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Internationale Vorkehrungen zum Schutz der biologischen Vielfalt

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Academic year: 2022

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Forschungsprofessur Umweltpolitik Prof. Dr. Udo E. Simonis

FS II 02-403

Internationale Vorkehrungen zum Schutz der biologischen Vielfalt

von Udo E. S im o n is

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB)

(2)

I

nhalt

1 Biologische Vielfalt - Konzeptionelle Antworten auf ihre Bedrohung...3

2 Entstehungsgeschichte und Anspruch der Biodiversitäts-Konvention...5

3 Zur gegenwärtigen internationalen bio-politischen Situation...7

3.1 Internationaler Arten- und Naturschutz...8

3.2 Nachhaltige und sichere Nutzung genetischer Ressourcen... 8

3.3 Handelsbezogene Rechte geistigen Eigentums...10

3.4 Bezüge zu anderen internationalen Abkommen...10

4 Nächste Schritte der internationalen Biopolitik...12

4.1 Formulierung und Umsetzung einer nationalen Strategie...12

4.2 Neue Naturschutzinitiativen...13

4.3 Nachhaltige Nutzung genetischer Ressourcen...14

4.4 Sicherer Umgang mit Biotechnologie...16

4.5 Gerechter und ausgewogener Vorteilsausgleich...17

4.6 Technologietransfer und Forschungskooperation...17

4.7 Finanzierung der Biodiversitäts-Konvention...18

5 Ausblick: Zunehmendes Konfliktpotenzial...19

Literaturhinweise...20

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1 Biologische Vielfalt - Konzeptionelle Antworten auf ihre Bedrohung

Die biologische Vielfalt ist schon seit langem Gegenstand der naturwissenschaftlichen Forschung, doch erst ab Mitte der 1980er Jahre ist auch eine breite sozialwissenschaftli- che Auseinandersetzung mit dem Themenfeld entstanden; und seither ist eine intensive Diskussion auf der politischen Ebene im Gange.

Das Konzept der biologischen Vielfalt - oder „Biodiversität“ - umfasst alle Tier- und Pflanzenarten sowie Mikroorganismen, die genetische Variabilität innerhalb der Arten sowie die unterschiedlichen Ökosysteme der Erde, in denen diese Arten Zusammenle­

ben. Die Gesamtheit der sich abzeichnenden Strukturen, Kooperations- und Konflikt­

formen wird in der internationalen Literatur als bio policy (im Folgenden: Biopolitik) bezeichnet. Es handelt sich hierbei nicht um ein neues Politikfeld, das sich mühelos neben Agrarpolitik, Finanzpolitik oder Umweltpolitik einreihen ließe, sondern vielmehr um das Bestreben, diejenigen Handlungsfelder miteinander zu verknüpfen, die den Schutz und die Nutzung der Biodiversität unmittelbar betreffen - im Interesse des Er­

halts der Lebensformen der Erde und der sie nutzenden Kulturen.

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (im Folgen­

den: Biodiversitäts-Konvention), das auf der Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro im Jahr 1992 von 154 Staaten unterzeichnet wurde, bringt die Einsicht der Staatengemeinschaft zum Ausdruck, dass ein Paradigmenwechsel in Bezug auf den internationalen Naturschutz dringend erforderlich ist. Etwa sechzig Staaten haben seit Inkrafttreten der Biodiversitäts-Konvention diesbezügliche nationale Gesetze und Re­

gelwerke erlassen. Die Notwendigkeit derartiger Regelungen ergibt sich einerseits und vor allem aus der Bedrohung der natürlichen Ökosysteme, andererseits aber auch aus dem zunehmenden ökonomischen Interesse international tätiger Unternehmen an den bisher wenig oder nicht erforschten Tier- und Pflanzenarten und den aus ihnen zu ge­

winnenden Naturstoffen.

Biologen haben vorausgesagt, dass bei anhaltend hohen Aussterberaten mehr als 20 Prozent aller Arten bis zum Jahre 2020 für immer verloren gehen werden. Die rapide

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lebt, ist in diesem Zusammenhang besonders besorgniserregend. Jüngste Studien der FAO schätzen den jährlichen Verlust an Waldfläche in den Tropen auf über 15 Mio.

Hektar. Für die Korallenriffe sind die Zerstörungsraten ähnlich hoch. In vielen Regio­

nen der Erde sind es aber nicht nur die mit der wirtschaftlichen Entwicklung einherge­

henden Umwandlungstendenzen (wie vor allem: Siedlungswesen, landwirtschaftliche Nutzung, Infrastrukturbauten), die diese bedrohlichen Trends vorantreiben, sondern auch die industriewirtschaftlichen Schadstoffemissionen, von denen ein starker Selekti­

onsdruck auf die natürlichen Ökosysteme ausgeht.

Parallel zu der Bedrohung der natürlichen Lebensräume ist zu beobachten, dass die tra­

ditionell gezüchteten Tierrassen und Pflanzensorten von wenigen gleichförmigen Hoch­

leistungssorten und -rassen verdrängt werden. So sind von den einst 30.000 kultivierten Reissorten heute nur noch zehn für die menschliche Ernährung von maßgeblicher Be­

deutung. In Nordamerika sind etwa 95 Prozent der ehemals bekannten Kohlsorten, 90 Prozent der Maissorten und 80 Prozent der Tomatensorten nicht mehr vorhanden.

Eine große Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten stellt eine Fülle von nutzbaren Rohstof­

fen und Leistungen, von ökologischen Ausgleichsfunktionen und Evolutionspotentialen dar. Biologische Vielfalt hat aber auch einen hohen ästhetischen und wissenschaftlichen Wert und ist eine wichtige Inspirationsquelle der kulturellen Entwicklung.

