das Allgemeingut überkommener Auffassungen gelegentlich einer
1 Auch H. Fleisch hat bereits in seiner Introduction ä Vitude des langues
sdmitiques, Paris 1947, S. 102 folgendes Verfahren postuliert: ,,6tablir un
certain nombre de faits grammaticaux Strangers ä la langue classique et les
localiser assez parfaitement dans l'ancienne Arabie, et cela, non pas en
röunissant oe que pourraient donner les particularites dialectales relevöes
dans le Coran ou dans l'ancienne po6sie, mais en utilisant les methodes
de la geographie linguistique; elles ont permis de suivre les 6tapes de
la latinisation en Gaulle", usw. Der gleiche Verf. in Mil. Univ. St. Jos.
XXVIII (1949/50), S. 282: „les ramasseurs de vocabulaire ont tout mis dans
le meme sac, sans rien noter de l'ancienne repartition geographique".
(Sperrungen von mir).
eigenwilligen Kritik unterzieht. Die Grundthese einer altwestarabischen
Spracheinheit dürfte durch künftige Forschung noch erhärtet und fester um¬
rissen werden; denn was Verf. bietet, ist eingestandenermaßen (S. IX) nur
eine Auswahl des verfügbaren Materials. Dabei möchten wir die Frage auf¬
werfen, ob nicht den altnordarabischen (safaitischen, thamudischen und
lihjanischen) Inschriften — die der Verf. keineswegs außer acht gelassen
hat — noch erheblich mehr abzugewinnen wäre. Littmanns jüngste Arbeiten
auf diesem Gebiet sind offenbar nicht benutzt worden. Im einzelnen seien
folgende Bemerkungen gestattet:
S. XIII lies: Baidäwi ed. Fleischer; Gordon, Ugaritic Handbook. — S. 4.
Zu den „Koran-Lesarten" vgl. noch die von A. Fischek kurz vor seinem
Tode vertretene Auffassung, wonach sie „großenteils weiter nichts sind als
Emendationsexperimente philologisch geschulter Koran-Forscher an schwie¬
rigen Stellen des 'otmänischen Koran-Textes" (Der Islam XXVIII, 1948,
S. 5 Anm. 4). — S. 24 note 1. Fischeb, hat seinen auf dem Philologentag zu
Halle gehaltenen Vortrag über das klassische Arabisch und die Dialekte tat¬
sächlich nicht veröffentlicht. Etwas genauer als in der S. 17 zitierten Stelle
(ZDMO LIX 662 Anm. 4) findet man Fischebs Auffassung über die Ent¬
stehung des klassischen Arabisch formuliert in der wissenschafthchen Beilage
der Leipziger Zeitung vom 18. XI. 1905, welche auf S. 541 einen Bericht
über die öffentliche Sitzung der Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften vom 14. XI. 1905 enthält, auf der Fischer über den Ursprung des klassischen
Arabisch sprach. Dort heißt es am Schluß: „Der klassisch-arabischen
Sprache wird vielmehr ein einzelner innerarabischer Dialekt zugrunde liegen,
der zur Zeit der durch das Fürstentum der Kinda etwa zwischen 400 und
540 in Zentralarabien herbeigeführten, freilich mehrfach gestörten großen
Stammeskoalition unter allerlei Ausgleichungen mit anderen Dialekten eine
größere Ausdehnung genommen, im Anschluß an die großen politischen Be¬
wegungen eine reiche poetische Literatur hervorgebracht und sich dann in
schematisierter Gestalt als allgemeiner Dichterdialekt durchgesetzt hat, wie
er in aller uns erhaltenen alten Poesie vorliegt." (Die Kenntnis dieses Be¬
richtes verdanke ich einer freundl. Mitteilung von Herrn Prof. J. Fück). —
S. 32 Mitte lies ne.tal statt neiel. — S. 43 f. Zur Übersetzung von Hamdänis
berühmter Beschreibung der südarabischen Sprachverhältnisse vgl. jetzt
vor allem J.Fück, Arabiya, Berlin 1950, S. 86—89; dort auch weiteres
Material zum Artikel am- (statt al-), der aber offenbar nicht nur ,, gemein- jemenisch" (Fück a. a. O. S. 87 Anm. 5), sondern ,,gemeinwestarabisch"
ist, da er auch im Dialekt der Taiyi' erscheint (Rabin S. 205). — S. 48. In
der ersten Zeile des Spottliedes lies bna 'z-Zubairi statt bna Zubairin. —
S. 49. Zweigipflige Silben auch im Punischen wahrscheinlich, wo das Pro¬
nominalsuffix 3. Pers. Plur. masc. (-äm) im Poenulus gelegentlich als -ohom
erscheint ( J. Fbiedbich, Phönizisch-punische Orammatik S. 16 Anm. 2). —
S. 61. Imperfekt mit i-Präformativ außer in den genannten Sprachen auch
im Phönizischen (Fbiedbich a. a. O. S. 58) und im Äthiopischen. — S. 73.
