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Was trieb die Franzosen zum Absinth? Bis zum Sturz Napoleons III. im Jahre 1870 war die Eröffnung von

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Nach der Entdeckung der Destilla- tion durch die Araber im 8. Jahrhun- dert konnten alkoholische Kräuter- auszüge hergestellt werden. Dies nutzten die Mönche des Mittelalters, um daraus durch Zuckerzusatz Kräu- terliköre zu bereiten, wobei die von Benediktinern hergestellten Bénédic- tine und Chartreuse noch heute ge- trunken werden.

Der Absinth wurde erstmals um 1800 in der französischen Schweiz

K U R I OS , S PA N N E N D, A L LT Ä G L I C H . . .

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Der Zauber der Grünen Fee

Absinth ist angesagt! Nach Jahrzehnten eines totalen Verbots darf die- ses hochprozentige Getränk in Deutschland wieder verkauft werden.

Das Lieblingsgetränk der Pariser Bohémiens des ausgehenden 19. Jahr- hunderts umweht ein Hauch von Dekadenz, der sich heute aus- gesprochen verkaufsfördernd auswirkt. Ursprünglich wurden kreative Naturen nach ein paar Gläsern von jener Grünen Fee geküsst, die schon Baudelaire, Verlaine, Wilde, Toulouse-Lautrec und van Gogh im Rausch zu Meisterwerken inspirierte. Wir wollen ergründen, mit welchem che- mischen Trick dies der „fée verte“ damals gelang und herausfinden, ob wir auch heute beim Genuss des modernen Absinth noch auf den Kuss der Grünen Fee hoffen dürfen.

hergestellt, wobei sowohl Dr. Pierre Ordinaire [6] als auch seine Wirtin, die kräuterkundige Mutter Henriod (Suzanne-Marguirite Motta) als Erfin- der genannt werden. Beide lebten in Couvet, in der Nähe von Neuchâtel in der französischen Schweiz. Eindeu- tig belegt ist der Verkauf eines Ab- sinth-Rezepts im Jahre 1797 von Mut- ter Henriod 1797 an Major Dubied, der im darauffolgenden Jahr mit der kommerziellen Herstellung begann [7]. Der Absatz entwickelte sich prächtig und bereits 1805 gründete sein Schwiegersohn Henri-Louis Pernod (1776-1851) das Zweigwerk Pernod Filsin Pontarlier im nahe ge- legenen Frankreich.

Da Wermutkraut ein altes Heilmit- tel gegen Würmer und Malaria [8]

war, stand auch Absinth in dem Ruf, gegen diese Krankheiten zu wirken.

Dies wurde ab 1830 von der französi- schen Militärführung genutzt: alle 100 000 Soldaten des Nordafrika- korps bekamen eine tägliche Absinth- Ration. Das Geschäft florierte, zumal die aus Algerien zurückkehrenden Soldaten auch in der Heimat nach ihrem täglichen Absinth verlangten.

Der wurde dadurch bekannt, aber nicht populär. Dies änderte sich schlagartig: noch 1873 wurden in Frankreich knapp 7000 Hektoliter Absinth getrunken, im Jahre 1900 aber astronomische 240 000 Hekto- liter [9].

Was trieb die Franzosen zum Ab- sinth? Bis zum Sturz Napoleons III.

im Jahre 1870 war die Eröffnung von

W E R M U T

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Absinth ist ein hochprozentiges alko- holisches Getränk, dessen Geschmack und Wirkung auf dem in Mittel- und Südeuropa beheimateten Wermut- Strauch [1] Artemisia absinthium (Ab- bildung 1) beruht. Wermut spielte als Heilpflanze schon im Altertum eine große Rolle. Seit Plinius waren Wer- muttinkturen, -tees und -weine univer- selle Heilmittel gegen vielerlei Krank- heiten. Hildegard von Bingen (1098- 1179) gerät ins Schwärmen [2]: Der Wermut ist sehr warm und heilkräf- tig. Er beseitigt Kopfschmerzen und den Schmerz, der durch die Gicht im Kopf verursacht wird, hilft bei Brust- schmerzen, Husten und Melancholie, vertreibt die Gicht und klärt die Au- gen, stärkt Herz und Lunge, wärmt den Magen, reinigt die Eingeweide und schafft gute Verdauung.

Tatsächlich regen die Bitterstoffe die Verdauung an und Wermut ist bis heu- te Bestandteil vieler Magen-Darm-Heil- mittel. Wermuttinkturen und -tees wurden bei Appetitlosigkeit und Störungen der Gallenfunktion verab- reicht. In Hausapotheken des 16. Jahr- hundert tauchten Berichte über die therapeutische Anwendung von Wer- mutwein bei Wurminfektionen auf [3].

Tatsächlich bestätigten moderne ex- perimentelle Untersuchungen die Wirk- samkeit von Wermut gegen den Rund- wurm Ascaris lumbricoides[4] und gegen Larven des Maiswurzelbohrers (Diabrotica virgifera)[5].

Abb. 1 Wermut (Artemisia absinthium).

Der Wermut gehört innerhalb der Fami- lie der Korbblütler zu einer arten- reichen Gattung, zu der z.B. das Estra- gon, der Beifuß und die Eberraute zählt.

Der über einen Me- ter hohe Strauch ist in Südeuropa, Nord- afrika und Asien be- heimatet, hat silber- graue, filzig behaar- te Blätter und kleine kugelförmige gelbe Blüten. Zur Absinth- herstellung werden die meist zur Blüte- zeit geernteten oberirdischen Pflan- zenteile verwendet.