Das Wissen über diese Funktionen der natürlichen Ökosysteme und über die Möglich­

keiten der nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt ist nach wie vor äußerst dürf­

tig. Selbst die gesamte Artenzahl und deren regionale Verteilung ist nur unvollständig bekannt. Schätzungen halten eine Zahl von weltweit bis zu 14 Mio. Arten für möglich, doch lediglich 1,75 Mio. Arten wurden bisher wissenschaftlich erfasst - und hiervon sind wiederum nur 10 Prozent über ihren makroskopischen Aufbau hinaus dokumentiert (UNEP 1995).

In Anerkennung des Eigenwerts der Biodiversität einerseits und ihres ökonomischen Nutzens andererseits waren in der Vergangenheit zahlreiche völkerrechtliche Instrumen­

te zum Schutz und zur Nutzung der biologischen Vielfalt entwickelt worden, doch hält die Zerstörung natürlicher Lebensräume und das Artensterben weiter an. Das könnte daran liegen, dass die bisherigen Ansätze des internationalen Arten- und Naturschutzes

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nicht weit genug gehen und es obendrein an politischem Willen und an Durchsetzungs­

kraft mangelt. Die UN-Biodiversitäts-Konvention erhebt den Anspruch, diese Lage grundlegend zu ändern.

2 Entstehungsgeschichte und Anspruch der Biodiversitäts-Konvention

Was Definition, Verständnis und Verbreitung des Biodiversitäts-Konzepts angeht, so hat die World Conservation Union (IUCN) historische Verdienste. Im Vorlauf zur UN- Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) war das Thema von den Vereinten Nationen aufgegriffen worden. Nach vier Jahren schwieriger Verhandlungen wurde am 22. Mai 1992 beim Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) der Vertragstext für eine Biodiversitäts-Konvention hinterlegt. Anlässlich der UNCED-Konferenz in Rio de Janeiro im Juni 1992 wurde sie zur Unterzeichnung ausgelegt; am 28. Dezember 1993 trat sie in Kraft. Bis Ende 2001 war ist sie von 175 Staaten ratifiziert worden. Die USA haben die Konvention zwar unterzeichnet, die UN-Bestimmungen aber nicht in nationale Gesetzgebung überführt.

Die Biodiversitäts-Konvention stellt den Arten- und Naturschutz auf völlig neue Grund­

lagen. Als völkerrechtlich bindender Vertrag strebt sie den globalen Schutz der biologi­

schen Vielfalt an und leitet zugleich einen Regelungsprozess für die Nutzung biologi­

scher Ressourcen ein. Ausdrücklich richtet sie sich nicht nur auf die an ihren jeweiligen natürlichen Standorten (in-situ) vorkommenden Arten; eingeschlossen sind auch alle durch Auslese und Züchtung entstandenen Tierrassen und Pflanzensorten, die an ande­

rer Stelle leben oder in Sammlungen und Genbanken eingelagert wurden (ex-situ).

Dieser umfassende Ansatz der Konvention kommt bereits in ihrer Präambel zum Aus­

druck. Dort wird der Eigenwert biologischer Vielfalt hervorgehoben, gleichzeitig aber auch der Nutzen der Biodiversität in ökologischer, sozialer, ökonomischer, kultureller und ästhetischer Hinsicht betont. Der Schutz der biologischen Vielfalt und ihrer Be­

standteile wird zu einem gemeinsamen Anliegen der Menschheit (common concern o f humankind) erklärt.

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Artikel 1 nennt als Ziele der Biodiversitäts-Konvention: „...die Erhaltung der biologi­

schen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile sowie die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung genetischer Ressourcen ergebenden Vor­

teile“. Als handlungsleitende Prinzipien formuliert Artikel 1 den „...angemessenen Zu­

gang zu genetischen Ressourcen, die angemessene Weitergabe der einschlägigen Tech­

nologien sowie eine ... angemessene Finanzierung“.

Diese Ziele bilden einen ,Dreiklang4, der sich auch in ihrer Umsetzung widerspiegeln soll (vgl. Schaubild). Damit ist die Konvention Ausdruck einer generellen Bereitschaft der Staatengemeinschaft, dem Verlust an biologischer Vielfalt zu begegnen und geeig­

nete institutioneile Strukturen zur internationalen Kooperation zu schaffen. Aus der Verknüpfung des Naturschutzanliegens mit wirtschafts- und technologiepolitischen Fragen entstand ein komplexes Regelwerk, das den Rahmen für künftiges Handeln fest­

legt.

Neben den Artikeln, die den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Viel­

falt sowie den Finanz- und Technologietransfer regeln (Art. 1-22), enthält der zweite Teil des Vertrages (Art. 23-42) institutionelle Mechanismen, die sich auf den Koopera­

tionsprozess und die Fortentwicklung des Vertragswerkes beziehen. So findet regelmä­

ßig (jährlich) eine Vertragsstaatenkonferenz statt (Conference o f the Parties, COP), während der die Unterzeichnerstaaten ihre Verhandlungen zu einzelnen Bereichen der Konvention fortsetzen und die Umsetzung der Bestimmungen überprüfen. Vor der je­

weiligen Vertragsstaatenkonferenz erarbeitet ein Nebenorgan für wissenschaftliche und technologische Fragen (SBSTTA) entsprechende Empfehlungen. Durch diesen perma­

nent angelegten Verhandlungsprozess besteht grundsätzlich die Möglichkeit, strittige Punkte zu verfolgen, über die es bei Vertragsschluss noch keine Einigung gab, und neue Fragen aufzugreifen.

Besonders bemerkenswert ist, dass die Vertragsstaaten Umsetzungsprotokolle zu ein­

zelnen Themen vereinbaren können, mit denen die Inhalte der Konvention durch spezi­

fische Bestimmungen konkretisiert werden. Für die laufende Betreuung und Verwaltung der Biodiversitäts-Konvention ist in Montreal, Kanada, ein ständiges Sekretariat mit rund 20 Mitarbeitern eingerichtet worden.

