Sitzungstitel7 2013.0738 1
Der Grosse Rat des Kantons Bern
Le Grand Conseil du canton de Berne
Mittwoch (Nachmittag), 22. Januar 2014
Gesundheits- und Fürsorgedirektion
35 2013.0738 Motion 167-2013 Hügli (Biel/Bienne, SP) Asbest: Mehr Schutz für Bevölkerung und Asbest-Opfer
Vorstoss-Nr: 167-2013
Vorstossart: Motion
Eingereicht am: 05.06.2013
Eingereicht von: Hügli (Biel/Bienne, SP) (Sprecher/ -in)
Weitere Unterschriften: 16
Dringlichkeit:
Datum Beantwortung: 13.11.2013
RRB-Nr: 1518/2013
Direktion: GEF
Asbest: Mehr Schutz für Bevölkerung und Asbest-Opfer Der Regierungsrat wird beauftragt,
1. dafür zu sorgen, dass im Kanton Bern ein Register (Kataster) besteht, in dem alle as- besthaltigen Liegenschaften aufgeführt sind, und dass dieses ständig auf dem aktuellen Stand ist;
2. das kantonale Baugesetz dergestalt zu ändern, dass die Hauseigentümer bei Prüfung, Meldung und Sanierung bezüglich Asbest stärker in die Pflicht genommen werden;
3. darauf einzuwirken, dass bei Forderungen durch Opfer von asbestbedingten Krankhei- ten auf die Verjährungsfrist verzichtet wird.
Begründung:
Gebäude und technische Einrichtungen, die vor 1990 erstellt wurden, können asbesthaltig sein, da erst dann in der Schweiz Herstellung und Import verboten wurden. Abhängig von der Expositionsdauer und der Konzentration der lungengängigen Asbestfasern in der ein- geatmeten Luft – zum Beispiel bei der Arbeit in asbesthaltigen Liegenschaften – können sich nach ca. 10 bis 40 Jahren schwere Krankheiten manifestieren, wie die Asbeststaub- lunge (Asbestose), Lungenkrebs oder ein bösartiger Tumor des Brust- und Bauchfells (Ma- lignes Mesotheliom).
Zwischen 1939 und 2010 wurden 1491 Todesfälle aufgrund von durch Asbest verursach- ten, anerkannten Berufskrankheiten festgestellt. Da Asbest jedoch erst 1990 verboten wurde und die Krankheit auch erst 40 Jahre später erkenntlich sein kann, sind künftige Krankheitsfälle nicht auszuschliessen. Die zehnjährige Verjährungsfrist für diesbezügliche Forderungen ist deshalb nicht haltbar. Der Regierungsrat kann nun im Rahmen seiner Kompetenzen erreichen, dass auf die Anwendung der Verjährungsfrist bei Asbest-Opfern verzichtet wird.
Auch heute noch ist eine Asbest-Exposition möglich, zum Beispiel bei der Renovation von Liegenschaften. Deshalb ist es zum Schutz der Bevölkerung und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wichtig, dass der Kanton Bern ein Register führt, in dem asbesthaltige Liegenschaften verzeichnet sind. Dies reicht aber nicht: Das Register muss zwingend auf dem aktuellen Stand gehalten werden.
Schliesslich stehen auch die Hauseigentümer in der Verantwortung: Vor 1990 erstellte Häuser müssen auf Asbest geprüft werden, die Meldung einer allfälligen Asbesthaltigkeit muss gesetzliche Pflicht sein, und bei der Asbestsanierung hat der Hauseigentümer seine
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Verantwortung wahrzunehmen.
Antwort des Regierungsrats Zu Ziffer 1:
Die Bauarbeitenverordnung des Bundes und die SUVA-Vorschriften gewährleisten bei deren Einhaltung einen guten Schutz sowohl der Arbeitnehmenden wie auch der Bevölke- rung. Die BauAV verlangt, dass bei Asbestverdacht die Arbeitgeber die Gefahren einge- hend ermitteln und die damit verbundenen Risiken bewerten müssen. Zudem werden Bau- fachleute (Architekten, Bauführer, Elektriker, Maurer, Fliesenleger etc.) im Rahmen ihrer Ausbildung bezüglich Asbestproblematik geschult und die Bevölkerung wird durch die Bundesämter, die kantonalen Fachstellen, die SUVA und das FACH (Forum Asbest Schweiz) informiert und sensibilisiert. Das Kantonale Laboratorium ist Fachstelle Asbest des Kantons, führt Asbest-Analysen durch (ca. 1000 pro Jahr) und ist kantonale Auskunfts- und Beratungsstelle für Bürgerinnen und Bürger sowie für Baufachleute.
Bei intakter Oberfläche von asbesthaltigen Baumaterialien und wenn diese nicht mecha- nisch bearbeitet werden, stellt Asbest in Gebäuden keine Gesundheitsgefährdung dar.
Werden bei der Bearbeitung die heute geltenden Vorschriften eingehalten, besteht auch für Heimwerker/innen, Arbeitnehmende und die Bevölkerung kein zusätzliches Gesund- heitsrisiko. Die vielen Todesfälle im Zeitraum von 1939 bis 2010 und auch die noch heute jährlich zu beklagenden Asbest bedingten Todesfälle gehen alle auf den früheren, er- schreckend sorglosen Umgang mit Asbest zurück.
