• Keine Ergebnisse gefunden

Theorie und Praxis des Unternehmensrechts Festschrift zu Ehren von Lukas Handschin

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Theorie und Praxis des Unternehmensrechts Festschrift zu Ehren von Lukas Handschin"

Copied!
21
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

jetzt bestellen

(2)

Theorie und Praxis

des Unternehmensrechts

Festschrift zu Ehren von Lukas Handschin

Herausgegeben von Peter Jung

Frédéric Krauskopf

Conradin Cramer

(3)

Bibliografi sche Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, vorbehalten. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzun- gen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.

© Schulthess Juristische Medien AG, Zürich · Basel · Genf  2020 ISBN 978-3-7255-7962-4

www.schulthess.com

VV

Vorwort

Theorie und Praxis des Unternehmensrechts haben Lukas Handschin ein Arbeitsleben lang beschäftigt. Obwohl er mit der Professur an der Universität Basel seinen Wunschbe- ruf ausüben und seiner Berufung folgen durfte, hat er sich doch immer auch als Praktiker verstanden und aus seiner Tätigkeit als Partner und Konsulent der Anwaltskanzlei Baur Hürlimann wichtige Anregungen gewonnen. Theoretische Überlegungen taugten für ihn nur dann etwas, wenn sie auch praktikabel waren, der Privatautonomie Spielräume liessen und die betroffenen Interessen zu einem sinnvollen Ausgleich führten. Insofern hat Lukas Handschin Theorie und Praxis auch nie als Gegensätze, sondern stets als etwas Verbin- dendes und sich gegenseitig Befruchtendes verstanden – ganz so, wie er selbst jeweils voll und ganz an der Universität Basel und als Anwalt tätig war.

Lukas Handschin wurde am 7. April 1959 in Zürich geboren. Nach dem Schulbesuch in Basel und Japan studierte er zunächst an der International Christian University in Tokio Japanisch und Volkswirtschaft, bevor er 1980 das Studium an der Juristischen Fakultät der Universität Basel aufnahm. Als Assistent von Karl Spiro wurde Lukas Handschin 1987 mit einer Dissertation zum Thema „Papierlose Wertpapiere“ promoviert. Ein Jahr später erwarb er das Anwaltspatent und praktizierte seither als Anwalt in Zürich und Ba- den. 1993 habilitierte sich Lukas Handschin an der Basler Juristenfakultät mit einer Schrift zum Konzern im geltenden schweizerischen Privatrecht und erhielt die venia docendi für Privatrecht. Fortan nahm er Lehraufträge in Basel und St. Gallen wahr, bis er an der Uni- versität Basel zunächst zum Titularprofessor, dann zum Extraordinarius und schliesslich 2009 zum Ordinarius für Privatrecht bestellt wurde.

Die Rechtswissenschaft hat Lukas Handschin aussergewöhnlich viel zu verdanken. Mit dem Personengesellschaftsrecht und dem Rechnungslegungsrecht hat er gleich zwei zuvor etwas vernachlässigte Rechtsgebiete wieder stärker in das Bewusstsein gerückt. Die bei- den 2009 publizierten Bände des Zürcher Kommentars zu den Personengesellschaften sind ebenso unentbehrliche Standardwerke geworden wie das 2016 in zweiter Auflage in der Reihe Schweizerisches Privatrecht erschienene Handbuch zur Rechnungslegung im Gesellschaftsrecht. Das gilt auch für das in drei Auflagen erschienene Handbuch zum GmbH-Recht. Ein grosses Verdienst bildet schliesslich die vor dem Abschluss stehende Herausgabe von fünf Bänden des Zürcher Kommentars zum Aktienrecht. Der erste Band erschien 2016 und damit über 70 Jahre nach der letzten Auflage dieser Grosskommentie- rung. In seinen Schriften zeigt Lukas Handschin ein Gespür für neue Entwicklungen. Die juristische Diskussion bereichert er mit eigenen Fragen und originellen Lösungsvorschlä- gen, an denen andere sich gerne auch reiben dürfen. Seine Abenteuerlust kommt nicht nur auf dem Motorrad oder in den Bergen, sondern auch in seinen Publikationen zum Aus- druck. Stets hat er sich offen für Neues gezeigt und seine geistige Unabhängigkeit be- wahrt.

Thematisch spiegelt diese Festschrift die Breite der rechtlichen Fragestellungen, mit de- nen sich Lukas Handschin in seinen eigenen Arbeiten beschäftigt. Den Kern bilden natur- gemäss Beiträge zum Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht sowie zum Genossen-

(4)

VI Vorwort Vorwort

VI

schaftsrecht unter Einschluss vor allem des Rechnungslegungsrechts, aber auch des Kon- zernrechts, das Lukas Handschin mit seiner Habilitationsschrift entscheidend bereichert hat. Ergänzend finden sich Abhandlungen zu Themen an der Schnittstelle dieser Rechts- gebiete zum Handels-, Straf-, Arbeits-, Konkurs- und öffentlichen Recht. Schliesslich darf das Sportrecht nicht fehlen, dem Lukas Handschin sich seit jener Zeit gewidmet hat, als er als jüngstes und bekanntermassen sportbegeistertes Mitglied der Basler Juristenfakultät in die universitäre Sportkommission entsandt wurde. Beiträge von Kollegen aus Japan und Deutschland zeigen, dass der emeritierte Kollege auch international geschätzt wird.

Den über 70 Autorinnen und Autoren dieser Festschrift ist Lukas Handschin auf ganz unterschiedliche Weise begegnet: als Freund, Kollege, Lehrer, Mentor und Autor. Dabei hat er sich offen, empfindsam und unprätentiös gezeigt. Er strebte nach Ausgleich und pragmatischen Lösungen, an deren Umsetzung er immer auch gleich mitwirkte. Den Mit- arbeiterinnen und Mitarbeitern am Lehrstuhl, deren persönliche Förderung ihm besonders am Herzen lag, brachte er grosses Vertrauen entgegen. Gerne ging er mit ihnen auf Reisen oder lud sie zu gemeinsamen Abenden ein. In der Lehre und bei der Betreuung zahlreicher Doktoranden war Lukas Handschin aussergewöhnlich engagiert. Den Masterstudiengang Wirtschaftsrecht hat er mit der von ihm vorangetriebenen Profilierung geprägt. Die Wei- tergabe seines Wissens und seiner Erfahrungen bereiteten ihm ebenso Freude wie die in- tensive und lebhafte Diskussion über juristische Fragen, auf die er noch keine befriedi- gende Antwort gefunden zu haben glaubte. Als Autor wusste Lukas Handschin auch zu kooperieren und als Herausgeber ganze Teams zu motivieren und zu organisieren. Die vielen persönlichen Anmerkungen der Autorinnen und Autoren dieser Festschrift legen davon ein beredtes Zeugnis ab.

Lukas Handschin lebte voll und ganz für seine Berufe als Hochschullehrer und Anwalt.

Von der Möglichkeit, die Emeritierung an der Universität Basel freiwillig hinauszuschie- ben, wollte er selbstverständlich Gebrauch machen. Insofern muss es für ihn besonders schwer gewesen sein zu erkennen, dass ihm dies aus gesundheitlichen Gründen nicht ver- gönnt sein würde. Gleichwohl trägt er die schwere Krankheit, die ihn im Kern seines We- sens getroffen hat, mit bewundernswerter Tapferkeit.

Die Herausgeber danken besonders Frau Esther Jundt für die stets umsichtige Koordina- tion der Herausgeberarbeiten sowie Frau Géraldine Danuser, Herrn Joel Fink, Frau Caro- line Genz, Herrn Raphael Märki, Frau Giulia Müller, Frau Jessica Sommer und Frau Ri- carda Stoppelhaar für das sorgfältige Lektorat der Beiträge. Ausserdem danken wir der Schulthess Juristische Medien AG für die stetige Unterstützung und die zuvorkommende Betreuung der Drucklegung. Das Erscheinen dieser Festschrift wäre zudem ohne die gross- zügige Förderung durch die Anwaltskanzlei Baur Hürlimann und die Juristische Fakultät Basel nicht möglich gewesen.

Unser grösster Dank aber gilt Lukas Handschin, den diese Festschrift verdientermassen ehren und erfreuen möge.

Basel und Bern im August 2020

Peter Jung Frédéric Krauskopf Conradin Cramer

VII

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . V Bärtschi Harald

Vom papierlosen Wertpapier zum Robo-Verwaltungsrat: Gesellschaftsrecht

im digitalen Wandel . . . 1 B ehnisch Urs R./Opel Andrea

Grenzen der Massgeblichkeit und Gestaltungsmöglichkeiten . . . 19 Braendli Beat

Internationalisierung des schweizerischen Gesellschafts- und

Rechnungslegungsrechts . . . 31 Breitenmoser Stephan/Weyeneth Robert

Wann und was das öff entliche Recht vom Privatrecht lernen kann . . . 57 Bühler Christoph B.