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Schaubild 1:

• Handel mit bedrohten Arten (CITES)

• Wandernde Tierarten (CMS)

• Feuchtgebiete (Aamsar)

• Kultur- und Naturerbe der Welt. (UNESCO)

• Globales System für Schutz und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen, FAO

• Biospharenreservate, UNESCO Programm Mensch und Biosphäre (MAS)

• Sicherer Umgang mit Biotechnologie. UNEP/WHO/UNIDO

• Bioprosoektierung. UNCTAD/UNEP

• Rechte an geistigem Eigentum. WTO/TRiPS

• Pflanzenzüchterrechte (UPOV) und bäuerliche Rechte

• Menschenrechte, ILO

Schutz der biologischen Vielfalt

Nachhaltige Nutzung

Das Übereinkommen der UN über die biologische Vielfalt

Gerechte und ausgewogene Aufteilung der Vorteile

aus der Nutzung

W äld er

Intergovernmental Panel on Forests (IPF)

Klima

Klimarahmenkonvention (ICCC) Montrealer Protokoll

Meere und Süßwasser

Seerechtskonvention (UNCLOS)

Oesertifikation/Böden Wüstenkonvention (UNCCD)

Antarktis Vertrag und Protokoll

Das S c h a u b ild stellt in vereinfachter Form dar, wie die Biodiversitäts-Konventon in die Welt­

wirtschafts- und Weltumweltpolitik eingebunden ist. Die drei zentralen Ziele der Konvention richten sich a u f die Handlungsfelder, die im oberen Bereich des Schaubildes aufgeführt sind.

Neben den globalen Arten- und Naturschutzabkommen, die bereits vor der Biodiversitäts- Konvention entstanden waren und an deren Arbeitsweise sich im Prinzip nichts geändert hat, stehen neue Handlungsfelder, wie z.B. die Harmonisierung von handelsrelevanten Rechten an geistigem Eigentum (sog. TRIPS-Abkommen) oder Umweltaspekte des Welthandels (im Rahmen der Welthandelsorganisation - WTO). Im unteren Bereich ist das Verhältnis der Konvention zu einer Reihe neuerer Umwelt- und Ressourcenabkommen dargestellt. Die jew eiligen inhaltlichen Verknüpfungen sind hierbei unterschiedlich stark ausgeprägt; teilweise sind sie sehr schwach, wie z.B. im Fall der Klimarahmenkonvention. Dagegen besteht z.B. zum Intergovernmental Panel on Forests (IPF) eine unmittelbare Beziehung. Wälder machen den Großteil der terrestri­

schen Biodiversität aus und bilden deswegen eine zentrale Größe fü r die Umsetzung der Kon­

ventionsziele. Es stellt sich also die Frage, inwieweit die Biodiversitäts-Konvention von den verschiedenen Abkommen und Verhandlungsforen der Weltwirtschaft- und Weltumweltpolitik wahrgenommen wird bzw. diese zu beeinflussen vermag.

3 Zur gegenwärtigen internationalen bio-politischen Situation

Internationale Biopolitik beschränkt sich nicht allein - wie das Schaubild deutlich zeigt - auf die Umsetzung der vertraglichen Bestimmungen der Biodiversitäts-Konvention, sie umfasst auch deren Beziehungen zu anderen Handlungsfeldern, von denen die bio­

logische Vielfalt beeinflusst wird: Möglichkeiten der weiteren internen Ausgestaltung bestehen vor allem durch Formulierung völkerrechtlich bindender Protokolle oder spe­

zifische Empfehlungen der Vertragsstaatenkonferenzen. Möglichkeiten der externen Ausgestaltung ergeben sich vor allem durch Vereinbarungen zwischen den relevanten Umweltübereinkommen und mit der Welthandelsorganisation (WTO).

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3.1 Internationaler Arten- und Naturschutz

Entscheidende Gründe für die mangelnde Effektivität der bisherigen internationalen Arten- und Naturschutzabkommen bestehen in deren engem, spezifischem Ansatz und ihrem eingeschränkten politischen Kompetenzanspruch. Beim Schutz bestimmter Arten wurden allzu oft die besonderen Bedingungen in den einzelnen Regionen und das Ver­

hältnis der lokalen Bevölkerung zu ihrer natürlichen Umwelt ausgeblendet. Ein extre­

mes Beispiel ist die Vertreibung lokaler Bevölkerungsgruppen aus förmlich erklärten Schutzgebieten. Schutz- und Nutzungsbelange müssen daher in ein neues Verhältnis zueinander gesetzt und Brücken zwischen den verschiedenen Vertrags werken aufgebaut werden.

Hierzu bestimmt Artikel 22 der Konvention, dass die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der bestehenden Arten- und Naturschutzabkommen die biologische Vielfalt nicht ernsthaft schädigen oder bedrohen darf. Im Konfliktfall sollen die Bestimmungen der Biodiversitäts-Konvention Vorrang haben vor anderen Interessen und Rechten.

Die Vertragsstaaten vereinbarten Ende 1995 einen Dialog mit den drei thematisch eng verwandten Konventionen, dem Washingtoner Abkommen über den Handel mit be­

drohten Tier- und Pflanzenarten (CITES), der Bonner Konvention zum Schutz wan­

dernder Tierarten (CMS) und der Konvention zum weltweiten Schutz der Feuchtgebiete (Ramsar). Entsprechende Absprachen wurden zwischen den Sekretariaten dieser Kon­

ventionen getroffen und auf der 3. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitäts- Konvention erstmals vorgestellt und diskutiert.

