• Keine Ergebnisse gefunden

Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V."

Copied!
56
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

11/2020

Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V.

NDV ISSN 21416

Deutscher Verein und NDV:

ein Streifzug durch die gemeinsame Geschichte Einheitlichkeit, Gleichwer­

tigkeit und Zusammenhalt Empfehlungen des

Deutschen Vereins zur Gewährung des Mehr­

bedarfs bei kostenauf­

wändiger Ernährung

(2)

Herausgeber Michael Löher,

Vorstand des Deutschen Vereins Schriftleitung

Ralf Mulot

Tel. (030) 6 29 80-3 13

E-Mail: mulot@deutscher-verein.de Sachbearbeitung und Anzeigen Tatjana Hally M. A.

Tel. (030) 6 29 80-3 16

E-Mail: hally@deutscher-verein.de Mediengestaltung

Barbara Schmeißner Tel. (030) 6 29 80-3 15

E-Mail: schmeissner@deutscher-verein.de Abonnementverwaltung

Marie Ertmer Tel. (030) 6 29 80-5 02

E-Mail: ertmer@deutscher-verein.de Druck

Druckerei Joh. Walch GmbH & Co. KG Im Gries 6, 86179 Augsburg Verlag des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V.

Michaelkirchstraße 17/18 10179 Berlin

Fax (030) 6 29 80-3 51

Internet: www.deutscher-verein.de Deutsche Bank

IBAN: DE23 1007 0000 0723 3943 00 BIC (SWIFT): DEUTDEBBXXX ISSN 0012–1185

Der Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffent liche und private Fürsorge e. V.

erscheint in monatlicher Folge. Die Lieferung eines Exem pla res der Zeitschrift an unse- re Mitglie der ist durch den Jahresbeitrag abge golten. Weitere Hefte für den eigenen Gebrauch im Dauerbezug jährlich 36 Euro (inklusive Mehrwertsteuer, zuzüglich Versand kosten).

Der Einzelheftpreis für Mitglieder und Nicht - mitglie der des Deutschen Vereins beträgt 3,30 Euro zuzüglich Porto. Anmeldungen zur Mitgliedschaft nimmt die Geschäfts stelle des Deutschen Vereins entgegen. Reklamatio- nen wegen unregelmäßiger Lieferung bitten wir bei der Geschäftsstelle vorzubringen. – Alle Rechte, auch das der Übersetzung, sind vor behalten.

In unserem Mitgliederportal können Sie bereits am 1. eines Monats den NDV digital lesen und herunterladen.

Schauen Sie rein:

www.deutscher-verein.de/de/

mitgliederportal

MITGLIEDER

WISSEN MEHR

Mitgliederportal des Deutschen Vereins

!

Literatur

für die Soziale Arbeit

BUCHSHOP

des Deutschen Vereins Bleiben Sie informiert!

Mit unserem Informationsservice zu Neu erscheinun gen unseres Verlages verpassen Sie keine Entwick lungen im Sozialrecht, der Sozialpolitik und der Sozialen Arbeit.

Jetzt anmelden:

www.deutscher-verein.de/de/

buchshop- neuerscheinungen

(3)

AKTUELLES

Informationen aus der Mitgliedschaft 507

Veranstaltungen des Deutschen Vereins 509

140 JAHRE DEUTSCHER VEREIN – 100 JAHRE NDV

Michael Löher und Ralf Mulot:Deutscher Verein und NDV: ein Streifzug durch die

gemeinsame Geschichte 510

Sabine Schmitt:„Tatsachenmaterial, das für die Praxis von Wichtigkeit ist“ 515 Manfred Kappeler:Zustimmung und Übereinstimmung: der „Nachrichtendienst

des Deutschen Vereins“ im Jahr 1933 521

Bernd Halfar:100 Jahre Nachrichtendienst: Persönliche Lesegeschichte(n) 528

IM FOKUS

Holger Backhaus-Maul: Einheitlichkeit, Gleichwertigkeit und Zusammenhalt 530 Georg Cremer: Marktordnungsfragen klären – eine bisher vernachlässigte Aufgabe

des Deutschen Vereins 534

AUS DEM DEUTSCHEN VEREIN

Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung des Mehrbedarfs bei

kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII 540

Arbeitsgruppe der Örtlichen Betreuungsbehörden beim Deutschen Verein (DV AGöB) 549

Fachausschuss Jugend und Familie 550

Persönliche Nachrichten 551

LESENSWERT

Rezensionen 552

Stellenmarkt 554

(4)

Wussten Sie schon?

Interview mit Johannes Fuchs

… dass der NDV im Jahre 1922 für Nichtmitglieder 10 Mark pro Ausgabe kostete?

... dass das frühere Kürzel „N. D.“ wegen der Verwechslungsgefahr mit dem

„Neuen Deutschland“ aufgegeben wurde?

... der Deutsche Verein

viermal zwischen Berlin und Frankfurt a. M. hin- und her- gezogen ist?

... der Deutsche Verein bisher nur zwei Frauen als Vorsitzende hatte – und 15 Männer?

1 3 2 4

Herr Fuchs, Sie scheiden im November 2020 nach sechs Jahren als Präsident des Deutschen Vereins aus diesem Amt aus. Was hat Sie in dieser Zeit am meis­

ten bewegt?

Die enge Vernetzung zu allen relevanten Akteuren des Sozialwesens wie auch das hohe fachliche Niveau des gesam- ten DV-Teams. Der vorwärts gerichtete Dialog über alle aktuellen Themen der sozialen Arbeit und Sicherung.

Sie haben den Deutschen Verein, seine Gremien und die Geschäftsstelle in Ihrer Amtszeit gut kennengelernt. Was werden Sie am meisten vermissen?

Das vertrauensbasierte Zusammenspiel mit Persönlichkeiten der Freien Wohl-

fahrt, der Länder und Kommunen und zahlreichen Verantwortungsträgern im Sozialbereich. Die stets sachorientierte Unterstützung durch die Führung und Mitarbeiter des Deutschen Vereins.

Der Deutsche Verein wird in diesem Jahr 140 Jahre alt. Welche guten Wün­

sche möchten Sie ihm mit auf den Weg geben?

Der Deutsche Verein möge auch in Zu- kunft als Seismograph agieren, damit die traditionellen Werte sozialer Für- sorge in einem modernen Sozialstaat mit zeitgemäßen und notwendigen In- halten und Instrumenten gewahrt und weiterentwickelt werden.

Johannes Fuchs, Landrat a. D., Präsident des Deutschen Vereins

(5)

Informationen aus der Mitgliedschaft

Brot für die Welt und Diakonie Deutschland:

Der Frauenfeindlichkeit entgegentreten

25 Jahre nach der Pekinger Weltfrauen- konferenz hat noch keiner der 189 be- teiligten Staaten die dort verab schie- deten Verpflichtungen erfüllt. Weltweit stellen heute rechtsradikale und frauen- feindliche Strömungen Frauenrechte in Frage.

Daher ist es umso wichtiger, die Staaten an ihre Verpflichtungen von Peking und die Kirchen und die Gesellschaft an ihre Verantwortung zur Verteidigung der Rechte und der körperlichen und seeli- schen Unversehrtheit von Frauen zu erinnern. Brot für die Welt und die Diakonie Deutschland setzen sich in Deutschland und den Ländern des glo- balen Südens für eine nachhaltige Ver- besserung der Situation von Frauen und Mädchen ein und fordern weltweit die rechtliche Verankerung und konsequen- te Durchsetzung von Frauenrechten.

„Die Gleichberechtigung der Geschlech- ter ist ein Kernelement unserer Demo- kratie. Der Antifeminismus geht mit dem Rechtspopulismus Hand in Hand und ist ein Vehikel, um rechtes Ge- dankengut auch dort zu verbreiten, wo ohnehin Vorbehalte gegen genderpoli- tische Argumente bestehen. Frauen werden deutlich häufiger Opfer von häuslicher Gewalt“, sagt Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. Auch in Deutschland gibt es erheblichen Nachholbedarf bei der Geschlechtergerechtigkeit. „Noch immer verdienen Frauen deutlich weniger als Männer. Die schlechter bezahlten Care- Berufe sind nach wie vor überwiegend

weiblich. In Parlamenten und wirtschaft- lichen Führungspositionen sind Frauen unterrepräsentiert“, so Loheide weiter.

Auch wenn die Staaten die Forderungen der Aktionsplattform von Peking nicht konsequent umgesetzt haben, bleibt sie ein wichtiger Meilenstein der Ge- schlech terpolitik. Zusammen mit der UN-Frauenrechtskonvention von 1979 und der UN-Resolution 1325 aus dem Jahr 2000 stellt sie das wichtigste mul ti- laterale Abkommen zur Einforderung von Frauenrechten dar. Zu den zwölf benannten Handlungsfeldern gehören etwa die Beseitigung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, die Sicherstellung der Chancengleichheit im politischen, wirtschaftlichen und öffentlichen Leben und gleiche Rechte auf wirtschaftliche Ressourcen. Welt- weit nutzen Frauen, besonders aus der Zivilgesellschaft, diese in der Plattform festgelegten Ziele und Forderungen, um ungleiche Machtverhältnisse und männ liche Privilegien zu hinterfragen und die Gleichberechtigung der Ge- schlechter einzufordern.

Deutscher Sozialpreis 2020

Sieben Journalistinnen und Journalis- ten wurden am 26. Oktober 2020 für ihre herausragenden Arbeiten zu sozialen Themen mit dem Deutschen Sozialpreis 2020 ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand im Rahmen des BAGFW-Politik- forums der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) in Berlin.