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131 Lokalen mit Ausschank (débits de

boissons)stark eingeschränkt. Dies hatte politische Ursachen, denn Ver- sammlungsorte, in denen kräftig ge- trunken und politisiert wurde, waren der Staatsmacht suspekt. Nach Napo- leons Sturz entfielen alle bürokrati- schen Hindernisse und in einer allge- meinen Aufbruchstimmung schossen Kneipen, Cafés und Cabarets wie Pil- ze aus der Erde. In Paris kam mehr als eine Kneipe auf 100 Einwohner, mehr als in jeder anderen Stadt auf der Welt.

Lokale waren für viele Menschen Orte, in denen sie für einige Stunden dem erbärmlichen Leben in ihren schlecht geheizten und beengten Wohnungen entfliehen konnten [10].

In den Lokalen konnte man Zeitun- gen lesen, Schreibutensilien waren vorhanden und Billard-Tische luden zum Spiel ein. Frauen, für die ein Lo- kalbesuch früher als unschicklich galt, verkehrten jetzt dort und das öf- fentliche Trinken von Alkohol wurde für alle gesellschaftsfähig, vom Arbei- ter über die Bohémiens [11] bis zum Bürgertum.

Der explodierende Absinth-Ver- brauch hatte noch eine zweite Ursa- che. Absinth basiert auf Branntwein, der aus minderwertigen Weinen de- stilliert wurde. Ab 1850 wurden Her- stellungsmethoden entwickelt, Branntwein aus vergorenen Rüben oder Korn herzustellen. Dieser Rü- benbranntwein konnte zunächst nur einen bescheidenen Marktanteil er- obern, da Wein ausreichend und bil- lig erhältlich war. Dies änderte sich schlagartig um 1860, als die Reblaus Phylloxera vitifoliaeaus Amerika nach Frankreich eingeschleppt wur- de. Dieser Schädling zerstörte bis 1920 praktisch alle französischen Weinstöcke und trieb zwei Winzer- generationen in den Ruin [12].

Durch die schweren Ernteausfälle wurde Wein teuer. Dies traf auch die Absinth-Produzenten, die jedoch schnell auf den nun billigeren Brannt- wein auf Rüben- und Korn-Basis um- stiegen. Auf die gleiche Ethanolmen- ge bezogen, war Absinth plötzlich bil- liger als Wein! Aber erst das Zusam-

menspiel aller Faktoren, von der Auf- bruchstimmung nach dem Sturz Napoleons III., dem freizügigeren Le- bensstil der Franzosen, der damit ver- bundenen teilweisen Emanzipation der Frauen, der Entwicklung rationel- ler Produktionsmethoden von billi- gem Industriealkohol und den durch die Reblaus verursachten hohen Weinpreis kann den kollektiven Ab- sinth-Rausch der Franzosen in der Belle Epoque erklären.

Der tiefe Fall

Zwischen 1870 und 1914 tranken die Franzosen 2/3 der Weltproduktion von Absinth. Absinth war billig, das Leben tobte in den Lokalen und Ca- barets und das nachmittägliche Ab- sinth-Trinken in der „Grünen Stun- de“, der „heure verte“, war ein Ritual vieler Franzosen. Bohémiens, Poeten von Baudelaire bis Verlaine, Maler von Toulouse-Lautrec bis van Gogh, viele Schauspieler und Professoren schwärmten von der fantastischen Wirkung des Absinths. Oscar Wilde prägte den Begriff der „Grünen Fee“, die nach einigen Gläsern den Trinker umarmt und ihm zu unglaublichen Kreativitätsschüben verhalf. Dass Ab- sinth ein Aphrodisiakum sein sollte, dürfte den Verkauf kräftig angeheizt haben. Kurzum: Absinth war „in“.

Der hohe Absinth- bzw. der insge- samt stark gestiegene Alkoholkonsum der Franzosen hatte Folgen: die Zahl der Insassen von Heimen für Geistes- kranke und Selbstmordgefährdete nahm zu. Bei chronischem Absinth- Missbrauch kam es zu Sucht,Ver- wirrtheit, Nachlassen der geistigen Fähigkeiten,Verblödung, schweren Halluzinationen mit nachfolgenden Depressionen, Krämpfen, Paralyse und schließlich zum Tod. Dieses Syn- drom wurde als Absinthismus be- zeichnet.

Erste Forderungen aus medizini- schen Kreisen nach einem Verbot wurden laut, wobei Absinth nicht nur für psychische Störungen, sondern plötzlich auch für Tuberkulose, Syphi- lis, Kriminalität und dem Verfall der allgemeinen Moral verantwortlich ge- macht wurde.

Ironischerweise wurde das Mi- litär, das Absinth in Frankreich po- pulär gemacht hatte, nun ein uner- bittlicher Gegner.Wegen der schlech- ten körperlichen Verfassung wehr- pflichtiger Franzosen schlug das Kriegsministerium Alarm und ver- langte ein Verbot. Die französischen Weinbauern schlossen sich dem an, denn sie waren natürlich an weniger Absinth- aber mehr (teuren) Weinver- brauch interessiert.Viele Mediziner und schließlich auch die Académie de Médecineunterstützten ein Ver- bot. Dessen ungeachtet tranken die Franzosen unverdrossen ihren Ab- sinth weiter. Erst ein spektakuläres Familiendrama führte zu einem schlagartigen Stimmungsumschwung in Europa:

Am 28. August 1905 begann Jean Lanfray, ein 31-jähriger Weinberg- arbeiter im Schweizer Kanton Vaud (Waadt), den Tag um 6:00 Uhr früh mit zwei Gläsern Absinth, ging an- schließend ins Café, trank dort einen Pfefferminzlikör und einen Cognac.