3.2 Nachhaltige und sichere Nutzung genetischer Ressourcen

Die nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen ist ein wichtiger Bereich der internationalen Biopolitik, wofür im Rahmen der FAO ein globales System verhandelt wird. Weil die Biodiversitäts-Konvention in ihrem Schutzumfang nicht diejenigen pflanzengenetischen Ressourcen mit einbezieht, die vor (!) ihrem Inkrafttreten in Gen­

banken eingelagert wurden (ex-situ Sammlungen), müssen nun Fragen des Zugangs zu pflanzengenetischen Ressourcen (in-situ und ex-situ) sowie der gerechten Aufteilung der durch die Nutzung erzielten Vorteile geklärt werden. Hierbei geht es unter anderem

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um die Rechte der Bauern als Entwickler und Bewahrer der Nutzpflanzenvielfalt. Diese Bauern-Rechte (farmers ’ rights) werden als notwendige politische Entsprechung zu den Rechten der Pflanzenzüchter gesehen, die bereits 1978 mit der UPOV-Konvention (U- nion for the Protection o fNew Varieties o f Plants) abgesichert worden waren.

Eine ähnliche Diskussion wird zu Artikel 8j geführt, demzufolge Vertragsparteien die

„...Kenntnisse, Innovationen und Gebräuche indigener und ortsansässiger Gemeinschaf­

ten ... achten, bewahren und erhalten...“ sollen. Die Anwendung dieser Kenntnisse und Gebräuche, wie sie im Rahmen der systematischen Suche nach neuen Wirkstoffen durch Unternehmen und Forschungsinstitute (sog. Bioprospektierung) laufend stattfindet, soll die betreffenden Wissensträger gleichberechtigt mit einbeziehen und ihren Beitrag ent­

sprechend honorieren.

Von Seiten der pharmazeutischen Industrie wird hierzu argumentiert, dass man bei der Entwicklung von Medikamenten und anderen Produkten kaum noch auf Naturstoffe angewiesen sei und neue biotechnologische Verfahren weder aufwendige Sammeltätig­

keiten noch eine große Menge pflanzengenetischen Materials erforderten. Dies ist aber höchst zweifelhaft angesichts zahlreich vereinbarter Kooperationsverträge und des not­

wendigen sicheren Umgangs mit Biotechnologie.

Auf der 2. Vertragsstaatenkonferenz war eine internationale Arbeitsgruppe mit der Aus­

handlung eines Protokolls zur biologischen Sicherheit (Biosafety-Protokoll) beauftragt worden, das Regeln über den sicheren Umgang mit und den Transfer von gentechnisch modifizierten Organismen festlegen sollte. Schon beim ersten Treffen dieser Arbeits­

gruppe wurde deutlich, dass die OECD-Staaten möglichst wenige Regelungen wünsch­

ten und so gut wie keine zusätzlichen finanziellen Mittel zur Kompetenzförderung in den Entwicklungsländern zur Verfügung stellen wollten. Auch hatte sich die ursprüng­

lich einheitliche Haltung der in der „Gruppe 77“ organisierten Entwicklungsländer ge­

gen zu ,weiche‘ Bestimmungen verändert, da sich einige von ihnen davor scheuten, biotechnologische Unternehmen aus dem Norden mit hohen Sicherheitsstandards zu konfrontieren. Das Anfang 2000 in Cartagena vereinbarte „Biosafety-Protokoll“ ist ein Kompromiss zwischen diesen gegensätzlichen Auffassungen.

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3.3 Handelsbezogene Rechte geistigen Eigentums

Die handelspolitische Dimension der Biodiversitäts-Konvention macht es erforderlich, auch in einen Dialog mit der Welthandelsorganisation (WTO) einzutreten. Dies betrifft vor allem das Abkommen über handelsbezogene Rechte des geistigen Eigentums {Tra­

de Related Intellectual Property Rights, TRIPS). Grundsätzlich muss, so sagt es der GATT-Vertrag, jedes Mitgliedsland der WTO Patentgesetze erlassen, die den Schutz von Erfindungen garantieren. Zwar können Pflanzen und Tiere, mit Ausnahme von Mikroorganismen, von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werden, doch muss der Schutz von Pflanzensorten prinzipiell gewährleistet sein. Diese Vereinbarung kann er­

hebliche Auswirkungen auf die Stellung der biologischen Ressourcen im Rechtssystem haben, weshalb die künftige Ausgestaltung dieses Abkommens für die internationale Biopolitik von großer Bedeutung ist.

Zum einen betrifft dies die Anerkennung von Kenntnissen und Innovationen, die die lokalen Bevölkerungsgruppen bezüglich der genetischen Ressourcen entwickelt haben.

Der kollektive Charakter des Eigentums an der Entstehung solcher Kenntnisse und In­

novationen erfüllt nicht die üblichen Voraussetzungen für industriellen Patentschutz und erfordert daher die Schaffung neuer Schutzbestimmungen bezüglich geistiger Eigen­

tumsrechte. Andererseits kollidieren die Erwartungen an Kompetenzförderung und Technologietransfer in Entwicklungsländern mit den Interessen von Unternehmen aus Industrieländern, vor der Preisgabe von Informationen und Patenten geschützt zu sein.

3.4 Bezüge zu anderen internationalen Abkommen

Eine besondere Aufgabe der internationalen Biopolitik besteht in dem Schutz bzw. der nachhaltigen Nutzung der Wälder. Die politischen Verhandlungen zu diesem Teilbe­

reich der biologischen Vielfalt finden im Rahmen des Zwischenstaatlichen Waldaus­

schusses (IPF) statt. Da in den Wäldern - besonders in den noch verbliebenen Natur­

wäldern - der Großteil aller landlebenden Tier- und Pflanzenarten heimisch ist, dürfte deren ökologisch verträgliche Nutzung eine wichtige Voraussetzung für den Schutz der biologischen Vielfalt insgesamt sein.