Der Preis wurde in den Sparten Print, Hörfunk, Fernsehen, Online und als Sonderpreis „30 Jahre Deutsche Einheit“

vergeben. Eingebettet war die Ver- leihung der Preise in das BAGFW-Politik- forum, in dem auch das politische Thema „Deutschland in Europa – gesell- schaftlicher Zusammenhalt vor europä- ischer Kulisse“ angesprochen und dis- kutiert wurde.

Die Preisträgerinnen und Preisträger sind:

Mareike Nieberding (Sparte Print) mit einem Beitrag zum Thema Geschlechtergerechtigkeit „Was Frauen krank macht“ im SZ-Magazin;

Joachim Palutzki (Sparte Hörfunk), der im Deutschlandfunk unter dem Titel „Die Pop-Inklusion“ das 30-jäh- rige Jubiläum der Band „Station 17“

begangen hat;

Marie Löwenstein und Julian Amershi (Sparte Fernsehen), die das Thema Wohnen und Obdachlosig- keit mit einem Film „Urlaub von der Straße – Die Obdachlosenreise“ im NDR behandelt haben;

Pia Rauschenberger (Sparte Online) für eine sechsteilige Podcast-Serie zum Thema Psychotherapie unter dem Titel „Therapieland“ in Deutsch- landfunk Kultur Online.

Der Sonderpreis „30 Jahre Deutsche Einheit“ wurde Jan Niklas Lorenzen und Markus Stein für einen Beitrag „Wer be- herrscht Deutschland? – Was den Osten anders macht“ im MDR-Fernsehen zu- gesprochen.

Die Spitzenverbände der Freien Wohl- fahrtspflege loben den Preis jährlich seit 1971 aus, um herausragende Beiträge der Sozialberichterstattung zu ehren.

Der Preis ist mit 5.000,– € pro Sparte dotiert. Eine unabhängige Fachjury er- mit telte die Preisträger/innen aus insge- samt 230 eingereichten Arbeiten.

(6)

Mehr zu den Preisträger/innen und den ausgezeichneten Arbeiten erfahren Sie auf der Website der BAGFW zum Deut- schen Sozialpreis 2020: www.bagfw.de/

ueber-uns/deutscher-sozialpreis/preis- traeger-2020.

Lernvideos für Seniorin- nen und Senioren

Zusammen mit dem Verein Wege aus der Einsamkeit e. V. Wade Hamburg, Facebook und weiteren Partnern hat die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e. V. (ZWST) „Lernvideos“

für Seniorinnen und Senioren entwickelt.

Ziel des Projekts ist es, alle Menschen zu unterstützen, sich in der digitalen Welt von heute zurechtzufinden und sich auszutauschen. Die Video-Tutorials er- klären Seniorinnen und Senioren ein- fach und verständlich, wie sie digitale Inhalte in ihrem Alltag nutzen können.

Nähere Informationen sind erhältlich unter https://digitaleslernzentrum.fb.

com/de/seniorinnen/

AWO fordert stärkeren Einsatz gegen Altersarmut

Anlässlich des 30. Jubiläums der deut- schen Wiedervereinigung stellt der AWO Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler fest: „Bei aller Freude über die Wieder- vereinigung sollten wir nicht vergessen, dass viele Menschen die Nachwende- zeit nicht zu einer persönlichen Erfolgs- geschichte ummünzen konnten und Brüche erleben mussten. Diese Brüche wirken bis heute nach. Die Arbeitslosig- keit in den neuen Bundesländern liegt höher als im Westen und der Abstand bei den Löhnen in Ost und West ist auch bei gleicher Qualifikation immer noch beträchtlich. Eine Spätfolge dieses sehr langsamen Angleichungsprozesses: In

den neuen Bundesländern wird Alters- armut in den kommenden Jahren deut- lich steigen.“

Wolfgang Stadler fordert: „Wir brauchen in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik verstärkte Anstrengungen: Hierzu zäh- len, gesamtdeutsche Lösungen, die Arbeitslosigkeit, Niedriglohn und Alters- armut in den alten wie neuen Bundes- ländern in den Blick nehmen. Gerade in Fragen der Altersarmut sind Maßnah- men dringender denn je: In den kom- menden Jahren kommen immer mehr Menschen ins Rentenalter, die nach der Wende auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr Fuß fassen konnten. Hier erwarten wir von der Bundesregierung weitere Schritte zur Bekämpfung von Alters- armut.“

(7)

Datum Veranstaltung Hinweis

01.12.2020

F 1740/20 30 Jahre Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) – Beratung und Intervention in Fällen internationaler Kindesentführung

Fachtagung zur Beratung und Intervention in Fällen internationaler Kindesentführung mit Beiträgen der Zentralen Behörde (Bundesamt für Justiz) und des Internationalen Sozialdiensts (Deutscher Verein).

Digitale Fachveranstaltung, 10:00 Uhr bis 11:30 Uhr; M: 19,00 €, NM: 24,00 €

Weitere Informationen und Anmeldung unter:

https://bit.ly/3nEejdA

01. und 02.12.2020 F 3312/20

Migrantenorganisationen und muslimische Organisationen als Akteure der Wohlfahrtspflege Die Veranstaltung greift Herausforderungen und Lösungen für bessere Beteiligung von Migrantenorgani- sationen und muslimischen Organisationen bei der Erbringung von Angeboten der Wohlfahrtspflege auf.

Digitale Fachveranstaltung, jeweils 13:30 Uhr bis 15:30 Uhr; M: 27,00 €, NM: 34,00 €

Weitere Informationen und Anmeldung unter:

https://bit.ly/31i7x3V

03. und 04.12.2020 F 2288/20

Reform des SGB VIII – das kommt auf uns zu

Die digitale Fachveranstaltung bietet einen Überblick zu den zentralen Inhalten des KJSG. In

Diskussions foren können sich die Teilnehmenden zu verschiedenen Schwerpunktthemen austauschen.

Digitale Fachveranstaltung, am 03.12.: 10:00 Uhr bis 13:00 Uhr, am 04.12.: 10:00 Uhr bis 12.30 Uhr;

M: 38,00 €, NM: 47,00 €

Weitere Informationen und Anmeldung unter:

https://bit.ly/3m8NSeu

04.12.2020

F 4511/20 Wohnen ist mehr als ein Dach über dem Kopf – generationsübergreifendes Wohnen und neue Wohnformen in der Quartieren

Zukunftsorientierte Wohnungspolitik erfordert neue Wohnformen und eine wohnortnahe soziale Infra- struktur. Konzepte für generationenübergreifendes und gemeinschaftliches Wohnen sind die Antwort.

Digitale Fachveranstaltung, 10:00 Uhr bis 12:40 Uhr; M: 47,00 €, NM: 59,00 €

Weitere Informationen und Anmeldung unter:

https://bit.ly/3iVpGdu

09.12.2020

F 1741/20 Soziale Arbeit über Grenzen hinweg – eine Einführung in Besonderheiten und Herausforderungen sowie in die Arbeit des Internationalen Sozialdienstes

Gegenstand der Veranstaltung sind die Herausforderungen von Jugendhilfefällen mit Auslandsbezug und eine Vorstellung der Arbeit des ISD als möglichem Unterstützer in Fallarbeit und Beratung Digitale Fachveranstaltung, 10:30 Uhr bis 11:45 Uhr; kostenfrei

Weitere Informationen und Anmeldung unter:

https://bit.ly/3kuo4JC

14. und 15.12.2020 F 3309/20

Aktuelle fachliche, fachpolitische und rechtliche Entwicklungen in der Sozialhilfe

Fachveranstaltung für Sozialamtsleiter/innen: Aktuelle Entwicklung SGB XII und angrenzende Gesetze, Brennpunkt: Kosten der Unterkunft, Grundrente und ihre Umsetzung, Ausblick auf das neue SGB XIV.

Digitale Fachveranstaltung, am 14.12.: 13:30 Uhr bis 16:15 Uhr, am 15.12.: 09:00 Uhr bis 14:00 Uhr;

M: 38,00 €, NM: 47,00 €

Weitere Informationen und Anmeldung unter:

https://bit.ly/3jVBlKC

Digital

Digital

Digital

Digital

Digital

Digital

Veranstaltungen des Deutschen Vereins

M = Mitglieder, NM = Nichtmitglieder

Kommunale Integrationspolitik: Strukturen, Akteure, Praxiserfahrungen Herausgegeben von Tillmann Löhr

2020, 160 Seiten, kart.; 19,80 €, für Mitglieder des Deutschen Vereins 16,80 € ISBN 978-3-7841- 3265-5

Kommunen spielen praktisch und konzeptionell eine zentrale Rolle in der Integrationspolitik. Dieser Band ana- lysiert strukturelle Rahmenbedingungen, Gestaltungsmöglichkeiten und Erfahrungen bei der Organisation von Integration als Querschnittsaufgabe, Dialog- und Beteiligungsformaten, Zusammenarbeit mit zivilgesellschaft- lichen Akteuren u.v.m.

Bestellungen versandkostenfrei in unserem Online-Buchshop: www.verlag.deutscher-verein.de

(8)

Michael Löher und Ralf Mulot

Deutscher Verein und NDV: ein Streif- zug durch die gemeinsame Geschichte

Der Deutsche Verein wurde im Jahre 1880 gegründet, der NDV erst 40 Jahre später – im Jahre 1920 – ins Leben gerufen. In einem kurzen Ritt durch die gemeinsame Geschichte sollen einige historische Marksteine betrachtet und der Wandel des Erscheinungsbildes dargestellt werden.

1 Zur Gründungsgeschichte vgl. Schmitt 2020 und Sachße/Tennstedt 2005.

Das Jahr 2020 steht für den Deutschen Verein im Zeichen klei- ner und großer Feierlichkeiten. Neben dem 140-jährigen Gründungsjubiläum können wir den 100. Geburtstag des Nach richtendienstes, das 50-jährige Bestehen des Archivs für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit und das 25-jährige des Rechtsprechungsdienstes NDV-RD begehen.

