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Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Einbeziehung von Strafgefangenen in die gesetz - liche Rentenversicherung

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Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Einbeziehung von Strafgefangenen in die gesetz - liche Rentenversicherung

Die Empfehlungen (DV 7/16) wurden am 15. Juni 2016 vom Präsidium des Deutschen Vereins verabschiedet.

Soziale Sicherungssysteme und Sozialr echt

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Mit der Verabschiedung des Strafvollzugsgesetzes im Jahr 1976 hatte der Deut- sche Bundestag beschlossen, dass ein Bundesgesetz die Einbeziehung von Ge- fangenen in die gesetzliche Rentenversicherung regeln soll. Dieses Bundesge- setz wurde jedoch bis heute nicht verabschiedet. Die Konferenz der Justizminis- terinnen und Justizminister hat sich des Themas angenommen und in ihrer Frühjahrstagung am 17./18. Juni 2015 den Strafvollzugsausschuss der Länder gebeten, Grundlagen und Auswirkungen einer Einbeziehung von Strafgefange- nen und Sicherungsverwahrten in die gesetzliche Rentenversicherung zu prü- fen. Den Bericht hierzu hat die Konferenz der Justizministerinnen und Justizmi- nister auf ihrer Frühjahrstagung am 01./02. Juni 2016 zur Kenntnis genommen und die Finanzministerkonferenz (FMK) und die Arbeits- und Sozialministerkon- ferenz (ASMK) gebeten, die im Bericht dargestellten Modelle hinsichtlich ihrer finanziellen Auswirkung in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der beteiligten Fachkonferenzen näher zu prüfen und zu bewerten. Die Konferenz der Justiz- ministerinnen und Justizminister tagt wieder am 17. November 2016. Der Deut- sche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. bringt mit den folgenden Empfehlungen seine Position hierzu ein.

Der Deutsche Verein nimmt die Befassung der Justizministerkonferenz zum An- lass, auf die im Strafvollzugsgesetz in Aussicht gestellte Einbeziehung von Straf- gefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung hinzuweisen. Der Deutsche Verein empfiehlt dem Gesetzgeber

• Strafgefangene in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen und hierzu ein entsprechendes Bundesgesetz zu verabschieden,

• in diesem Gesetz niederzulegen, dass der Anknüpfungspunkt für die Leis- tung von Beiträgen jede im Vollzugsplan festgelegte und gegen Arbeitsent- gelt geleistete Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung sowie gegen Ausbildungsbeihilfe geleistete Teilnahme an einer Berufsausbil- dung, beruflichen Weiterbildung oder anderen ausbildenden oder weiterbil- denden Maßnahmen ist,

• mit diesem Gesetz sicherzustellen, dass im Strafvollzug geleistete Arbeit in Anbetracht der zur Bemessung ungeeigneten geringen Verdienste der Ge- fangenen vollständig – d.h. sowohl der Arbeitgeber- als auch der Arbeitneh- merbeitrag – in einer angemessenen Höhe der Bezugsgröße getragen wird.1 Aufgrund der landesrechtlichen Kompetenz im Strafvollzug bedarf ein solches Gesetz der Zustimmung der Länder. Der Deutsche Verein appelliert an die Län- der, einem Bundesgesetz zur Einbeziehung von Strafgefangenen in die gesetz- liche Rentenversicherung zuzustimmen.

Begründung

Die Mehrzahl der Strafgefangenen arbeitet während der Haft. Sie tun dies, weil ihnen eine Arbeit in einem strafanstaltseigenen Betrieb angeboten und auf ih- ren Antrag oder mit ihrer Zustimmung zugewiesen wurde oder weil ihnen diese

1 Die Regelungen zur Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung sollen sich auch auf Straftäter/-innen in Siche- rungsverwahrung beziehen.

Ihr Ansprechpartner im Deutschen Verein:

Andreas Krampe.

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durch die Haftanstalt verpflichtend zugewiesen wurde.2 Nur im offenen Vollzug ist ein Beschäftigungsverhältnis auf Grundlage eines privatrechtlichen Arbeits- vertrages bei einem privaten Arbeitgeber außerhalb der Haftanstalt möglich.

Die Zuweisung von Arbeit in Haft entspricht dem gesetzlich verankerten Anglei- chungs- und Gegensteuerungsgrundsatz (§ 3 StVollzG).3 Strafgefangenen im geschlossenen Vollzug ist der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt, bedingt durch die Haft verschlossen. Dem Angleichungsgrundsatz folgend übernimmt Arbeit im Strafvollzug deshalb die Funktionen, die der Erwerbsarbeit außerhalb des Vollzugs für den Einzelnen und für die Gemeinschaft zukommen (Produkti- on von Produkten oder Dienstleistungen, Erzielung von Einkommen, Erhalt und Förderung individueller Beschäftigungsfähigkeit, soziale Absicherung, kulturelle und technische Gestaltung der Umwelt). Wirtschaftlich unproduktive, abstump- fende oder erschöpfende Arbeiten erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Dem Gegensteuerungsgrundsatz folgend muss die Arbeit zugewiesen werden, da die Eingehung eines privatrechtlichen Arbeitsvertrags mit einem Arbeitgeber im geschlossenen Vollzug ausgeschlossen ist. Nur soweit Gefangenen eine solche, den Gegebenheiten der Welt außerhalb des Strafvollzugs möglichst entspre- chende Arbeit nicht angeboten und zugewiesen werden kann, sollen ihnen eine arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung, wie Hilfstätigkeiten in der Haftanstalt zugewiesen werden (§ 37 Abs. 3-4 StVollzG).