Während der Arbeit im Weinberg trank er sieben Gläser Wein, um vier

Maignan: „Der Absinthtrinker“

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Uhr nachmittags im Café einen Kaffee mit Branntwein und schließlich da- heim einen Liter Rotwein. Dort geriet er mit seiner Frau in einen heftigen Streit über seine von ihr nicht ge- putzten Stiefel. Der Streit eskalierte und er erschoss seine Frau, seine ins Zimmer kommende vierjährige Toch- ter Rose und seine im Nebenzimmer schlafende zweijährige Tochter Blan- che. Dann versuchte er, sich selbst das Leben zu nehmen. Jean Lanfray wurde des vierfachen Mordes ange- klagt, da seine Frau schwanger war.

Trotz der vergleichsweise geringen Menge des bereits morgens getrunke- nen Absinths führte der Gerichtsgut- achter, der bekannte Psychiater Al- bert Mahaim, die Ursache des Mordes eindeutig und ausschließlich auf Ab- sinthismus zurück. Der Angeklagte bekam eine Gefängnisstrafe von 30 Jahren. Er erhängte sich wenige Tage nach der Verurteilung in seiner Gefängniszelle.

Dieser Prozess schlug hohe Wel- len und es folgten Verbote in fast al- len Ländern: Belgien schon 1905, die

Schweiz 1908 per Volksabstimmung, die USA 1912 und Frankreich 1915.

Reichspräsident Friedrich Ebert un- terschrieb am 27. April 1923 ein Ge- setz, das die Herstellung und den Import von Absinth in Deutschland verbot.

Schlagartig verschwand der Ab- sinth vom Markt. Die traditionellen Produzenten in Frankreich und der Schweiz, allen voran Pernod, stellten ihre Produktion auf Anisschnäpse oh- ne Wermut-Zusatz um, die sich heute noch als Pastis großer Beliebtheit er- freuen.

Das Absinthverbot wurde 1981 in Deutschland aufgehoben, die Verwen- dung von Wermutöl war aber durch die Aromenordnung zunächst weiter- hin verboten. Seit 1991 ist Absinth nach EU-Recht in Deutschland und den anderen europäischen Ländern zulässig [13]. Auf dem deutschen Markt sind derzeit über 100 verschie- dene Sorten erhältlich, die über- wiegend in Spanien, Frankreich und Tschechien hergestellt werden.

Auf der Suche nach der Grünen Fee

Die Grüne Fee, das war die euphori- sierende und stimulierende Wirkung von Absinth. In diesem rauschähn- lichen Zustand sollen, will man den Berichten der damaligen Künstler Glauben schenken, viele ihrer Meis- terwerke entstanden sein. Oscar Wil- de beschrieb die Wirkung so:

Nach dem ersten Glas, siehst Du die Dinge so, wie Du sie Dir wünschst. Nach dem zweiten, siehst Du die Dinge, wie sie nicht sind.

Zum Schluss siehst Du die Dinge, wie sie wirklich sind,

und das ist das Schrecklichste auf der Welt.

Trank man zu viel, wurde aus der Grünen Fee ein Ungeheuer, das dem Trinker einen bösen Kater bescherte.

Bei chronischem Missbrauch traten psychische Störungen und schwere Muskelkrämpfe auf, im fortgeschritte- nem Stadium schließlich Persönlich- keitszerfall, Suizidgefahr, Gedächtnis- störungen, Paralyse und der Tod. Ob- wohl die beobachteten Symptome

denen des chronischen Alkoholismus entsprechen, war die Mehrheit der scientific community des ausgehen- den 19. Jahrhunderts davon über- zeugt, dass Absinth im Gegensatz zu anderen alkoholischen Getränken ge- sundheitsschädlich war. Man glaubte fest an eine neue Krankheit: den Ab-

H E R S T E L L U N G E I N E S K L E I N E N A B S I N T H -VO R R AT S

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Ein Spitzen-Absinth kann nur aus einem hochwertigen Branntwein und Kräutern bester Qualität hergestellt werden [32]. Hier eine Originalvor- schrift von 1855 aus Pontarlier [33]:

1. Stufe: Mazeration und Destillation Man übergießt eine Mischung von 2,5 kg Wermutkraut (Artemisia ab- sinthum), 5 kg Anis, 5 kg Fenchel ins- gesamt 95 l Branntwein (85 Vol%

Ethanol) pflanzlichen Ursprungs. Nach 12 h bei Raumtemperatur gibt man 45 l Wasser hinzu und destilliert lang- sam bis insgesamt 95 l Destillat über- gegangen sind. In der ersten Fraktion mit einem Alkoholgehalt von 80-60 Vol% Alkohol gehen vor allem die leichtflüchtigen, feinwürzigen Kompo- nenten des Wermutaromas, in der mittleren Fraktion eher die nelken- und zimtartigen Komponenten [34] über.

2. Stufe: Coloration

Eine Mischung von 1 kg Wermutkraut, 1 kg Ysop und 500 g Zitronenmelisse werden mit 40 l des in der ersten Stufe gewonnenen Kräuterdestillats über- gossen. Nach einer längeren Wartezeit wird filtriert und die klare, blassgrüne Lösung mit den restlichen in der ersten Stufe gewonnenen 55 l des Destillats vereinigt und mit Wasser auf ein Ge- samtvolumen von 100 l aufgefüllt.

Der Ethanolgehalt des so gewonnen Absinths beträgt 74 Vol.%.

