EEG bei fokalen Epilepsien im Kindes- und Jugendalter
Erlanger EEG-Tage, 14. Juli 2021
Prof. Dr. Regina Trollmann
Leiterin Abt. Neuropädiatrie
und Sozialpädiatrisches Zentrum Universitätsklinikum Erlangen Kinder- und Jugendklinik
Scheffer et al. 2017
Unbekannt Genetisch
Infektiös
Ätiologie
Metabolisch Strukturell
KOMORBIDITÄTEN
Epilepsiesyndrom
Neue ILAE Klassifikation 2017
Epilepsietyp
Fokal generalisiert Kombiniert generalisiert &
fokal
un- bekannt
Immuno- logisch
Klassifikation der Epilepsien
ILAE 2017 Klassifikation der Anfallstypen – Level 1 Erweiterte Version
Scheffer et al. 2017
Fokaler Beginn Generalisierter Beginn Unbekannter Beginn
„Awareness“
erhalten beeinträchtigt
Motorischer Beginn
Automatismus Atonisch Klonisch
Epileptische Spasmen Hyperkinetisch
Myoklonisch Tonisch
Nicht-motorischer Beginn
Autonom
Innehalten („behavior arrest“) Kognitiv
Emotional Sensorisch
Mit Übergang zu bilateral tonisch-klonisch
Motorisch
Tonisch-klonisch Klonisch
Tonisch Myoklonisch
Myoklonisch-tonisch-klonisch Myoklonisch-atonisch
Atonisch
Epileptische Spasmen
Nicht-motorisch (Absence)
Typisch Atypisch Myoklonisch Lidmyoklonien
Motorisch
Tonisch-klonisch Epileptische Spasmen Myoklonisch
Nicht-motorisch
Innehalten
Unklassifiziert
Ersetzt: “Infantile Spasmen“
(Fokalität nicht spezifizierbar)
Fokal kognitiv mit
beeinträchtigtem Bewusstsein Ersetzt: “komplex-fokal“
„dyskognitiv“
Epilepsien mit Anfällen fokaler und multifokaler Genese
Altersgebundene fokale Epilepsien
Benigne Partialepilepsie (BECTS, Rolando-Epilepsie) - Nach neuer Klassifikation 2017:
Selbstlimitierende Epilepsie mit zentro-temporalen spikes
Selten CSWS (Continuous Spike and Wave during slow sleep) Landau-Kleffner-Syndrom
Pseudo-Lennox-Syndrom
Altersgebundene fokale/multifokale epileptische Enzephalopathien
West-Syndrom
Lennox-Gastaut-Syndrom
Genetische epileptische Enzephalopathien
Symptomatische fokale Epilepsien
EEG-Diagnostik - Fragestellungen
Diagnosesicherung nach erstem unprovozierten Anfall
Diagnose des Epilepsietyps/-Syndroms
Entscheidungshilfe für Therapie (Wiederholungsrisiko, Epilepsietyp)
Therapiekontrolle
Monitoring von Komplikationen (konvulsiver/non-konvulsiver Status)
Überprüfung der Diagnose bei Pharmakoresistenz
Entscheidungshilfe für Beendigung der AE-Therapie
Abschätzung der Prognose (epileptische Enzephalopathie)
Fokuslokalisation, Nicht-invasives prächirurgisches Epilepsiemontoring
EEG-Diagnostik nach 1. unprovozierten Anfall
„..zum Ausschluss Epilepsie...“
Sensitivität des ersten Wach-EEG relativ gering
25-56 % Spezifität
bis zu 98%
30-50 % der Kinder mit Epilepsie sind nach dem 1. Ereignis
„EEG-negativ“
Semiologie?Zusatzbefunde?
Erweiterte EEG- Diagnostik?
Pathologisches Wach-EEG bei gesunden Kindern – Stellenwert altersabhängig
Altersabhängige Prävalenz von ETP bei Gesunden
6-13jährige*: 3.5 - 6.5 %
Centro-temporale >> multifokale >general./bifrontale SW
1-5jährige**: 0.76 %
Geschwister von Kindern mit BECTS
Nach Gelegenheitsanfällen bei transienten metabolischen/akuten Erkrankungen
Diaz-Negrillo et al. Epilepsy Res Treat 2013; Arthur et al. Epilepsia 2008; *Borusiak et al. Epilepsia 2010 (prospektiv, n=382); **Bilhege et al J Child Neurol. 2015
Interiktales EEG:
Erhöhung der diagnostischen Aussagekraft bei Kindern?
...Schlaf/Schlafentzug Wiederholte EEG Zeitpunkt optimieren Video-Langzeit-EEG...