mil- (< min -f Artikel) auch im Magrebinischen ganz gewöhnlich (Stumme, Grammatik des tunesischen Arabisch S. 133). — S. 81. it < wu, i < wi auch
außerhalb des Hudailitischen verbreitet: Völlers, Volkssprache S. 44;
Brockelmann, Grundriß 1 249. — S. 85. Zu mahhum < ma'hum vgl. wieder
das Timisische: Stumme, Grammatik S. 2. — S. 129. Zu habit < hablt in dem
Samau'al-Vers ist zu bemerken, daß die Vertauschung von t und t nicht auf
die ursprünglich aramäischsprachigen Juden Nordwestarabiens beschränkt
gewesen zu sein braucht, denn sie findet sich vielfach in den thamudischen
Inschriften des midianitischen Gebietes, vgl. Littmann, ZDMO 99, S. 175.
Im Safaitischen werden dagegen t und t wie im klassischen Arabisch scharf
auseinandergehalten. — Übergang von l > n findet sich im Thamudischen
bei der Präposition n-m neben l-m (Littmatin, Thamüd und Safä S. 33). —
S. 155. Die gleiche Neigung des r, eine palatale, nach i hinneigende Aus¬
sprache anzimehmen, findet sich auch im Punischen : Fbiedbich, Phönizisch-
punische Grammatik, S. 21. — S. 199. iya > i auch bisweilen im Ugaritischen:
h-m-t „Mauer" kann wohl nur hämltu < *hämiyatu gelesen werden. Vgl.
Gordon, Ugaritic Handbook S. 41. — S. 201. m> b gelegentlich dissimila-
torisch oder intervokalisch auch im Phönizisch-Punischen (Friedbich,
Grammatik S. 22), ferner im Äthiopischen, Tigrina und Tigre (Brockel¬
mann, Grundriß I 226f.). —- S. 205. d (wahrsch. dü) erscheint als Relativ¬
pronomen auch in den thamudischen Inschriften (Littmann, Thamüd und
Safä S. 32). — S. 210 Anm. 16 Ende lies: South-Arabian and Ethiopic.
Albebt Dieteich, Heidelberg
Josef Henningeb S. V. D.: Spuren christlicher Olaubenswahrheiten im
JCoran. Schöneck/Beckenried (Schweiz): Administration der Neuen Zeit¬
schrift für Missionswissenschaft 1951. (= Schriftenreihe der Neuen Zeit¬
schrift für Missionswissenschaft, X). (135 S.).
Ixi den Jahrgängen 1945—50 erschienen in der Schweizer „Neuen Zeit¬
schrift für Missionswissenschaft" aus der Feder von Josef Henninger ver¬
schiedene Aufsätze zu dem Thema „Spuren christlicher Olaubenswahrheiten
itn Koran". Die einzelnen Aufsätze behandeln: I. Die Lehre vom Heiligen
Geist. II- Maria und die Jugendgeschichte Jesu. III. Das öffeiltliche Leben
Jesu und sein Ende. IV. Die Stellung Jesu in der Heilsgeschichte. V. Polemik
gegen die Hauptdogmen des Christentums. VI. Die Lehre von den Engeln.