Einen Eindruck über die Anzahl flüchti- ger Komponenten des Wermuts gibt das Gaschromatogramm eines Wer- mutöls. Es enthält Hunderte von Stof- fen. Da die Basis eines guten Absinths aus mindestens einem halben Dutzend verschiedener Kräuter besteht, die ihre flüchtigen Bestandteile bei der Destil- lation und die nicht-flüchtigen bei der Mazeration abgeben, ist Absinth che- misch gesehen ein äußerst komplexes Substanzgemisch [35].

Van Gogh

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133 sinthismus.Vor diesem Hintergrund

wurden wissenschaftliche Studien durchgeführt, die die Schädlichkeit des Wermuts gegenüber der Harmlo- sigkeit des Ethanols nachweisen soll- ten, denn man war überzeugt, dass die Grüne Fee irgendwo im Wermut steckte. Bei der experimentellen Su- che nach ihr wurde reines etheri- sches Öl (Wermut- oder Absinthöl) eingesetzt, das durch Wasserdampf- destillation aus der Pflanze direkt ge- wonnen wurde [14].

Experimentelles

Zwei Experimente sollen hier vor- gestellt werden:

I. Carl Friedrich Bohm, ein verwegener Hal- lenser, trank 1879 in einem Selbstversuch abends um 19:00 Uhr auf leeren Magen fünf Gramm Absinthöl. Er berichtete darü- ber in seiner Doktorarbeit [15]:

„Nach einer Stunde roch mein Atem inten- siv ätherisch und ich hatte einen eigentüm- lich-kühlenden Geschmack im Mund. Alle anderen subjektiven Empfindungen blieben aus. Ich hatte kein Brennen im Magen und meine psychische Sphäre zeigte sich nicht im geringsten beeinflusst. Am anderen Morgen um acht Uhr nahm ich völlig nüch- tern noch einmal fünf Gramm Öl ein. Mein Atem roch den ganzen Tag über, sonst konnte ich nichts an mir merken. ... Das war alles. Vielleicht war die Dosis für mich noch nicht stark genug, aber zu größeren Dosen hatte ich keine Neigung.“

Dieser Selbstversuch zeigte, das die orale Aufnahme von zweimal 5 g Absinthöl (jeweils 70 mg/kg Körper- gewicht) zu keinen subjektiven Störungen führt. Dieser tollkühne Selbstversuch wurde im Jahre 1997 mit doppelter Dosis unfreiwillig wiederholt [16].

II. Ein 31jähriger Mann hatte Wermutöl über das Internet bestellt und 10 ml davon auf einmal im Glauben getrunken, es han- dele sich um hochprozentigen Absinth.

Wenige Stunden später war er desorientiert und bekam starke Muskelkrämpfe. Im Krankenhaus verschlechterte sich sein Zu- stand und es trat schließlich akutes Nieren- versagen auf. Der Patient wurde mehrere Tage intensivmedizinisch betreut und mit normalen klinischen Werten am 8. Tag entlassen.

Trotz der ungenauen Mengenan- gaben und der unbekannten Zusam- mensetzung der aufgenommenen

Wermutöle, zeigt besonders das letz- te, unfreiwillige Experiment, dass Wermutöl bei sehr hoher Dosierung (140 mg/kg oral) schwere Krämpfe und Gewebeschäden hervorrufen kann.

Hat die Grüne Fee die Summenformel C10H16O?

Den Wissenschaftlern des ausgehen- den 19. Jahrhunderts war es noch nicht möglich, die gesundheitsschäd- liche Komponente im Wermut zu identifizieren. Erst um die Jahrhun- dertwende konnte Otto Wallach ein als Thujon bezeichnetes Keton aus dem Lebensbaum Thuja occidentalis isolieren, das sich später auch als Hauptinhaltsstoff einiger Artemisia- Arten, vor allem Wermut und Salbei erwies [17].Thujon ist eine farblose, leicht ölige und mit Wasser nicht mischbare Verbindung mit erfrischen- dem, mentholähnlichen Geruch.

Die chemische Struktur war sehr un- gewöhnlich und erwies sich als das bicyclische Keton 4-Methyl-1- (1-methylethyl)bicyclo[3.1.0] hexan- 3-on (1).

Thujon (1) ist ein bicyclisches Mono- terpen, d.h. der Grundkörper besteht aus 10 Kohlenstoffatomen und kann formal durch Aneinanderfügen von zwei Isoprenbausteinen (2-Methyl-1,3- butadien) zusammengesetzt werden.

Thujon enthält zwei stereogene Koh- lenstoffatome (in 1- und 4-Position) mit jeweils vier verschiedenen Sub- stituenten, so dass vier Stereoisomere möglich sind. Zwei davon, das a-Thu-

jon (2) und das b-Thujon (3), kom- men im Wermut vor, die beiden Diastereomere haben unterschied- liche chemische, physikalische und toxikologische Eigenschaften (Tabelle 1).

Erst in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts standen die bei- den natürlich vorkommenden Thuj- on-Isomere für Experimente zur Ver- fügung, doch wegen des Verbots wa- ren Absinth,Wermut und Thujon nicht mehr von toxikologischem In- teresse [18]. Die Suche nach der Grü- nen Fee wurde abgebrochen, doch blieb Thujon weiterhin der Hauptver- dächtige!

Die Wirkung von Thujon Eine Zuschrift in „Nature“ lenkte 1975 die Aufmerksamkeit der Wissen- schaft wieder auf Thujon bzw. Ab- sinth. Da in unzähligen Berichten die subjektive Wirkung von Absinth und Marijuana (Cannabis sativa) ähnlich zu sein schienen, vermuteten Castillo et al., dass beide wirksamen Inhalts- stoffe – Thujon und Tetrahydrocanna- binol – am gleichen, dem Cannabino- id-Rezeptor im Zentralnervensystem binden [19]. Diese Vermutung stellte sich später zwar als falsch heraus [20], aber mit der abzusehenden Le- galisierung von Absinth war Thujon wieder von Interesse.

