Anmerkungen zur weltweiten
Verknappung fossiler und atomarer Rohstoffe
Hans-Josef Fell Bundestags abgeord ne ter Bündnis90/Die Grünen hans-josef.fell@
bundestag.de
Die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien wird vor allem mit dem Klimaschutz begründet. Zunehmend tritt auch die Diskussion über Energieversorgungssicher - heit in den Vordergrund. Die in den letzten Jahren rasant gestiegenen Preise für konventio - nelle Energierohstoffe sind ein eindeutiges Indiz für die beginnende Verknappung.
Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris gilt als wichtigste Institution für die Analyse der Energieversorgung und Beratung in der Energie - politik. Doch die IEA geht trotz der bekannten Ressour cenverknappung in ihren Wachstums- prognosen von einem weiteren fast unbegrenz - ten Anstieg der Verfügbarkeit fossiler und atomarer Rohstoffe aus. Außerdem gibt sie die Wachstumsgeschwindigkeiten der erneuerbaren Energien immer noch weit unter den in den letzten Jahren realisierten Wachstumsraten an.
An den Energieszenarien der IEA sind also erheb liche Zweifel berechtigt. Es verdichten sich wissenschaftliche Erkenntnisse, dass die Verfüg - barkeit der konventionellen Rohstoffe von der IEA überschätzt und andererseits die Möglich - kei ten und Potenziale der erneuerbaren Energien völlig unterschätzt werden (Abb. 3). In den letzten Jahren zeigten sich vor allem beim Ölpreis starke Preissteigerungen, die von den meisten Ökonomen nicht korrekt vorausgesagt wurden. Die real eingetretenen Ölpreise lagen in den letzten Jahren immer deutlich über den Prognosen vom Anfang des Jahres.
Untersuchungen des Erdölgeologen-Netzwerkes ASPO (Association for the study of Peak Oil and Gas) oder der Energy Watch Group zeichnen ein völlig anderes Bild, als es die IEA und die Welt - energiekonzerne in ihren Szenarien aufzei gen.
Die Analysen der Erdölgeologen beruhen auf
Abbildung 1 UK field by field analysis: historische Daten 1975–1999;
2000–2010 Voraussage
143
1000 t Öl (incl. NGL)
aktuelle Werte einschließlich 05/2004
EUR: 32 Gb Forecast
History
Source: Department of Trade and Industry, 2000 and 2004 Forecast: LBST 2000
Not yet developed: 5 Gb 140 000
120 000
100 000
80 000
60 000
40 000
20 000
0
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010
2 Gb
3 Gb
20 Gb 5 Gb 1 Gb
anderen wissenschaftlichen Methoden, als die der Energieunternehmen und der IEA. So konnten sie in verschiedenen Regionen, wie am Beispiel Großbritannien dargestellt (Abb. 1), exakt den Verlauf der Erdölförderung voraus sagen.
Wie immer haben konventionelle Energiewirt - schaft und Regierungen die Prognosen der ASPO, zum Beispiel über das Erreichen des britischen Erdölpeak für das Jahr 2000 nicht gesehen und sogar ignoriert. Der schnell einge - tretene Rückgang der Erdölförderung ist seit Abbildung 2
GB Erdölproduktion
Abbildung 3
World Energy Outlook 2004/2005 – gesamte Primärenergie - versorgung
144
2006
Quelle: Department of Trade and Industry, Mai 2007 Forecast: LBST
160
140
120
100
80
60
40
20
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010
Forecast
Produktion in (million m3)
Mtoe
WEO 2004 WEO 2005 WEO 2005 – altern.
WEO 2005 – low invest
Other-WEO 2005 – alt Other-WEO 2005 Other-WEO 2004 Öl
2005
Quelle: Historical data – BP Statistical Review of World Energy Outlook – International Energy Agency 2004/2005 6000
5000
4000
3000
2000
1000
0
1965 1985 2005 2025
Nuclear (x3) hydro
20 Gb 5 Gb Jahr
Gas
Coal
Biomasse
2000 aber exakt der vorausgesagten Prognose gefolgt (Abb. 2). Die ASPO prognostiziert das Erreichen des weltweiten Fördermaximums auf etwa 2010, die Energy Watch Group datierte den Peak of Oil sogar auf 2006. Die Vorstel lun gen der chinesischen Wirtschaft über das Wachstum der Erdölförderung werden nicht mehr erfüllbar sein. In der Folge werden die Erdölpreise drastisch steigen (Abb. 4).