Zwischen 1930 und 1990 wurden im Kanton Bern laut Bundesamt für Statistik ca. 120 000 öffentliche und private Gebäude erstellt. In all diesen Gebäuden könnte Asbest verbaut worden sein. Der Aufbau und die Aktualisierung eines Katasters, welcher diese Gebäude auflistet und alle Asbestabklärungen und Sanierungen mit den entsprechenden Resultaten enthalten würde, wäre ein unverhältnismässiger administrativer Aufwand mit erheblichen Kostenfolgen. Ein solcher Kataster würde die Sicherheit punkto Asbest nicht erhöhen.
Eher wäre das Gegenteil der Fall: Asbesthaltige Baumaterialien können in einem Gebäude an den verschiedensten Stellen versteckt vorhanden sein. Auch mit der aufwändigsten Untersuchung kann nie abschliessend gesagt werden, ob ein Gebäude Asbest enthält oder nicht. Die Aussage, dass in einem Gebäude nur an definierten Orten Asbest gefun- den oder eben kein Asbest festgestellt wurde, kann somit kontraproduktiv sein. Dem Kan- tonalen Laboratorium sind im letzten Jahr zwei Fälle bekannt geworden, bei denen bei Sanierungsarbeiten, trotz vorheriger gründlicher Untersuchung, unerwartet Asbest zum Vorschein kam. Nur der Aufmerksamkeit und der Ausbildung der Baufachleute war es zu verdanken, dass die asbestverdächtigen Baumaterialien rechtzeitig erkannt und keine Ar- beitnehmenden gesundheitlich gefährdet wurden.
Ausbildung der Baufachleute und Information und Sensibilisierung der Bevölkerung sowie Stichprobenkontrollen vor Ort (SUVA) sind die Eckpfeiler einer zielorientierten und effizien- ten Risikoreduktion.
Zu Ziffer 2:
Auf Bundesebene bestehen hinreichende rechtliche Grundlagen (BauAV) und technische Normen (SUVA), bei deren Einhaltung die Sicherheit von Arbeitnehmenden und Bevölke- rung gewährleistet ist. Um diese Vorschriften durchzusetzen, hat der Kanton Bern ein Do- kument über Asbest in die Baugesuchsunterlagen integriert. Dieses Dokument orientiert die Bauherrschaft über die Asbestproblematik. Mit Unterschrift bestätigt die Bauherrschaft, alle geltenden Vorschriften und gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten. Ein solches Formular, welches sich auf die geltenden Bundesvorschriften stützt, ist wesentlich wir- kungsvoller als eine entsprechende Bestimmung in der kantonalen Baugesetzgebung.
In den Ausführungen zu Ziffer 1 wurde bereits dargelegt, weshalb es nicht sinnvoll ist, ei- nen Kataster zu führen und darin die Meldungen gemäss Ziffer 2 der Motion zu erfassen.
Zu Ziffer 3:
Der Regierungsrat weist darauf hin, dass auf Bundesebene Bestrebungen für eine Verein- heitlichung des Verjährungsrechts im Gang sind. Das Eidgenössische Justiz- und Polizei- departement (EJPD) wurde am 29. August 2012 vom Bundesrat beauftragt, eine Botschaft
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für eine Teilrevision des Haftpflichtrechts auszuarbeiten. Mit der geplanten Revision wird in erster Linie beabsichtigt, Geschädigte von Spät- und Langzeitschäden – und damit gerade auch Asbest-Opfer – besser zu schützen, indem namentlich die Verjährungsfristen verlän- gert werden sollen.
Der Regierungsrat unterstützt diese Bestrebungen, die auch den Anliegen des Motionärs entsprechen dürften. Dabei ist klarzustellen, dass die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts Sache des Bundes ist und die Kantone grundsätzlich nicht befugt sind, ergän- zende Vorschriften zum Bundeszivilrecht (wie beispielsweise eine Verlängerung der Ver- jährungsfristen) zu erlassen. Der Regierungsrat sieht daher keine Möglichkeit, auf einen Verjährungsverzicht bei Forderungen von Opfern asbestbedingter Krankheiten einzuwir- ken, wie vom Motionär gefordert.
Der Regierungsrat beantragt:
Ablehnung
Daniel Hügli, Biel (SP). Ich ziehe den Vorstoss in seiner Ganzheit zurück, will aber trotzdem ein paar Worte dazu sagen. Ich danke dem Regierungsrat für die Antwort und nehme mit Genugtuung zur Kenntnis, dass das Thema Asbest und dessen gesundheitsschädigende Folgen im Kanton Bern sehr ernst genommen wird und man sich professionell darum kümmert. Ich konnte auch feststellen, dass der Regierungsrat meine Forderung in Punkt 3 unterstützt, sich also für eine Verlängerung der Verjährungsfrist einsetzt. Ich werde am Thema bleiben und allenfalls einen weiteren Vorstoss ein- reichen.
Präsident. Der Vorstoss wurde zurückgezogen.