Nach neuen Untersuchungen wirkt Thujon an einer anderen Stelle im Nervensystem. Grob vereinfacht werden die Aktivitäten von Nerven- zellen durch zwei chemische Verbin- dungen (Neurotransmitter) kontrol- liert. Eine Anregung erfolgt durch Glutaminsäure und eine Inhibierung durch GABA (g-Aminobuttersäure) [21]. Die GABA-Rezeptoren kommen sowohl im zentralen, als auch peri- pheren Nervensystem vor.Thujon blockiert die GABA-Rezeptoren [22],

spez. Siedepunkt LD50

Drehwert (Maus) [30]

a-Thujon (2) (-)-Thujon – 19,9° Kp17= 84°C 87,5 mg/kg b-Thujon (3) (+)-Isothujon [31] + 73,4° Kp17 = 86°C 442,5 mg/kg TA B . 1 E I G E N S C H A F T E N VO N T H U J O N

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nach mehrwöchiger Aufnahme von täglich 10 mg/kg Thujon keine Ände- rungen der Spontanaktivität oder des Verhaltens [24]. Insgesamt kann beim gegenwärtigen Kenntnisstand davon ausgegangen werden, dass eine chro- nische Thujonaufnahme von 10 mg/

kg Körpergewicht nicht schädlich ist. Sollte die Grüne Fee also die Sum- menformel C10H16O haben, müsste ein Absinth-Trinker die 10 mg/kg Grenze überschritten haben, also mindestens 700 mg Thujon aufge- nommen haben. Erst dann darf er auf ihren Besuch hoffen.

Die maximale aufgenommene Thujon-Menge kann an Hand des Ori- ginalrezepts abgeschätzt werden (Kasten S. 132). Danach werden zur Herstellung von 100 l Absinth 3,5 kg Wermut eingesetzt. Bei einem Ölge- halt von maximal 1,5 % des getrock- neten Wermutkrauts und einem Thu- jongehalt des Öls von 80% können höchstens 400 mg Thujon pro Liter in den Absinth gelangen. Um die 10 mg/kg Grenze zu überschreiten, müsste ein Mensch zwei Liter Ab- sinth in kurzer Zeit hinuntertrinken.

Allerdings dürfte bereits ab einem halben Liter mit 74 Vol% Alkohol (entsprechend einer Flasche Wodka)

ein eventueller Feebesuch wegen völliger Trunkenheit nicht mehr

bemerkt werden, und nach einem Liter Absinth wäre der Blut- alkohol jenseits der letalen 5 ‰ Grenze [25].

Es sei nochmals betont: dies ist eine worst-case-Rechnung zur Bestimmung der theoretischen Obergrenze. Eine professionelle Wasserdampfdestillation liefert

höchstens 0,2 – 0,4% etherisches Öl und unter Berücksichtigung weiterer Faktoren ergibt eine realistische Abschätzung [26] Thu- jon-Werte unterhalb von 100 mg/l Absinth. Dann würde die Grüne

Fee frühestens nach dem Genuss von sieben (!) Litern Absinth auf-

tauchen.

Fazit: Sollte sich die Grüne Fee im Thujon verstecken, bliebe ein Besuch unbemerkt, soviel Absinth wir auch trinken d.h. GABA kann die Nervenzellen

nicht mehr wirkungsvoll inhibieren, sie sind dann extrem leicht erregbar.

Die in Tierexperimenten beobachte- ten schnell aufeinander folgenden Muskelkrämpfe spiegeln diese leichte Erregbarkeit wider und sind Folge der Blockade der GABA-Rezeptoren.

Ist Absinth gesundheitsschädlich?

Für die lebensmittel-toxikologische Beurteilung von Absinth sind zwei Fragen entscheidend: wie toxisch ist Thujon und wieviel davon wird beim Trinken aufgenommen? Obwohl eini- ge Studien mit Thujon-Isomerengemi- schen unbekannter Zusammenset- zung durchgeführt wurden, stimmen die publizierten Werte für die letale Dosis für Maus, Ratte, Hund und Meerschweinchen mit 70-400 mg/kg Körpergewicht überein (Tabelle 1).

Die krampfauslösende Dosis (Maus, Ratte, Kaninchen, Katze, nicht intra- venös) von Thujon liegt oberhalb von 72 mg/kg [23] und Ratten zeigten

D I E F E I N E A R T, A B S I N T H Z U G E N I E S S E N

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Absinth wird nicht einfach getrunken, sondern zelebriert! Der Connaisseur hat dazu die stilechte Gerätschaft zur Hand:

ein Absinthglas und einen durchlöcher- ten Absinth-Löffel. Zuerst werden 2 cl Absinth in das Glas gegossen. Auf den auf dem Glas quer liegenden, durch- löcherten Löffel legt man, je nach Geschmack, ein bis zwei Stückchen Würfelzucker. Nun hat man die Wahl zwischen zwei Trinkritualen:

Das tschechische Ritual

Die Zuckerstückchen werden mit Ab- sinth beträufelt und wie bei einer Feuer- zangenbowle angezündet. Beginnt der Zucker, Blasen zu schlagen und zu kara- melisieren, wird die Flamme gelöscht und der Löffel in den im Glas befind- lichen Absinth getaucht und mit kaltem Wasser bis zum Verhältnis 1:4 bis 1:5 aufgefüllt.