-yjj_ Die Lehre von den bösen Geistern. VIII. Paradies und Hölle. IX. Auf¬
erstehung und Weltgericht. Diese Aufsätze sind nunmehr gesammelt als
selbständige Veröffentlichung erschienen. Sie dienen letztlich dem Zweck,
die zweifellos christlichen Bestandteile in der Verkündigung Mohammeds
hervorzuheben, als Anknüpfungspunkte für das religiöse Gespräch und die
christliche Lehrverkündigung gegenüber Mohammedanern. Diese inhaltliche
Seite steht durchaus im Vordergrund; über die rein historische Frage, auf
welchem Weg Mohammed das Christentum kennenlernte, soll hier nur das
Allernötigste gesagt werden" (S. lf.). Es ist eine saubere, auch für Nicht-
missionare brauchbare Zusammenstellung der Gegebenheiten, soweit diese
bisher von der Forschung erarbeitet sind. Da die Bibliographie besonders
pfleglich behandelt ist, seien ein paar wichtige Ergänzungen nachgetragen :
Zu S. 80, Anm. 2: Ragnar Eklund, Life between Death and Resurrection
according to Islam (Uppsala 1941); D. S. Attema, De mohammedaansche
opvattingen omtrent het tijdstip van den jongsten dag en zijn voorteekenen
(Amsterdam 1942). Zu S. 104, Anm. 210: Jost MuNoz Sending, LaEseala de
Mahoma. Traducciön del ärabe al castellano, latin y francos, ordenada por
Alfonso X el Sabio. Edicion, introduccion y notas (Madrid 1949); Enrico
Certjlli, II Libro della Scala e la questione delle jonti arabo-spagnole della
Divdna Commedia (Cittä del Vaticano 1949); dazu die ausführliche Be¬
sprechung von G. Levi Della Vida, Nuova luce sulle jonti islamiche della
Divina Commedia {Al-Andalus, 14, 1949, 377—407). Zu S. 125, Anm. 153;
T. HuiTEMA, De voorapraak (Shafä'a) in den Islam (Leiden 1936). — Auf S. 57 ist der Passus wa-ätä 'l-mäla 'alä hubbihl (Sure 2,177/172) nach Hen¬
ning falsch übersetzt „und wer sein Geld aus Liebe zu ihm ausgibt", statt
„... trotz der Liebe zu ihm (dem Geld) ..."
Eine interessante Koranstelle ist weder von Henningeb noch auch — so¬
weit ich feststellen konnte — von einem seiner Vorgänger voll ausgewertet worden. In Sure 5,17 (Flügel 19) heißt es: „. .. fa-man yamliku mina 'Ilähi
Sai'an in aräda an yuhlika 'l-Maaiha 'bna Maryama wa-ummahü wa-man fl
'l-ardi gaml'an", auf Deutsch: „. . . und wer vermöchte hinsichtlich Gottes etwas [auszurichten], falls er (Gott) Christus, den Sohn der Maria, und seine Mutter, und [überhaupt] alle, die auf Erden sind, vernichten wollte ?" Hier
wird als bekannt vorausgesetzt, daß Gott immer wieder ganze Städte,
Völker und Geschlechter hat zugrunde gehen lassen (worauf im Koran oft
angespielt wird). Die vorliegende Stelle will offensichtlich besagen, daß er
dasselbe auch mit Jesus und Maria machen könnte, was natürlich beweisen
soll, daß die beiden seine Geschöpfe und nicht etwa Götter neben ihm sind
(vgl. den Anfang und Schluß des Verses). Beachtenswert ist, daß die beiden
dabei als wirklich existierend gedacht sind (sonst könnten sie ja nicht ver¬
nichtet werden). Wir haben hier m. E. einen weiteren Anhaltspunkt für die
These, daß Mohammed an das Fortleben von Jesus (und Maria) geglaubt
hat. Wenn den einschlägigen Stellen überhaupt eine einheitliche Vorstellung
zugrunde liegt, und wenn wir sie im einzelnen richtig deuten, ist Jesus
nach Mohammeds Vorstellung — weder gekreuzigt worden noch eines natür¬
lichen Todes gestorben, sondern lebendig zu Gott erhoben worden. Erst am
jüngsten Tag wird er den Tod erleiden. Zuvor aber {qabla mautihl) werden
noch alle „Leute der Schrift" — also auch die Juden — an ihn glauben
(Sure 4,159/457).
Rudi Pabet, Tübingen
Gustave E. von Gbunebaum: A Tenth-Century Document of Arab Literary
Theory and Critieism. The sections on poetry of al-Bäqilläni's I'jäz al-
Qur'än translated and annotated. Chicago, lUinois: The University of
Chicago Press 1950 (XXII, 128 S.). Preis: $ 5.00.
G. VON Grunebaum legt hier drei zusammenhängende Abschnitte aus
Bäqillänis I'^äz al-qur'än — insgesamt etwa ein Drittel des Werkes in
wörtlicher, reich mit Anmerkungen versehener Übersetzung vor: I. Rhetor¬
ical Figures in Poetry and Qur'än; II. Criticism of Imru'ulqais' Mu'allaqa;
III. Criticism of al-Buhturi. Am Schluß folgt — abgesehen von einigen
Indices — eine synoptische Tabelle der einzelnen rhetorischen Figuren bei
Bäqilläni, 'Askari, Ibn al-Mu'tazz, Hwärizmi und Qudäma. Auf S. XXI
rechtfertigt v. G. die Veröffentlichung der Übersetzung folgendermaßen:
"The translation of those passages in al-Bäqillänis I'jäz al-Qwr'än that are of relevance for the understanding of Arabic literary theory and criticism is,
in the eyes of this writer, justified by their unique character in Arabic
literature. There are innumerable paragraphs and even whole books dis¬
cussing the merits and demerits of individual verses or fragments but never once did an Arab author undertake to dissect the better part of two lengthy
poems from the aesthetic viewpoint as Bäqilläni does in his sections on
Imru'ulqais and Buhturi. The chapter on the figures of speech, on the other hand, is the first of its kind by a non-specialist that has come down to us.
