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Kerstin Friedrich. Erfolgreich durch Spezialisierung

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Kerstin Friedrich

Erfolgreich durch Spezialisierung

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Kerstin Friedrich

Erfolgreich durch Spezialisierung

Radikal anders – radikal besser

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­

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lektorat@redline-verlag.de 4. Neuauflage 2018

© 2014 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH, Nymphenburger Straße 86

D-80636 München Tel.: 089 651285-0 Fax: 089 652096

© der Originalausgabe

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Ulrike Kroneck, Melle-Buer Umschlaggestaltung: Maria Wittek, München Umschlagabbildung: shutterstock.com Satz: Georg Stadler, München Druck: GGP Media GmbH, Pößneck Printed in Germany

ISBN Print 978-3-86881-544-3 ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-648-0 ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-649-7

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Inhalt

1. Die Macht des Spezialisten ... 9

1.1 Kleine Geschichte der Spezialisierung ... 17

1.2 Die Spezialisierungsvorteile ... 32

1.3 Die Spezialisierungsnachteile ... 47

1.4 Spezialisierungsrisiken in Chancen verwandeln ... 60

2. Wie man sich »richtig« spezialisiert ... 69

2.1 Spezialisierung für Überzeugungstäter: Primärspezialisierungen ... 70

2.2 Spezialisierung für Innovative: Engpass-Spezialisierungen ... 78

2.3 Spezialisierung für Beziehungstypen: Zielgruppenspezialisierungen... 97

2.4 Spezialisierungen für Wissensunternehmer ... 120

2.5 Spezialisierung im Haifischbecken ... 125

2.6 »Gute« und »schlechte« Spezialisierungen ... 129

2.7 Angst vor Spezialisierung? ... 135

3. Methodik: So finden Sie Ihr Spezialgebiet ... 139

3.1 Der Start: Analyse der Stärken und Motive ... 142

3.2 So finden Sie eine Primärspezialisierung ... 149

3.3 So finden Sie eine Engpass-Spezialisierung ... 160

3.4 So finden Sie eine Zielgruppenspezialisierung ... 174

4. Diversifikation für Spezialisten ... 185

4.1 Wie man passend expandiert und diversifiziert ... 192

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6 Inhalt

5. Was man sonst noch braucht ... 199

6. Nachwort ... 207

7. Danksagungen ... 209

8. Literaturverzeichnis ... 211

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»Alle wirklichen Unternehmenserfolge sind Konzentrationserfolge«

Fredmund Malik

»Von Spezialisten siegen lernen«

Schlagzeile im Wirtschaftsmagazin impulse

»Specialize or die«

Joanell Teague

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1. Die Macht des Spezialisten

1972 brannte in der Oberpfalz ein Erdgasspeicher. Sieben Tage lang hat- ten sich deutsche Feuerwehrleute erfolglos damit abgemüht, die Ka- tastrophe in den Griff zu bekommen. Schließlich überredete man den führenden Experten für Gas- und Ölbrände, den texanischen Feuer- wehrmann Paul Neal »Red« Adair, nach Deutschland zu kommen. Er kam, besichtigte den Ort des Geschehens und leitete die erforderlichen Maßnahmen ein. 18 Minuten später war der Brand gelöscht. Red Adairs Honorar betrug umgerechnet 800 000  Euro  – zu damaliger Kaufkraft (und auch heute) ein schöner Batzen Geld. Die Macht des Spezialisten – es gibt kaum ein besseres Beispiel als dieses.1

Stellen Sie sich vor, Sie wären in einer ähnlichen Position: Die Auftrag- geber müssten Schlange stehen, um einen Termin bei Ihnen zu bekom- men, Sie könnten hervorragende Preise erzielen und würden über Pro- blemlösungsfähigkeiten verfügen, die Sie als Einziger mit traumhafter Sicherheit beherrschten. Eine schöne Vorstellung? Ich weiß, Sie hal- ten das für sehr weit hergeholt, sogar für völlig unmöglich. Doch schau- en wir uns Red Adairs Erfolg einmal an: War es Zufall oder ein Glücks- fall? Hatte er eine genetisch programmierte Begabung für das Löschen gefährlicher Brände? Verfügte er nur über eine ans Selbstmörderische grenzende Risikobereitschaft? Nichts davon trifft zu. Adair sagte von sich, er wäre nie auch nur das geringste Risiko eingegangen, ja er hielt sich selbst nicht einmal für besonders mutig. Er wisse nur immer ganz genau, was zu tun sei.