Erdgas wird die Lücke nicht füllen können. Die Verfügbarkeit von Erdgas im europäischen Pipe - lineverbund wird unter der Annahme konstanter
russischer und nordafrikanischer Lieferungen im Jahre 2020 eine Versorgungslücke von etwa 20 % aufweisen. Auch flüssiges Erdgas wird keine Lösung bringen, vor allem da es deutlich ineffi - zienter ist als Pipelinegas. Andererseits könnte Biogas, eingespeist von tausenden Biogas - anlagen entlang den europäischen Gaspipelines das europäische Erdgas ersetzen (Abb. 5).
Auch bei der Kohle sind bereits Preissteigerun - gen zu verzeichnen. Die Energy Watch Group hat aufgezeigt, dass auch bei der Kohle im kommenden Jahrzehnt mit Verfügbarkeitseng-
Abbildung 4
Kostenexplosion durch versiegende Ölquellen bei wachsendem Weltenergiebedarf
Abbildung 5 Einzugsgebiete für Bio-SNG-Anlagen (Substitute Natural Gas)
145
UVS e. V., Quelle: BGR 35
30
25
20
15
10
5
0
1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 Ölproduktion weltweit
Gigabarrel/Jahr
Kostenexplosion Ölbedar
f (Prognose)
pässen im weltweiten Handel zu rechnen ist (Abb. 6). So genannte CO2-freie Kohlekraftwerke (Carbon Capture and Storage, CCS), in denen das erzeugte CO2aufgefangen und gespeichert werden soll, verschlechtern aber den Wirkungs- grad der Kohleverstromung, sodass CCS-Tech- nologien die Kohleverknappungen zusätzlich beschleunigen würden.
Besonders deutlich sind die jüngsten Preissteige- rungen im weltweiten Uranhandel. Die Energy Watch Group konnte nachweisen, dass seit Anfang der 90er Jahre die Uranförderung etwa 40 % unter dem Verbrauch der etwa 440 Reak- toren der Welt liegt(Abb. 7). Im kommenden Jahrzehnt, wenn die Verarbeitung des russischen Waffenurans in den Kernreaktoren aufgebraucht Abbildung 6
Weltkohle-Produktion:
Peak 2030
Abbildung 7 Uranproduktion
146
M toe 5000
4000
3000
2000
1000
0
1950 2000 2050 2100
Jahr
kt Uranium 100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
1950 2000 2050 2100
Jahr
WEO 2006 Alternative Policy Scenario
WEO 2006 Reference Scenario
Constant Capacity as of 2005
Reasonably Assured Resources (RAR)
< 40 $/kg: 1,947 ktU Supply deficit 2006-2020:
180 – 260 kt Uranium Uranium Stocks:
appr. 200 kt Uranium
Fuel demand of reactors
RAR+IR
*)<
130
$/kgU:
4,743 ktU RAR
<130
$/kg:
3,296 ktU OECD North America
China
OECD Pacific OECD Europe
lignite bituminous
WEO 2006: Alternative Policy Scenario WEO 2006: Reference Scenario
bituminous bituminous
subbituminous
subbituminous bituminous bituminous
subbituminous
bituminous
lignite
lignite
lignite
Africa FSU lignite
East Asia
Asia South LA
sein wird, werden wahrscheinlich Uranengpässe für die Versorgung der bestehenden Reaktoren auftauchen. Die Nuklearenergie kann also keinen nennenswerten Beitrag leisten – weder für Klima schutz, noch für Energieversorgungs sicher - heit. Ihre Deckung von aktuell etwa 2,5 % der Weltenergienachfrage ist marginal und wird wegen des sich abzeichnenden Uranmangels wohl nicht gesteigert werden. Schnelle Brüter als Technologie zur Streckung der Uranreserven sind weltweit – trotz massiver Unterstützung der letzten 50 Jahre – kommerziell nicht verfügbar.