Das 140-jährige Jubiläum des Deutschen Vereins haben wir seit Anfang des Jahres auf ganz unterschiedliche Weise be- gangen: auf unserer Homepage, in den sozialen Medien, mit Beiträgen im NDV und mit einer Anzeigenkampagne, in der wir Mitglieder, Wegbegleiter und Kooperationspartner gebeten haben, ein kurzes Statement zum Jubiläum und zu ihrer persönlichen Haltung zum bzw. zur Wahrnehmung des Deut- schen Vereins abzugeben. Im NDV haben wir die Gründungs- geschichte noch einmal Revue passieren lassen und sind auf einige wichtige Persönlichkeiten in Form von biografischen Beiträgen näher eingegangen.

Die Beschäftigung mit der 140-jährigen wechselvollen Ge- schichte gibt allen, denen der Deutschen Verein am Herzen liegt – nicht zuletzt den Mitgliedern, Förderern, Gremien- vertreter/innen und Mitarbeiter/innen der Geschäftsstelle –, Gelegenheit, Diskurse der Vergangenheit nachzuvollziehen, Brüche und Kontinuitäten wahrzunehmen und den eigenen Standpunkt kritisch zu reflektieren.

1. Gründung und Anfangsjahre

Der Deutsche Verein ist vor 140 Jahren sozusagen als „Selbst- hilfegruppe“ führender Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Armenfürsorge entstanden – „Selbsthilfegruppe“ insofern, als die Fachkräfte vor Ort sich organisierten, weil ihnen ein Steuerungsinstrument fehlte, um die vielfältigen und zum Teil divergierenden armenpolitischen Bestrebungen zu koor di- nieren. Mit dem Deutschen Verein hoben Albert Döll, Wolfgang Straßmann und viele andere im Jahre 1880 einen „Centralver- ein für Armenpflege“ aus der Taufe, der sich im Laufe der Jahre zu einem anerkannten und einflussreichen Verband des Für- sorgewesens entwickelte.1

Michael Löher

ist Vorstand des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V., Berlin.

Ralf Mulot

ist Leiter des Verlags des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V., Berlin.

(9)

Das Jahr 1919 war mit der Verabschiedung einer demo- kratischen Verfassung, dem Übergang zu einer föderativen Repub lik und der Einführung des Frauenwahlrechts nicht nur für die Entwicklung der Demokratie in Deutschland bedeut- sam. Auch der Deutsche Verein unterzog sich einer um- fassenden Reform.2 Neben einer Satzungsänderung wurde eine hauptamtliche Geschäftsführung bestellt, die Geschäfts- stelle von Berlin nach Frankfurt am Main verlegt und der Name des DV geändert (Mulot 2019).

Diese Neuorganisation und Modernisierung wurde maßgeb- lich von Wilhelm Polligkeit (1876–1960), dem damaligen Geschäftsführer und späteren Vorsitzenden des DV, betrieben, dem zu seinem Glück nur noch eines fehlte: ein eigenes Ver- einsorgan. Bis 1920 wurden verbandliche Informationen in anderen Medien veröffentlicht, die Frage einer eigenen Zeit- schrift stand schon bald auf der Agenda. Im Februar 1920 gab der Fachausschuss für städtisches Fürsorgewesen erstmals einen „Nachrichtendienst“ auf besserem Butterbrotpapier he- raus, der die Grundlage für den ab 1922 in gedruckter Form erscheinenden NDV bildete.3

2. Weimarer Republik und Nationalsozialismus

Die Themen des NDV ergaben sich aus der Not der unmittel- baren Nachkriegszeit: Die materielle Versorgung der älteren Menschen („Kleinrentnerfürsorge“) und der ehemaligen Kriegs teilnehmer („Militärrentner“) sowie deren Hinterblie- benen, die Finanznot der öffentlichen Haushalte und der freien Träger standen im Vordergrund. Die Geldentwertung 1922/23 stellte aber nicht nur für die Wohlfahrtseinrichtungen eine existenzielle Bedrohung dar, sondern auch für den Deut- schen Verein, sodass der NDV kaum zwei Jahre nach seiner Gründung fast schon wieder vor dem Aus stand (Deutscher Verein 1922). Nach der Stabilisierung der Währung durch die Einführung der Rentenmark etablierte sich der NDV jedoch in der Weimarer Republik als Mitteilungsorgan des Deutschen Vereins und begleitete die großen Reformen der ersten deut- schen Republik – die Verabschiedung des Reichsjugendwohl- fahrtsgesetzes 1922, der Reichsfürsorgepflichtverordnung und der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge 1924.

Ein Blick in eine Ausgabe des NDV der damaligen Zeit zeigt ein geradezu spartanisches Layout und zahlreiche, zumeist von

2 Zum Folgenden: Schmitt 2019.

3 Die Gründung des NDV wird ausführlich geschildert von Sabine Schmitt in diesem Heft.

4 Hierzu Willing 2005, 126 ff.

Mitarbeiter/innen der Geschäftsstelle unter einem Namens- kürzel verfasste Beiträge aus der Fürsorgepraxis. Die Gestal- tung orientierte sich an der Funktion und dem Informations- bedürfnis der Leserschaft. Als Herausgeber fungierte der Vor sitzende des Deutschen Vereins, Wilhelm Polligkeit; eine Redaktion oder Schriftleitung wird nur in den Anfangsmonaten nach der Gründung erwähnt

Nachdem die Wohlfahrtspflege im Jahre 1933 „gleichge schal- tet“ und der „NS-Volkswohlfahrt“ unterworfen wurde, verlor auch der Deutsche Verein an Einfluss und spielte in der Zeit des Nationalsozialismus nur eine unbedeutende Rolle. Der NDV unter Herausgeberschaft des Leiters der Abteilung Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe der „NS-Volkswohlfahrt“, Hermann Althaus (1899–1966), erschien jedoch weiter. Prof.

Manfred Kappeler hat sich dankenswerterweise der Mühe unterzogen, in dieser Ausgabe des NDV die Rolle und Bedeu- tung des NDV im Jahre 1933 zu untersuchen.

3. Neubeginn nach 1945

Am Ende des Krieges kam die Arbeit des Deutschen Vereins zum Erliegen – und auch der NDV erschien 1945 zum ersten und einzigen Mal seit 1920 nicht (Willing 2005, 121). Nachdem die bisherige Führungsspitze aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der NSDAP gemäß den Bestimmungen des Alliierten Kontroll- rats ihre Funktionen nicht mehr ausüben konnte, war der Deutsche Verein bis zum Frühjahr 1946 nicht mehr handlungs- fähig. Wie schon nach dem Ersten Weltkrieg schlug die Stunde von Wilhelm Polligkeit, der im März 1946 bei der US-Militär- regierung die „Wiederingangsetzung“ des Deutschen Vereins und die Erlaubnis zur Herausgabe des NDV beantragte. Nur wenige Wochen später – im Mai 1946 – bezog Polligkeit als Vor- sitzender mit einer Handvoll Mitarbeiter/innen die neue Ge- schäftsstelle im Soziographischen Institut in Frankfurt am Main.4 Im August 1946 erscheint unter dem Titel „Rundschreiben an die Mitglieder und Förderer des Deutschen Vereins für öffent- liche und private Fürsorge“ die erste, provisorische Ausgabe des NDV nach dem Krieg, wobei der Name „Nachrichten- dienst“ nur als Untertitel aufgeführt war. Hintergrund für diese ungewöhnliche Bezeichnung ist die fehlende Lizenz zur Heraus gabe des NDV, was durch den Hinweis „Publication authorized by Publications Section, Frankfurt/M, Det. Informa- tion Control Branch, OMG for Greater Hesse“ kenntlich ge- macht wurde. Der Neuanfang wurde mit dem Hinweis „I. Jahr- gang“ verdeutlicht.

(10)

Nachdem der Deutsche Verein anfangs nur in den Ländern Hessen und Bayern, ab Oktober 1946 auch in Württemberg- Baden zugelassen war, erfolgte Anfang 1947 die Zulassung auch für die Länder der britischen Zone (Polligkeit 1947). In der Ausgabe April/Mai 1947 verkündet Wilhelm Polligkeit vol- ler Stolz:

„Wir freuen uns, den Mitgliedern unseres Vereins von nun an den Nachrichtendienst wieder in der gewohnten Form überreichen zu können, die ihm seit seiner Begründung im Jahre 1919 den anerkannten Ruf eines unentbehr- lichen Ratgebers für die Praxis der öffentlichen und priva- ten Fürsorge einge tragen hat … Nachdem mir unter der Herrschaft des Nationalsozialismus der Vorsitz in unserem Verein und die Herausgabe des Nachrichtendienstes ent- zogen worden war, ist es mir als dem Begründer dieser Zeitschrift nun eine besondere Genugtuung, an die be- währte Tradition der früheren Jahre anknüpfen zu kön- nen, in der Hoffnung, daß hierdurch wieder eine leben­

dige und fruchtbare Verbindung mit unseren Mitgliedern hergestellt wird.“ (Polligkeit 1947a)

Die provisorische Titelzeile mit dem Namenszug „Rundschrei- ben“ gehörte damit der Vergangenheit an.