1 Wenn Sie ein besseres (oder fast ebenso gutes) kennen, schreiben Sie mir unbedingt unter friedrich@friedrich-strategie.de

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Die Macht des Spezialisten

Adair war Spezialist – und zwar nicht Spezialist für irgendwas, sondern Spezialist für die Lösung eines besonders drängenden, im wahrsten Sin- ne des Wortes brennenden Problems. Und damit hatte er Macht bekom- men. Sie werden in diesem Buch noch vielen solcher Spezialisten begeg- nen – großen Unternehmen wie »kleinen« Einzelkämpfern, Menschen und Unternehmen, die einen kleinen Ausschnitt dieser Welt besser be- herrschen als irgendjemand sonst. Die über Fähigkeiten verfügen, die sie extrem anziehend für potenzielle Kunden machen und die ihnen die Macht verleihen, ihre Spielregeln weitgehend selbst bestimmen zu kön- nen. Und all das nicht, weil sie das Glück auf ihrer Seite hatten oder weil sie herausragende Genies waren, sondern weil sie sich bewusst für ei- ne Spezialisierungsstrategie entschieden hatten (was an sich auch schon ziemlich genial ist).

Ja, Sie haben richtig gelesen: Es geht um MACHT! Macht ist eines der größten Tabuthemen in der Managementlehre. Wir sind derart geschä- digt durch Klassenkampf-Ideologien, Gewerkschaft- oder Arbeitgeber- macht, den Macht-Missbrauch der Kapitalisten und Staatsmonopolisten und Ähnliches, dass wir nicht einmal im Traum daran denken, unseren eigenen Machtanspruch zu erheben. Dabei ist Macht an sich überhaupt nichts Negatives, im Gegenteil: Macht ist nichts anderes als die Fähig- keit, jemand anderem etwas Gutes oder Böses antun zu können, oder – anders ausgedrückt – mit größter Sicherheit vorhersehen zu können, wie Menschen sich verhalten werden. 2

Wir wollen uns hier ganz und gar auf die erstere Variante konzentrieren, nämlich auf die Fähigkeit, Gutes zu bewirken. Jeder Mensch braucht ein gewisses Maß an Macht, und viele Probleme entstehen erst daraus, dass sich Menschen hilflos und ohnmächtig fühlen. Natürlich brauchen auch Unternehmen Macht, und dem Systemforscher Wolfgang Mewes ver- danken wir die Einsicht, dass man die Machtposition eines Unterneh- mens am Gewinn ablesen kann. Diese Unternehmen bringen es nämlich

2 Ja, nun höre ich die Philosophen und Soziologen aufschreien ob dieser Vereinfachung. Macht nix! Für alle, die es dennoch ganz genau wissen wollen, sei das Buch „Macht“ von Niklas Luhmann empfohlen – da steht es ganz genau drin.

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11 Die Macht des Spezialisten

offensichtlich fertig, die ihren Leistungen und Kosten angemessenen Prei- se durchsetzen zu können. Unternehmen, die ständig Preiszugeständnisse machen müssen, sind austauschbar und damit erpressbar. Sie sind macht- los. Wer jedoch einen deutlich höheren Nutzen bietet als alle Mitbewerber, kann sicher sein, dass der Kunde dies auch honoriert. Besonders erfolgrei- che Anbieter bringen es fertig, dass der Kunde monatelange Wartezeiten in Kauf nimmt und beinahe jeden Preis zu zahlen bereit ist. Der kluge Spe- zialist indes nutzt seine Macht und seinen Preiserhöhungsspielraum nicht aus. Machtmissbrauch rächt sich früher oder später immer.

Dies ist ein Buch über das einfachste und wirkungsvollste Instrument zu mehr Marktmacht, Anziehungskraft und Erfolg: die Spezialisierung.

Keine andere Strategie ist so umstritten wie die der bedingungslosen Konzentration auf wenige Produkte, Dienstleistungen oder Problem- lösungen. Anhänger von Spezialisierungsstrategien halten sie für eine Wunderwaffe, mit deren Hilfe alle gängigen Probleme der Unterneh- mensführung gelöst werden können – egal, ob sie das Marketing, die Organisation, die Innovation oder das Wissensmanagement betreffen.