Public Corporate Governance: Wie der Bund seine ausgegliederten

Unternehmen steuert . . . 75 Cramer Conradin

Zwischen Pragmatismus und Zahlenmagie – Die zwingende Zahl der Gründer

und Gesellschafter im schweizerischen Gesellschaftsrecht . . . 103 Diem Hans-Jakob

Der selektive Aktienrückkauf . . . 117 Druey Jean Nicolas

Das Prinzip des Wohlwollens . . . 135 Eberle Reto

Berichterstattung weiter gedacht – Überlegungen zur Zukunft der Jahresrechnung 147 Emmenegger Susan/Reber Martina

Zahlungsströme im Konzern: Aufsichtsrechtliche Folgen

der Retrozessionsrechtsprechung . . . 165 Fankhauser Roland/Fischer Nadja

Das minderjährige Vereinsmitglied . . . 175

(5)

Inhaltsverzeichnis

VIII

Fleischer Holger

Idiosynkrasien im deutschen Personengesellschaftsrecht aus schweizerischer Sicht 189 Forstmoser Peter

Plä doyer fü r eine Reform des Genossenschaftsrechts . . . 205 Fukutaki Hiroyuki

Die Ü bernahme der Business Judgment Rule und ihre dogmatische Einordnung

in das japanische Aktienrecht . . . 237 Glanzmann Lukas/Guidoum Sammy

Die gesetzliche Kapitalreserve – Bilanzieller Ausweis, Bestandteile

und Ausschü ttung . . . 251 Gless Sabine

Konzernverantwortung – Entwicklungslinien aus strafrechtlicher Sicht . . . 265 Haas Ulrich/Hessert Björn

The legal regime applicable to disciplinary measures by sports associations –

one size does not fi t all . . . 279 Hafner Felix/Reimann Martin

Die Meldung von Missstä nden (Whistleblowing) im ö ff entlichen Dienstrecht . . . . 293 Hunkeler Daniel/Wohl Georg J./Schönmann Zeno

COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht – Massnahmen des Bundes

gegen Massenkonkurse . . . 311 Jenny David

Corporate Governance staatlich beherrschter Unternehmen:

Einige Überlegungen am Beispiel der politischen Debatten im Kanton Basel-Stadt 335 Jung Peter

Verträ ge der Personengesellschaft mit ihren Gesellschaftern . . . 347 Jutzi Thomas/Herzog Martina

Transparenz im Genossenschaftsrecht: Selbstzweck oder Bestandteil

der Corporate Governance? . . . 363 Kenel Luca

Die Publizitä t der Rechnungslegung im internationalen Vergleich . . . 391

Inhaltsverzeichnis

IX Kramer Ernst A.

Anmerkungen zur Publizität des Handelsregisters

(aus Anlass der Neuregelung in Art. 936b OR) . . . 405 Krauskopf Frédéric/Fink Joel

Die neuen Verjährungsfristen und die auftragsrechtliche Aktenaufbewahrung . . . . 417 Kull Michael

Die Manifestation politischer Ansichten durch Berufsfussballer in der Schweiz –

eine rechtliche Auslegeordnung . . . 441 Lengauer Daniel

Corporate Governance in Genossenschaftsverbä nden . . . 457 Mabillard Ramon

Kreditgebende Banken in der Sanierung – Von der rechtlichen Bedeutung

des Sanierungskonzepts . . . 475 Müller Karin/Fellmann Walter/Leu Simon

Mehrwertbeteiligung eines einfachen Gesellschafters bei der Liquidation

der Gesellschaft . . . 491 Müller Lukas/Musliu Nagihan

Die drohende Zahlungsunfä higkeit und die damit verbundenen fi nanziellen

Fü hrungsaufgaben des Verwaltungsrats . . . 501 Nobel Peter

Zu Corporate Governance . . . 519 Pärli Kurt/Oberhausser Camill

Die arbeitslosenversicherungsrechtliche Einordnung von Verwaltungsrä tin,

Geschä ftsfü hrer und Co. – Ein Kurzü berblick . . . 531 Pieth Mark/Zerbes Ingeborg

«Beaching» . . . 547 Rüegg Erich

Die Haftung fü r Grundstü ckskontaminationen bei Unternehmenstransaktionen . . . 561 Schmid Jörg

Einfache Gesellschaft und Miteigentü mergemeinschaft bei Grundstü cken . . . 573

(6)

Inhaltsverzeichnis

VIII

Fleischer Holger

Idiosynkrasien im deutschen Personengesellschaftsrecht aus schweizerischer Sicht 189 Forstmoser Peter

Plä doyer fü r eine Reform des Genossenschaftsrechts . . . 205 Fukutaki Hiroyuki

Die Ü bernahme der Business Judgment Rule und ihre dogmatische Einordnung

in das japanische Aktienrecht . . . 237 Glanzmann Lukas/Guidoum Sammy

Die gesetzliche Kapitalreserve – Bilanzieller Ausweis, Bestandteile

und Ausschü ttung . . . 251 Gless Sabine

Konzernverantwortung – Entwicklungslinien aus strafrechtlicher Sicht . . . 265 Haas Ulrich/Hessert Björn

The legal regime applicable to disciplinary measures by sports associations –

one size does not fi t all . . . 279 Hafner Felix/Reimann Martin

Die Meldung von Missstä nden (Whistleblowing) im ö ff entlichen Dienstrecht . . . . 293 Hunkeler Daniel/Wohl Georg J./Schönmann Zeno

COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht – Massnahmen des Bundes

gegen Massenkonkurse . . . 311 Jenny David

Corporate Governance staatlich beherrschter Unternehmen:

Einige Überlegungen am Beispiel der politischen Debatten im Kanton Basel-Stadt 335 Jung Peter

Verträ ge der Personengesellschaft mit ihren Gesellschaftern . . . 347 Jutzi Thomas/Herzog Martina

Transparenz im Genossenschaftsrecht: Selbstzweck oder Bestandteil

der Corporate Governance? . . . 363 Kenel Luca

Die Publizitä t der Rechnungslegung im internationalen Vergleich . . . 391

Inhaltsverzeichnis

IX Kramer Ernst A.

Anmerkungen zur Publizität des Handelsregisters

(aus Anlass der Neuregelung in Art. 936b OR) . . . 405 Krauskopf Frédéric/Fink Joel

Die neuen Verjährungsfristen und die auftragsrechtliche Aktenaufbewahrung . . . . 417 Kull Michael

Die Manifestation politischer Ansichten durch Berufsfussballer in der Schweiz –

eine rechtliche Auslegeordnung . . . 441 Lengauer Daniel

Corporate Governance in Genossenschaftsverbä nden . . . 457 Mabillard Ramon

Kreditgebende Banken in der Sanierung – Von der rechtlichen Bedeutung

des Sanierungskonzepts . . . 475 Müller Karin/Fellmann Walter/Leu Simon

Mehrwertbeteiligung eines einfachen Gesellschafters bei der Liquidation

der Gesellschaft . . . 491 Müller Lukas/Musliu Nagihan

Die drohende Zahlungsunfä higkeit und die damit verbundenen fi nanziellen

Fü hrungsaufgaben des Verwaltungsrats . . . 501 Nobel Peter

Zu Corporate Governance . . . 519 Pärli Kurt/Oberhausser Camill

Die arbeitslosenversicherungsrechtliche Einordnung von Verwaltungsrä tin,

Geschä ftsfü hrer und Co. – Ein Kurzü berblick . . . 531 Pieth Mark/Zerbes Ingeborg

«Beaching» . . . 547 Rüegg Erich

Die Haftung fü r Grundstü ckskontaminationen bei Unternehmenstransaktionen . . . 561 Schmid Jörg

Einfache Gesellschaft und Miteigentü mergemeinschaft bei Grundstü cken . . . 573

(7)

Inhaltsverzeichnis

X

Schroeter Ulrich G.