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Die bisherigen Ansätze zur Ausarbeitung eines internationalen Waldschutzabkommens weisen gravierende Mängel auf. Entweder werden die Ursachen der Waldzerstörung nicht ausreichend aufgezeigt oder die Bedeutung von Nichtholzprodukten als Einkom­

mensquelle der lokalen Bevölkerung wird unterschätzt. Eine neue Initiative zur Etablie­

rung einer effektiven internationalen Waldpolitik, sei es in Form einer eigenständigen Konvention über Wälder oder aber eines Waldprotokolls im Rahmen der Biodiversitäts- Konvention, müsste den Anforderungen an eine ökologisch und sozial verträgliche Waldnutzung gerecht werden und zugleich die Rechte lokaler Bevölkerungsgruppen beim Erhalt der Ökosysteme stützen.

Viele Schwächen der internationalen Biopolitik lassen sich aus der geringen Finanzaus­

stattung der Konvention erklären. Die Global Environment Facility (GEF), die im No­

vember 1996 als vorläufiger Finanzierungsmechanismus der Biodiversitäts-Konvention bestätigt wurde, ist auch zuständig für die Umsetzung von Projekten zum Schutz des Klimas, der Ozonschicht und vor Desertifikation - und mit durchschnittlich 450 Mio.

Dollar pro Jahr nur unzureichend ausgestattet. Bezeichnend ist auch, dass nur etwa ein Prozent der staatlichen Entwicklungshilfe weltweit in Biodiversitätsprojekte fließt. An­

gesichts eines von der UNEP geschätzten Finanzbedarfs von jährlich 20 Milliarden Dol­

lar zeugen diese Zusagen von einer fehlenden Bereitschaft der Geberländer, die Biodi­

versitäts-Konvention auf eine solide finanzielle Basis zu stellen und so den Schutz der Biodiversität zu gewährleisten.

Zwischenfazit

Im Dezember 2001 war die Biodiversitäts-Konvention seit acht Jahren in Kraft. Für diesen Zeitraum lässt sich feststellen, dass das Thema Biodiversität generell an Beach­

tung gewonnen und die Besorgnis darüber zugenommen hat. Die Konvention hat also zur Etablierung dieses neuen Politikfeldes einen Beitrag geleistet und die Zusammenar­

beit der Vertragsstaaten wenn nicht zu allen, so doch zumindest zu einzelnen Problem­

bereichen gestärkt. Andererseits hat die Umsetzung der Biodiversitäts-Konvention nicht die erste Priorität erreicht. Darüber hinaus ist eine bessere Zuarbeit seitens der anderen internationalen Konventionen erforderlich, wenn man der allgemeinen Ohnmacht ent­

gehen will.

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4 Nächste Schritte der internationalen Biopolitik

Die erfolgreiche Umsetzung der Biodiversitäts-Konvention steht und fällt mit der Ko­

operation auf globaler, regionaler und nationaler Ebene - und sie verlangt vor allem die Initiative derer, die gar nicht an der Aushandlung des Vertragswerkes beteiligt waren.

Diese Gruppen - bäuerliche Gemeinschaften, Kommunen, Individuen, kurz alle Akteure der Zivilgesellschaft, die bei der Bewahrung der biologischen Vielfalt wichtig sind - nehmen die neuen Regelungen und die daraus erwachsenden Verpflichtungen und Rechte aber erst allmählich zur Kenntnis.

Die Aufgaben der Vertragsstaaten sind im Grunde klar umrissen: Die Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt dürfen nicht isoliert und enggefasst sein, sie müssen vielmehr mit der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft, der Fischerei sowie mit den land­

schaftsintensiven Sektoren wie Bergbau, Verkehr und Siedlungswesen abgestimmt wer­

den. Soziale und ökonomische Aspekte sind also Bestandteil der angestrebten ökologi­

schen Umorientierung, so u.a. Technikfolgenabschätzung (sicherer Umgang mit Bio­

technologie), Handelsfragen (Patentschutz, Sortenschutz), Produktionsverfahren (Aner­

kennung traditionellen Wissens), Gewinnbeteiligung (gerechter und ausgewogener Vor­

teilsausgleich). Um internationale Konflikte zu vermeiden oder zumindest zu begren­

zen, ist es daher dringend notwendig, weitere Schritte in Richtung einer konsequenten Biopolitik einzuleiten. Sie umfassen - wie im Folgenden gezeigt wird - sowohl nationa­

le als auch internationale Aktivitäten und Institutionen.

4.1 Formulierung und Umsetzung einer nationalen Strategie

Da die Nationalstaaten die zentralen Akteure im internationalen Verhandlungsprozess sind und vorerst bleiben, müssen zunächst nationale Strategien zum Erhalt der Biodi­

versität erarbeitet werden. Im Lichte der Biodiversitäts-Konvention sind neue Leitbilder für den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt zu formulieren und daraus ein verbindlicher Maßnahmenkatalog abzuleiten. Aufgrund der komplexen Problematik ist damit das föderale System der Bundesrepublik in besonderer Weise herausgefordert. Weil der Bund in entscheidenden Bereichen der Biopolitik (wie Natur­

schutz, Wasserwirtschaft, Land- und Forstwirtschaft, Raumplanung) lediglich Rahmen­

kompetenzen besitzt, ist ein verstärktes Engagement der Bundesländer für den Erhalt

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der biologischen Vielfalt gefragt. Diese wiederum sind auf eine Rückkopplung seitens der Bundesregierung über die international eingegangenen Verpflichtungen angewiesen.

Für ein Zusammenspiel der verschiedenen staatlichen Ebenen fehlen jedoch die geeig­

neten Koordinationsmechanismen. Hinzu kommt die mangelhafte Abstimmung mit der Europäischen Union, die vor allem im Außenhandel und im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) gefordert ist, Biodiversität zum konstitutiven Element der Politik zu machen. Nicht zuletzt sind es aber auch die organisierten Interessenvertretungen der Zivilgesellschaft (Verbände und andere Nichtregierungsorganisationen), die eine aktive Teilnahme an Entscheidungsprozessen der Biopolitik einfordern und angemessene Bei­

träge dazu leisten müssen.