Den Gegnern gilt sie dagegen als Strategie für Sonderlinge, überdies als gefährlich, riskant, einseitig oder langweilig. Meines Wissens gibt es keine andere Strategie, über die so viele Vorurteile, Missverständ- nisse und sich widersprechende Meinungen herrschen wie über die Spezialisierung.

»Früher haben wir Hungrige satt gemacht  – heute müssen wir Sat- te hungrig machen« – in diesem einfachen Satz drückt sich die große Herausforderung aus, der sich Unternehmer und Gründer heute stellen müssen: Auf fast allen Märkten herrscht ein gnadenloser Verdrängungs- wettbewerb. Um dort bestehen zu können, braucht es mehr als Durch- schnittlichkeit: etwas Herausragendes. Wenn Sie über endlose Ressour- cen verfügen, brauchen Sie nicht weiter zu lesen – dann können Sie sich Ideen, Märkte, Technologien und Kreativität kaufen. Wenn Sie sich den Spaß am Erfolg nicht nehmen lassen wollen und auch mit wenigen Kräf- ten viel bewirken wollen, sind Sie hier genau richtig.

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Die Macht des Spezialisten

Welche Strategie ist die richtige?

Diese Frage stellt sich in Zeiten wie diesen, die geprägt sind durch har- ten Wettbewerb, globale Herausforderungen und ein irrsinniges Inno- vationstempo, drängender denn je. Zumindest in einem Punkt scheinen sich die Strategie-Päpste einig: Nach dem Desaster, das die Diversifika- tionsstrategie in den 1970er- und 1980er-Jahren weltweit angerichtet hat, konnte das Thema »Alles für alle« getrost beerdigt werden. Statt- dessen empfahl man unisono Erfolgsrezepte wie »Fokussierung« (das Teufelswort »Spezialisierung« wird gern vermieden), oder ein mode- rates »Zurück zu den Kernkompetenzen«. Mit bemerkenswerten Fol- gen: Seit vielen Jahren kann man täglich der Fachpresse entnehmen, dass sich Unternehmen von »unpassenden« Bereichen trennen, um das Kapital umgehend in die Akquisition von »passenden«, die Fokussie- rung oder Kernkompetenzen stärkenden Unternehmen zu stecken. Di- versifikation ist out – um nicht zu sagen: mega-out. Jack Welch, einst CEO des weltweit erfolgreichsten Gemischtwarenladens General Elec- tric, war eine der Ausnahmen von der Regel. Er hat es wie kein anderer vor ihm geschafft, ein weltumspannendes Imperium voneinander un- abhängigem Unternehmen zu einem funktionierenden Ganzen zusam- menzuschweißen. Doch Führungsgenies dieses Kalibers gehören of- fensichtlich einer exotischen, höchst seltenen Art an. Denn erfolgreiche diversifizierte Konzerne kann man mit der Lupe suchen: An der Bör- se werden Allrounder mit einem »Konglomerats-Abschlag« von bis zu 25 Prozent bestraft. Die Analysten favorisieren »fokussierte« Unterneh- men, die beides bieten: die Marktführer-Qualitäten eines Spezialisten mit dem »Sicherheitspotenzial« der Diversifikation. Und so versucht man es heute gern mit einer gelungenen Mischung aus »sowohl-als- auch«: breite Produktpalette, aber irgendwie einen gemeinsamen Nen- ner, sprich: Fokus. Doch was ist das eigentlich, diese sagenumwobene

»Fokussierung«?

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13 Die Macht des Spezialisten

Was ist Fokussierung?

Schauen wir uns ein Beispiel an, nämlich die Daimler AG: ein Unter- nehmen, das schon so manche strategische Modeerscheinung mitge- macht hat. Als der Konzern noch unter dem Namen Daimler Benz firmierte, stellte er so etwas wie das Musterbeispiel missglückter Di- versifikationspolitik dar. Anfang der 1980er rutschte der Nutzfahr- zeugsektor in die roten Zahlen. Auch das Stammgeschäft, der Bau hochwertiger Automobile, wurde eher pessimistisch beurteilt. Dar- um investierte das Unternehmen in alle möglichen Branchen. Gekauft wurden ganz oder in Teilen die marode AEG, der Weltraumforscher DASA, der Turbinen- und Motorenhersteller MTU und viele andere.

Doch das Experiment misslang: Die viel beschworenen Synergien zwi- schen den Bereichen wurden nicht einmal ansatzweise realisiert. Statt- dessen wurde aus 2,8 Milliarden Euro Profit binnen zehn Jahren ein Defizit von drei Milliarden.