and it is a real innovation in its peculiar objective and arrangement. The fact that no text of this character has, to the writer's knowledge, ever been translated into a Western language served as a further incentive. It is hoped that students of literature in general will thus be enabled to obtain a more precise insight into the ways and aims of Arab poets and writers."
Die tibersetzvmg ist, nach kleinen Stichproben zu virteilen, im großen
ganzen zuverlässig. Bei der Wiedergabe der Koranzitate hat sich v. G. genau
an das arabische Original gehalten. Es wäre vielleicht zweckmäßiger ge¬
wesen, bei längeren Zitaten nicht nur (nach arabischer Sitte) den Anfang und
den Schluß des Wortlauts anzuführen, sondern auch das Mittelstück, zumal
da, wo es dem Zusammenhang nach eben darauf ankommt, oder aber (nach
europäischer Sitte) nur die Suren- und Verszahlen zu geben (die v. G.
übrigens jedesmal in der Anmerkung beifügt). Für einen orientalischen Ge¬
lehrten erübrigt sich die Anführung des gesamten Wortlauts, da er, wenn er
erst einmal den Einsatz hat, aus dem Gedächtnis weiter memorieren karin
und nur noch den Schlußabsatz benötigt, um das Zitat an der richtigen
Stelle abbrechen zu kömien. Bei einem europäischen Leser kann man natür¬
lich eine so eingehende Kenntnis des Korans nicht voraussetzen. Eine weitere
kleine Beanstandung technischer Art : G. von Gkunebaum reiht die drei
Abschnitte, die er der Übersetzung für würdig befunden hat, unvermittelt aneinander an, bzw. er begnügt sich damit, vor Teil II (Criticism of Imru'ul¬
qais' Mu'allaqa) und vor Teil III (Criticism of al-Buhturi) die zwei bis drei
unmittelbar vorausgehenden Seiten ebenfalls in wörtlicher Übersetzung
wiederzugeben — "as an introduction," wie er S. XXI, Anm. 38 bemerkt.
Dem Leser wäre aber wohl eher daran gelegen, an Hand einer kurzen Inhalts¬
angabe wenigstens das Nötigste über diejenigen Partien von Bäqillänis
Werk zu erfahren, die v. G. nicht übersetzt hat, die aber trotzdem einen
integrierenden Bestandteil des Gesamtwerks bilden.
Die Anmerkungen bieten eine Masse von Erläuterungen und Parallelen
zum Text oder sonstwie interessante Hinweise. Die Einleitmig (S. XIII bis
XXII) sucht von vornherein die wichtigsten Fragen zu klären. Trotz alledem
wird es dem Leser, der dem speziellen Forschungsgebiet G. von Grune-
BAUMs ferner steht, schwer, den hier gebotenen Stoff sachgemäß in einen
größeren Zusammenhang einzuordnen und von da her das richtige Ver¬
ständnis dafür zu finden. Man sieht oft vor lauter Bäumen den Wald nicht
mehr.