Das französisches Ritual (Abbildung) Man lässt über den Würfelzucker lang- sam und vorsichtig eiskaltes Wasser tröpfeln. Mit verträumten Blicken ver- folgt man das Eintropfen des Zucker- wassers in den Absinth. Zuerst bilden sich nur Schlieren, dann eine milchig- grünliche Emulsion (louche-Effekt). Auch hier wird die Wasserzugabe bei einer Verdünnung auf 1:4 bis 1:5 beendet.

Schon der erste Schluck verrät die Her- kunft: bei Absinthen aus Frankreich, Spanien oder der Schweiz dominiert eine kräftige Anisnote ähnlich dem (modernen) Pastis, tschechische Ab- sinthe zeichnen sich durch eine stärker minzige Note aus.

Abb. Ein altes Postkartenmotiv der Absinthzubereitung

Je suis la Fée Verte, Ma robe est couleur d’espérance

Je suis la ruine et la douleur, Je suis la honte, Je suis le deshonneur,

Je suis la mort, Je suis l’Absinthe.

Ich bin die Grüne Fee,

meine Robe hat die Farbe der Hoffnung ...

ich bin das Verderben und der Schmerz, ich bin die Scham,

ich bin die Schande, ich bin der Tod, ich bin der Absinth.

Anonymus [37]

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135 War der Absinth in der Belle

Epoque besser?

Eine moderne gaschromatographi- sche Analyse eines Absinths von 1900 (Pernod) mit zwei nach alten Rezepten hergestellten Absinthen, einmal aus einer Schwarzbrennerei (!) in Val de Travers und aus einer modernen Brennerei in Pontarlier er- gab ein überraschendes Ergebnis: der alte Pernod hatte den niedrigsten Thujongehalt und alle Absinthe lagen deutlich unterhalb der von der EU festgelegten Höchstgrenze von 35 mg/l [27]. Ob alte Absinthe Thu- jonwerte über 100 mg/l jemals er- reichten, muss aus heutiger Sicht stark angezweifelt werden.

Bei der Wirkung alter Absinthe müssen noch andere Substanzen berücksichtigt werden. Im 19. Jahr- hundert wurden viele Absinthe nicht immer fachgerecht hergestellt, mehr noch: es wurde verschnitten, ge- panscht und gefälscht. Minderwertige Branntweine mit viel zu hohen Metha- nol- und Fuselöl-Anteilen wurden ver- wendet, der bittere Geschmack des Wermuts verdeckte alles! Die häufig beobachteten Sehstörungen können auf Methanol zurückgeführt werden.

Schlechter Absinth wurde mit frag- würdigen Methoden „verbessert“: mit toxischem Kupfersulfat wurde die grüne Farbe verstärkt, und schlechte Absinthe bezeichnete man umgangs- sprachlich als sulfat des cuivre(Kup- fersulfat); Absinth mit Zusatz von Zinksulfat wurde als sulfat des zinc bezeichnet. Mit Antimontrichlorid, das nach Zugabe von Wasser zu un- löslichen, weißen basischen Antimon- chloriden hydrolysiert, wurde die charakteristische Eintrübung (louche- Effekt) verstärkt.Wie viele Menschen durch das Verschneiden und die Zu- sätze damals geistigen und körperli- chen Schaden nahmen, ist nicht nachzuvollziehen.

Ein Gläschen à votre santé ? Eine umfangreiche Gesetzgebung und entsprechende Behörden sorgen heute für die Definition und Einhal- tung von Qualitätsstandards unserer Lebensmittel. Dies gilt auch für Ab-

sinth, denn mit der von der EU fest- gelegten Höchstgrenze von 35 mg Thujon/l für hochprozentige Bitterspirituosen ist man nach Auffas- sung aller Fachleute auf der sicheren Seite. Das Bundesinstitut für gesund- heitlichen Verbraucherschutz und Ve- terinärmedizin (BgVV) hat festge- stellt, dass es „wenig wahrscheinlich ist, durch Absinth-Konsum eine schä- digende Menge Thujon aufzuneh- men“ [28]. Bei ihren Untersuchungen hat das BgVV insgesamt 30 auf dem Markt erhältliche Absinthe unter- sucht und nur bei einem lag der Thu- jongehalt mit 45 mg/l über dem zu- gelassenen Höchstwert. Auf der ande- ren Seite hatten 25 Absinthe Thujon- Gehalte unter 10 mg/l. Bei

12 Absinthsorten muss sogar ange- zweifelt werden, ob bei Herstellung überhaupt Wermut dabei war, denn der Thujonwert lag unter 1 mg/l [29].

Mit dem amtlichen Segen des BgVV können wir uns also bedenken- los eine Grüne Stunde gönnen. Aber wird uns das auch schmecken? Keine Sorge, auch hier haben die Mitarbei- ter des BgVV ganze Arbeit geleistet.

In einer wahrhaft heroischen An- strengung haben sie unter Hintanstel- lung ihrer eigenen Gesundheit die 30 Absinthe gekostet und sensorisch bewertet. Dabei stellten sie eine große Bandbreite von Geschmacks- und Geruchsnoten und -verirrungen fest: Absinth #12 roch nach altem Gummi und schmeckte rau, Absinth

#16 roch und schmeckte nach Gurkenwasser und #24 war leicht muffig, hatte aber wenigstens eine deutliche Kräuternote. Mit anderen Worten: zum vollendeten Genuss gehört ein guter Absinth, und der ist leider teuer, von R30 aufwärts.

Schlussbetrachtungen

Die Frage, ob und wo sich die Grüne Fee im Absinth versteckt, kann nicht abschließend beantwortet werden.