Offensichtlich war es nicht möglich, vom Toaster (AEG) über IT- Dienstleistungen (debis) bis zur Weltraumfähre (DASA) alles anzubie- ten, was den gemeinsamen Nenner »Technik« besaß. Daimler-Chef Ed- zard Reuter durfte gehen, und zur großen Freude der Anleger folgte sein Nachfolger Jürgen Schrempp alsbald dem allgemein angesagten Trend zur »Fokussierung«, und zwar zunächst auf das Kerngeschäft »Ver- kehr«. AEG, Fokker, Dornier und andere wurden aus dem Portfolio verbannt, später folgte die hoch-defizitäre Adtranz, die sich unter ande- rem der Integration von Auto und Schiene verschrieben hatte. Das Ge- schäftsfeld wurde nun auf das ursprüngliche Kerngeschäft, das Automo- bil, eingeschränkt – man könnte sagen: fokussiert. Doch sofort drohte das nächste Desaster: die Welt AG. Dahinter stand die Theorie, dass in Zukunft nur weltweit in allen Fahrzeugklassen präsente Unternehmen konkurrenzfähig bleiben werden. Die Daimler AG ist heute ein weltum- spannendes Konglomerat von Autofabriken und Vertriebsstützpunkten, das vom Kleinstwagen Smart über den luxuriösen Maybach bis zum Su- per-Lkw aus dem Hause Freightliner weltweit alles zu bieten hat, was

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Die Macht des Spezialisten

des Autofahrers Herz zu erfreuen vermag. Doch um welchen Preis? Die Eintrittskarte für das Spiel um die Weltherrschaft in allen automobilen Klassen erwies sich als teuer: Der Kauf und die Integration von Chrys- ler und Freightliner in den USA, die Beteiligung an Mitsubishi in Japan sowie Hyundai in Korea und die Aktivitäten in China zehrten an den Ressourcen – erst an den personellen, dann an den finanziellen. Chrys- ler, Freightliner und andere belasteten das Konzernergebnis mit Milliar- denverlusten. Drei Jahre nach dem »Superdeal« DaimlerChrysler hatte sich der Aktienkurs halbiert, was einer rechnerischen Kapitalvernich- tung von 40 Milliarden Euro entsprach. Scheinbar wurde auch im Rah- men der neuen Strategie das Maß des Machbaren überschritten. »Man kann nicht alles machen«, räumte DaimlerChrysler-Vorstand Eckhard Cordes freimütig in der Frankfurter Allgemeine ein.3

Den Anlegern hätte es sicherlich mehr Freude gemacht, wenn man sich auf das Spezialgebiet, den Bau hochwertiger, prestigeträchtiger Auto- mobile, beschränkt hätte: Im deutschen Mutterhaus erfreute man sich nämlich prächtig sprudelnder Gewinne und voll ausgelasteter Kapazitä- ten. »Funkelnde Augen bekommen die Verantwortlichen des Stuttgar- ter Konzerns derzeit nur, wenn sie sich die Zahlen ihrer Vorzeigemarke Mercedes anschauen«, urteilte im November 2001 ein Analyst im Bör- senportal wallstreet online.

Ist die Daimler AG ein fokussiertes Unternehmen? Sicherlich ist es heute im Sinne des Kerngeschäftes konzentrierter als noch zuzeiten des »inte- grierten Technologiekonzerns«. Doch ist das Unternehmen fokussiert?

Natürlich nicht. Zu diesem Begriff fällt uns nur ein einziger Automobil- hersteller ein, nämlich der profitabelste: Es ist die Porsche AG, ein Spe- zialist reinsten Wassers, der Image und Gewinn lange Zeit aus einem ein- zigen Modell, dem legendären 911er zog, und der seine Modellpalette äußerst behutsam innerhalb der Kernkompetenz erweiterte. Doch soll das wirklich die Alternative sein – eine Welt von Nischenanbietern? Das ist aus Gründen, über die Sie hier noch einiges lesen werden, nicht die

3 FAZ vom 31.5.01

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einzige Alternative. Nach meiner Ansicht gibt es nicht die Qual der Wahl zwischen Spezialisieren, Fokussieren oder Diversifizieren – der Königs- weg liegt im gelungenen »Sowohl-als-auch«. Genau darum geht es in diesem Buch: Darum, sich richtig zu spezialisieren und – wenn es denn sein soll – zu diversifizieren und zu expandieren, ohne dass die Speziali- sierungsvorteile dabei komplett »flöten« gehen.