Einflussfaktoren auf die Aussagekraft des interiktalen EEG
Zeitpunkt nach Anfallsereignis
Höchste Inzidenz von ETP < 24 h Sadleir et al Arch Neurol 2010
Interiktales EEG < 24 h: ETP in 51% d.F. vs. 34% nach 48 h – 4 Wo
Wiederholte Wach-EEG
Keine Zusatzinformation ab dem 4. Wach-EEG
Erhöhung des ETP-Nachweises um 20% nach dem 2. EEG, < 10%
nach dem 4. EEG Camfield et al. J Neurol Sci 1995
Schlaf-assoziierte Anfälle/Epilepsiesyndrome im Kindesalter Indikationen für Schlaf-EEG
Typische EEG-Merkmale bevorzugt im Schlaf (N2 Schlaf)
BECTS
CSWS
Landau-Kleffner-Syndrom
Frontallappenepilepsie
Zusatzinformationen
Infantile Spasmen (ca. 10%)
LGS
Typische Provokationsmethode
JME, Epilepsie mit GTKA nach Erwachen
Koutroumanidis et al. Epileptic Disord 2017, Diaz-Negrillo et al. Epilepsy Res Treat 2013
EEG - wegweisend für fokale Epilepsiesyndrome im Kindesalter
Strukturell
Genetisch Metabolisch
Pitfalls Pitfalls
Selbstlimitierende fokale Epilepsie des Kindesalters mit zentrotemporalen Spikes
Syn: Idiopathische Partialepilepsie des Kindesalters
mit zentro-temporalen spikes (BECTS), Rolando-Epilepsie
häufigste fokale Epilepsie im Kindesalter: 15% der Epilepsiediagnosen < 15. Lj, normal entwickelte Kinder im Alter von 2-12 Jahren, v.a. Jungen
charakteristisch:
aus dem Schlaf heraus auftretende Anfälle
oft einfach fokal: Mißempfindungen Gesicht, Mund, Verkrampfung der Schlundmuskulatur
Häufig Spracharrest/-störung (40%), Hypersalivation (30%)
Seltener: tonisch-klonische Anfälle; keine tonischen Anfälle
EEG: fokale SW centro-temporal, Aktivierung im NREM Schlaf
benigner Verlauf: Remission bis Pubertät Vermehrt Teilleistungsschwächen (Sprache)
Landau-Kleffner- Syndrom SW +
Kognitive Defizite Asymptomatische
Sharp-Wave-Foki
CSWS
Pseudo- Lennox
Rolando- Epilepsie
Spektrum der selbstlimitierenden fokalen (idiopathisch-fokalen) Epilepsien des Kindesalters
• Differente neuropsychologische Profile
• Wenig kontrollierte Therapiestudien
Selbstlimitierende fokale Epilepsie des Kindesalters mit zentrotemporalen Spkes
Indikation für Schlaf-EEG, v.a. bei Kindern mit Entwicklungsverzögerung oder Verhaltensauffälligkeiten
DD CSWS= kontinuierliche gen. SW-Komplexe im NREM-Schlaf (mind.
85%)
Zentro-temporale Sharp-Waves bei 1.5-2.5% normaler Schulkinder (Cavazutti et al. 1980)
Rolando-Focus ohne Anfälle bei 19% der Geschwister (Heijbel et al. 1975)
Pseudo-Lennox-Syndrom
Atypische idiopathisch-fokale Epilepsie mit charakteristischer Semiologie
Atonische Nick- und Sturzanfälle
Atypische Absencen, nächtliche GM
Keine axial-tonischen Anfälle
Beginn 2.-7. Lj
CSWS (50% d. F.)
Therapieoptionen: ST/CLB, Corticoide; VPA, ESM
Temporäre Therapieeffekte
Therapieerfolg 20-50% bei CSWS
Landau-Kleffner Syndrom
Klinische Merkmale und EEG-Befunde
Manifestationsalter meist 2.-8. LJ
Verbale Agnosie, meist akut, seltener über Wo – Mo, expressive + rezeptive Sprachstörung Verhaltensstörung (Hyperaktivität/Aggressivität, u.a.)