Der NDV, der anfangs mit 16, später wieder mit 32 Seiten er- schien, widmete sich anfangs den drängenden Themen der Nachkriegszeit, die auch im Rahmen des ersten Deutschen Fürsorgetages nach dem Krieg diskutiert wurden: der Ein- gliederung der Flüchtlinge, „Ernährungshilfe für unsere Ju- gend“, die „Not der Alten“ (Deutscher Verein 1947). Die Redak- tion konzentrierte sich dabei auf knappe Informationen aus der Praxis, Hinweise auf gesetzliche Reformen und Berichte aus den Bundesländern. Grundlegende Beiträge zur Neu- gestaltung des sozialen Sicherungssystems nach dem Krieg finden sich zumeist nur in Beiträgen zu den Fürsorgetagen und Sitzungen des Hauptausschusses. Eine Ausnahme war eine ausführliche Darstellung der „Bestrebungen zu einer Fürsorge- rechtsreform“, die der Deutsche Verein mit zwei Gutachten 1946 (Deutscher Verein 1946) und 1947 (Deutscher Verein 1948) angestoßen hatte. Die meisten Beiträge sind nicht namentlich gekennzeichnet, mitunter erfolgt bei externen Autor/innen ein Hinweis auf die Urheberschaft. Im Laufe des Jahres 1948 werden auch die Namenskürzel wieder verwen det, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit verschwunden waren.

Nach der Konsolidierung Ende der 1940er-Jahre entwickelte sich der Deutsche Verein in der Adenauer-Zeit zu einem wich- tigen Akteur des sozialpolitischen Diskurses und schaltete sich immer wieder in die Debatten um eine Sozialreform ein.

5 Vgl. die Würdigung anlässlich des Todes von Walter Schellhorn im Jahre 2019: Mulot 2019a.

Von ihm gingen entscheidende Impulse zur Novellierung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes (RJWG) und zur Verab schie- dung des Gesetzes über die Änderung und Ergänzung für- sorgerechtlicher Bestimmungen aus, die im NDV dokumen- tiert wurden.

Anlässlich des 75. Geburtstages von Wilhelm Polligkeit, der ein Jahr zuvor das Amt des Vorsitzenden an Hans Muthesius ab- gegeben hatte, widmete der NDV seinem Gründer im Mai 1951 eine eigene Ausgabe, der wir einen instruktiven Bericht von Hildegard Schräder über die Redaktionsarbeit der damaligen Zeit verdanken:

„In der ‚ND-Sitzung‘, wie die Redaktionssitzungen all- gemein genannt wurden, sehen wir Polligkeit an einem Ende des großen Tisches in seinem Arbeitszimmer, um ihn herum seine Mitarbeiter, etwa 5 bis 10, häufig wechselnd (es sollten immer wieder Neue bei Polligkeit lernen), alle im Alter von 25 bis 35 Jahren (wer würde heute es wagen mit so jungen Menschen?). Jeder kam mit seinen Ent- würfen für die nächste Nummer, jeder mußte sie selbst vorlesen. Wir haben oft dabei gezittert. Polligkeit, der immer, sowohl seinen eigenen wie den Arbeiten seiner Mitarbeiter gegenüber, äußerst kritisch war, war hier ein unnachsichtiger Kritiker. Hier wurde jedes Wort, jede For- mulierung, jeder Gedanke gewogen; häufig wurde ge- meinsam geändert und gestaltet, manchmal wurde das Ganze verdammt und mußte neu gearbeitet werden.

Diese öffent liche Kritik, bei welcher jeder auch wieder vom anderen lernte, war ein sehr harter Teil unserer Lehre und hat uns – auch uns selbst gegenüber – sehr kritisch gemacht.“ (Schräder 1951, 173)

4. Modernisierung und Kontinuität

In der Zeit nach Polligkeit zeigte sich der NDV kaum verändert – das Layout blieb gleich, lediglich kleine typographische Eingriffe lockerten die „Bleiwüste“ etwas auf. Erst Mitte der 1960er-Jahre – nachdem Hans Muthesius in den Ruhestand getreten und nicht mehr Vorsitzender des DV und Herausgeber des NDV war – vollzog sich eine Modernisierung. Rubriken wie

„Abhand lungen“, „Berichte“ und „Aus der Arbeit des Deut- schen Vereins“ wurden eingeführt, die viele Jahre lang die systematische Gliederung der Zeitschrift bestimmen sollten.

Verantwortlich für diese Neuausrichtung war ein junger Ver- waltungsbeamter, dem als stellvertretender Geschäftsführer 1963 der Aufbau des Eigenverlages übertragen worden war:

Walter Schellhorn.5 Das Impressum führte neben dem Heraus- geber Hans Achinger den Schriftleiter und DV-Geschäftsführer

(11)

Rudolf Pense sowie Walter Schellhorn auf, der „für die Redak- tion verantwortlich“ zeichnete. Walter Schellhorn ist es auch zu verdanken, dass das alte, aus dem Jahre 1922 stammende Logo des NDV6 im Jahre 1976 durch das Logo des DV ersetzt wurde.

Die Arbeit des Deutschen Vereins und die Berichterstattung des NDV wurde zu Beginn der 1960er-Jahre wesentlich von der Verabschiedung des Bundessozialhilfe- und des Jugendwohl- fahrtsgesetzes geprägt, an deren Erarbeitung der DV maß- geblich beteiligt war. Da die Bundesregierung bemüht war, Fachkräfte der Sozialen Arbeit zur Umsetzung des neuen Regelwerks zu schulen, wurde ein zentrales Fortbildungswerk beim Deutschen Verein eingerichtet, im Zuge dessen neue Ideen, Methoden und Gesichter Einzug hielten. Die intensiven gesellschaftspolitischen Diskussionen Ende der 1960er-/An- fang der 1970er-Jahre, die innerhalb und außerhalb des Deut- schen Vereins mit großer Leidenschaft und oft nicht ohne Hybris geführt wurden, schlugen sich jedoch kaum einmal im NDV nieder. Der NDV als offizielles Organ des Deutschen Ver- eins verstand sich in dieser Zeit als Medium, das die Positio- nen der Vereinsgremien zu dokumentieren habe, und nicht als Fachzeitschrift, in der unterschiedliche und kontroverse Mei- nungen zu Wort kommen sollen. Der NDV war überdies auf die Bedürfnisse der Verwaltungspraxis und der Leistungserbringer ausgerichtet.7

6 Vgl. die Abbildung in dem Beitrag von Sabine Schmitt in dieser Ausgabe.

7 Vgl. dazu Mulot 2020.

Die endgültige Öffnung des NDV – auch für von der Vereins- politik abweichende Meinungen, andere wissenschaftliche Ansichten, kritische Stimmen und Methoden – erfolgte erst nach der „Ära Schellhorn“ in den 1990er-Jahren. Auch wenn der NDV den Charakter als Mitgliederzeitschrift beibehielt, stieg der Anteil externer Autor/innen an, die verstärkt neue Themen und interdisziplinäre Ansätze einbrachten. Was un- verändert blieb, war die hohe Fachlichkeit der Beiträge und die Dokumentation der Arbeit des Deutschen Vereins: Emp- fehlungen, Stellungnahmen, Gutachten, Berichte über die Mit- gliederversammlungen, den Hauptausschuss und über den Deutschen Fürsorgetag.

5. Der NDV im neuen Gewand

Abgesehen von kleineren Eingriffen veränderte sich das Er- scheinungsbild des NDV lange Zeit nur unwesentlich. Die Übernahme der Herausgeberschaft durch Michael Löher, seit 2000 Geschäftsführer, seit 2007 Vorstand des Deutschen Ver- eins, und der Schriftleitung durch Ralf Mulot ging mit einem Relaunch einher: Ab der April-Ausgabe 2002 präsentierte sich die Zeitschrift freundlicher und das traditionelle „DV-Grün“

hielt als Farbe Einzug in den Innenteil. Später kamen Fotos der Autorinnen und Autoren sowie neue grafische Elemente hinzu.

Im November 2002 wurde dem NDV erstmals der Newsletter

Titelseiten des NDVs aus den Jahren 1964, 1965. und 1995

(12)

„dv-aktuell“ beigeheftet, der „in knapper Form aktuelle Nach- richten aus der Arbeit des Deutschen Vereins“ enthielt (Löher 2002, 113). Seit 2017 wird der Newsletter monatlich digital ver- sandt.

Anlässlich seines 100-jährigen Jubiläums war die Zeit reif, den NDV bunter, moderner und lesefreundlicher zu präsentieren.

Die alten, nicht mehr zeitgemäßen Titel der Rubriken wurden gründlich überarbeitet, eine neue Systematik geschaffen, at- traktive grafische Elemente eingeführt und eine Anpassung an die Corporate Identity des Deutschen Vereins vorgenommen.

Gleichzeitig war es uns wichtig, den Charakter des NDV als Mit- glieder- und Fachzeitschrift beizubehalten.

Mit diesem Heft halten Sie eine neugestaltete Ausgabe des NDV in Händen, mit der wir inhaltlich in mehreren Beiträgen die Jubiläen und die gemeinsame Geschichte von Deutschem Verein und NDV Revue passieren lassen. Wir hoffen, dass Ihnen der runderneuerte NDV gefällt, und sind gespannt auf Ihre Re- aktion. Besonders freuen wir uns, wenn Sie uns Ihre Rückmel- dung unter mulot@deutscher-verein.de zukommen lassen.

Titelseite des NDVs aus dem Jahr 2000

Literatur

Deutscher Verein (1922): An unsere Mitglieder!, in: NDV 31, S. 272.

Deutscher Verein (1946): Einheitliche Reform der Fürsorgepflicht- verordnung, in: NDV 4, S. 49–51.

Deutscher Verein (1947): Deutscher Fürsorgetag 1947, in:

NDV 4, S. 49 ff.

Deutscher Verein (1948): Stand und Entwicklungs-Tendenzen der Bestrebungen zu einer Fürsorgerechtsreform, in: NDV 14/5, S. 61–69.

Löher, M. (2002): Neues Erscheinungsbild des NDV, in: NDV 4, S. 113.

Mulot, R. (2019): Sollte der Name des Deutschen Vereins geändert werden? Antiquierte Begriffe, Missverständnisse und mögliche Alternativen, in: NDV 10, S. 440–446.