Das, was uns heute unter »Fokussierung« geboten wird, ist häufig nichts anderes als eine auf Branchen ausgerichtete Diversifikationspolitik. Die- se Strategie mag für einen amtierenden oder angehenden Global Player machbar und erfolgreich sein (wobei hier und da ernsthafte Zweifel an- gebracht sind). Irrsinnigerweise wird sie aber auch von vielen kleinen und mittleren Unternehmen kopiert, die einen Großteil ihres Erfolgspo- tenzials damit in den Mülleimer werfen oder – noch schlimmer – in die Pleite gehen, weil sie sich verzetteln.

Doch nicht nur Mittelständler und Kleinunternehmen kopieren die Strategien der Konzerne – erschreckenderweise wird selbst unter Frei- beruflern noch erstaunlich häufig die Meinung vertreten, ein möglichst breites Wissen (sprich: Produktspektrum) sei die sicherste Grundla- ge einer erfolgreichen Existenzsicherung. Denn das wird uns ja bereits in der Schule eingetrichtert: Wer viel weiß und alles kann, ist der Bes- te! Im völlig realitätsfernen Schonraum »Schule« mag so etwas funk- tionieren – im wirklichen Leben ist mit dieser Strategie nichts anzufan- gen. Denn schon vor 1000 Jahren konnte man nicht alle Wissensgebiete beherrschen – und heute, wo sich das Wissen alle paar Jahre verdop- pelt, erst recht nicht. Selbst Gebiete, die gemeinhin schon als »Spezi- alisierung« gelten, sind derart umfangreich und ausdifferenziert, dass eine einzelne Person sie unmöglich in allen Nuancen bis zur Spitzen- klasse beherrschen kann. In der Chirurgie beispielsweise (die selbst be- reits als Spezialgebiet in der Medizin gilt), gibt es heute Spezialisten für Herztransplantationen, für plastische Chirurgie (mit Unter-Spezialisie- rungen für Nase, Brust, Ohren, Augen …), für Handoperationen und so weiter und so fort. Ähnlich ist es bei den Unternehmensberatern, in

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Die Macht des Spezialisten

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den Rechtswissenschaften oder bei Wirtschaftsprüfern: Kein Mensch ist heute mehr in der Lage, solche riesigen Wissensgebiete in allen Details erfassen und beherrschen zu können – geschweige denn, dort eine füh- rende Rolle zu spielen.

Der einzige Weg, der dramatisch wachsenden Komplexität unserer Welt zu begegnen, ist die Spezialisierung – und zwar nicht die landläufig be- kannte Spezialisierung in Richtung Fachidiotie und Isolation, sondern eine neue, intelligente Form der Spezialisierung, die zu überlegenen Pro- blemlösungen und optimaler Integration in die Umwelt führt.

Ganz besonders für Mittelständler, kleine und ganz kleine Unternehmen sowie für Selbstständige und Freiberufler ist die Spezialisierung eine ide- ale Strategie.

Um eines vorwegzunehmen: In diesem Buch geht es nicht darum, die Großen und Berühmten wie die Daimler AG zu analysieren und aus deren Fehlern und Heldentaten zu lernen. Hier lernen Sie von Unter- nehmen jeder Größenordnung – von kleinen, kleinsten und mittelstän- dischen – wie man Marktführer wird. Demzufolge gibt es auch keine universell gültigen Patentrezepte, die für jedes Unternehmen passen.

Die Botschaft dieses Buches lautet, einzigartig und unverwechselbar zu sein: im positiven Sinne anders als andere. Das Schöne, aber gleichzeitig Anstrengende an Spezialisierungsstrategien ist der Umstand, dass jedes Unternehmen seinen eigenen Weg gehen muss und kann. Sie werden je- doch eine Methodik kennenlernen, mit deren Hilfe Sie diesen eigenen Weg entdecken und gehen können.

Ganz besonders werden Sie von diesem Buch profitieren, wenn Sie h Marktführer werden wollen

h ein Unternehmen oder einen Unternehmensbereich jeder Größen- ordnung leiten (oder dies demnächst tun wollen)

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Kleine Geschichte der Spezialisierung

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h unter starkem Wettbewerbsdruck stehen und nach neuen Strategi- en suchen

h freiberuflich selbstständig sind oder es werden wollen

h mit dem Gedanken spielen, ein Unternehmen zu gründen oder zu übernehmen.