Die Fremdwä hrungssubstitutionsbefugnis des Zahlungsschuldners

(Art. 84 Abs. 2 OR) im internationalen Handel . . . 585 Simoniello Daniele

Die Aktie ohne Dividende . . . 599 Staehelin Daniel

Das Retentionsverzeichnis in der Nachlassstundung . . . 611 Strub Yael

Die Beendigung der Hinterlegung von Sportpferden . . . 619 Sutter-Somm Thomas/Ammann Dario

Vorprozessuale Vergleiche über erbrechtliche Gestaltungsklagerechte . . . 635 Tanner Brigitte

Der Stichentscheid des Vorsitzenden in der Generalversammlung der Aktien-

gesellschaft – eine Standortbestimmung . . . 653 Trigo Trindade Rita

Droits d’emption dans les statuts d’une SARL . . . 675 Troxler Tizian

Die Entwicklung des schweizerischen Genossenschaftsrechts . . . 691 Truniger Christof/Werner Martin

Die Koordination der werkvertraglichen Ansprü che der Stockwerkeigentü mer . . . . 709 Tschäni Rudolf

Vinkulierung: Building Trust nach SIKA . . . 721 Vionnet-Riederer Flurin/Batschwaroff Blanka

Auslegungsmaximen im Rechnungslegungs- und Stiftungsrecht . . . 731 Vonzun Reto

Die einfache Gesellschaft im Zivilprozess – ausgewählte Fragen . . . 751 Watter Rolf/Bänziger Michael

Die Business Judgment Rule in der Praxis – Unternehmensinterne Entscheidungs-

verfahren im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung . . . 767

Inhaltsverzeichnis

XI Widmer Lüchinger Corinne

Die Haftung von Banken bei Menschenrechtsverletzungen durch auslä ndische

Staaten – zugleich ein Beitrag zu Art. 41 und 50 OR . . . 785 Wohlers Wolfgang

«Exzessive» Managersalä re – ein Problem des Strafrechts? . . . 801 Yanaga Masao

Accounting and Auditing for SMEs in Japan . . . 819 Zech Herbert/Vallone Vera

Immaterialgüter als Sacheinlage . . . 833 Zellweger Caspar/Zurkinden Philipp

Ausdehnung der Sanktionstatbestände und die bundesgerichtliche Schaff ung

von rechtsfreiem Raum für staatliches Handeln im schweizerischen Kartellrecht 847 Verzeichnis der Schriften von Lukas Handschin . . . 861

(8)

Inhaltsverzeichnis

X

Schroeter Ulrich G.

Die Fremdwä hrungssubstitutionsbefugnis des Zahlungsschuldners

(Art. 84 Abs. 2 OR) im internationalen Handel . . . 585 Simoniello Daniele

Die Aktie ohne Dividende . . . 599 Staehelin Daniel

Das Retentionsverzeichnis in der Nachlassstundung . . . 611 Strub Yael

Die Beendigung der Hinterlegung von Sportpferden . . . 619 Sutter-Somm Thomas/Ammann Dario

Vorprozessuale Vergleiche über erbrechtliche Gestaltungsklagerechte . . . 635 Tanner Brigitte

Der Stichentscheid des Vorsitzenden in der Generalversammlung der Aktien-

gesellschaft – eine Standortbestimmung . . . 653 Trigo Trindade Rita

Droits d’emption dans les statuts d’une SARL . . . 675 Troxler Tizian

Die Entwicklung des schweizerischen Genossenschaftsrechts . . . 691 Truniger Christof/Werner Martin

Die Koordination der werkvertraglichen Ansprü che der Stockwerkeigentü mer . . . . 709 Tschäni Rudolf

Vinkulierung: Building Trust nach SIKA . . . 721 Vionnet-Riederer Flurin/Batschwaroff Blanka

Auslegungsmaximen im Rechnungslegungs- und Stiftungsrecht . . . 731 Vonzun Reto

Die einfache Gesellschaft im Zivilprozess – ausgewählte Fragen . . . 751 Watter Rolf/Bänziger Michael

Die Business Judgment Rule in der Praxis – Unternehmensinterne Entscheidungs-

verfahren im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung . . . 767

Inhaltsverzeichnis

XI Widmer Lüchinger Corinne

Die Haftung von Banken bei Menschenrechtsverletzungen durch auslä ndische

Staaten – zugleich ein Beitrag zu Art. 41 und 50 OR . . . 785 Wohlers Wolfgang

«Exzessive» Managersalä re – ein Problem des Strafrechts? . . . 801 Yanaga Masao

Accounting and Auditing for SMEs in Japan . . . 819 Zech Herbert/Vallone Vera

Immaterialgüter als Sacheinlage . . . 833 Zellweger Caspar/Zurkinden Philipp

Ausdehnung der Sanktionstatbestände und die bundesgerichtliche Schaff ung

von rechtsfreiem Raum für staatliches Handeln im schweizerischen Kartellrecht 847 Verzeichnis der Schriften von Lukas Handschin . . . 861

(9)

LUKAS GLANZMANN/SAMMY GUIDOUM

264

kann das Aktienkapital nach neuem Aktienrecht in der für die Geschäftstätigkeit wesentli- chen ausländischen Währungen denominiert werden (revOR 621 Abs. 2). Doch es wird sich noch zeigen, ob die EStV ihre Praxis, wonach die steuerlich anerkannte Kapital- einlagereserve immer in Schweizer Franken zu behandeln ist, ebenfalls anpassen wird.100

100 Vgl. oben IV.2.2.

265

Konzernverantwortung –

Entwicklungslinien aus strafrechtlicher Sicht

SABINE GLESS*

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung ... 266

II. Ausgangspunkt ... 266

1. Selbstregulierung der Wirtschaft als Axiom des Wirtschaftsrechts ... 267

2. Konzernhaftung ... 268

III. Konzernverantwortungsinitiative ... 269

1. Internationale Verankerung ... 270

1.1. Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UN Guiding Principles) ... 270

2. Umsetzung der UN Guiding Principles on Business and Human Rights durch EU ... 271

3. Regelungsmodelle in anderen Ländern ... 272

3.1. Frankreich: «Devoir de Vigilance» ... 272

3.2. Deutschland: Berichtspflichten nach EU-Vorgabe ... 273

IV. Konzernverantwortung und Strafrecht ... 273

1. Klassische Geschäftsherrenhaftung ... 273

2. Neue «Konzernherrenhaftung»? ... 275

V. Zwischenstand: Strafrecht als Ultima Ratio des Konzernrechts? ... 277

* Prof. Dr. SABINE GLESS, Universität Basel, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Strafrecht und Strafpro- zessrecht.

(10)

SABINE GLESS

266

I. Einleitung

LUKAS HANDSCHIN setzt sich seit vielen Jahren mit dem Problem der Konzernverantwor- tung auseinander. Den Grundstein legte seine Habilitationsschrift.1 Seine aktuelle Einschät- zung zeigt sich in den Beiträgen zu Diskussionen um die sog. Konzernverantwortungsini- tiative.2 Diese jüngste Debatte illustriert – neben vielen anderen Dingen – auch die Verzah- nung unterschiedlicher Rechtsgebiete in dieser Frage. Konzernrecht ist originär Wirt- schaftsrecht. Es ist verankert im Gesellschafts- und im Rechnungslegungsrecht, wobei die rechtlichen Vorgaben – wie LUKAS HANDSCHIN immer wieder festgestellt hat – spärlich sind. Das schien gewollt, selbst wenn es die Konsequenz hatte, dass zentrale Konsequenzen einer Konzernoberleitung wie etwa die Kontroll- und Leitungspflicht gegenüber Unterneh- menstöchtern, ebenfalls vage blieben.3

Doch die Zeiten scheinen sich rapide zu ändern. In der derzeitigen Debatte führt die Frage nach der Konzernverantwortung nicht nur schnell zu Forderungen nach einer strikteren Re- gulierung, sondern sogar zur Möglichkeit einer strafrechtlichen Flankierung der Konzern- haftung. LUKAS HANDSCHIN hat für solche Diskussionen immer Hand geboten – mit Of- fenheit, Diskussionsfreude und einem Lächeln – selbst wenn er die Kollegen davor warnte, dass die neu eingeforderte Kontrolle nicht «ausser Kontrolle» geraten dürfe.4 In den Jahren der Zusammenarbeit haben wir eine erstaunliche Veränderung der rechtlichen, wirtschaft- lichen und gesellschaftlichen Definition von Konzernverantwortung erlebt. Diese Entwick- lungslinien will ich im Folgenden aus strafrechtlicher Perspektive – mit Blick auf den fä- cherübergreifenden Dialog – vor der Folie der Forderungen nach einem stärker reglemen- tierten Konzernrecht darlegen.

II. Ausgangspunkt

Bekanntermassen geht das Schweizer Gesellschaftsrecht vom Trennungsprinzip aus: Selb- ständige juristische Personen haften nicht füreinander.5 Ob – und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen – sollte eine Konzernmutter doch ausnahmsweise im Rahmen einer Kon- zernleitungspflicht für selbständige Tochterunternehmen verantwortlich sein? Sollte ein rechtliches Band nicht nur innerhalb einer Unternehmensgruppe, sondern auch entlang Wertschöpfungsketten, «upstream» und «downstream», zwischen den wirtschaftlich den Ton angebenden und ihren Abhängigen gezogen werden? Diese Fragen sind Gegenstand einer kontroversen öffentlichen Debatte. Initiiert hat diese vor allem die Konzernverant- wortungsinitiative. LUKAS HANDSCHIN beschäftigt sich mit den dahinterstehenden Grund- satzfragen bereits seit den 1990er Jahren. Dabei arbeitete er nicht nur Veränderungen im Wirtschaftsrecht, sondern auch die politischen Implikationen heraus.6 Vor diesem Hinter-

1 HANDSCHIN LUKAS, Der Konzern im geltenden schweizerischen Privatrecht, Zürich 1994.

2 HANDSCHIN LUKAS, Konzernverantwortungsinitiative: Gesellschaftsrechtliche Aspekte, AJP 2017, 998 ff.

3 Vgl. etwa HANDSCHIN (Fn. 1),18.

4 HANDSCHIN (Fn. 2), 1001 ff.

5 JUNG PETER/KUNZ PETER V./BÄRTSCHI HARALD,Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., Zürich 2018, § 2 N 16;

HANDSCHIN LUKAS, Gesellschaftsrecht, In a Nutshell, 2. Aufl., Zürich 2012, 183.