Es sollte deshalb ein Prozess zur Formulierung und Umsetzung einer nationalen Strate­

gie der Biopolitik unter Einbezug aller relevanten Akteure eingeleitet werden. Um den eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen, müssten die Wirtschafts-, Landwirt­

schafts-, Forschungs-, Finanz-, Verkehrs- und Umweltministerien einen politischen Diskurs beginnen. Parallel dazu sollte sich das Parlament mit den offenen Fragen im legislativen Bereich befassen und den Querschnittcharakter der Biodiversitäts- Konvention würdigen, indem die relevanten Ausschüsse des Parlaments sich systema­

tisch mit der Konvention befassen. Die Bundesländer wären dabei in die Formulierung von Leitbildern und Lösungsansätzen einzubinden. Darüber hinaus besteht Bedarf nach der Harmonisierung von Schutz- und Nutzungskonzepten und der Abstimmung von Verwaltungskompetenzen von der EU-, über die Bundes-, die Länder- bis hin zur kom­

munalen Ebene.

4.2 Neue Naturschutzinitiativen

Defizite auf nationaler Ebene bestehen auch im Naturschutz, dem inhaltlichen Kern­

stück des deutschen Berichts über biologische Vielfalt. Die eigenen Naturschutzvorha­

ben und die „Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie“ der EU werden häufig als hinreichende Maßnahmen zur Umsetzung der Konvention in Deutschland angesehen. Doch das ist strittig. Selbst die Naturschutzgebiete, die nur vier Prozent der Staatsfläche umfassen, sind nicht voll geschützt. Bezeichnend für die defizitäre Haltung gegenüber dem Natur­

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schütz in Deutschland ist die jahrelange Verzögerung der Novellierung des Bundesna­

turschutzgesetzes (hierzu im Detail Volkery, 2001).

Eine konsequente Verfolgung der Naturschutzziele erfordert erheblich mehr Initiativen.

Mit der Reform der Raumordnung und Landesplanung könnten isolierte Naturräume mit Schutzgebieten im Sinne eines Bioverbundes vernetzt werden. Die Einrichtung und Ausweitung von Biosphärenreservaten könnte gefördert werden.

Als mögliche Quelle für die Finanzierung von Naturschutzvorhaben auf der internatio­

nalen Ebene wird häufig der Tourismus genannt. Die expandierende Tourismusbranche mit dem Angebot an „sanften Urlaubsformen“ bis hin zu spektakulären Aktivfreizeiten und Naturerlebnis-Anreizen, vom „Whalewatching“ bis zu Wildtiersafaris, ist in der Tat Beispiel für die direkte monetäre Inwertsetzung der biologischen Vielfalt. Bislang sind die Erfahrungen mit touristischen Unternehmungen als möglicher Einkommensquelle für die lokale Bevölkerung in Entwicklungsländern, allerdings eher sporadisch und häu­

fig genug auch zwiespältig.

Angesichts der Gefährdung vieler natürlicher Ökosysteme müsste eine deutliche Neu­

orientierung im Naturschutz stattfinden, so wie es das Biosphärenreservat-Konzept vor­

sieht. Anstatt sich auf den sehr geringen Anteil ausgewiesener Schutzgebiete zu be­

schränken, sollte der Anspruch des Naturschutzes auf nationaler Ebene grundsätzlich für die Gesamtfläche erhoben werden. Die Übergänge zwischen Agrarräumen und na­

turnahen Landschaften müssen jedenfalls ,weicher' gestaltet werden. Auch die Renatu- rierung von Flächen, die nicht mehr genutzt werden, sollte weiter vorangetrieben wer­

den.

4.3 Nachhaltige Nutzung genetischer Ressourcen

Die flächenmäßig dominierenden Nutzungsbereiche der Land- und Forstwirtschaft wer­

den neben dem Siedlungswesen und dem Verkehrswegebau auf besondere Weise von der Biodiversitäts-Konvention angesprochen. Es besteht weitgehend Konsens über die nachteiligen Auswirkungen einer industrialisierten, monostrukturierten Agrar- und Forstwirtschaft auf die biologischenVielfalt, doch spielen ökologischer Landbau und naturnahe Waldbauverfahren in den meisten Ländern bisher nur eine geringe Rolle.

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Hinzu kommt, dass durch die Gemeinsame Agrarpolitik der EU immer noch die fal­

schen wirtschafts- und steuerpolitischen Signale gesetzt sind; das gilt auch für Forst­

wirtschaft und Fischerei. Die Kosten der Bodendegradation, der abnehmenden Wasser­

qualität und des Artenschwundes fallen in erster Linie der Allgemeinheit zur Last und nicht den Verursachern. Die weltwirtschaftlichen Verflechtungen des Agrar- und Forst­

sektors führen - insbesondere beim Futtermittelimport und bei der Holzeinfuhr - zu einer starken Abhängigkeit von Produkten, die auf umweltschädigende Weise herge- stellt werden. Geeignete Maßnahmen hiergegen bestehen einerseits in der besseren Kennzeichnung von Produkten, andererseits aber auch in Exportverboten, z.B. für die in der EU selbst nicht mehr zugelassenen Pflanzenbehandlungsmittel.

Auch dem Spannungsfeld zwischen nachhaltigen Nutzungsformen und Außenhandel muss größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. So kann z.B. der weitere Abbau von Zöllen und von nicht-tarifären Handelshemmnissen die Aufrechterhaltung natumaher, umweltschonender Produktionsweisen gefährden. Die von der EU-Kommission befür­

wortete Angleichung handelsbezogener Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS) an In­

dustrieländer-Standards ist wiederum geeignet, durch die Patentierbarkeit von Lebewe­

sen zu einer Benachteiligung der Entwicklungsländer zu führen (z.B. durch steigende Ausgaben für Patentgebühren), wenn nicht Ausnahmeregelungen geschaffen bzw. alter­

native Konzepte zum Schutz geistigen Eigentums eingeführt werden.