Thujon kann ausgeschlossen werden, da die aufgenommenen Mengen viel zu gering sind.War es vielleicht doch der viele Alkohol? War die Grüne Fee vielleicht nur eine Vorstufe zum Deli- rium? Oder war alles nur Einbildung?

Über diese Fragen sollte man in einer Grünen Stunde bei einem, höchstens zwei Gläsern Absinth nachsinnen.

Wenn das Zuckerwasser langsam in den Absinth tropft, wenn das Grün sich milchig trübt, lichtet sich der Nebel vor unserer Fantasie und dann, ja dann dürfen wir vom Besuch der Grünen Fee träumen.Wahrscheinlich, nein sicherlich, werden wir verge- bens warten, aber was macht das schon? Träumen von der Umarmung einer schönen Fee undeinem klei- nen bicyclischen Keton, noch dazu mit einem Dreiring, – kann Zeit schö- ner dahinrinnen?

Dank

Ich danke den folgenden Kolleginnen und Kollegen für ihre wertvolle Hilfe bei den Recherchen und ihren kritischen Kommentaren:

Dr. M.-C. Delahaye, Auvers-sur-Oise;

D I E B I T T E R K E I T VO N A B S I N T H U N D W E R M U T W E I N E N

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Absinth und die verschiedenen Wermutweine (Martini, Cinzano

& Co.) schmecken angenehm bitter.

Der dafür verantwortliche Inhaltsstoff des Wermuts ist das Absinthin (44), dessen Struktur 1960 aufgeklärt wurde [36]. Ab- sinthin ist nicht flüchtig und geht bei der Absinth-Herstellung während der Destillation nicht mit dem Thujon über, sondern erst bei der Coloration. Dabei wird Wermut direkt mit dem Destillat extrahiert und Absinthin wird aufgenommen. Wermut- wein bekommt seine bittere Geschmacksnote auf die gleiche Weise, wobei hier die Pflanze direkt mit Wein extrahiert wird.

Wermut ist eine der bittersten Pflanzen und das Absinthin ist noch in einer Verdünnung von 1:70 000 zu schmecken. Schon beim Genuss geringster Mengen schlägt unsere angeborene Abneigung gegen Bitterkeit Alarm, was in der Volksmedizin zum Abstillen von Säuglingen genutzt wurde. In Shakespeares

„Romeo und Julia“ erinnert sich Julias Amme noch lebhaft an dieses Erlebnis:

Ich hatte Wermut auf die Brust gelegt Und saß am Taubenschlage in der Sonne...

Als es den Wermut auf der Warze schmeckte Und fand ihn bitter – närr’sches, kleines Ding – Wie böse zog der Brust es ein Gesicht!“

(7)

Dr. J. Emmerich, Basel; M. Günther, Prof. Dr. H. Hartl und H. Kleinhuber, Berlin, E.Vaupel, Deutsches Museum München und H.Werner, Hohen- mölsen.

Literatur und Anmerkungen

[1] Der Wermut wird erstmals im Westger- manischen als wer(i)muota erwähnt, die Herkunft seiner Bedeutung ist aber un- klar (Deutsches Wörterbuch, J. und W.

Grimm, Bd. 29, 11996600). Einmal könnte Wermut wegen der wärmenden Wirkung des Aufgusses an warm oder, da Wermut in der Volksmedizin als Antiwurmmittel verwendet wurde, an Wurm angelehnt sein, „weil er die Würmer in des Men- schen Leib tödtet und abtreibet, und da- her manchen Quacksalber ernehren muß“ (Curioses Natur-Kunst-Gewerck und Handlungs-Lexicon, Marperser, 1

1771122, Leipzig). Für diese zweite Anleh- nung spricht auch die englische Bezeich- nung wormwood für Wermut.

[2] Hildegard von Bingen, Naturkunde zitiert nach Absinth, H. Werner, 22000022, Ullstein Taschenbuchverlag, München [3] Confect Büchlin und Hausz Apothek,

Walther Ryff, 11554444, 113, Frankfurt/Main [4] W. N. Arnold, Scientif. Amer. 11998899, 260

(June), 86; Spektrum Wiss., 11998899, August, 64.

[5] S. Lee et al., J. Econ.Entomol. 11997777, 90, 883.

[6] A.-M. Villon, La Nature 11889944,, 22, 149,, 181.

[7] L’Absinthe histoire de la Feé Verte, M.-C.

Delahaye 1983, Auvers-sur-Oise; L’Ab- sinthe, Son Histoire, M.-C. Delahaye, 2

2000011, Musée de l’Absinthe, Auvers-sur- Oise.

[8] Die Vermutung, dass Wermut Artemisia absinthium gegen Malaria wirkt, beruht wahrscheinlich auf einer Verwechselung mit Artemisia annua, die tatsächlich ge- gen Malaria wirksam ist.

[9] Die Volumenangaben beziehen sich auf das reine Ethanol. Social Drinking in the Belle Epoque, M.R. Marrus, J. Soc. Hist.

1

1997744, 8, 116.

[10] Die Wohnbedingungen und die hygieni- schen Verhältnisse waren katastrophal, um 1860 wütete noch die Cholera in Paris.

[11] Ursprünglich bezeichnete man die aus Böhmen in Frankreich eingewanderten Zigeuner als Bohémiens, die ihren Lebensunterhalt als Musiker und Gaukler verdienten. Später wurde dieser Begriff in der Umgangssprache auf alle mehr oder weniger verwahrlosten, scheinbar un- bekümmerten und ungebunden vor sich hin lebenden Menschen ausgedehnt. Ein

„Vie de Bohème“ war ein Leben mit ver- lotterter Sitte und Moral, ein wunderba-

rer Stoff für Romane und Opern (z.B. La Bohème von Giacomo Puccini).