Mulot, R. (2019a): Walter Schellhorn und der Deutsche Verein, in:

NDV 12, S. 535–542.

Mulot, R. (2020): Zwischen Restauration und Revolte: der Deutsche Verein 1960 bis 1970, in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit, 4, S. 44–50.

Polligkeit, W. (1947): An unsere Mitglieder!, in: NDV 2, S. 17.

Polligkeit, W. (1947a): An unsere Mitglieder!, in: NDV 3, S. 33.

Sachße, C./Tennstedt, F. (2005): Der Deutsche Verein von seiner Gründung bis 1945, in: Deutscher Verein (Hrsg.): Forum für Sozialreformen. 125 Jahre Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, Berlin, S. 17–115.

Schmitt, S. (2019): Vor Jahren: Der Deutsche Verein wird modern!, in:

NDV 10, S. 433–439.

Schmitt, S. (2020): „Es fehlt uns ein Centralorgan für deutsche Armenpflege!“ Die Gründung des Deutschen Vereins vor 140 Jahren, in: NDV 8, S. 377–380.

Schraeder, H. (1951): Was wir bei Polligkeit gelernt haben, in:

NDV 5-6, S. 172 f.

Willing, M. (2005): Der Deutsche Verein von 1945 bis 2005, in:

Deutscher Verein (Hrsg.): Forum für Sozialreformen. 125 Jahre Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, Berlin, S. 117–264.

(13)

Sabine Schmitt

„Tatsachenmaterial, das für die Praxis von Wichtigkeit ist“

1 Im Archiv des Deutschen Vereins sind keine Quellen aus der fraglichen Zeit erhalten. Daher kann sich der Beitrag nur auf die Berichte im NDV selbst und anderen Publikationen sowie auf historiografische Darstellungen stützen.

Die Gründung des NDV im Jahre 1920

Die Gründung eines eigenen Vereinsorgans vor 100 Jahren stand im Kontext einer umfassenden Reform des Deutschen Vereins hin zu einem modernen, professionellen Fachverband. In diesem Beitrag sollen die Umstände nachgezeichnet werden, unter de- nen der „Nachrichtendienst des Deutschen Vereins“ das Licht der Welt erblickte.

1

1. Die Reform des Deutschen Vereins im Jahre 1919

Der Deutsche Verein für Armenpflege und Wohltätigkeit war seit seiner Gründung im Jahre 1880 ein typischer Honoratioren- verein im Spektrum der bürgerlichen Sozialreform. Das Ende des Ersten Weltkriegs und die Konstituierung eines demo- kratischen Staatswesens mit sozialem Verfassungsauftrag im Jahre 1919 ging mit tiefgreifenden Reformen im Deutschen Verein einher: Er siedelte nach Frankfurt a. M. um, baute dort eine professionell arbeitende Geschäftsstelle mit hauptamt- licher Geschäftsführung auf und gab sich den bis heute gül- tigen Namen „Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge“ (vgl. ausführlich Sachße/Tennstedt 2005, 46–99;

Schmitt 2019).

Maßgeblich wurde die Modernisierung durch Wilhelm Pollig- keit (1876–1960) gestaltet und vorangetrieben (zu Polligkeit und seiner ambivalenten Rolle in der Geschichte der Sozialen Arbeit siehe ausführlich Stein 2019). Er wurde 1920 Geschäfts- führer und 1922 auch Vorsitzender des Deutschen Vereins. Die Gründung einer eigener Fachzeitschrift war ihm ein beson- deres Anliegen, das er kontinuierlich verfolgte.

2. Das Publikationswesen in den Anfängen des Deutschen Vereins

Seit 1880 waren Publikationen das wichtigste Medium des Deutschen Vereins, um die Fachöffentlichkeit zu erreichen.

Von Beginn an wurden die stenografischen Wortprotokolle der jährlichen Jahresversammlungen veröffentlicht. Hinzu kamen umfassende empirische Untersuchungen, die von prominen- ten Fürsorgefachleuten im Auftrag des Deutschen Vereins er- stellt und auf den Jahresversammlungen diskutiert wurden.

Die Themen deckten das weite Feld der Armenpflege und ihre dringend notwendige Neuorganisation im deutschen Kaiser- reich ab (eine vollständige Bibliografie findet sich bei Sachße/

Tennstedt 2005, 711–759).

Dr. Sabine Schmitt

ist Historikerin und Redakteurin im Verlag des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V., Berlin.

(14)

Die teilweise mehrere hundert Seiten umfassenden Bände er- schienen von 1881 bis 1883 im Carl Heymanns Verlag, Berlin.

Ab 1886 wurden sie als „Schriften des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohlthätigkeit“ durchgehend nummeriert bei Duncker & Humblot, Leipzig veröffentlicht. 1917 endete die Reihe mit dem Band 107. Ab 1921 erschienen im Verlag G. Braun, Karlsruhe, die „Schriften des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Neue Folge“, deren Numme- rierung wieder bei 1 begann. Ab 1924 wurde sie durch die Schriftenreihe „Aufbau und Ausbau der Fürsorge“ ergänzt.

3. Vorläufer des Nachrichtendienstes

Ein eigenes Vereinsorgan hatte der Deutsche Verein zunächst nicht. Allerdings konnte er nicht nur die Expertise, sondern auch die publizistische Infrastruktur eines seiner wichtigsten Akteure, Emil Münsterberg (1855–1911) nutzen. Münsterberg war seit 1886 im Zentralausschuss und von 1892 bis 1911 Vor- standsmitglied und Schriftführer des Deutschen Vereins. Weni- ge Tage vor seinem Tod am 25. Januar 1911 wurde er zu dessen Vorsitzenden ernannt. Der DV-Vorstand würdigte Müns ter- bergs Verdienste in einem Nachruf:

„Seitdem er im Jahre 1892 das Schriftführeramt des Ver- eines übernommen hatte, war er unbestritten der wissen- schaftliche Leiter, die Seele der ganzen Vereinstätigkeit geworden.“ (Der Deutsche Verein für Armenpflege und Wohltätigkeit 1912, 36)

Emil Münsterberg war seit 1898 Stadtrat und Vorsitzender der Armendirektion in Berlin. Er galt als der beste Kenner des Armenwesens im Deutschen Reich und war auch international gut vernetzt (ebd., 36 f.; vgl. Landes 2016). 1897 gründete er in Berlin die Zentralstelle für Arbeiter-Wohlfahrtseinrichtungen (später: Zentralstelle für Volkswohlfahrt). An der Einrichtung von deren Abteilung für Armenpflege und Wohltätigkeit waren auch der Deutsche Verein und das Institut für Gemeinwohl beteiligt („Zum Eintritt in das zweite Jahrzehnt“ 1910, 1). Aus ihr ging die Zentralstelle für Armenpflege und Wohltätigkeit hervor, eine Auskunfts- und Dokumentationsstelle, die seit 1900 die „Zeitschrift für das Armenwesen“ herausgab. Seit 1906 diente diese als informelles Vereinsorgan des Deutschen Vereins.

3.1 Die „Zeitschrift für das Armenwesen“

Die „Zeitschrift für das Armenwesen“ erschien als „Organ der Zentralstelle für Armenpflege und Wohltätigkeit und des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit“. Sie veröffentlichte ausführliche Berichte über die Jahresver- sammlungen des Deutschen Vereins, häufig von Münsterberg

selbst verfasst, sowie über dessen Veröffentlichungen. Ab dem 10. Jahrgang 1909 enthielt sie ein systematisches Verzeichnis aller bisher erschienenen Hauptartikel.

Nach Münsterbergs Tod beschloss der Deutsche Verein, die Zentralstelle und die Zeitschrift für das Armenwesen in eigener Regie zu übernehmen. Entsprechende Verhandlungen habe es bereits mit Münsterberg selbst gegeben, die nun in seinem Sinne abgeschlossen worden seien („An die Leser und Mit- arbeiter!“ 1912). Die Redaktion der monatlich erscheinenden

„Zeitschrift für das Armenwesen“ übernahm 1912 Christian Jasper Klumker (1862–1942), Geschäftsführer der Centrale für private Fürsorge in Frankfurt a. M., Gründer des Archivs deut- scher Berufsvormünder und Autor wichtiger Expertisen des Deutschen Vereins.

Die „Zeitschrift für das Armenwesen“ mit einer eingeklebten Abbildung ihres verstorbenen Gründers Emil Münsterberg

Für die redaktionelle Arbeit war aber Münsterbergs bisherige Mitarbeiterin Dorothea Hirschfeld (1877–1966) weiterhin zu- ständig. So berichtete der neue Vorsitzende Heinrich Ruland (1852–1930) der Jah res versammlung des Deutschen Vereins am 17./18. September 1912 in Braunschweig von dem Be- schluss, die „Zen tralstelle für Armenpflege und Wohltätigkeit“

(15)

und die „Zeitschrift für das Armenwesen“ zu übernehmen (Stenographischer Bericht 1913, 7). Beides werde aktuell von Dorothea Hirschfeld erfolg- reich geleitet (ebd., 9 f.; vgl.

Schmitt 2012). Mit der Über- nahme erhielt der Deutsche Verein also nicht nur eine eige- ne Zeitschrift, sondern erst- mals eine Geschäftsstelle und eine Geschäftsführerin – der Anfang jener Professionalisie-

rung, die dann ab 1919 in Frankfurt a. M. forciert werden sollte.

Seit dem 20. Jahrgang 1919 enthielt die Zeitschrift eine eigen- ständige Rubrik „Nachrichten des Deutschen Vereins für öf- fentliche und private Fürsorge“, im 21. Jahrgang 1920 war diese auf dem Titel jedes Heftes ausgewiesen. Allerdings hatte der Erste Weltkrieg die „Zeitschrift für das Armenwesen“ in eine Krise gestürzt. Statt monatlich erschien sie 1918 und 1919 nur noch alle drei, 1920 zunächst alle zwei Monate, dann wie- der monatlich. Dennoch mussten in diesem Zeitraum dreimal die Bezugspreise erhöht werden.