Da und insoweit Strafgefangene unter öffentlich-rechtlicher Verantwortung der Vollzugsbehörden arbeiten, unterliegen sie der Versicherungspflicht in der ge- setzlichen Sozialversicherung erst dann, wenn der Gesetzgeber sie hierin aus- drücklich einbezieht. Diese Einbeziehung hatte der Gesetzgeber mit Beschluss des Strafvollzugsgesetzes im Jahr 1976 vorgesehen (§§ 190-193, 198 Abs. 3 StVollzG) und für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung und der Ar- beitslosenversicherung umgesetzt (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB VII, § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III).

Die im Strafvollzugsgesetz ebenfalls vorgesehene Einbeziehung der Strafgefan- genen in die gesetzliche Rentenversicherung (§§ 190, 198 Abs. 3 StVollzG) wurde bislang nicht umgesetzt. Der Grund hierfür ist, dass die Bundesregierung und die Landesregierungen in einem durchgeführten Vermittlungsverfahren zwischen Bundesrat und Bundestag hierzu keine Einigung erzielen konnten, nachdem der Deutsche Bundestag den Entwurf des diesbezüglichen vorgesehe- nen Bundesgesetzes am 13. Mai 1980 bereits angenommen, der Bundesrat dem jedoch nicht zugestimmt hatte.4

Der Deutsche Verein spricht sich dafür aus, die im Strafvollzugsgesetz in Aus- sicht gestellte Einbeziehung von Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenver- sicherung (§§ 190, 198 Abs. 3 StVollzG) nunmehr umzusetzen.

2 Die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug liegt seit der Föderalismusreform 2006 bei den Ländern. 12 Bundes- länder haben die im Strafvollzugsgesetz normierte Arbeitspflicht beibehalten (§ 41 StVollzG). In vier Bundesländern gibt es diese Arbeitspflicht nicht mehr (Stand August 2015, Niedersächsischer Landtag, 17/4087). Das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) gilt in den Bundesländern, die (noch) kein eigenes Landesstrafvollzugsgesetz verabschiedet haben.

3 Demnach ist das Leben im Strafvollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich anzugleichen. Die Ge- fangenen sollen dadurch auf das Leben nach ihrer Haftentlassung vorbereitet werden. Schädlichen Folgen des Freiheits- entzuges ist entgegenzuwirken. Dieses soll den Gefangenen die spätere (Wieder)eingliederung in die Gesellschaft er- leichtern (Vermeidung von Hospitalisierung). Der Angleichungs- und Gegensteuerungsgrundsatz des Strafvollzugs ist in den Strafvollzugsgesetzen aller Bundesländer gesetzlich verankert.

4 Siehe hierzu BT-Drs. 13/9329.

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Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Arbeitspflicht im Straf- vollzug festgestellt, dass der Gesetzgeber aus Resozialisierungsgründen die Verrichtung von Pflichtarbeit auch in der Weise anerkennen kann, dass er die Gefangenen in den Schutz der sozialen Sicherungssysteme einbezieht.5 Die Ein- beziehung von Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung stellt demnach keine Privilegierung, sondern ein Mittel der Resozialisierung dar.

Weiterhin sollen Strafgefangene, die im Strafvollzug arbeiten, einer Beschäfti- gung nachgehen oder ausbildend lernen, dem gesetzlichen Angleichungs- und Gegensteuerungsgrundsatz des Strafvollzugs zufolge dies unter Bedingungen tun, die der betrieblich organisierten Arbeit außerhalb der Haftanstalt soweit als möglich entsprechen. Hierzu gehört auch, dass sich Strafgefangene wie regulär Beschäftigte durch ihre Arbeit eine rentenrechtliche Anwartschaft erarbeiten können.

Schließlich führt die Sozialgerichtsbarkeit in ihrer Rechtsprechung an, dass eine gesetzliche Rentenversicherung bei Arbeit in Haft dann nicht zum Zuge kommt, wenn es sich nicht um ein freiwillig eingegangenes Beschäftigungsverhältnis handelt.6 Da nunmehr in einigen Bundesländern keine Arbeitspflicht mehr be- steht, sind Rechtsunsicherheiten für die Praxis der sozialversicherungsrechtli- chen Bewertung darüber zu befürchten, ob die Arbeiten in Haft in diesen Län- dern auch weiterhin – aufgrund der Zuweisung und ihrer öffentlich rechtlichen Form – von der Versicherungspflicht auszuschließen sind, oder – aufgrund der Freiwilligkeit – eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auslösen. Die Einbeziehung von Strafgefangenen, die gegen Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe im Strafvollzug tätig sind, in die gesetzliche Renten- versicherung würde hier Rechtssicherheit herstellen und einem zu befürchten- den Auseinanderdriften der rentenrechtlichen Absicherung arbeitender und ausbildend lernender Strafgefangener in Deutschland entgegenwirken.