6Handschin, (Fn. 2), 998, 1000.

Konzernverantwortung – Entwicklungslinien aus strafrechtlicher Sicht

267 grund erschliesst sich sein Interesse an der Ankunft der Menschenrechte im Wirtschafts- recht und möglichen Strafbarkeitsrisiken bei globalen Geschäftsmodellen. Sein Fokus auf Grundsatzfragen hat diese Diskussion geprägt. Gleichwohl kam die Gesamtentwicklung aus Sicht des Gesellschaftsrechts eher überraschend.

1. Selbstregulierung der Wirtschaft als Axiom des Wirtschaftsrechts

Traditionell ist das Gesellschaftsrecht einem liberalen Staatsverständnis und einem Ver- ständnis von Wirtschaftsfreiheit verpflichtet, das auf Selbstregulierung vertraut.7

Es ist aus dieser Sicht bemerkenswert, dass mit der stärker werdenden Forderung nach einer gemeinsamen Verantwortung von Konzerngruppen für eine weltweite Einhaltung be- stimmter Menschenrechte und Umweltstandards westliche Wirtschaftsunternehmen ent- sprechend reagiert haben. Mit verschiedensten Initiativen nahmen private Unternehmen mit Vorschlägen zur Selbstregulation den Ball der gesellschaftlichen Bewegung für mehr men- schenrechtliche Konzernverantwortung auf. So entstanden unter anderem durch die Unter- nehmen formulierte «Codes of Conduct», welche Standards für die Achtung der Menschen- würde, die Ausgestaltung von Arbeitsplätzen, die Einhaltung grundlegender Sicherheits- standards, der Korruptionsbekämpfung etc.8 konzernintern bindend festlegen sollen. Auf diese Verhaltensregeln verpflichten Unternehmen – über die Vertragsausgestaltung im Ein- zelfall – auch Konzerntöchter, Zulieferer etc. Ein prominentes Beispiel ist Nestlé mit dem

«Nestlé Responsible Sourcing Standard», der für alle Geschäftstätigkeiten bindend sein soll.9

Die Selbstregulierungsmodelle dokumentieren auch den Wunsch der Wirtschaft nach Bei- behaltung der Definitionsmacht über soziale und menschenrechtliche Verpflichtungen ihrer Unternehmen und einer daraus allenfalls folgenden Konzernverantwortung. Fraglich ist, ob dadurch die zunehmenden Forderungen nach einer rechtlichen Regulierung in diesem Be- reich langfristig abgewendet werden können.

7 JUNG/KUNZ/BÄRTSCHI (Fn. 5), § 1 N 34; HANDSCHIN (Fn. 5), 17.

8 Vgl. etwa Novartis International AG, Code of Conduct, 1. Februar 2018, abrufbar unter <www.novar- tis.com/sites/www.novartis.com/files/code-of-conduct-english.pdf> (17.3.2020); Thyssen Krupp AG, Code of Conduct 2019, abrufbar unter <d13qmi8c46i38w.cloudfront.net/media/UCP thyssenkrupp AG/assets.files/media/ unternehmen/ compliance/ code-of-conduct/2019/po-co-cpl-0332-v 03-en_code_

of_conduct-neu_final.pdf> (17.3.2020).

9 Standard, Mandatory, Juli 2018, abrufbar unter <www.nestle.com/sites/default/files/asset-library/ docu- ments/library/documents/suppliers/nestle-responsible-sourcing-standard-english.pdf> (17.3.2020).

(11)

SABINE GLESS

266

I. Einleitung

LUKAS HANDSCHIN setzt sich seit vielen Jahren mit dem Problem der Konzernverantwor- tung auseinander. Den Grundstein legte seine Habilitationsschrift.1 Seine aktuelle Einschät- zung zeigt sich in den Beiträgen zu Diskussionen um die sog. Konzernverantwortungsini- tiative.2 Diese jüngste Debatte illustriert – neben vielen anderen Dingen – auch die Verzah- nung unterschiedlicher Rechtsgebiete in dieser Frage. Konzernrecht ist originär Wirt- schaftsrecht. Es ist verankert im Gesellschafts- und im Rechnungslegungsrecht, wobei die rechtlichen Vorgaben – wie LUKAS HANDSCHIN immer wieder festgestellt hat – spärlich sind. Das schien gewollt, selbst wenn es die Konsequenz hatte, dass zentrale Konsequenzen einer Konzernoberleitung wie etwa die Kontroll- und Leitungspflicht gegenüber Unterneh- menstöchtern, ebenfalls vage blieben.3

Doch die Zeiten scheinen sich rapide zu ändern. In der derzeitigen Debatte führt die Frage nach der Konzernverantwortung nicht nur schnell zu Forderungen nach einer strikteren Re- gulierung, sondern sogar zur Möglichkeit einer strafrechtlichen Flankierung der Konzern- haftung. LUKAS HANDSCHIN hat für solche Diskussionen immer Hand geboten – mit Of- fenheit, Diskussionsfreude und einem Lächeln – selbst wenn er die Kollegen davor warnte, dass die neu eingeforderte Kontrolle nicht «ausser Kontrolle» geraten dürfe.4 In den Jahren der Zusammenarbeit haben wir eine erstaunliche Veränderung der rechtlichen, wirtschaft- lichen und gesellschaftlichen Definition von Konzernverantwortung erlebt. Diese Entwick- lungslinien will ich im Folgenden aus strafrechtlicher Perspektive – mit Blick auf den fä- cherübergreifenden Dialog – vor der Folie der Forderungen nach einem stärker reglemen- tierten Konzernrecht darlegen.

II. Ausgangspunkt

Bekanntermassen geht das Schweizer Gesellschaftsrecht vom Trennungsprinzip aus: Selb- ständige juristische Personen haften nicht füreinander.5 Ob – und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen – sollte eine Konzernmutter doch ausnahmsweise im Rahmen einer Kon- zernleitungspflicht für selbständige Tochterunternehmen verantwortlich sein? Sollte ein rechtliches Band nicht nur innerhalb einer Unternehmensgruppe, sondern auch entlang Wertschöpfungsketten, «upstream» und «downstream», zwischen den wirtschaftlich den Ton angebenden und ihren Abhängigen gezogen werden? Diese Fragen sind Gegenstand einer kontroversen öffentlichen Debatte. Initiiert hat diese vor allem die Konzernverant- wortungsinitiative. LUKAS HANDSCHIN beschäftigt sich mit den dahinterstehenden Grund- satzfragen bereits seit den 1990er Jahren. Dabei arbeitete er nicht nur Veränderungen im Wirtschaftsrecht, sondern auch die politischen Implikationen heraus.6 Vor diesem Hinter-

1 HANDSCHIN LUKAS, Der Konzern im geltenden schweizerischen Privatrecht, Zürich 1994.

2 HANDSCHIN LUKAS, Konzernverantwortungsinitiative: Gesellschaftsrechtliche Aspekte, AJP 2017, 998 ff.

3 Vgl. etwa HANDSCHIN (Fn. 1),18.

4 HANDSCHIN (Fn. 2), 1001 ff.

5 JUNG PETER/KUNZ PETER V./BÄRTSCHI HARALD,Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., Zürich 2018, § 2 N 16;

HANDSCHIN LUKAS, Gesellschaftsrecht, In a Nutshell, 2. Aufl., Zürich 2012, 183.

6Handschin, (Fn. 2), 998, 1000.

Konzernverantwortung – Entwicklungslinien aus strafrechtlicher Sicht

267 grund erschliesst sich sein Interesse an der Ankunft der Menschenrechte im Wirtschafts- recht und möglichen Strafbarkeitsrisiken bei globalen Geschäftsmodellen. Sein Fokus auf Grundsatzfragen hat diese Diskussion geprägt. Gleichwohl kam die Gesamtentwicklung aus Sicht des Gesellschaftsrechts eher überraschend.