Umweltverträgliche Anbau- und Bewirtschaftungsformen sind in der Agrar- und Forst­

wirtschaft auf europäischer und nationaler Ebene generell stärker voranzubringen. Dazu müssen die Programme des in-situ Schutzes pflanzengenetischer Ressourcen erweitert, die Saatgutgesetzgebung reformiert und das Verursacherprinzip auch auf die Landwirt­

schaft konsequent angewendet werden. Der Anbau und Vertrieb traditioneller umwelt­

verträglicher Sorten darf nicht mehr durch den Sortenschutz und das Saatgutverkehrsge­

setz behindert werden. Die Bundesregierung müsste daher (in enger Abstimmung mit den Bundesländern) eine systematische Umstellung der monokulturellen und monozyk­

lischen Wirtschaftspraktiken vorantreiben. Die EU sollte ihr Verhalten als wichtiger Importeur von Agrar- und Forstprodukten aus Entwicklungsländern auf eine klare Prä­

ferenz umweltverträglicher Anbau- und Bewirtschaftungsmethoden ausrichten. Geeig­

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nete Foren hierfür stellen u.a. das Lome-Abkommen und der Gemeinsame Fonds für Rohstoffe dar.

Im Rahmen der GATT/WTO-Verhandlungen sollte die Bundesregierung auch die mög­

lichen negativen Auswirkungen auf nachhaltige Nutzungsformen berücksichtigen. Ins­

besondere der Aufbau alternativer Schutzsysteme des geistigen Eigentums gemäß Arti­

kel 27, Abs. 3(b) des TRIPS-Abkommens sollte in Erwägung gezogen werden, vor al­

lem in bezug auf Züchtungsleistungen und andere Kenntnisse lokaler Bevölkerungs­

gruppen in Entwicklungsländern. Die Praxis der deutschen Entwicklungszusammenar­

beit, zur Erleichterung des Technologietransfers im Einzelfall Patentgebühren zu zah­

len, damit geschützte Technologien in Entwicklungsländern verfügbar werden, bewirkt lediglich eine indirekte Subventionierung der patenthaltenden Unternehmen und sollte daher zugunsten echter Problemlösungen aufgegeben werden.

4.4 Sicherer Umgang mit Biotechnologie

Die oft geäußerte Hoffnung, durch den Einsatz neuer Biotechnologien den wachsenden Nahrungsmittelbedarf im Süden befriedigen zu können, ist trügerisch, insbesondere weil zum Einsatz genetisch manipulierter Organismen in der Landwirtschaft kaum Erfah­

rungswerte über deren ökologische Effekte vorliegen. Ebenso wären die sozio- ökonomischen Auswirkungen eines massiven technologischen Einsatzes auf die Agrar­

strukturen in Entwicklungsländern systematisch zu prüfen. Die Bundesregierung hat bei der Aushandlung des „Biosafety-Protokolls“ {Cartagena Protokoll) eine eher ablehnen­

de Haltung eingenommen und stattdessen freiwilligen Selbstverpflichtungen von Unter­

nehmen den Vorzug gegeben. Seit der 2. Vertragsstaatenkonferenz, durch den gemein­

samen Beschluss der europäischen Umweltminister gebunden, unterstützt die Bundes­

regierung die Kontrolle der gefährlichen, grenzüberschreitenden GMOs {genetically modified organisms) und tritt für die Einrichtung eines Informationssystems beim Ex­

port ein. Die Ausfuhr von genetisch modifizierten Organismen aus der EU in Länder mit niedrigen oder fehlenden Sicherheitsstandards - z.B. für Freisetzungsversuche - darf nicht gestattet sein, solange bindende Bestimmungen fehlen. Auch darf die Aus­

weitung des Haftungsrechts beim internationalen Transfer genetisch modifizierter Or­

ganismen nicht weiter ein Tabuthema bleiben. Risikoforschung und Technikfolgenab-

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Schätzung zur Biotechnologie sind in den Forschungsprogrammen der Bundesrepublik und der EU weiter zu fordern und sollten in die Entwicklungszusammenarbeit stärker Einzug finden.

4.5 Gerechter und ausgewogener Vorteilsausgleich

Die Bundesregierung hat sich in ihrem nationalen Bericht zur biologischen Vielfalt nur in sehr knapper Form dem Thema Vorteilsausgleich gewidmet, obgleich es ein Kem- element der Biodiversitäts-Konvention darstellt. Prospektierungen fortan so zu regeln, dass auch die Herkunftsländer einen gerechten Anteil an Forschung, Entwicklung und ökonomischen Erträgen haben, stellt eine der größten Herausforderungen der Biodiver­

sitäts-Konvention dar. Wichtig ist hierbei, dass die lokalen Bevölkerungsgruppen, die großes Wissen über biologische Vielfalt haben und in die Suche nach neuen Wirkstof­

fen einbringen könnten, in der Absicherung ihrer Rechte gestützt und in ihrer Arbeit zum Erhalt der Biodiversität honoriert werden.

Die Bundesregierung sollte die Privatwirtschaft stärker in die Diskussion um die Zu­

gangsfragen, die in der Biodiversitäts-Konvention geregelt sind, einbeziehen. Die Um­

setzung der Zugangsbestimmungen nach Art. 15 der Konvention gilt für Herkunfts- wie für Nutzerländer gleichermaßen. Damit künftige Regelungen den Konventionszielen nicht widersprechen, ist es für die Bundesrepublik Deutschland als Netto-Nachfrager genetischer Ressourcen erforderlich, nicht-nachhaltige Entnahmeverfahren abzulehnen und Nutzungsprüfungen (sog. Biodiversitätsverträglichkeit) mit den Herkunftsländern zu vereinbaren. Weiterhin bedarf es neuer gesetzlicher Regelungen hinsichtlich der Zu­

gangsbedingungen zu den biologischen Ressourcen in der Bundesrepublik, etwa bei deutschen Genbanken und Naturstoffsammlungen.

