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Entscheidungen - Folgenabwägung gebietet keine sofortige Freilassung eines Sicherungsverwahrten - Überwiegen der mit einer Entlassung aus dem Maßregelvollzug verbundenen Gefahren im Hinblick auf das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit

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Academic year: 2022

Aktie "Entscheidungen - Folgenabwägung gebietet keine sofortige Freilassung eines Sicherungsverwahrten - Überwiegen der mit einer Entlassung aus dem Maßregelvollzug verbundenen Gefahren im Hinblick auf das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit"

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1 BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BVR 769/10 -

In dem Verfahren über

die Verfassungsbeschwerde des Herrn D ...,

gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 30. März 2010 - 1 Ws 116/10 -,

b) den Beschluss der Strafvollstreckungskammer Diez des Landgerichts Koblenz vom 26. Februar 2010 - 7 StVK 184/09 -

hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Voßkuhle,

den Richter Mellinghoff

und die Richterin Lübbe-Wolff

gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Be- kanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 19. Mai 2010 einstimmig beschlossen:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe:

1. Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zu- stand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Auch in einem Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden (vgl. BVerfGE 66, 39 <56>; stRspr). Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Etwas anderes gilt nur, wenn sich die Verfassungsbeschwerde von vornherein als unzulässig oder offen- sichtlich unbegründet erweist. Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerde- verfahrens muss das Bundesverfassungsgericht dagegen die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwer- de aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 87, 334 <338>; 89, 109 <110>; stRspr).

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dabei nur in Betracht, wenn die für den Erlass sprechenden Gründe deutlich überwiegen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Oktober 2008 - 2 BvR 236/08 -, NVwZ 2009, S. 103 <104>).

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5 2. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung bleibt aufgrund der gebotenen

Folgenabwägung ohne Erfolg. Die durch das - nach Ablehnung des Antrags auf Ver- weisung an die Große Kammer am 10. Mai 2010 nunmehr endgültige - Kammerurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde Nr. 19359/04) zur Sicherungsverwahrung aufgeworfenen Rechts- fragen werden im Hauptsacheverfahren zu klären sein.

a) Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich später die Verfassungs- beschwerde aber als begründet, so entstünde dem Beschwerdeführer durch die Fort- setzung der Freiheitsentziehung ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Ver- lust an persönlicher Freiheit (vgl. BVerfGE 22, 178 <180>; 84, 341 <344>). Die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten besonderes Gewicht (vgl. BVerfGE 65, 317 <322>; 104, 220 <234>;

BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Dezember 2009 - 2 BvR 2365/09 -, juris, Rn. 3).

b) Erginge die einstweilige Anordnung, wiese aber das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde später als unbegründet zurück oder gäbe ihr ohne die Folge einer Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Maßregelvollzug statt, so entstünden ebenfalls schwerwiegende Nachteile. Die Fachgerichte haben die Gefahr bejaht, dass der seit über 10 Jahren in der Sicherungsverwahrung befindliche Be- schwerdeführer - der 1996 unter anderem wegen versuchten schweren Menschen- handels, Körperverletzung, Freiheitsberaubung, sexueller Nötigung und Förderung der Prostitution strafgerichtlich verurteilt worden war - infolge seines Hanges erhebli- che Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Die Fachgerichte haben insoweit auf drohende Straftaten des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und ähnliche Delikte ab- gestellt. Diese Annahme ist nachvollziehbar begründet. In Anbetracht dessen und an- gesichts der Schwere der drohenden Taten überwiegt das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit gegenüber dem Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Voßkuhle Mellinghoff Lübbe-Wolff

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Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2010 - 2 BvR 769/10

Zitiervorschlag BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2010 - 2 BvR 769/10 - Rn. (1 - 5), http://www.bverfg.de/e/

rk20100519_2bvr076910.html

ECLI ECLI:DE:BVerfG:2010:rk20100519.2bvr076910

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