Dorothea Hirschfeld hatte 1919 die Zentralstelle und den Deutschen Verein verlassen, um eine beeindruckende Karriere in der Ministerialverwaltung der Weimarer Republik zu begin- nen (vgl. Schmitt 2012). Ab 1919 nannte das Impressum neben Christian Jasper Klumker (für die Redaktion verantwortlich) Hermann Hog (1881–1937), den neuen Geschäftsführer des Deutschen Vereins, als für die Nachrichten verantwortlich.

1920 erschien an dieser Stelle Wilhelm Polligkeit, der Hog als Geschäftsführer abgelöst hatte.

Der 22. Jahrgang 1921 bedeutete das Ende der „Zeitschrift für das Armenwesen“. In der ersten Ausgabe, die wieder drei Mo- nate umfasste, fragte Herausgeber Klumker: „Was ist unsere nächste Aufgabe?“ Unter Bezug auf Münsterberg beklagte er,

„daß wir für theoretische Fragen des Armenwesens keinen rechten Sinn mehr haben; unsere Erörterungen gehen auf Arbeitsformen und -einrichtungen“ (Klumker 1921, 1). Ange- sichts der Aufbruchstimmung zur Reorganisation des Für- sorgewesens in den Anfangsjahren der Weimarer Republik mahnte Klumker die fachliche Gründlichkeit an, mit der der Deutsche Verein 40 Jahre zuvor angetreten war:

„Es fehlt an wissenschaftlicher Arbeit, die die tieferen Zu- sammenhänge aufgedeckt hätte, es fehlt eine gründliche Erforschung der Armutszustände, es fehlt eine eingehende Schilderung der Fürsorgearbeit selbst und ihrer Wir kun- gen“ (ebd., 2).

Er wollte die Zeitschrift in diesem Sinne umgestalten:

„Statt Berichten von Tagungen, Verhandlungen u. dgl.

und der Erörterung praktischer Tagesfragen, die schon der beschränkte Raum verbietet, sollen künftig Aufsätze erscheinen, die möglichst jenen Untersuchungen den Weg weisen. (…) Statt der zerstreuten Literaturangaben und Besprechungen sollen kleine Beiträge über wichtige Arbeiten von wissenschaftlicher und praktischer Be- deutung berichten. Ein vierteljährliches Erschei nen, wie es die Zeitverhältnisse erfordern, zwingt zur Begren zung des Stoffes“ (ebd., 3).

Klumker hatte keinen Erfolg mit seinem Konzept. Der ganze Jahrgang umfasste nur 166 Seiten und Ende 1921 wurde die Zeitschrift für das Armenwesen eingestellt.

3.2 Die „Soziale Praxis“

Der neue agile Geschäftsführer und bald auch Vorstand des Deutschen Vereins, Wilhelm Polligkeit, scheint sich nicht sonderlich für den Fortbestand der Zeitschrift für das Armen- wesen engagiert zu haben. Seine Vorstellung einer Vereinszeit- schrift wich vermutlich erheblich von Klumkers gediegener Vierteljahresschrift ab. Parallel zum Niedergang der „Zeitschrift für das Armenwesen“ nahm er allerdings zunächst das An- gebot der Zeitschrift „Soziale Praxis“ an, Nachrichten des Deutschen Vereins dort zu publizieren.

Die 1895 gegründete Wochenzeitschrift „Soziale Praxis“ galt als zentrales Organ der bürgerlichen Sozialreform im deut- schen Kaiserreich (Sachße/Tennstedt 2005, 58). Sie wurde seit 1897 von Ernst Francke (1852–1921), dem Mitbegründer der

„Gesellschaft für Soziale Reform“ herausgegeben. Er hatte Pol- ligkeit das Angebot gemacht, Berichte aus dem Deutschen Verein aufzunehmen. Im Doppeljahrgang 1919/1920 finden sich noch keinerlei Hinweise auf den Deutschen Verein. Ab dem Jahrgang 1921 veröffentlichten Polligkeit und die DV- Referentin und 1922 stellvertretende Geschäftsführerin Hilde Eiserhardt (1888–1955; siehe dazu Willing 2003) hingegen Fachartikel in der „Sozialen Praxis“, etwa zur „Zur gesetzlichen Reform der öffentlichen Armenpflege“ (Polligkeit 1921) oder

„Unterstützungswohnsitz oder Aufenthaltsprinzip?“ (Eiser- hardt 1921). Interessanterweise finden sich dort auch Beiträge von Dorothea Hirschfeld und Henni Lehmann, die Tochter des ersten DV-Vorsitzenden Wolfgang Straßmann – allerdings ohne inhaltlich Bezug auf den Deutschen Verein zu nehmen.

Ab 1921 enthielt die „Soziale Praxis“ in unregelmäßigen Ab- ständen die Rubrik „Deutscher Verein für öffentliche und priva- te Fürsorge“ neben Rubriken zu verschiedenen Arbeitsfeldern und der Rubrik „Gesellschaft für Soziale Reform“ in jeder Aus- gabe. In der Rubrik wurde zunehmend ausführlich über die

Dorothea Hirschfeld (1877–1966)

(©LABO Abt I – Entschädigungsbehörde)

(16)

Tagungen des Deutschen Vereins und seine Konzepte etwa zur Reform des Reichsjugendwohlfahrtgesetzes berichtet.

Nach dem Tod Ernst Franckes am 23. Dezember 1921 wurde Wilhelm Polligkeit in ein Herausgeberteam aufgenommen.

Der Titel der „Sozialen Praxis“ weist ab Heft 2.1922 Ludwig Heyde (1881–1961) als Schriftleitung und Herausgeber aus: „In Verbindung mit Dr. Käthe Gaebel – Dr. Heinz Marx – Dr. Wil- helm Polligkeit – Dr. Hans Heinrich Zissler“. Dies schien aber Polligkeits Aktivismus, mit dem er den Deutschen Verein nach seinen Vorstellungen entscheidend umgestaltete, nicht zu ge- nügen. Auch konzeptionell entsprach die „Soziale Praxis“ nicht seinen Ideen einer Vereinszeitschrift. Daher arbeitete er paral- lel am Aufbau eines eigenen Organs. Dass die Zusammen- arbeit mit der „Sozialen Praxis“ eine Übergangslösung war und nicht Polligkeits eigentlichen Ambitionen entsprach, geht aus seiner Erläuterung hervor, mit der er zwei Jahre später die erste gedruckte Nummer des „Nachrichtendienstes des Deut- schen Vereins“ einleitete:

„Gegenüber der ‚Soz. Praxis‘, die in enger Arbeitsgemein- schaft mit unserem Verein neben Aufsätzen sozialpo li­

tischen Inhalts seit längerer Zeit auch solche aus dem Ge- biete der Wohlfahrtspflege bringt und als das führende wissenschaftliche Organ für das Gesamtgebiet der Wohl- fahrtspflege betrachtet werden kann, grenzt sich der N. D.

so ab, daß er die wissenschaftliche Erörterung der Proble- me der ‚Soz. Praxis‘ überläßt und selbst Tatsachen- material, das für die Praxis von Wichtigkeit ist, veröffent- licht“ („Zur Einleitung“ 1922, 206 f.)

4. Die Gründung des „Nachrichtendienstes“

4.1 Der „Nachrichtendienst“ des Fachausschusses für städtisches Fürsorgewesen (1920–1922)

Parallel zur Nutzung der „Zeitschrift für das Armenwesen“ und der „Sozialen Praxis“ für die Veröffentlichung von Vereins- nachrichten gab der Fachausschuss für städtisches Fürsorge- wesen – unter Wilhelm Polligkeits Vorsitz – ab Februar 1920 einen eigenen monatlichen Nachrichtendienst heraus. In der ersten Ausgabe wurden dessen Aufgaben umrissen:

„Um den dem Fachausschuss für städtisches Fürsorge- wesen angeschlossenen Stadtverwaltungen Mitteilungen über wichtige Nachrichten auf dem Gebiete des städt.

Fürsorgewesens machen zu können, um zwischen ihnen einen anregenden Erfahrungsaustausch zu ermöglichen, beabsichtigen wir, das uns durch Umfragen zugehende Material zu einem, in zwangloser Folge erscheinenden

Nachrichtendienst zur Kenntnis zu bringen. Die heutige Nummer ist die erste dieser Art.

Es ist uns sehr damit gedient, wenn wir dauernd über ähnliche Fragen unterrichtet werden, auch für Anre­

gungen zu Ergänzungen und Aenderungen sind wir sehr zu Dank verpflichtet“ (Nachrichtendienst Nr. 1, 1).

Die erste Ausgabe des Nachrichtendienstes (1920)

Die Ausgaben Nr. 1 vom Februar 1920 bis Nr. 12 vom März 1921 waren auf dünnem Durchschlagpapier eng mit der Schreib- maschine beschrieben und hatten einen Umfang zwischen sechs und sechzehn Seiten. Die Ausgabe Nr. 13 vom April 1921 erschien hektografiert auf dickerem, doppelseitig eng be- schriebenen Papier. Diese Ausgabe enthielt bereits ein Inhalts- verzeichnis des ersten Jahrgangs. Nr. 14 war hektografiert, aber wiederum nur einseitig. Nr. 15 und 16 hingegen liegen nur auf Durchschlagpapier vor, erstmals mit durchlaufender Seitenzählung. Ab der Nr. 18 vom September 1921 wurde der Nachrichtendienst wieder einseitig, ab der Nr. 22 doppelseitig hektografiert. Dies stieß aber auf Protest der Leser/innen, die aufgrund des doppelseitigen Drucks nicht mehr einzelne Arti- kel ausschneiden und archivieren konnten. Ihnen wurde an- geboten, zum „Selbstkostenpreis von M. 5. – zuzügl. Porto“ ein zweites Exemplar zu beziehen (Nachrichtendienst Nr. 25, 165).

