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Wenn dem Erfolg der Mißerfolg folgt. Erfolgreiche Strukturen aus vergangenen Tagen hemmen den Wandel

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Blick durch die Wirtschaft Mittwoch, 20. August 1997 / Nr. 159 / Seite 3

Erfolgreiche Strukturen aus vergangenen Tagen hemmen den Wandel STEFAN KÜHL

BERLIN. Organisationslernen und Steigerung der Innova.üons- Fähigkeit stehen ganz oben auf der Agenda des Managements zahl- reicher Unternehmen: Viele Füh- rungskräfte, die begierig die neu- en Bücher über die lernende Organisation verschlingen und Berater in ihre Betriebe holen, um Wandlungsprozesse zu begleiten, gehen davon aus, daß ein Unter- nehmen, das erfoigreich lernt und erfolgreich einen Organisations- wandet absolviert, für die Zu- kunft gerüstet ist.

Leider ist häufig genau das Gegenteil der Fall: Erfolgreiches Organisationslemen und erfolgrei- eher Wandel mögen in der Gegen- wart helfen, für die Zukunft sind sie eher eine schwere organisatorische Hypothek. Es gibt kaum letztlich etwas Problematischeres für die Zukunft eines Unternehmens, als beim Lernen und beim Wandel zu erfolgreich zu sein.

- Man braucht sich nur die von den ehemaligen McKmsey-Mitar- beitem Tom Peters und Robert Waterman gepriesenen „exzellen- ten Unternehmen anzuschauen.

Unternehmen, die 1982 noch. zu den bestgeführten Unternehmen der Vereinigten Staaten gezählt wurden, hatten nur wenige Jahre später mit massiven Problemen zu kämpfen.

Wenn die damaligen deutschen Direktoren von McKinsey, Hei"

mut Hagemann und Herbert Henzler, im Vorwort zur deut- sehen Auflage von „In Search of Excellence" besonders Daimler Benz und Siemens zu den „exzei- lent geführten Unternehmen zählen, könnte man das gesamte Untersuchungsdesign von McKinsey m Frage steUen. Wahr- scheinlicher ist jedoch, daß gerade die Tatsache, daß Daimler-Benz und Siemens „exzellent" geführt wurden ~ oder, besser, sich als

„exzellent geführt verstanden -, zu den Schwierigkeiten dieser Unternehmen beigetragen hatte.

Woran liegt der plötzliche Miß- erfolg von Unternehmen, die doch sonst so erfolgreich gelernt und sich gewandelt haben? Der Grund für den Mißerfolg, so die paradox klingende Vermutung, liegt im Erfolg.

Erfolg im Lernen und Erfolg im Verändern führt dazu, daß die durch den Erfolg positiv sanktio"

nierten Strukturen festgeschrie- ben, auf Dauer gestellt werden.

Ein einfaches Beispiel illustriert diese Entwicklung. Ein Schüler, der für eine Abhandlung eine Eins plus und ein dickes Lob von der Lehrerin erhält, behält wahr- scheinHch die Argumentationsli- nie dieser Abhandlung im Kopf.

Eine Betriebswirtm, die aufgrund der Beherrschung eines Control- lingsystems einen wichtigen Kar- riereschritt im Unternehmen ge- macht hat, wird wahrscheinlich auch künftig Erfolg und die Beherrschung dieses Controlling- Systems miteinander in Verbin- düng bringen.

Aufgrund des Erfolges haben aber sowohl der Schüler als auch die Betriebswirtin massive Schwie- rigkeiten, wenn die Argumenta-

tionslinie der Abhandlung oder das Controllingsystem irgend- wann nicht mehr gefragt sind.

Durch Erfolg festgeschriebene Strukturen werden zum Hindernis.

Genauso kann es Unternehmen gehen; Ein erfolgreich eingeführ- tes, hochautomatisiertes Lagerhal- tungssystem. das von allen Zuliefe- rern und Konkurrenten bewun- dert wird und in einer Fachzeitung als innovativ bezeichnet wurde, kann nur schwer abgeschafft wer- den, wenn plötzlich eine flexiblere, kostengünstigere Form der Lager- Haltung gefragt ist. Ein Unsemeh- men, das dafür gepriesen wird, wie schneU es einen bestimmten Markt erobert hat, wird Schwierigkeiten haben, diesen Markt wieder aufzu- geben.

Organisationen stehen vor einem grundlegenden Dilemma im Wand- lungsprozeß: Gerade die Bewälti- gung emer Krise erschwert die Bewalügung der nächsten (vergiei- ehe Vollmer 1996). Gerade die erfolgreiche Gestaltung eines Wandlunesprozesses verkompli- ziert zukünftige Veranderungspro- zesse. Gerade das erföigreiche

gemeinschaftliche Lernen eines be- stimmten Produktionsprozesses be- hindert dessen späteres Verlernen.

Der Erfolg in der Bewältigung einer Krise, in der Veränderung einer Organisaüon und mi kollek- tiven Erlernen kann zur Katastro- phe führen, wenn das angeeignete Wissen irgendwann nicht mehr brauchbar ist. Die umfangreiche Institutionalisierung von Wissens- Strukturen und der möglichst differenzierte Zugriff auf früher aufgenommenes Wissen mögen auf den ersten Blick sicherlich eine Effektivitätssteigerung und einen Lemerfolg darstellen. Die Innova- tionsfahigkeit der so insütutionali- sierten Organisation wird jedoch erschwert.

Zynisch eingestellte Zeitgenos- sen könnten jetzt so weit gehen und Unternehmen, die es sich leisten können, zum erfolglosen Lernen und vergeblichen Wandel

raten. Erfolgloses Lernen und vergebliches Wandeln mögen zwar im Moment frustrierend sein. aber wenigstens würden keine Struktu- ren festgeschrieben werden, die später nur noch schwer zu lösen sind. Das Unternehmen bliebe durch den Mißerfolg sehr offen für Veränderungsanforderungen. Da es jedoch nur wenigen Untemeh- men so gut geht, daß sie den Mißerfolg im Lern- und Wand- lungsprozeß zum Programm ma- chen können, bleibt den meisten Unternehmen nur die MÖglich- keit, sich auf das Dilemma einzu- lassen: sich erfolgreich zu wandeln und erfolgreich zu lernen, wohl wissend, daß neue Strukturen und das neue Wissen irgendwann die Hemmschuhe für neue Lern- und Wandlungsprozesse sein werden.

Literatur: Vollmer, H. (1996): Die Institu- tionaiisierung lernender Organisationen.

Vom Neoinstitutionaiismus zur wissens- sozio logischen Aufarbeitung der Organi- sationsforschung. In: Soziale Wek, Jg. 47, 1996,3. 315-343.

Dr. Stefan Kühl ist Unternehmensberater bei dem Berahingsunternehmen Gitta in Berlin.

Blick durch die Wirtschaft, 20. 8.1997

In: FAZ, 20.08.1997, S.3.

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