So ist eine sehr nahe liegende Frage nicht eigentlich zur Sprache gekommen : die Frage, ob Bäqillänis stilanalytische und literarkritische Ausführungen
selbständig auf Grund der These vom i'gäz al-qur'än entwickelt sind, oder
ob er dabei im wesentlichen fremdes, schon von anderen — und in anderem
Zusammenhang — erarbeitetes Gedankengut verwertet hat. Nach der inter¬
essanten, von G. V. Grunebaum gleich zu Beginn der Einleitung zitierten
Arbeit über die Geschichte des I'gäz von Abdul Aleem (Islamic Culture, 7,
1933, 64—82. 215—33) sollte man annehmen, daß das Dogma von der
wunderbaren Unnachahmbarkeit des Korans — eben die These des i'gäz
al-qur'än — den entscheidenden Ansatzpunkt für die Entwicklung einer
arabischen Rhetorik und Literarkritik gebildet hat (siehe S. 79f.). Demnach
wäre Bäqillänis Buch über den i'gäz, angeblich "the best ever written on
this subject" (Abdul Aleem, S. 75), als eine im wesentlichen originelle
Leistung zu bezeichnen. M. a. W. der theologischen Fragestellung käme die
Priorität zu. In Wirklichkeit liegen aber die Dinge etwas komplizierter. Die
11 ZDMG 102/1
hterarkritische Betrachtung arabischer Dichtungen und die theoretische Be¬
schäftigung mit den Stilmitteln der arabischen Literatur hat offensichtlich
in profanen, primär ästhetisch interessierten Kreisen ihren Ausgang ge¬
nommen (vgl. Caskbl, OLZ 1938, 145). Sie ist in ebensolchen Kreisen weiter
gepflegt worden, noch ehe man sich im Lager der Theologie mit diesem Sach¬
gebiet befaßte. Das hier in Übersetzung vorgelegte Werk Bäqillänis ist das
Produkt einer späteren Mischung. Wohl ist die Fragestellung bei Bäqilläni
primär theologisch. Aber die literarkritischen Mittel, mit denen er dem
Problem des I'gäz auf den Leib rückt, entlehnt er aus einer Disziplin, die ihm
an sich fremd ist. Eben im Hinblick darauf sagt auch v. G. mit Recht von
ihm, er sei "an educated layman rather than a specialist" (Introduction, XX).
Wenn man sich diese Sachlage einmal klar gemacht hat, braucht man sich
nicht mehr darüber zu wundern, daß das Werk als Ganzes den unbefangenen
Leser nicht recht anzusprechen vermag. Die Systematik der rhetorischen
Kategorien ist imvollkommen, und die Kritik an Imra'alqais und Buhturi
wirkt übersteigert und geradezu schulmeisterlich. Im Grund genommen ging
es dem Verfasser gar nicht um eine objektive Kritisierung literarischer
Größen, sondern um den Beweis von der Unerreichbarkeit des koranisohen
Stils. Und dieser Beweis mußte eben — nach Bäqillänis Ansicht — auf
Kosten der bisher anerkannten Meisterwerke der arabischen Literatur er¬
bracht werden. Gewiß, Bäqilläni mag als erster einen solchen Beweis durch¬
geführt haben. Man kann deshalb diesen seinen Versuch als originell be¬
zeichnen. Aber eine wirklich schöpferische Leistung hat er damit nicht voll¬
bracht. "The incipent development of the high points of later theory, viz.
of the relation between haqiqa, the proper, and majdz, the tropical use of
words, and its consequences for the theory of taSbth, simile, and isti'dra, metaphor, are disregarded by Bäqilläni. His concept of style does not measure up in any way to that of his successor in the study of i'jdz, 'Abdalqahir al- Jurjani" (XXI). Hoffen wir, daß die von H. Ritter vorbereitete Edition
und Übersetzung der Asrär al-baläga des eben genannten Öurgäni bald er¬
scheinen kann, damit neben dem Außenseiter Bäqilläni auch ein erstklassiger
Fachvertreter des 'ilm al-badi' einem weiteren Interessentenkreis zugäng¬
lich wird.
Rudi Paret, Tübingen
Jörg Kraemer: Der Sturz des Königreichs Jermalem (683/1187) in der Dar¬
stellung des 'Imäd ad-Dln al-Kätib al-Isfahänl, Verlag Otto Harrassowitz,
Wiesbaden 1952, VIII + 71 S. mit eüier Karte; 12,— DM.
Die Kreuzzüge bilden seit Jahrhunderten einen zentralen Gegenstand der
abendländischen Geschichtsforschung. Zwar sind durchwegs die abendländi¬
schen und auch gewisse orientalische Quellen so oft und so gründlich bearbei¬
tet worden, daß sie als ausgeschöpft betrachtet werden können. Wenn trotz¬
dem zur Geschichte der Kreuzzüge bis auf den heutigen Tag nicht das letzte
Wort gesprochen ist, so liegt das nicht so sehr am Wandel historischer Auf¬
fassungen, sondern an der unzulänglichen Durchforschung der arabischen
Quellen. Dabei läßt sich nicht einmal sagen, daß die Orientalisten ihre Ehren¬
pflicht, die unter ihre Zuständigkeit fallenden Quellen zu einem so wichtigen
Kapitel der Beziehungen zwischen Abendland und Morgenland zu er-
sühließen, vernachlässigt hätten. Der wichtigste Grund liegt vielmehr in der
sprachlichen Eigenart dieser arabischen Quellen, in dem Stil, in dem sie