1. Selbstregulierung der Wirtschaft als Axiom des Wirtschaftsrechts

Traditionell ist das Gesellschaftsrecht einem liberalen Staatsverständnis und einem Ver- ständnis von Wirtschaftsfreiheit verpflichtet, das auf Selbstregulierung vertraut.7

Es ist aus dieser Sicht bemerkenswert, dass mit der stärker werdenden Forderung nach einer gemeinsamen Verantwortung von Konzerngruppen für eine weltweite Einhaltung be- stimmter Menschenrechte und Umweltstandards westliche Wirtschaftsunternehmen ent- sprechend reagiert haben. Mit verschiedensten Initiativen nahmen private Unternehmen mit Vorschlägen zur Selbstregulation den Ball der gesellschaftlichen Bewegung für mehr men- schenrechtliche Konzernverantwortung auf. So entstanden unter anderem durch die Unter- nehmen formulierte «Codes of Conduct», welche Standards für die Achtung der Menschen- würde, die Ausgestaltung von Arbeitsplätzen, die Einhaltung grundlegender Sicherheits- standards, der Korruptionsbekämpfung etc.8 konzernintern bindend festlegen sollen. Auf diese Verhaltensregeln verpflichten Unternehmen – über die Vertragsausgestaltung im Ein- zelfall – auch Konzerntöchter, Zulieferer etc. Ein prominentes Beispiel ist Nestlé mit dem

«Nestlé Responsible Sourcing Standard», der für alle Geschäftstätigkeiten bindend sein soll.9

Die Selbstregulierungsmodelle dokumentieren auch den Wunsch der Wirtschaft nach Bei- behaltung der Definitionsmacht über soziale und menschenrechtliche Verpflichtungen ihrer Unternehmen und einer daraus allenfalls folgenden Konzernverantwortung. Fraglich ist, ob dadurch die zunehmenden Forderungen nach einer rechtlichen Regulierung in diesem Be- reich langfristig abgewendet werden können.

7 JUNG/KUNZ/BÄRTSCHI (Fn. 5), § 1 N 34; HANDSCHIN (Fn. 5), 17.

8 Vgl. etwa Novartis International AG, Code of Conduct, 1. Februar 2018, abrufbar unter <www.novar- tis.com/sites/www.novartis.com/files/code-of-conduct-english.pdf> (17.3.2020); Thyssen Krupp AG, Code of Conduct 2019, abrufbar unter <d13qmi8c46i38w.cloudfront.net/media/UCP thyssenkrupp AG/assets.files/media/ unternehmen/ compliance/ code-of-conduct/2019/po-co-cpl-0332-v 03-en_code_

of_conduct-neu_final.pdf> (17.3.2020).

9 Standard, Mandatory, Juli 2018, abrufbar unter <www.nestle.com/sites/default/files/asset-library/ docu- ments/library/documents/suppliers/nestle-responsible-sourcing-standard-english.pdf> (17.3.2020).

(12)

SABINE GLESS

268

2. Konzernhaftung

Der Grundsatz, dass selbständige juristische Personen nicht füreinander haften, hat eine Konzernhaftung nie ganz ausgeschlossen. In jüngerer Zeit haben insbesondere die Initiati- ven zur Bekämpfung der Geldwäscherei oder der Terrorismusfinanzierung das Prinzip durchlöchert. Bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Zusammenwirken der Mutter mit den Töchtern können verschiedene Haftungsinstitute greifen.10 Allerdings fehlen weitgehend klare gesetzliche Vorgaben und insbesondere bei internationalen Konzernen ist bis heute oft zweifelhaft, welche rechtlichen Konsequenzen aus einer Leitung durch eine in der Schweiz domizilierten Konzernleitung gegenüber Tochtergesellschaften und dort tätigen Personen folgen.11 Es ist also zwar unbestritten, dass das rechtliche Band der Kontrolle Rechtspflichten mit sich bringt. Gleichzeitig kann es im Einzelfall aber oft sehr schwierig sein, die konkreten Einzelpflichten der Konzernleitung gegenüber selbständigen Töchtern zu bestimmen. Das gilt insbesondere, wenn die Konzernleitungspflicht aus Sicht der Betei- ligten auf bestimmte Bereiche beschränkt sein soll (etwa auf Konzernkampagnen, Kon- zernorganisation).12

In dem langen Ringen um die richtige politische und rechtliche Reaktion auf die Konzern- verantwortungsinitiative zeigt sich einmal mehr, dass die Frage nach der Konzernverant- wortung, bis heute – auch aus der Sicht der Zivilgesellschaft – nicht befriedigend beant- wortet ist. Seit die Forderung nach einer unbedingten Einhaltung bestimmter Umweltstan- dards weltweit und einem respektvollen Umgang mit Menschenrechtsfragen, etwa durch die Kampagne für ein «Recht ohne Grenzen», wurden die Überlegungen für eine strafrecht- liche Flankierung stärker.13 Heute ist eine strafrechtliche Konzernhaftung im Grunde aner- kannt.14 Das ist bemerkenswert, denn auf den ersten Blick eignet sich das Strafrecht in sei- ner traditionellen Form kaum für eine Konzernhaftung. Es stellt die höchstpersönliche Vor- werfbarkeit ins Zentrum und nicht eine Organisationsverantwortung. Das wird praktisch zum Hindernis, weil in einschlägigen Fallkonstellationen der Vorwurf an die Konzernober- leitung regelmässig nicht an ein strafbares Tätigwerden, sondern an ein strafbares Unter- lassen anknüpft. Hier sieht man sich hohen rechtlichen Hürden gegenüber.15 Die Staatsan- waltschaft muss eine Garantenstellung etablieren und einen Verstoss gegen eine Garanten- pflicht nachweisen. Im Konzernrecht liegt der Einwand der Eigenverantwortung von Un- ternehmenstöchtern nahe; das Gleiche gilt natürlich auch für (wenngleich abhängige) Zu- lieferer. Allerdings etablierte die Anerkennung der Geschäftsherrenhaftung und die Ein- führung einer Unternehmensstrafbarkeit im Schweizer Recht Anknüpfungspunkte für eine Konzernhaftung. Heute umfassen Überlegungen in diesem Bereich bekanntermassen sogar

10 Vgl. etwa HANDSCHIN (Fn. 1), 301 ff.

11 FORSTMOSER PETER, Schutz der Menschenrechte – eine Pflicht für multinationale Unternehmen? Liber amicorum Donatsch, Zürich 2012, 713.

12 HANDSCHIN (Fn. 2), 998, 999 f.

13 Vgl. etwa PIETH MARK, «No longer business as usual: Foreign bribery and the OECD Anti-Bribery Convention», Finance Director, 2010, 14 f.; PIETH MARK/LELIEUR,JULIETTE «Strengthening Interna- tional Coordination and Cooperation», in: Expert Meeting of the OECD Anti-Bribery Convention: The Road Ahead. OECD, 2007.

14 CASSANI URSULA, Droit pénal économique. Eléments de droit suisse et transnational, Basel 2020, Rn. 363 ff.

15 Vgl. SCHÜNEMANN BERND, Die Unterlassungsdelikte und die strafrechtliche Verantwortung für Unter- lassungen, ZStW 1984, 287, 318; ZWIEHOFF GABRIELE, Strafrechtliche Aspekte des Organisationsver- schuldens, Medizinrecht 2004, 364 ff.

Konzernverantwortung – Entwicklungslinien aus strafrechtlicher Sicht

269 eine strafrechtliche Haftung wirtschaftlich starker Unternehmen für selbständige Zuliefe- rerunternehmen, die komplett in die Produktionskette integriert sind.16

Praktisch relevant – in Form von konkreten Strafverfahren – wurden diese Überlegungen allerdings erst, als die Opfer durch sog. strategische Human Rights Litigation getragen von NGOs17 tatsächlich an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden gelangen konnten.

III. Konzernverantwortungsinitiative

Was heisst Konzernverantwortung? Diese Frage rückte mit der Konzernverantwortungsini- tiative18 ins allgemeine Bewusstsein.

Die Initiative hat ihren Ursprung in einem breiten Zusammenschluss von Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen, Umwelt- und Frauenverbänden, Gewerkschaften, kirchlichen Gruppen, die Ende 2011 die Kampagne «Recht ohne Grenzen» starteten, weil sie wollten, dass Schweizer Firmen weltweit Menschenrechte und Umwelt respektieren müssen. Fünf Jahre später fand die Konzernverantwortungsinitiative breite Unterstützung in der Bevölkerung und weit mehr als die notwendigen 100‘000 Unterschriften wurden gesammelt. Der Kern der Forderung lautet, dass in der Schweiz domizilierte Konzerne be- stimmte Menschenrechts- und Umweltschutzstandards auch im Ausland einhalten müssen.

Zentrales Element ist eine Sorgfaltsprüfungspflicht der Konzernleitung in Bezug auf ihre Unternehmenstöchter – und sogar darüber hinaus. Die Initianten sehen ein rechtliches Band auch jenseits des traditionellen Konzerns entlang einer Wertschöpfungskette, wenn man in bestimmten Fällen ausnahmsweise von einer wirtschaftlichen Abhängigkeit ausgehen muss. An dieser breiten Forderung entzündet sich der Streit politischer und wirtschaftlicher Entscheidungsträger, NGOs und Rechtswissenschaftler: Es geht um die Definition des rechtlichen Bandes, das wirtschaftlich mächtige Unternehmen mit abhängigen Betrieben verbindet. Dabei unterscheiden sich die verschiedenen Vorschläge oft nur in (vermeintli- chen) Details und es dürfte nicht einfach werden, die divergierenden Rechtskonsequenzen im Abstimmungskampf für alle verständlich zu machen.