Eine erste Abschätzung der Verfügbarkeit aller konventionellen Rohstoffe lässt einen deutli chen Rückgang ab dem kommenden Jahrzehnt er - war ten (Abb. 8). Die Weltökonomie ist darauf nicht vor bereitet und wird deshalb größte ökono mi sche Probleme bekommen.
Der ForschungsVerbund Sonnenenergie (FVS) hat längst in umfangreichen Analysen nach- gewiesen, dass die Potenziale der erneuerbaren Energien ein viel Hundertfaches der aktuellen Weltenergienachfrage darstellen.
Abbildung 8
World Energy Scenario für fossile und nukleare Brennstoffe
Abbildung 9
Potenziale erneuerbare Energien und
Weltenergiebedarf (pro Jahr) Quelle: FVS
147
M toe 12000
10000
8000
6000
4000
2000
0
1930 1970 2010 2050 2090 Jahr
Coal/LBST
R/P=180 Jahre Gas/ASPO
Öl/ASPO Nuclear (x3)/LBST
2005
Data source: Oil, Gas, Colin Campbell/ASPO 2005 Coal-, Nuclear Scenario, LBST 2005
o S n n
enneergi e
w Erd
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ss Wa
rke
raftund Me
ere sen gie er
•
o Bi
m
asse
in W
neerdgi e
jährlicher Weltenergie- bedarf
Um diese Potenziale für Energieversorgungs- sicherheit und Klimaschutz zu erschließen, sind umfangreiche politische Maßnahmen erforder - lich. Diese Maßnahmen müssen konsequent weltweit umgesetzt werden, um schnelle Antworten auf Verknappung der Rohstoffe und Klimaveränderung geben zu können. Der Wis - senschaftliche Beirat globale Umweltverände - run gen der Bundesregierung (WBGU) hat in seinem Gut achten vom Februar 2007 nach - gewiesen, dass die Ausbaugeschwindigkeiten der Stromerzeugung aus erneuerbare Energien so schnell sind, dass weltweit zwei Drittel der Stromerzeugung bis 2025 aus erneuerbaren Energien kommen könnte.
Entscheidendes Politikinstrument dafür ist eine funktionierende Einspeisevergütung. Der Vergleich des britischen mit dem deutschen Windkraftausbaus zeigt die Überlegenheit der Einspeisevergütung gegenüber den in Groß bri - tannien bevorzugten Quoten- und Zertifikats - regelungen. Die Umsetzung der Vorschläge der EU-Kommission für die Einführung eines europaweiten Zertifikatshandels für erneuerbare Energien wäre damit sehr gefährlich für den weiteren Ausbau. Eine Umlegung des britischen Modells auf Europa wäre gleichzusetzen mit
einem drastischen Einbruch der Wachstumsrate für die Nutzungstechniken erneuerbarer Energien.
Dass fortlaufende positive Wachstumsraten aber keine Selbstläuferprozesse sind, zeigen die Markteinbrüche für neue Installationen für ver - schiedene erneuerbare Energien im deut schen Markt 2007 auf. Aufgrund von Versäumnissen und falschen Weichenstellungen der großen Koalition sind erhebliche Markteinbrüche bereits jetzt zu verzeichnen.
Ein schnelles Handeln für erneuerbare Energien entsprechend der oben dargestellten politischen Handlungsempfehlungen muss von der Bundes - regierung, der EU und weltweit schnell umge - setzt werden. Andernfalls lassen sich die Probleme der Ressourcenverknappung und der Klimaveränderung nicht mehr rechtzeitig lösen.
Der Wissenschaftliche Beirat globale Umwelt - verände run gen (WBGU) empfahl im Feb. 2007 der Politik: Bis 2025 können zwei Drittel der globalen Stromerzeugung aus erneuerbare Energien kommen, unter günstigen politischen Voraussetzungen.
Abbildung 10 Ausbau der Wind - energie: Vergleich Deutschland (Einspeise vergütung) und Großbritannien (Quoten- und Zertifikatsregelung)
148
MW 25000
20000
15000
10000
5000
0
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Zeit
Deutschland UK
Quelle:http://www.ewea.org