Der Ausgabe Nr. 24 war ein Inhaltsverzeichnis des „Jahrgangs 1921/22“ beigegeben, also der ersten 24 Ausgaben, die seit dem ersten Erscheinen fortlaufend gezählt wurden – unge ach- tet der Kalenderjahre.

Die Ausgabe Nr. 21 vom Januar 1922 war eine gedruckte klein- formatige Sonderausgabe zum Thema „Notstandsmaßnah- men für Sozialrentner und Kleinrentner“. Sie wurde zum Preis von 4,50 Mark vertrieben.

Im Nachrichtendienst Nr. 25 vom Mai 1922 erschien schließlich die entscheidende Ankündigung:

(17)

„An unsere Bezieher!

Mit der nächsten Nummer wird der N. D. des Fachaus- schusses für städ tisches Fürsorgewesen zu erscheinen aufhören und mit der dann folgenden Nummer der be- reits angekündigte Ausbau beginnen. Als ‚Nachrichten- dienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge‘ werden diese Mitteilungen künftig aktuelle Fra- gen und Aufgaben aus allen Arbeitsgebieten des Ver- eins behandeln und damit, wie wir hoffen, eine wesent li­

che Bereicherung erfahren.“ (Nachrich tendienst Nr. 25, 165).

Die letzte Ausgabe dieser Folge vom Juni 1922 enthielt schließ- lich noch eine Mahnung an die Bezieher, einer beschlossenen Beitragserhöhung zuzustimmen: „Wir erinnern daher noch einmal daran, dass die weitere Zustellung des N. D. von der Beitragsbewilligung abhängig gemacht werden muss.“

4.2 Der „Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge“ (ab 1922) Die Nr. 27 vom Juli 1922 war die erste gedruckte und unter dem Namen „Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öf- fentliche und private Fürsorge“ firmierende Ausgabe der Zeit- schrift. Die professionell gestaltete und in Frakturschrift ge- setzte Titelseite wies Wilhelm Polligkeit als Herausgeber und Hermann Habicht als verantwortlichen Schriftleiter aus. Be- reits ab der Nr. 32 vom Dezember 1922 wurde nur noch Pollig- keit als Herausgeber und als „Schriftleitung und Geschäfts- stelle“ die Adresse des Deutschen Vereins in der Frankfurter Stiftstraße 30 genannt.

Den Kopf der Zeitschrift zierte nun ein Logo. Es bestand aus den Buchstaben N – D – V, allerdings blieb das Kürzel „N. D.“

noch lange gebräuchlich. Erst infolge der Verwechslungs- gefahr mit dem 1946 gegründeten „Neuen Deutschland“ setz- te sich das Kürzel „NDV“ durch. Die Zählung der Ausgaben des

„Nachrichtendienstes“ des Fachausschusses für städtisches Fürsorgewesen wurde bis auf Weiteres fortgesetzt. Auch die Seitenzahlen wurden zunächst durchgezählt, über den Jahres- wechsel 1922/23 hinweg. Erst die Nr. 45 vom Januar 1924 be- gann wieder mit einer Seite 1.

Der Nachrichtendienst wurde den Mitgliedern des Deutschen Vereins unentgeltlich geliefert, allerdings mit Ausnahme der Einzelmitglieder, die einen Vorzugspreis von 25 Mark viertel- jährlich zahlen mussten. Für Nichtmitglieder betrug der Preis 30 Mark vierteljährlich – immerhin 10 Mark pro Ausgabe!

Eine gestalterische Besonderheit wurde den Beziehern gleich auf der ersten Seite präsentiert: Der Nutzung des Nachrichten- dienstes als „Archivzeitschrift“ sollte Rechnung getragen, zu- gleich aber die Seiten zweiseitig bedruckt werden. Die techni- sche Lösung wurde wie folgt erläutert:

„Jede Seite wird durch Abschlußstriche in genau gleiche Drittel geteilt. Ein Artikel setzt sich immer in demselben Drittel fort, in dem er begonnen ist. Umfaßt er beispiels- weise den Raum von zweidrittel Seiten und beginnt er im obersten Drittel der dritten Seite, so steht seine erste Hälf- te auf der dritten Seite, die zweite Hälfte auf der vierten Seite und zwar gleichfalls im obersten Drittel. Beim Zer- schneiden der Hefte ist stets genau den Abtrennungslinien entlang zu schneiden“ (Nachrichtendienst Nr. 27, 205).

Der erste gedruckte Nachrichtendienst (1922)

(18)

Zugestanden wurde, dass diese Anordnung „vom Leser einige Aufmerksamkeit fordert“, die wohl kaum zu ermessenden An- forderungen an den Setzer allerdings nicht erwähnt. Zusätz- lich wurde ein Archivplan in Aussicht gestellt, nach dem die Artikel des Nachrichtendienstes geordnet werden könnten.

Auch hierbei hatte sich die Schriftleitung große Ziele gesetzt:

„Um einen brauchbaren, nicht veraltenden Archivplan auf­

stellen zu können, glauben wir, das Gesamtgebiet der Wohlfahrtspflege nicht nach systematischen, sondern nach prak tischen Gesichtspunkten gliedern zu müssen“

(ebd.).

Der sogenannte Archivdruck wurde mit der Ausgabe 59 vom März 1925 wieder aufgegeben. Zuschriften aus dem Mitglieder- kreis hätten sämtlich die gleichen Gründe gegen die Anord- nung der Artikel angeführt: „daß dadurch das Lesen erschwert und die Uebersichtlichkeit sowohl in technischer wie auch in sachlicher Hinsicht stark gemindert werde“ (Nachrichten- dienst Nr. 59, 239). Fortan wurden die Beiträge fortlaufend im bis heute beibehaltenen zweispaltigen Satz gedruckt. Am Ende enthielten sie jeweils die Quellenangabe (etwa: „N. D.

67 – November 25“) sowie die Nummer zur Einordnung in den Archivplan.

5. Ausblick

Die Gründung einer eigenen Fachzeitschrift und eines Vereins- organs vor 100 Jahren war ein bedeutsamer Schritt bei der Transformation des Deutschen Vereins von einem bedächtigen Honoratiorenverein hin zu einem wichtigen Akteur bei der Ausgestaltung des Weimarer Fürsorgewesens dar. Das Format des NDV, das sich auch in Abgrenzung von seinen Vorgängern entwickelt hatte, hat sich als langfristig geeignet erwiesen, die wechselvolle Geschichte des Deutschen Vereins zu begleiten.

Literaturverzeichnis

„An die Leser und Mitarbeiter!“ (1912), in: Zeitschrift für das Armenwesen 13. Jg., , Nr. 2, S. 41.

Der Deutsche Verein für Armenpflege und Wohltätigkeit (1912):

Emil Münsterberg †, in: Zeitschrift für das Armenwesen 12. Jg., Nr. 2, S. 34–37.

Eiserhardt, H. (1921): Unterstützungswohnsitz oder Aufenthalts- prinzip?, in: Soziale Praxis, 30. Jg., Nr. 17, Sp. 457–461.

Klumker, C. J. (1921): Was ist unsere nächste Aufgabe?“, in:

Zeitschrift für das Armenwesen, 22. Jg., 1921, Nr. 1/3, S. 1–3.

Landes, C. (2016): Emil Münsterberg und die internationalen Aktivitäten des Deutschen Vereins, in: NDV, S. 41–46.

Polligkeit, W. (1921): Zur gesetzlichen Reform der öffentlichen Armenpflege, in: Soziale Praxis, 30. Jg., Nr. 4, Sp. 100–103.

Sachße, C./Tennstedt, F. (2005): Der Deutsche Verein von seiner Gründung bis 1945, in: Deutscher Verein (Hrsg.): Forum für Sozialreformen. 125 Jahre Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, Berlin, S. 17–115.

Schmitt, S. (2012): Dorothea Hirschfeld (1877–1966): die erste Geschäftsführerin des Deutschen Vereins, in: NDV, S. 39–45.

Schmitt, S. (2019): Vor 100 Jahren: der Deutsche Verein wird modern!, in: NDV, S. 433–439.

Stein, A.-D. (2019): Wilhelm Polligkeit und der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge – eine kritische Perspektive auf einen „Architekten“ der modernen Wohlfahrtspflege, in: NDV, S. 309–315, 353–358.

Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der 32. Jahres- versammlung des deutschen Vereins für Armenpflege und Wohl- tätigkeit am 17. und 18. September 1912 in Braunschweig (1913), München/Leipzig.

Willing, M. (2003): Hilde Eiserhardt (1888–1955): Leben und Werk einer deutschen Fürsorgejuristin, in: NDV, S. 355–363, 393–400.

„Zum Eintritt in das zweite Jahrzehnt“ (1910), in: Zeitschrift für das Armenwesen 11. Jg., Nr. 1, S. 1–3.

„Zur Einleitung!“ (1922), in: Nachrichtendienst Nr. 27, S. 206 f.

(19)

Manfred Kappeler

Zustimmung und Übereinstimmung:

der „Nachrichtendienst des Deut- schen Vereins“ im Jahr 1933

Teil 1

In diesem Beitrag wird gezeigt, wie im 14. Jahrgang, 1933, des Nachrichtendienstes (NDV) die Positionierung des Deutschen Vereins (DV) zum NS-Staat und seiner sozialrassistischen Bevölkerungspolitik markiert und öffentlich zum Ausdruck gebracht wurde (vgl. auch Deutscher Verein 2005; Willing 2005).