Egal wie die Abstimmung ausgeht, fest steht bereits heute: Die Initiative – und vergleich- bare Kampagnen in anderen Ländern – illustrieren eine veränderte Anschauungsweise vor allem der jüngeren Generation in Europa. Diese spiegelt sich auch in einer veränderten Rechtslage wider, die sich auf internationaler Ebene und in nationalen Rechtsordnungen zeigt.

16 Vgl. WELLER MARC-PHILIPPE/THOMALE CHRIS, Menschenrechtsklagen gegen deutsche Unternehmen, ZGR 2017, 509, 512 f.

17 Dazu etwa DONALD ALICE/MOTTERSHAW ELIZABETH, Evaluating the Impact of Human Rights Litigation on Policy and Practice: A Case Study of the UK, Journal of Human Rights Practice, Vol. 1, Issue 3, November 2009, 339 ff.

18 Siehe <https://konzern-initiative.ch> (17.3.2020).

(13)

SABINE GLESS

268

2. Konzernhaftung

Der Grundsatz, dass selbständige juristische Personen nicht füreinander haften, hat eine Konzernhaftung nie ganz ausgeschlossen. In jüngerer Zeit haben insbesondere die Initiati- ven zur Bekämpfung der Geldwäscherei oder der Terrorismusfinanzierung das Prinzip durchlöchert. Bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Zusammenwirken der Mutter mit den Töchtern können verschiedene Haftungsinstitute greifen.10 Allerdings fehlen weitgehend klare gesetzliche Vorgaben und insbesondere bei internationalen Konzernen ist bis heute oft zweifelhaft, welche rechtlichen Konsequenzen aus einer Leitung durch eine in der Schweiz domizilierten Konzernleitung gegenüber Tochtergesellschaften und dort tätigen Personen folgen.11 Es ist also zwar unbestritten, dass das rechtliche Band der Kontrolle Rechtspflichten mit sich bringt. Gleichzeitig kann es im Einzelfall aber oft sehr schwierig sein, die konkreten Einzelpflichten der Konzernleitung gegenüber selbständigen Töchtern zu bestimmen. Das gilt insbesondere, wenn die Konzernleitungspflicht aus Sicht der Betei- ligten auf bestimmte Bereiche beschränkt sein soll (etwa auf Konzernkampagnen, Kon- zernorganisation).12

In dem langen Ringen um die richtige politische und rechtliche Reaktion auf die Konzern- verantwortungsinitiative zeigt sich einmal mehr, dass die Frage nach der Konzernverant- wortung, bis heute – auch aus der Sicht der Zivilgesellschaft – nicht befriedigend beant- wortet ist. Seit die Forderung nach einer unbedingten Einhaltung bestimmter Umweltstan- dards weltweit und einem respektvollen Umgang mit Menschenrechtsfragen, etwa durch die Kampagne für ein «Recht ohne Grenzen», wurden die Überlegungen für eine strafrecht- liche Flankierung stärker.13 Heute ist eine strafrechtliche Konzernhaftung im Grunde aner- kannt.14 Das ist bemerkenswert, denn auf den ersten Blick eignet sich das Strafrecht in sei- ner traditionellen Form kaum für eine Konzernhaftung. Es stellt die höchstpersönliche Vor- werfbarkeit ins Zentrum und nicht eine Organisationsverantwortung. Das wird praktisch zum Hindernis, weil in einschlägigen Fallkonstellationen der Vorwurf an die Konzernober- leitung regelmässig nicht an ein strafbares Tätigwerden, sondern an ein strafbares Unter- lassen anknüpft. Hier sieht man sich hohen rechtlichen Hürden gegenüber.15 Die Staatsan- waltschaft muss eine Garantenstellung etablieren und einen Verstoss gegen eine Garanten- pflicht nachweisen. Im Konzernrecht liegt der Einwand der Eigenverantwortung von Un- ternehmenstöchtern nahe; das Gleiche gilt natürlich auch für (wenngleich abhängige) Zu- lieferer. Allerdings etablierte die Anerkennung der Geschäftsherrenhaftung und die Ein- führung einer Unternehmensstrafbarkeit im Schweizer Recht Anknüpfungspunkte für eine Konzernhaftung. Heute umfassen Überlegungen in diesem Bereich bekanntermassen sogar

10 Vgl. etwa HANDSCHIN (Fn. 1), 301 ff.

11 FORSTMOSER PETER, Schutz der Menschenrechte – eine Pflicht für multinationale Unternehmen? Liber amicorum Donatsch, Zürich 2012, 713.

12 HANDSCHIN (Fn. 2), 998, 999 f.

13 Vgl. etwa PIETH MARK, «No longer business as usual: Foreign bribery and the OECD Anti-Bribery Convention», Finance Director, 2010, 14 f.; PIETH MARK/LELIEUR,JULIETTE «Strengthening Interna- tional Coordination and Cooperation», in: Expert Meeting of the OECD Anti-Bribery Convention: The Road Ahead. OECD, 2007.

14 CASSANI URSULA, Droit pénal économique. Eléments de droit suisse et transnational, Basel 2020, Rn. 363 ff.

15 Vgl. SCHÜNEMANN BERND, Die Unterlassungsdelikte und die strafrechtliche Verantwortung für Unter- lassungen, ZStW 1984, 287, 318; ZWIEHOFF GABRIELE, Strafrechtliche Aspekte des Organisationsver- schuldens, Medizinrecht 2004, 364 ff.

Konzernverantwortung – Entwicklungslinien aus strafrechtlicher Sicht

269 eine strafrechtliche Haftung wirtschaftlich starker Unternehmen für selbständige Zuliefe- rerunternehmen, die komplett in die Produktionskette integriert sind.16

Praktisch relevant – in Form von konkreten Strafverfahren – wurden diese Überlegungen allerdings erst, als die Opfer durch sog. strategische Human Rights Litigation getragen von NGOs17 tatsächlich an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden gelangen konnten.

III. Konzernverantwortungsinitiative

Was heisst Konzernverantwortung? Diese Frage rückte mit der Konzernverantwortungsini- tiative18 ins allgemeine Bewusstsein.

Die Initiative hat ihren Ursprung in einem breiten Zusammenschluss von Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen, Umwelt- und Frauenverbänden, Gewerkschaften, kirchlichen Gruppen, die Ende 2011 die Kampagne «Recht ohne Grenzen» starteten, weil sie wollten, dass Schweizer Firmen weltweit Menschenrechte und Umwelt respektieren müssen. Fünf Jahre später fand die Konzernverantwortungsinitiative breite Unterstützung in der Bevölkerung und weit mehr als die notwendigen 100‘000 Unterschriften wurden gesammelt. Der Kern der Forderung lautet, dass in der Schweiz domizilierte Konzerne be- stimmte Menschenrechts- und Umweltschutzstandards auch im Ausland einhalten müssen.

Zentrales Element ist eine Sorgfaltsprüfungspflicht der Konzernleitung in Bezug auf ihre Unternehmenstöchter – und sogar darüber hinaus. Die Initianten sehen ein rechtliches Band auch jenseits des traditionellen Konzerns entlang einer Wertschöpfungskette, wenn man in bestimmten Fällen ausnahmsweise von einer wirtschaftlichen Abhängigkeit ausgehen muss. An dieser breiten Forderung entzündet sich der Streit politischer und wirtschaftlicher Entscheidungsträger, NGOs und Rechtswissenschaftler: Es geht um die Definition des rechtlichen Bandes, das wirtschaftlich mächtige Unternehmen mit abhängigen Betrieben verbindet. Dabei unterscheiden sich die verschiedenen Vorschläge oft nur in (vermeintli- chen) Details und es dürfte nicht einfach werden, die divergierenden Rechtskonsequenzen im Abstimmungskampf für alle verständlich zu machen.

Egal wie die Abstimmung ausgeht, fest steht bereits heute: Die Initiative – und vergleich- bare Kampagnen in anderen Ländern – illustrieren eine veränderte Anschauungsweise vor allem der jüngeren Generation in Europa. Diese spiegelt sich auch in einer veränderten Rechtslage wider, die sich auf internationaler Ebene und in nationalen Rechtsordnungen zeigt.

16 Vgl. WELLER MARC-PHILIPPE/THOMALE CHRIS, Menschenrechtsklagen gegen deutsche Unternehmen, ZGR 2017, 509, 512 f.

17 Dazu etwa DONALD ALICE/MOTTERSHAW ELIZABETH, Evaluating the Impact of Human Rights Litigation on Policy and Practice: A Case Study of the UK, Journal of Human Rights Practice, Vol. 1, Issue 3, November 2009, 339 ff.

18 Siehe <https://konzern-initiative.ch> (17.3.2020).

(14)

SABINE GLESS

270

1. Internationale Verankerung

Auf internationaler Ebene engagiert sich bereits seit den 1970er Jahren die OECD für einen Verhaltenskodex, der Empfehlungen für ein weltweit verantwortliches Handeln von Kon- zernen aufstellt.19 In den 1990er Jahren lancierte die Menschenrechtskommission der Ver- einten Nationen einen internationalen Prozess. Alle haben ein gemeinsames Anliegen: Res- pekt für Menschenrechte bei der Umsetzung globaler Geschäftsmodelle, insbesondere wenn die Geschäftstätigkeit an Orten stattfindet, an denen die Staatsgewalt schwach ist.20 1.1. Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UN Guiding Principles) Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen (UNHCR) beauftragte im Jahr 2005 John Ruggie zum Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs für Wirtschaft und Menschenrechte. Ziel war es, Massnahmen zur Stärkung der Menschenrechtsleistung des globalen Wirtschaftssektors auszuarbeiten.