Semiologie: atypische Absencen; fokal motorische, atonische, (seltener) sekundär bilaterale Anfälle; teils besteht ausschließlich eine Aphasie als Anfallskorrelat
EEG: variabel; typisch: bilaterale Spike wave Serien mit Maximum temporal im Non- REM-Schlaf; bis hin zu bilateralem bioelektrischen Status (CSWS, Continuous Spike- Waves during Sleep)
Therapie: Corticosteroide, Ethosuximid, Sultiam, Clobazam
Prognose: CSWS/Intelligenzminderung möglich
GRIN2A-Mutationen
Alterationen der NMDA-Rezeptor-Untereinheit GluN2A
Kodiert durch GRIN2A-Gen (gain-of-function Mutationen)
Assoziiert mit Epilepsien mit Sprachentwicklungsstörungen und centro- temporalen SW (5-18 %)
• Landau-Kleffner Syndrom (LKS)
• Epilepsie mit CSWS (continuous spikes and waves during slow- wave sleep)
• Rolando-Epilepsie
Experimenteller Therapieansatz: Memantin (NMDAR Antagonist)
Lemke et al. Nat Genet 2013; 45: 1067-1072
Pierson et al. Ann Clin Transl Neurol 2014; 1: 190-198
„Okzipitallappenepilepsie“
Häufigkeit von 2-8% in epilepsiechirurgischen Fallserien
Tumore, vaskuläre Malformationen, strukturelle Malformationen
Idiopathische, selbstlimitierende fokale Epilepsie (BECTS und assoz.
Syndrome)
U.a. visuelle Aura im kontralateralen GF, iktale oder postiktale Blindheit, motorische Automatismen, fokal motorische Anfälle mit
Bewusstseinsstörung, bilaterale Generalisation
Sondersituation: EEG mit lokalisierendem Spike-Fokus interiktal (50-80%) häufiger als iktal (rasche Propagation)
Epileptische Enzephalopathien
Lennox-Gastaut-Syndrom
Altersgebundenes polyätiologisches Epilepsiesyndrom
Alter 2.-7. Lj., im Vorfeld häufig West-Syndrom
Ätiologie in >80% d.F. diverse ZNS-Läsionen; Tuberöse Hirnsklerose,
neurometabolische Erkrankungen, genetische Sy., fokale Dysplasien
Anfallssemiologie: typisch gemischte Anfallstypen
Asymmetrische tonische Anfälle, Tonisch-astatische Anfälle
Atypische Absencen, Nickanfälle
Fokale Anfälle
“Umdämmerungen“ (non-konvulsiver Status)
Auftreten: diffus über den Tag, nachts bes. tonische Anfälle (Leitsymptom)
Epileptische Enzephalopathien Lennox-Gastaut-Syndrom
w/ 9 Jahre
Lennox-Gastaut-Syndrom
Bilateral synchrone
slow spike waves (2/s)
Epileptische Enzephalopathien
Lennox-Gastaut-Syndrom: EEG-Befunde
frontal betonte slow spike-waves (SW-Variant, 2/s)
fokale/multifokale sharp waves
Müdigkeit/Schlaf: slow spike-waves in Serien frontal symmetrisch/asymmetrisch,
tonische Muster (10/s Rhythmen) irreguläre Polyspikes
seltener Hypsarrhythmie-ähnliches EEG
60% Status epilepticus (auch subklinisch!): cave Clonazepam!Epileptische Enzephalopathien Lennox-Gastaut-Syndrom
Ungünstige Prognosefaktoren
Symptomatische Ätiologie, v.a. nach West-Syndrom
Anfallsbeginn vor dem 4. Lebensjahr (symptomatisch oder idiopathisch)
Hohe Anfallsfrequenz, Auftreten von Staten
Epileptische Enzephalopathien Lennox-Gastaut-Syndrom
VPA, LTG, TPM, LEV
Rufinamid
Kombination mit ESM, FBM, MSM
Refraktäre tonische A: PHT, Barbiturate
Refraktärer non-konvulsiver SE ggf DEX
Cannabidiol
Fenfluramin
Ketogene Diät
VNS
Prächirurgische Epilepsiediagnostik – Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen
Subcommission Pediatric Epilepsy Surgery (SPES) der ILAE
Epileptische Encephalopathien
Primäre Pharmakoresistenz
Rasche Regression motorischer, sensorischer und kognitiver Funktionen
Variable elektro-klinische Expression
Chirurgisch behandelbare Ätiologien
Entwicklungsneurologische und psychosoziale Faktoren (Verhalten, Kognition, psychosoziale Adaptation, Lebensqualität)
Funktionelle Plastizität
Temporallappenepilepsie Kindes-/Jugendalter
Ätiopathogenese
Dysontogenetische Tumore (Gangliogliome, Hamartome)
Migrationsstörungen
Mesiale temporale Sklerose (selten, u.a. als Folge frühkindlicher Anfallsstaten)
Postinfektiös
Selten: Limbische Enzephalitis
EEG Befunde bei
Temporallappenepilepsie
Interiktal
oft Fehlen eines temporalen Fokus (seitenwechselnde, multifokale, generalisierte Veränderungen)
Iktal
Monomorphe rhythmische Aktivität
Fokale rasche Aktivität
SW-ähnlich mit rascher Ausbreitungstendenz
Postiktale Verlangsamung