[12] Die Reblaus erreichte 1867 Klosterneu- burg bei Wien, 1874 die Gartenanlage Annaberg bei Bonn, 1907 die Mosel und 1913 Baden. In vielen wissenschaftlichen Studien untersuchte man den komplizier- ten Fortpflanzungszyklus der Reblaus, die vor allem im Winter die Wurzeln angreift.

Nach vielen Jahren fand man eine Lösung:

auf amerikanische Wurzelstöcke der Gat- tungen vitis riparia und vitis berlandieri , die gegen die Reblaus resistent sind, wur- de einheimischer Wein vitis vinifera ge- pfropft.

[13] In der Schweiz, dem Mutterland des Ab- sinth, wurde das Verbot im Juni 2004 auf- gehoben, seitdem können die dort jähr- lich illegal hergestellten 10 000 l über dem Ladentisch verkauft werden. In den USA bleibt Absinth verboten.

[14] Dieses Öl entspricht ungefähr den bei der destillativen Absinth-Herstellung überge- henden flüchtigen Bestandteilen.

[15] Über die Wirkung des ätherischen Ab- sinthöls, 11887799, Universität Halle loc.cit. in Absinth, H. Werner, 22000022, Ullstein Ta- schenbuchverlag, München.

[16] S.D. Weisbord et al. N.Engl.J.Med. 11999977, 337, 825.

[17] Die ätherischen Öle, E. Gildemeister und F. Hoffmann, 11996633, Bd.IIIC, 270, Akade- mie-Verlag, Berlin.

[18] Thujon spielte allerdings in der experi- mentellen Medizin zur Erzeugung von epileptischen Muskelkrämpfen in Labor- tieren weiterhin eine wichtige Rolle.

[19] J. del Castillo et al., Nature, 11997755, 253, 365. In ihrem „letter“ setzten die Autoren voraus, dass Thujon in der energetisch sehr ungünstigen Enolform am Cannabi- noid-Rezeptor bindet. Dies ist eine zu- mindest sehr kühne Hypothese.

[20] J.P.Meschler und A.C. Howlett, Pharm.Biochem.Behaviour 11999999, 62, 473.

[21] P. Krogsgaard-Larsen et al. The Chemical Record 22000022, 2, 419.

[22] K. M. Höld et al. Proc. Nat. Acad. Sciences USA 22000000, 97, 3826 Diese Autoren unter- suchten nur a-Thujon.

[23] Die Grüne Fee, A. Erb, Seminararbeit AG P. Schreier, 22000033, Universität Würzburg.

[24] B.H. Gahwiler, Trends. Neurosci. 11998888, 11, 48. R. Margaria, 11996633 loc.cit.in I. Hut- ton, Curr.Drug.Discov. 22000022, 62.

[25] Einen sehr gelungenen und kritischen Überblick gibt W. Huckenbeck www.uni- duesseldorf.de/WWW/MedFak/Serolo- gy/sero/sero-3-01/absinth.htm [26] B. Max, Trends Pharm. Sci. 11999900, 11, 56.

[27] I. Hutton, Curr. Drug. Discov. 22000022, 9, 62.

[28] Belastungssituation von Absinth mit Thu- jon, M. Lang et al., 22000022, Heft 8, BgVV Hefte, Berlin.

[29] Leider ist gesetzlich nicht festgelegt, dass Absinth aus Wermut hergestellt worden sein muss, so dass auch Kräuterspiri- tuosen, die gänzlich ohne Wermut her- gestellt worden sind, als Absinthe ver- kauft werden dürfen.

[30] K.C. Rice und R.S. Wilson, J. Med. Chem.

1

1997766, 19, 1054.

[31] Wie so häufig verwirren Trivialnamen: es gibt noch ein zweites Isothujon, das aus Thujon mit konzentrierter Schwefelsäure entsteht. Dieses Konstitutionsisomere entsteht durch Öffnen des Dreirings und ist ein Cyclopentenon-Derivat.

[32] Es gibt von dieser Grundrezeptur unzähli- ge Variationen bezüglich der Zutaten und Verfahrensweise. Bei den Kräutermi- schungen werden auch Süßholzwurzel, Muskatnuss, Holunder, Zitronenmelisse, Wacholder, Muskatnuss und Ehrenpreis u.v.a. verwendet. Einige weitere Rezepte:

http://www.feeverte. net/recipes.html#1 [33] siehe Lit. [4] Die angegebene Vorschrift

ist nur in der amerikanischen Ausgabe, nicht aber in der deutschen Übersetzung abgedruckt.

[34] D.W. Lachenmeier et al., Dtsch. Le- bensm.-Rundsch. 22000044, 100, 117.

www.cvua-karlsruhe.de/seiten/cvua/

aktuelles/absinth04.htm

[35] Nach neuesten Untersuchungen von Em- mert et al. (Dtsch. Lebensm. Rundschau, 2

2000044, 100, 352) wird der hohe Gehalt von a-Thujon durch einen anderen Inhalts- stoff, das Linalool, vorgetäuscht.

[36] L. Novotny´, V. Herout und F. Sˇorm, Collect. Czech. Chem. Commun. 11996600, 25, 1492.

[37] Dieses Gedicht wurde von den Absinth- Gegnern im Stile von Rimbaud und Verlaine verfasst.

Der Autor

Autor dieser Rubrik ist Prof. Klaus Roth von der Freien Universität Berlin.

E-Mail: klaroth@chemie.fu-berlin.de

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