So entstanden die UN Guiding Principles on Business and Human Rights.21 Ihre Annahme durch den UN Human Rights Council im Jahr 2011 stellt für viele einen Wendepunkt in der Zuschreibung von Verantwortung an Unternehmen und Konzernen für ihre Geschäfts- modelle dar, wenn diese entlang einer grenzüberschreitenden Wertschöpfungskette zu Ver- letzungen bestimmter Menschenrechte in Drittstaaten führen könnten. Die von John Ruggie entwickelten 31 Leitlinien weisen also Staaten an, juristische Personen in die Pflicht zu nehmen, damit sie ihre Geschäftsmodelle auf Risiken überprüfen und bei ihrer Geschäfts- tätigkeit in allen Ländern, in denen sie tätig werden, auf Respekt von Menschrechten zu achten22 und mutmasslichen Opfern adäquaten Rechtsschutz zu gewähren. Von einer Ver- pflichtung zur Strafverfolgung steht dort aber nichts. Es genügen privatrechtliche oder so- gar ausserrechtliche Konfliktbeilegungsmechanismen.23

Die UN Guiding Principles on Business and Human Rights sollten aber nicht der Schluss- punkt sein. Eine 2019 eingesetzte UN-Sachverständigengruppe (Open Ended Inter-govern- mental Working Group OEIGWG) arbeitet an einer Weiterentwicklung und einem Entwurf für ein rechtlich bindendes Instrument betreffend die Unternehmenshaftung. Diese sieht

19 Vgl. zu den einschlägigen OECD Guidelines for Multinational Enterprises Nr. 13 ff.: PIETH MARK, Wirtschaftsstrafrecht, Basel 2016, 15 f.

20 Vgl. PIETH MARK/ZERBES INGEBORG, Unternehmerische Verantwortlichkeit für Völkerrechtsverbrechen im Ausland, KJ 2018, 67; PETERS ANNE, Privatisierung, Globalisierung und die Resistenz des Verfas- sungsstaates, in: Mastronardi/Taubert (Hrsg.), Staats- und Verfassungstheorie im Spannungsfeld der Disziplinen, ARSP Beiheft Nr. 105, 2006, 100 ff.; JESSBERGER FLORIAN, Zur Einführung, in: Jessber- ger/Kaleck/Singelnstein (Hrsg.), Wirtschaftsvölkerstrafrecht, Baden-Baden 2015, 13 ff.; zu Ansatz- punkten einer Haftung: MEYER FRANK, Multinationale Unternehmen und das Völkerstrafrecht, 131 ZStrR 2013, 56 ff.

21 <Http://www.ohchr.org/Documents/Publications/GuidingPrinciplesBusinessHR_EN.pdf> (17.3.2020).

22 SAAGE-MAASS MIRIAM, Ahndung wirtschaftsverstärkter Kriminalität – Geschäftsherrenhaftung als An- satz zur Strafverfolgung leitender Manager für Menschenrechtsverletzungen im Konzern?, NK 2014, 228, 231 ff.; PIETH MARK, Die strafrechtliche Haftung für Menschenrechtsverletzungen im Ausland, AJP 2017, 1011 f.

23 Vgl. dazu KROKER PATRICK, Menschenrechte in der Compliance, CCZ 2015, 120, 122 ff.

Konzernverantwortung – Entwicklungslinien aus strafrechtlicher Sicht

271 nun ausdrücklich eine strafrechtliche Haftung in besonderen Fällen vor, insbesondere bei schweren Menschenrechtsverletzungen.24

2. Umsetzung der UN Guiding Principles on Business and Human Rights durch EU

Zur Umsetzung der UN Guiding Principles on Business and Human Rights hat die EU für ihre Mitgliedstaaten im Jahr 2014 in einer Bilanzrichtlinie neue Bilanzierungspflichten auf- gestellt:25 Seit 2018 müssen grosse Unternehmen in ihrem Rechnungsabschluss im Rahmen sog. nichtfinanzieller Angaben,26 ihr Geschäftsmodell sowie etwaige Risiken, etwa in Be- zug auf Umwelt- und Arbeitnehmerbelange sowie Menschenrechte und den Umgang mit diesen Risiken erläutern. Dies legt den Grundstein einer Verrechtlichung der bis dahin eher als eine Art Anstandsregel galt. Offen blieb dabei aber, unter welchen Umständen eine strafrechtliche Haftung spielen könnte.27

Ob die Verletzung dieser Bilanzierungspflichten einen strafrechtlichen Vorwurf begründen kann, hängt davon ab, ob die die nichtfinanzielle Erklärung zu Risiken eines Geschäftsmo- delles entlang einer spezifischen Wertschöpfungskette, eine strafrechtliche Garantenpflicht etabliert? Sicher werden Konzernleitungen dadurch dazu gezwungen, betriebsspezifische Gefahren ihrer Geschäftstätigkeit für die Respektierung von Menschenrechten und andere

24 Siehe Art. 6 Abs. 7 des OEIGWG REVISED DRAFT of a Legally Binding Instrument to Regulate, in International Human Rights Law, the Activities of Transnational Corporations and other Business En- terprises, 16.7.2019, dort heisst es wörtlich: “7. Subject to their domestic law, State Parties shall ensure that their domestic legislation provides for criminal, civil, or administrative liability of legal persons for the following criminal offences: a. War crimes, crimes against humanity and genocide as defined in articles 6, 7 and 8 of the Rome Statute for the International Criminal Court; b. Torture, cruel, inhuman or degrading treatment, as defined in article 1 of the UN Convention against Torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment; c. enforced disappearance, as defined in articles 7 and 25 of the International Convention for the Protection of All Persons from Enforced Disappearance; d.

extrajudicial execution, as defined in Principle 1 of the Principles on the Effective Prevention and In- vestigation of Extra-Legal, Arbitrary and Summary Executions; e. Forced labour as defined in article 2.1 of the ILO Forced Labour Convention 1930 and article 1 of the Abolition of Forced Labour Con- vention 1957; f. The use of child soldiers, as defined in article 3 of the Convention on the Prohibition and Immediate Action for the Elimination of the Worst Forms of Child Labour 1999 g. Forced eviction, as defined in the Basic Principles and Guidelines on Development based evictions and displacement; h.

slavery and slavery-like offences; i. Forced displacement of people; j. Human trafficking, including sexual exploitation; k. Sexual and gender-based violence. 8. Such liability shall be without prejudice to the criminal liability under the applicable domestic law of the natural persons who have committed the offences”. Abrufbar unter <www.ohchr.org/ Documents/ HRBodies/ HRCouncil/WGTransCorp/

OEIGWG_RevisedDraft_LBI.pdf> (17.3.2020).

25 SINGELNSTEIN TOBIAS Grenzen eines internationalen Wirtschaftsstrafrechts zur Ahndung von Men- schenrechtsverletzungen, in: Jessberger/Kaleck/Singelnstein (Hrsg.), Wirtschaftsvölkerstrafrecht, Ba- den-Baden 2015, 148 f.

26Vgl. Richtlinie 2013/34/EU vom 26. Juni 2013, in der Fassung vom 29. September 2014, ABl. L 330 vom 15. November 2014, 1, die eine nichtfinanzielle Erklärung verlangt, die diejenigen Angaben ent- hält, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unterneh- mens sowie der Auswirkungen seiner Tätigkeit erforderlich sind und sich mindestens auf Umwelt-, So- zial-, und Arbeitnehmerbelange, auf die Achtung der Menschenrechte und auf die Bekämpfung von Korruption und Bestechung beziehen.

27 Vgl. GLESS SABINE, Zur Verantwortung von Unternehmen für ihre Wertschöpfungskette, in: FS Rogall, Berlin 2018, 332 ff.

(15)

SABINE GLESS

270

1. Internationale Verankerung

Auf internationaler Ebene engagiert sich bereits seit den 1970er Jahren die OECD für einen Verhaltenskodex, der Empfehlungen für ein weltweit verantwortliches Handeln von Kon- zernen aufstellt.19 In den 1990er Jahren lancierte die Menschenrechtskommission der Ver- einten Nationen einen internationalen Prozess. Alle haben ein gemeinsames Anliegen: Res- pekt für Menschenrechte bei der Umsetzung globaler Geschäftsmodelle, insbesondere wenn die Geschäftstätigkeit an Orten stattfindet, an denen die Staatsgewalt schwach ist.20 1.1. Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UN Guiding Principles) Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen (UNHCR) beauftragte im Jahr 2005 John Ruggie zum Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs für Wirtschaft und Menschenrechte. Ziel war es, Massnahmen zur Stärkung der Menschenrechtsleistung des globalen Wirtschaftssektors auszuarbeiten.