Eine notwendige Vorbemerkung: Es geht in diesem Beitrag um die Zustimmung von Repräsentant/innen der Wohlfahrts- pflege/Fürsorge zur sozialrassistischen Bevölkerungspolitik des Nationalsozialismus, um die Übereinstimmung mit den vom NS-Staat zur Realisierung dieser Politik durchgeführten

„Maßnahmen“ und um die praktische Beteiligung an dieser Durchführung. Die Darstellung dieser mittlerweile fast 90 Jahre zurückliegenden Vorgänge impliziert eine kritische Beurteilung des Denkens, Sprechens und Handelns der damaligen „Funk- tionseliten“ der Wohlfahrtspflege. Den heutigen Beurteilenden wird oft der Vorwurf der „moralischen Verurteilung“ gemacht:

Sie könnten von sich ja nicht wissen, ob sie unter den „Verhält- nissen“ von 1933 nicht genauso gedacht, gesprochen und ge- handelt hätten. Das stimmt. Niemand, der heute die men- schen verachtende Praxis des NS-Regimes verurteilt, kann wissen, ob sie/er sich nicht daran beteiligt hätte, wenn sie/er damals schon gelebt hätte. Der Vorwurf enthält eine sehr ernst zunehmende Warnung vor einer moralischen Überheb- lichkeit der „Nachgeborenen“ (Brecht). Die ihn erheben, gehen aber implizit davon aus, dass es nicht möglich sei, in einem historischen Rückblick das Handeln (zu dem auch das Spre- chen und vor allem das Schreiben gehört) der sich im jewei- ligen „Zeitgeist“ und den jeweiligen „Verhältnissen“ bewe- genden Akteur/innen an heutigen ethischen Maßstäben zu messen und zu beurteilen. Dieser impliziten Annahme muss widersprochen werden, denn sie beruht auf einer Relativie- rung von persönlicher Verantwortung für das eigene Handeln und der Übernahme von Verantwortung gegenüber den Opfern.

1. Taktische Zurückhaltung in den ersten Wochen der Hitler-Regierung

Am Nachmittag des 30. Januar 1933 wurde Hitler vom Reichs- präsidenten zum Reichskanzler ernannt. Die vom Vorsitzenden des DV, Wilhelm Polligkeit, formulierte Übereinstimmung mit der „nationalen Erhebung“ und seine Zustimmung zu den Zie- len der von Hitler geführten Regierung wurden erst im April/

Mai-Heft des NDV veröffentlicht. Anscheinend wurde zunächst abgewartet, wie sich das Regime festigen würde. In der Aus- gabe Februar/März 1933, dem ersten Heft des NDV nach der Machtübergabe an Hitler, sind die Texte in ihrer Diktion im Ganzen etwas vorsichtiger, z. B. in dem Nachruf auf das am 19. Februar 1933 gestorbene Vorstandsmitglied Dr. Horion (NDV 1933, 34).

Als es nach dem „Boykott jüdischer Geschäfte, jüdischer Ärzte und Anwälte“ am 1. April 1933 und dem Erlass des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ mit dem

Prof. Dr. Manfred Kappeler Sozialpädagoge, Kinder- und Jugend- lichenpsychotherapeut, lehrte Sozial- pädagogik an der TU Berlin.

(20)

„Arierparagraphen“ am 7. April 1933 kaum Proteste gegeben hatte, konnten sich die Nationalsozialisten und die mit ihnen sympathisierenden Organisationen und Personen sicher sein, dass die „nationale Revolution“ ihren Fortgang nehmen würde. Von diesem Zeitpunkt an war auch für den DV eine tak- tische Zurückhaltung nicht mehr erforderlich. Im Gegenteil:

Jetzt konnten Übereinstimmung und Zustimmung vorbehalt- los geäußert werden, verbunden mit der Hoffnung, dafür vom

„neuen Staat“ bzw. seiner Führung honoriert zu werden.

2. Auflösung der demokratisch gewählten Gremien, Durchsetzung des „Führerprin- zips“ und programmatischer Leitartikel

Im Mai 1933 wurde im NDV folgende von Polligkeit unter- zeichnete Erklärung „An die Mitglieder unseres Vereins“ ver- öffentlicht:

„Von dem ernsten Willen beseelt, auch die Arbeit im Deut- schen Verein für öffentliche und private Fürsorge in den Dienst der nationalen Erhebung und des Aufbauwerkes der Reichsregierung zu stellen, hat unter dem 24. März ds.

Js. eine Reihe von Vorstandsmitgliedern den Antrag ge- stellt, in Verfolgung dieses Zieles zunächst die Organe des Vereins (Vorstand und Hauptausschuß) neu zu bilden. Mit allen gegen eine Stimme hat daraufhin der Vorstand unter Niederlegung seiner Aemter mir bis auf weiteres die Funktion des Vorstandes im Sinne der Vereinssatzung übertragen und mich zugleich beauftragt, zu gegebener Zeit die Neuwahl des Vorstands und Hauptausschusses des Vereins in die Wege zu leiten (…)“ (NDV 1933, 66).

Mit der Formulierung „im Dienst der nationalen Erhe bung“ be- kundet Polligkeit für den DV den Willen zur Zusammenarbeit mit dem Nationalsozialismus. Die Formulierung „Aufbauwerk der Reichsregierung“ impliziert die Auffassung, dass die Sozial- politik des demokratisch ver- fassten Staates der Weimarer Republik (WR) die Gesellschaft zerstört habe, die es nun wie- der „aufzubauen“ gelte. Dass

diese Mitarbeit von „ernstem Willen beseelt“ sein soll, be- deutet, dass sie mit dem Kopf und dem Herzen bejaht wird.

Die Namen der „zahlreichen Mitglieder“, die aus den Gremien des DV zwischen dem 30. Januar und dem 24. März 1933 „aus- geschieden“ waren, werden nicht genannt. Es handelte sich um Vertreter/innen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und der Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden (ZWST) sowie um in der Wohlfahrtspflege der WR prominente jüdische und sozialdemokratische Persönlichkeiten. Was „ausgeschieden“

bedeutet, bleibt unklar. Man kann davon ausgehen, dass es sich um Frauen und Männer der Wohlfahrtspflege handelte, von denen die „Antragsteller“ glaubten, dass sie den Macht- zentren der „nationalen Erhebung“ und der neuen „Reichs- regierung“ aus politischen und/oder „rassischen“ Gründen nicht genehm waren und ihnen in vorauseilendem Gehorsam nahegelegt wurde, „freiwillig“ den DV zu verlassen. Es wurde ein „Überleitungsausschuß“ aus zehn Männern gebildet, acht davon waren Mitglieder der NSDAP (Stein 2019, 312). Polligkeit wurde für unbestimmte Zeit faktisch zum Allein-Bestimmer im DV gemacht. Da er auch als alleiniger Herausgeber des NDV entscheiden konnte, welche Texte mit welchen Auffassungen im DV-Organ veröffentlicht wurden, war seine Machtposition unbegrenzt. Anne-Dore Stein schrieb zu diesen Vorgängen:

„Alle Füh rungspositionen beim DV wurden auf das Führer- prinzip umgestellt“ (ebd.).

Im NDV 4/5, 1933, veröffentlichte Polligkeit einen programma- tischen Artikel, in dem er die „neuen Aufgaben“ und „neuen Möglichkeiten“ der Wohl fahrts pflege sowie ihre Bedeutung für das „Aufbauwerk“ darstellt:

„Nach langen Jahren tiefer Enttäuschung durchzieht eine Welle neuen Hoffens und des Glaubens an eine bessere Zukunft unser Volk. Mit aller Wucht ist der Wille zum Durch- bruch gelangt, gegen die inneren und äußeren Mächte anzukämpfen, die den Wiederaufstieg Deutschlands niederhalten. Dieser Wille zur Gegenwehr allein schon ist ein Erfolg. (…) Adolf Hitler, der Führer der nationalen Re- volution, hat unserem Volk dieses Vertrauen in seine eige- ne Kraft wiedergegeben. Der fortschreitenden Auflösung

Wilhelm Polligkeit (1876–1960)

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Insbesondere regt die Geschäftsstelle an, Art. 23 EGBGB beizubehalten und damit für die Anknüpfung der Zustimmung des Kindes und eines Elternteils das Heimatrecht des Kindes

durch die Verknüpfung von „Cash and Care Leistungen“ 13 können bei einem angespannten Wohnungsmarkt finanzielle Risiken für die Leistungserbringer durch angemieteten

Bereits im Eckpunktepapier hat der Deutsche Verein die Überprüfung der star- ken steuerrechtlichen Ausrichtung derzeitiger Familienpolitik gefordert. Die ak- tuelle Vermischung

1.2.4 Handlungsfeld „Verbesserung der Steuerung des Systems der Kinder- tagesbetreuung“ – § 2 Satz 1 Nr. 8 KiQuEG-E das Handlungsfeld „Verbesserung der Steuerung des Systems

Küchen und Küchenausstattung, zur Verfügung (vgl. Diese Intention beider Gesetze begrüßt die Geschäftsstelle des Deutschen Vereins ausdrücklich, mahnt aber zugleich an, dass

Nur soweit Gefangenen eine solche, den Gegebenheiten der Welt außerhalb des Strafvollzugs möglichst entspre- chende Arbeit nicht angeboten und zugewiesen werden kann, sollen ihnen

Dies gilt auch in den Fällen, in denen für das Kind oder den Jugendlichen weder Hilfe zur Erziehung noch Eingliederungshilfe gewährt wird oder die Pflegepersonen nicht der

14 Die durchschnittlichen Kosten in Zuverdienstfirmen für den Sozialhilfeträger betragen lediglich zwi- schen 7.800,− (nach einer Musterkalkulation der BAG Integrationsfirmen)