1.1 Kleine Geschichte der Spezialisierung

Ist Spezialisierung etwas Neues? Nein – ganz im Gegenteil: Sie ist die älteste und effektivste Strategie überhaupt. Die Spezialisierung ist der zentrale Antrieb der Evolution. Alle Arten haben sich immer wieder auf Lücken (Nahrungsgrundlagen) spezialisiert, die ihren Eigenarten am besten entsprachen, und sie entwickelten ihre Fähigkeiten in die Lücke hinein. In dieser Lücke findet das Leben den geringsten Widerstand und die günstigsten Entwicklungsmöglichkeiten.

Der große Evolutionsforscher Charles Darwin kann als der Entdecker des Spezialisierungsprinzips gelten. Als er im Jahr 1835 mit dem For- schungsschiff HMS Beagle auf die Galapagosinseln kam, katalogisier- te er dort 14 offensichtlich miteinander verwandte Finkenarten, und er entwickelte dazu folgende Theorie: Die Galapagos-Finken wurden einst vom südamerikanischen Festland auf die Inseln geweht. Dort fanden sie hervorragende Lebensbedingungen und kaum Konkurrenz. Also ver- mehrten sie sich rasant. Dann jedoch wurden die Nahrungsgrundlagen knapp und der Wettbewerb um Nahrung so groß, dass die weitere Ver- mehrung der Spezies an ihre natürliche Grenze stieß. In der Folge bilde- ten die Finken nun verschiedene Unterarten, die sich jeweils auf andere Nahrungsquellen spezialisierten und dafür entsprechende Schnäbel aus- formten: Finken mit großen, harten Schnäbeln konzentrierten sich auf Kerne, Finken mit zarteren Schnäbeln auf Insekten, andere auf Kakte- en oder darauf, Parasiten von den Landtieren zu entfernen. Im Jahr 1999

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haben Genforscher des Max-Planck-Instituts bewiesen, dass Darwin mit seiner Theorie Recht hatte: Tatsächlich stammen alle Finken der Gala- pagosinseln von einem einzigen Urfinken ab.

Ein noch drastischeres Beispiel beschreibt der niederländische Biologe Tijs Goldschmidt anhand der Cichliden (Buntbarsche) im Viktoria see.

Hier haben sich von einer einzigen Urform rund 500 Unterarten ent- wickelt. Einige essen Schnecken, andere Algen oder Kleinfische. Einige fischen auf dem Grund, andere an der Oberfläche. Sie haben jede nur denkbare »Nahrungsnische« entdeckt und die dafür notwendigen phy- sischen Voraussetzungen entwickelt. Und so lebten die unterschiedli- chen Arten glücklich und zufrieden nebeneinander her, ohne sich ge- genseitig Konkurrenz machen zu müssen. Das Ganze ging gut, bis der Mensch den Viktoriabarsch dort ansiedelte, der binnen kurzer Zeit durch seine Gefräßigkeit das Gleichgewicht der Arten nachhaltig zerstörte.

In der Evolutionsbiologie nennt man diesen Vorgang adaptive Radiati- on: Eine Spezies »fächert sich auf« (Radiation), indem sie sich an un- terschiedliche, neue ökologische Nischen anpasst (Adaption). In der Natur ist es für diesen Vorgang förderlich, wenn wenige Fressfeinde oder Konkurrenten sowie unbesetzte Lebensräume vorhanden sind. Sie werden später sehen, dass diese Voraussetzungen im Wirtschaftsleben das Bilden neuer Spezialisierungen ebenfalls begünstigen, jedoch nicht zwingend notwendig sind. Selbst auf scheinbar völlig besetzten Märk- ten ist es möglich, neue »Nahrungsnischen« über Spezialisierungen zu erschließen.

Aus der Physik können wir ebenfalls lernen, wie man Widerstände auch mit geringen Kräften leicht überwindet: indem man die Kräfte »spitz«

formiert. Deshalb sind alle Werkzeuge, die der Mensch erfunden hat, um Widerstände zu überwinden, spitz oder scharf: Faustkeile, Steinbei- le, Nägel, Bohrer, Laserstrahlen. Die physikalischen Gesetze gelten für jede Art von Kraft gegenüber jeder Art von Widerstand. Das Gleiche gilt für geistige oder soziale Kräfte und Widerstände. Die Frage, ob man

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seine Kräfte spitz formiert oder nicht, entscheidet darüber, ob man Er- folg hat, einen schnellen Durchbruch schafft oder ob man im Durch- schnittlichen hängen bleibt. Hat man erst einmal Erfolg, wird alles an- dere leichter.