So entstanden die UN Guiding Principles on Business and Human Rights.21 Ihre Annahme durch den UN Human Rights Council im Jahr 2011 stellt für viele einen Wendepunkt in der Zuschreibung von Verantwortung an Unternehmen und Konzernen für ihre Geschäfts- modelle dar, wenn diese entlang einer grenzüberschreitenden Wertschöpfungskette zu Ver- letzungen bestimmter Menschenrechte in Drittstaaten führen könnten. Die von John Ruggie entwickelten 31 Leitlinien weisen also Staaten an, juristische Personen in die Pflicht zu nehmen, damit sie ihre Geschäftsmodelle auf Risiken überprüfen und bei ihrer Geschäfts- tätigkeit in allen Ländern, in denen sie tätig werden, auf Respekt von Menschrechten zu achten22 und mutmasslichen Opfern adäquaten Rechtsschutz zu gewähren. Von einer Ver- pflichtung zur Strafverfolgung steht dort aber nichts. Es genügen privatrechtliche oder so- gar ausserrechtliche Konfliktbeilegungsmechanismen.23

Die UN Guiding Principles on Business and Human Rights sollten aber nicht der Schluss- punkt sein. Eine 2019 eingesetzte UN-Sachverständigengruppe (Open Ended Inter-govern- mental Working Group OEIGWG) arbeitet an einer Weiterentwicklung und einem Entwurf für ein rechtlich bindendes Instrument betreffend die Unternehmenshaftung. Diese sieht

19 Vgl. zu den einschlägigen OECD Guidelines for Multinational Enterprises Nr. 13 ff.: PIETH MARK, Wirtschaftsstrafrecht, Basel 2016, 15 f.

20 Vgl. PIETH MARK/ZERBES INGEBORG, Unternehmerische Verantwortlichkeit für Völkerrechtsverbrechen im Ausland, KJ 2018, 67; PETERS ANNE, Privatisierung, Globalisierung und die Resistenz des Verfas- sungsstaates, in: Mastronardi/Taubert (Hrsg.), Staats- und Verfassungstheorie im Spannungsfeld der Disziplinen, ARSP Beiheft Nr. 105, 2006, 100 ff.; JESSBERGER FLORIAN, Zur Einführung, in: Jessber- ger/Kaleck/Singelnstein (Hrsg.), Wirtschaftsvölkerstrafrecht, Baden-Baden 2015, 13 ff.; zu Ansatz- punkten einer Haftung: MEYER FRANK, Multinationale Unternehmen und das Völkerstrafrecht, 131 ZStrR 2013, 56 ff.

21 <Http://www.ohchr.org/Documents/Publications/GuidingPrinciplesBusinessHR_EN.pdf> (17.3.2020).

22 SAAGE-MAASS MIRIAM, Ahndung wirtschaftsverstärkter Kriminalität – Geschäftsherrenhaftung als An- satz zur Strafverfolgung leitender Manager für Menschenrechtsverletzungen im Konzern?, NK 2014, 228, 231 ff.; PIETH MARK, Die strafrechtliche Haftung für Menschenrechtsverletzungen im Ausland, AJP 2017, 1011 f.

23 Vgl. dazu KROKER PATRICK, Menschenrechte in der Compliance, CCZ 2015, 120, 122 ff.

Konzernverantwortung – Entwicklungslinien aus strafrechtlicher Sicht

271 nun ausdrücklich eine strafrechtliche Haftung in besonderen Fällen vor, insbesondere bei schweren Menschenrechtsverletzungen.24

2. Umsetzung der UN Guiding Principles on Business and Human Rights durch EU

Zur Umsetzung der UN Guiding Principles on Business and Human Rights hat die EU für ihre Mitgliedstaaten im Jahr 2014 in einer Bilanzrichtlinie neue Bilanzierungspflichten auf- gestellt:25 Seit 2018 müssen grosse Unternehmen in ihrem Rechnungsabschluss im Rahmen sog. nichtfinanzieller Angaben,26 ihr Geschäftsmodell sowie etwaige Risiken, etwa in Be- zug auf Umwelt- und Arbeitnehmerbelange sowie Menschenrechte und den Umgang mit diesen Risiken erläutern. Dies legt den Grundstein einer Verrechtlichung der bis dahin eher als eine Art Anstandsregel galt. Offen blieb dabei aber, unter welchen Umständen eine strafrechtliche Haftung spielen könnte.27

Ob die Verletzung dieser Bilanzierungspflichten einen strafrechtlichen Vorwurf begründen kann, hängt davon ab, ob die die nichtfinanzielle Erklärung zu Risiken eines Geschäftsmo- delles entlang einer spezifischen Wertschöpfungskette, eine strafrechtliche Garantenpflicht etabliert? Sicher werden Konzernleitungen dadurch dazu gezwungen, betriebsspezifische Gefahren ihrer Geschäftstätigkeit für die Respektierung von Menschenrechten und andere

24 Siehe Art. 6 Abs. 7 des OEIGWG REVISED DRAFT of a Legally Binding Instrument to Regulate, in International Human Rights Law, the Activities of Transnational Corporations and other Business En- terprises, 16.7.2019, dort heisst es wörtlich: “7. Subject to their domestic law, State Parties shall ensure that their domestic legislation provides for criminal, civil, or administrative liability of legal persons for the following criminal offences: a. War crimes, crimes against humanity and genocide as defined in articles 6, 7 and 8 of the Rome Statute for the International Criminal Court; b. Torture, cruel, inhuman or degrading treatment, as defined in article 1 of the UN Convention against Torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment; c. enforced disappearance, as defined in articles 7 and 25 of the International Convention for the Protection of All Persons from Enforced Disappearance; d.

extrajudicial execution, as defined in Principle 1 of the Principles on the Effective Prevention and In- vestigation of Extra-Legal, Arbitrary and Summary Executions; e. Forced labour as defined in article 2.1 of the ILO Forced Labour Convention 1930 and article 1 of the Abolition of Forced Labour Con- vention 1957; f. The use of child soldiers, as defined in article 3 of the Convention on the Prohibition and Immediate Action for the Elimination of the Worst Forms of Child Labour 1999 g. Forced eviction, as defined in the Basic Principles and Guidelines on Development based evictions and displacement; h.

slavery and slavery-like offences; i. Forced displacement of people; j. Human trafficking, including sexual exploitation; k. Sexual and gender-based violence. 8. Such liability shall be without prejudice to the criminal liability under the applicable domestic law of the natural persons who have committed the offences”. Abrufbar unter <www.ohchr.org/ Documents/ HRBodies/ HRCouncil/WGTransCorp/

OEIGWG_RevisedDraft_LBI.pdf> (17.3.2020).

25 SINGELNSTEIN TOBIAS Grenzen eines internationalen Wirtschaftsstrafrechts zur Ahndung von Men- schenrechtsverletzungen, in: Jessberger/Kaleck/Singelnstein (Hrsg.), Wirtschaftsvölkerstrafrecht, Ba- den-Baden 2015, 148 f.

26Vgl. Richtlinie 2013/34/EU vom 26. Juni 2013, in der Fassung vom 29. September 2014, ABl. L 330 vom 15. November 2014, 1, die eine nichtfinanzielle Erklärung verlangt, die diejenigen Angaben ent- hält, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unterneh- mens sowie der Auswirkungen seiner Tätigkeit erforderlich sind und sich mindestens auf Umwelt-, So- zial-, und Arbeitnehmerbelange, auf die Achtung der Menschenrechte und auf die Bekämpfung von Korruption und Bestechung beziehen.

27 Vgl. GLESS SABINE, Zur Verantwortung von Unternehmen für ihre Wertschöpfungskette, in: FS Rogall, Berlin 2018, 332 ff.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

The Council’s permanent agenda provides for the review of human rights issues in every country but Israel under Item 1, “Organi- zational and procedural matters,” and Item 4,

Experimenting with different types of media and presenting differently framed news stories about a variety of conflicts to various types of audiences (for an

The General Assembly affirmed that „recognition of the inherent dignity and of the equal and inalienable rights of all members of the human family is the foundation of

Das BfArM äußert sich zur der- zeitigen Sachlage wie folgt: „Die sich aus dem Berufsrecht für Ärzte sowie aus dem Hausrecht der medizini- schen Fakultäten ableitenden Rege-

Even so, as has also been pointed out, several challenges taint the record of progress, among them the fact that the Council fails to act impartially in the determination of

• This is especially the case of the Open-end- ed Working Group on the Right to Develop- ment, established by resolution 1998/72 of the Commission on Human Rights and by decision

14 During its first year, the Council established four working groups (WGs) to address its working methods: (1) WG to Develop the Modalities of Universal Periodic Review; (2) WG on

Die VA-Tech AG konnte durch diese Initiative viele interessierte Studenten erreichen und auf das Unternehmen, seine Leistungen und seine Kultur aufmerksam ma- chen. Für