Aufgrund der geringen Höhe des Arbeitsentgeltes im Strafvollzug – die Stun- densätze überschreiten zwei Euro nicht – können Strafgefangene eine ins Ge- wicht fallende rentenrechtliche Anwartschaft im Strafvollzug nur dann erarbei- ten, wenn sie auf der Basis eines fiktiven Arbeitsentgelts versichert werden.7 Damit Arbeit im Strafvollzug tatsächlich einen Beitrag dazu leisten kann, eine Abhängigkeit von Leistungen der Grundsicherung im Alter zu vermeiden, spricht sich der Deutsche Verein dafür aus, das fiktive Arbeitsentgelt in einer angemessenen Höhe der Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) festzulegen.8 Um die Mög- lichkeiten des Ansparens angesichts der geringen Höhe des Arbeitsentgeltes

5 BVerfGE 98, 169.

6 LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. April 2007, L 21 R 1362/05, LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. August 2008, L 4 R 67/08.

7 Das Arbeitsentgelt arbeitender Strafgefangener kann gestuft werden. Das Maximum – die sogenannt „Eckvergütung“ – liegt bei 9% der Bezugsgröße (§§ 43, 200 StVollzG). Je nach Landesrecht dürfen 75 % des Eckwertes nicht oder nur dann unterschritten werden, wenn Arbeitsleistungen den Mindestanforderungen nicht genügen (§ 43 Abs. 2-3 StVollzG).

Diese Regelung wurde eingeführt, nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 1. Juli 1998 die damals geltende Höhe von 5 % der Bezugsgröße als nicht mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Resozialisierung vereinbar erklärt hat (BVerfGE 98, 169). Am 24. März 2002 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die jetzigen

§§ 43 und 200 StVollzG noch verfassungsgemäß sind (BVerfG 2002, 30).

8 Strafgefangene, die während des Strafvollzugs arbeiten oder eine Ausbildung machen, sind in der Arbeitslosenversiche- rung versicherungspflichtig (§ 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III). Als Beitragsbemessungsgröße hierfür werden 90 % der Bezugs- größe in der Sozialversicherung nach § 18 SGB IV zugrunde gelegt (§ 345 Nr. 3 SGB III). Ein fiktives Arbeitsentgelt in dieser Höhe beträgt 2.615 € (Alte Bundesländer) bzw. 2.268 € (Neue Bundesländer und Berlin Ost) im Monat für das Jahr 2016 (Siehe: § 2 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2016 vom 30. November 2015, BGBl. I S. 2137).

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nicht weiter einzuschränken, sollen die Beiträge vollständig vom Arbeitgeber getragen werden.

Die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wären von den Justizbehör- den der Länder als Arbeitgeber/innen der arbeitenden Strafgefangenen zu ent- richten und damit von der Allgemeinheit der Steuerzahler/innen zu tragen.

Langfristig sollte deshalb angestrebt werden, die entgeltliche Bewertung der Arbeit im Strafvollzug nach Verfahren und Maßstäben vorzunehmen, die der Erwerbsarbeit außerhalb des Strafvollzugs vergleichbar sind. Insoweit hieraus eine Erhöhung des Arbeitsentgeltes resultiert, würde dies die arbeitenden Straf- gefangenen in die Lage versetzen, den Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung in Teilen oder gegebenenfalls in gleicher Weise selbst zu tragen, wie dies bei Arbeitnehmer/innen der Fall ist, die vergleichbare Tätigkeiten außerhalb des Strafvollzugs ausüben. Dies setzt voraus, dass erzielte Gewinne aus der Arbeit in Haft so in die strafanstaltseigenen Betriebe sowie Ausbildung zurückgeführt werden, dass eine Erhaltung und weitere Entwick- lung der Produktivität der Arbeit und Ausbildung im Strafvollzug ermöglicht wird.

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Impressum

Herausgeber:

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.

Michael Löher, Vorstand Michaelkirchstr. 17/18 10179 Berlin

www.deutscher-verein.de

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.

– seit über 130 Jahren das Forum des Sozialen

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. ist das gemeinsame Forum von Kommunen und Wohlfahrtsorganisationen sowie ihrer Einrichtungen, der Bundesländer und von den Vertretern der Wissenschaft für alle Bereiche der sozialen Arbeit und der Sozialpolitik. Er begleitet und gestaltet durch seine Exper- tise und Erfahrung die Entwicklungen u.a. der Kinder-, Jugend- und Familienpo- litik, der Sozial- und Altenhilfe, der Grundsicherungssysteme, der Pflege und Rehabilitation.

Der Deutsche Verein wird gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

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