Das Spezialisierungsprinzip funktioniert nicht nur in den Naturwis- senschaften, sondern ganz besonders dort, wo Menschen miteinander interagieren.

Wenn Sie auf Ihrem Markt die Nummer eins werden wollen, sollten Sie es auf jeden Fall zunächst mit einer Spezialisierung probieren. Warum?

Hier zunächst ein paar ganz einfache Beispiele:

Wenn Sie sich einer Herzoperation unterziehen müssten – würden Sie zur nächstgelegenen Klinik gehen, an der diese Operation aus- geführt wird, oder würden Sie Himmel und Hölle in Bewegung set- zen, um einen Termin in der besten Spezialklinik zu bekommen?

Wenn Sie Ihr Unternehmen verkaufen – gehen Sie dann zu Ihrem Anwalt um die Ecke, oder suchen Sie sich einen Spezialisten für Mergers & Acquisitions, der tagein tagaus nichts anderes tut, als sich mit Unternehmensverkäufen zu beschäftigen?

Unsere Kunden lieben Spezialisten, denn von diesen erwarten (und bekommen) sie die besten Problemlösungen. Dies gilt in allen Berei- chen des Wirtschaftslebens. Doch bevor wir uns diesem Thema wid- men, schauen wir erst einmal auf ein benachbartes Gebiet, den Sport.

Hier herrschen nämlich ähnliche »Gesetze« wie auf den ökonomischen Märkten:

h Es geht um Wettbewerb

h um das Ziel, Nummer eins zu werden

h darum, die Gunst von Zuschauern und Sponsoren zu gewinnen

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h und um permanente Leistungsverbesserung.

Auch als Unternehmer

h müssen Sie sich gegen andere durchsetzen (Wettbewerb)

h müssen Sie im Moment der Kaufentscheidung die Nummer eins im Kopf Ihres Kunden sein

h brauchen Sie die Gunst Ihrer Kunden und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit

h müssen Sie permanent innovieren, also Ihre Leistungen verbessern.

Im Sport wie in der Wirtschaft gilt: Der Wille zum Sieg, die mentale Ein- stellung ist erfolgsentscheidend. Es gibt viele Erfolgslehrer, die gerade diesem Faktor die größte Bedeutung beimessen. Das Motto lautet: Das Leben ist allein eine Frage der richtigen Einstellung, und wenn nur die Unternehmensspitze motiviert und entschlossen zur Sache geht, kann nicht mehr allzu viel schiefgehen.

Wenn dazu noch Fleiß und Arbeitswille kommen, ist der Erfolg so gut wie sicher. Nach meiner Meinung stimmt das im Großen und Ganzen, doch es fehlt eine entscheidende Kleinigkeit: die Strategie! Wenn zur richtigen Einstellung noch die richtige Strategie kommt – dann ist man dem Optimum schon sehr nahe. Denn nur von der richtigen Einstellung allein wird man ebenso wenig erfolgreich wie mit der richtigen Strategie.

Beide Seiten müssen stimmen – denn was nutzen die schönste Motiva- tion und der größte Arbeitseifer, wenn sie auf das falsche Ziel gerichtet werden. Umgekehrt nutzt die brillanteste Strategie nichts, wenn sie aus dem Schubladenstadium nicht herauskommt oder nur halbherzig umge- setzt wird. »Sowohl-als-auch« lautet also die Devise – und was passiert, wenn mentale Stärke mit guten Strategien zusammenkommen, das zeigt der Sport wunderbar. An diesem Beispiel können wir nämlich unter

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anderem lernen, dass man ohne Spezialisierung im Spitzensport gar nicht erst anzutreten braucht. (Sie können die folgenden Seiten über- schlagen, wenn Sie auch in der Zeitung den Sportteil überblättern.)