4.6 Technologietransfer und Forschungskooperation

Angesichts der bescheidenen Kapazitäten und Mittel der für das Thema biologische Vielfalt verfügbaren Mittel, ist der Vermittlungsmechanismus zur Förderung und Er­

leichterung der technischen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit {clearinghouse mechanism) von Bedeutung. Dieser Mechanismus und seine nationalen Ansprechstel­

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tige Impulse geben. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass Deutschland in der Biodiversitätsforschung - vor allem in Bezug auf die sozioökonomischen Aspekte - selbst noch Nachholbedarf hat.

Die Bundesregierung sollte die international wachsende Bedeutung der Biodiversitäts­

forschung daher zum Anlass nehmen, diese in Form von Schwerpunktprogrammen, Sonderforschungsbereichen, Graduiertenkollegs u.ä. stärker zu fördern. Die Ausgestal­

tung der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit sollte dabei jedoch nicht einsei­

tig auf die Anwendung neuester Kommunikationsmittel wie das Internet ausgerichtet werden, weil der Wissensaustausch auch für die 90 Prozent der Weltbevölkerung mög­

lich sein muss, die weder einen leistungsfähigen Computer besitzen noch über stabile Telefonleitungen verfügen. Fragen der Weitergabe von Daten aus der Privatwirtschaft, die Problematik von Patenten und Copyrightbestimmungen sollten in einer ergebnis- offenen Diskussion aufgegriffen werden.

4.7 Finanzierung der Biodiversitäts-Konvention

Im Ratifizierungsgesetz des Deutschen Bundestages zur Biodiversitäts-Konvention steht, dass keine zusätzlichen Kosten bei der Umsetzung entstünden. Diese Schlussfol­

gerung ist angesichts des bestehenden Handlungsbedarfs mehr als befremdlich. Die an­

visierte kurzfristige Kostenneutralität darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass jeder irreversible Verlust biologischer Vielfalt mittel- bis langfristig erhebliche zusätzliche Kosten in verschiedenen Sektoren, Politikfeldem und Lebensbereichen entstehen lässt, insbesondere zur Bodensanierung, Renaturierung und Trinkwasseraufbereitung. In der internationalen Biopolitik muss die Bundesregierung ihre allgemein beanspruchte „Vor­

reiterrolle“ erst noch beweisen und vor allem einen substantiellen Beitrag zu neuen Fi­

nanzierungsquellen leisten. Positiv hervorzuheben ist hier die Mitarbeit in der Globalen Umweltfazilität (GEF), die ihre Einflussmöglichkeiten auf Biodiversitäts-Projekte aller­

dings bei weitem nicht ausschöpft. Die Finanzierung des Umsetzungsprozesses der Bio­

diversitäts-Konvention muss also zunächst bei der Mittelvergabe der öffentlichen Haus­

halte in Bund und Ländern stärker berücksichtigt werden. Als einflussreiches Mitglied verschiedener internationaler Finanzinstitutionen (wie Weltbank, Regionale Entwick­

lungsbanken, Internationaler Währungsfonds) ist die Bundesrepublik darüber hinaus

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aufgefordert, sich fur die Bereitstellung zusätzlicher Mittel zum Erhalt der biologischen Vielfalt einzusetzen. Gleichzeitig sollte sie sich der Finanzierung von Großprojekten (wie z.B. Staudämmen), von denen erhebliche negative Einflüsse auf die natürlichen Ökosysteme zu erwarten sind, widersetzen.

5 Ausblick: Zunehmendes Konfliktpotenzial

Diese obige Skizze des Konfliktpotenzials um die internationale Biopolitik hat gezeigt, dass sich Spannungen zwischen Herkunftsländern und Nutzerländem genetischer Res­

sourcen aufbauen und die bereits bestehenden Konfliktlagen verschärfen. Angesichts dieser Spannungen werden sich Bundestag und Bundesregierung sowie Länderparla­

mente und Landesregierungen über kurz oder lang intensiver als bisher mit dem The­

menfeld Biodiversität auseinandersetzen müssen. Die biopolitische Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland hängt dabei entscheidend davon ab, ob sie konkrete Um­

setzungsschritte präsentieren kann.

Hinzu kommt die Übernahme einer eindeutigen und verantwortungsvollen Position im Hinblick auf die Auswirkungen des eigenen Verhaltens auf die globale biologische Vielfalt. In hohem Maße abhängig von der Einfuhr von Agrarerzeugnissen, Naturstof­

fen, Hölzern und anderen Rohstoffen, muss es im ureigenen Interesse Deutschlands liegen, eine nachhaltige Bewirtschaftung dieser Ressourcen auf nationaler und internati­

onaler Ebene zu gewährleisten. Zum weltweiten Schutz der biologischen Vielfalt kann die Bundesrepublik durch naturverträgliche Verhaltensweisen und Weitergabe umwelt­

verträglicher Technologien, durch Bildung und Ausbildungsforderung und nicht zuletzt durch finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer einen wichtigen Beitrag beitra­

gen.

Der interdisziplinäre und internationale Charakter der Biopolitik erfordert grundsätzlich eine neue Art des Umgangs der Menschen mit ihrer belebten Umwelt. Albert Schweit­

zer hat hierzu einen paradigmatischen Satz geprägt: „Ich bin Leben, das leben will, in­

mitten von Leben, das leben will“. Ein ungezügelter Raubbau an den natürlichen Le­

bensgrundlagen wird die Verteilungskonflikte um die biologische Vielfalt und um deren

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auch Fragen des Überlebens aller Lebensformen umfasst, dann wird deutlich, dass Bio­

politik in der Zukunft auch zum Frieden mit der Natur beitragen kann und muss.

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Referenzen

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