Bei der Olympiade 2012 in London lief der Sprintspezialist Usain Bolt aus Jamaica die 100 Meter in 9,63 Sekunden. Der beste Sprin- ter unter den Zehnkämpfern, der US-Amerikaner Ashton Eaton, er- reichte beim gleichen Sportfest eine Zeit von 10,35 Sekunden. Mit dieser Zeit wäre er bei den Spezialisten unter normalen Umstän- den mit Abstand auf dem letzten Platz gelandet (der einzige ernst- hafte Bolt-Konkurrent Asafa Powell verletzte sich und brauchte fast 12 Sekunden für die 100 Meter). Natürlich gilt unsere Bewun- derung den Zehnkämpfern, und nicht umsonst gelten sie als die Könige der Athleten. Doch in jeder der zehn Disziplinen werden sie von den jeweiligen Spezialisten locker geschlagen.

Im Sport sieht man auch wunderbar, dass man keine herausragende Be- gabung mitbringen muss, um über Spezialisierung erfolgreich zu wer- den. Bei starker Konzentration auf ein eng umrissenes Aufgabengebiet treten so starke Lerngewinne ein, dass selbst schwere Wettbewerbsnach- teile wieder wettgemacht werden können. Die Sprintlegende Wilma Ru- dolph (Weltrekordhalterin und mehrfache Goldmedaillengewinnerin in Melbourne 1956) litt in der Kindheit unter spinaler Kinderlähmung und konnte erst im Alter von acht Jahren ohne Krücken laufen. Andau- erndes, konzentriertes Training und ein eiserner Wille machten ihr trotz dieser schweren Behinderung den Weg in die Weltspitze frei.

Steffi Graf, Boris Becker, Michael Schumacher, Sebastian Vettel – alle Ikonen der jüngeren deutschen Sportgeschichte – konzentrierten sich bedingungslos auf ihren Sport. Sie widmeten sich von frühester Jugend an ihrer Disziplin, und es ist im Grunde kein allzu großes Wunder, dass sie nach 10 bis 15 Jahren intensiven Trainings an der Weltspitze stan- den. Am Beispiel des berühmtesten Radrennens der Welt, der Tour de France, sieht man, dass die Spezialisierung immer weiter voranschreiten muss: Es gibt Zeitfahr-, Berg- und Sprintspezialisten; und die starken,

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für den Gesamtsieg infrage kommenden Allrounder konzentrieren sich voll und ganz auf wenige Großereignisse. Aber auch die Allrounder kön- nen nur dann ihre Stärken voll ausspielen, wenn ihnen ein Team von Spezialisten zur Seite steht.

Das gleiche Bild finden Sie im Tennis. Natürlich und selbstverständlich konzentrieren sich Tennisprofis auf das Tennisspielen. Darüber hinaus ist auch hier eine »Marktsegmentierung« zu beobachten. Es gibt Spezi- alisten für jede Art von Belag: für Asche, für Rasen, für Hartplätze. War- um ist es seit Rod Laver im Jahr 1969 keinem Mann mehr gelungen, den Grand Slam (den Gewinn der vier großen Turniere in Paris, Wimbledon, Flushing Meadows und Flinders Park innerhalb eines Jahres) zu gewin- nen? Weil sich die mehr oder weniger genialen Allrounder im Ernstfall nicht gegen die Spezialisten durchsetzen können. Bei den Damen gelang dieses Kunststück zuletzt Steffi Graf. Doch Sportler ihres Kalibers sind extrem selten.

Wie weit die Spezialisierung fortgeschritten ist, sieht man in aller Deut- lichkeit im Skisport: 1935 errang der Norweger Birger Ruud bei der al- pinen Weltmeisterschaft 1935 eine Bronzemedaille in der alpinen Kom- bination (Abfahrtslauf und Slalom) und bei den Olympiaden 1932/36 jeweils eine Goldmedaille im Skispringen – eine heute undenkbare Leis- tung, denn der Wettbewerb hat dazu geführt, dass nur noch Spezialis- ten wettbewerbsfähig bleiben können: Abfahrer müssen heute die Sta- tur eines Stiers haben, während die Skiflieger hart an der Magersucht vorbeischrammen.

»Der Brummkreisel hat ausgedient – immer mehr Bundesligaclubs neh- men Abschied vom Allrounder und setzen auf Spezialistenteams« über- schrieb die Frankfurter Allgemeine am 17.4.2005 einen Artikel über das Phänomen, dass in der Fußballbundesliga heute statt eines einzelnen Trainers ein Team von Spezialisten beschäftigt wird. Es ist doch verblüf- fend, dass sich im Grunde simple Erfolgsrezepte verhältnismäßig lang- sam herumsprechen.

Referenzen

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