Mittwoch, 13. Juni 2012 1
Die Patientenverfügung
Gliederung
1.
Definition Patientenverfügung
2.
Gründe & Bedenken
3.
Christliche Patientenverfügungen
4.
Verbindlichkeit
5.
Form
6.
Persönliche Wertvorstellungen?
7.
Beispiele von Patientenverfügungen
8.
Häufige Fragen
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1. Definition
Mit der Patientenverfügung weist der Patient im Falle seiner Einwilligungsunfähigkeit
(Entscheidungsunfähigkeit) den Arzt an,
bestimmte medizinische Behandlungen nach seinen persönlichen Vorstellungen
vorzunehmen oder zu unterlassen. Generell kann empfohlen werden, eine
Patientenverfügung durch eine
Vorsorgevollmacht zu ergänzen.
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Vorsorgevollmacht
Bestimmung eines Bevollmächtigten als
„Stellvertreter“, für den zukünftigen Fall der eigenen Geschäftsunfähigkeit oder
Hilfsbedürftigkeit.
Je nach Umfang Regelung aller
Vermögensangelegenheiten als auch aller
Angelegenheiten in Gesundheitsfragen
Möglichkeiten der Patientenverfügung
Bereits im Voraus festlegbar, ob und wie man in bestimmten Situationen ärztlich behandelt werden möchte
trotz aktueller Entscheidungsunfähigkeit
Einflussnahme auf die ärztliche Behandlung und damit Wahren des Selbstbestimmungsrecht möglich
Äußerung von Bitten oder bloße Richtlinien für die behandelnden Ärzte, Ärztinnen aufnehmbar
Sinnvoll ist das Hinzufügen von persönlichen
Wertvorstellungen, Einstellungen zum eigenen Leben
und Sterben sowie religiöse Anschauungen
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Grenzen einer
Patientenverfügung
Oberste Grenze: Anweisung zu einer gezielten
Lebensverkürzung, d.h. zu einer aktiven Sterbehilfe
aktive Sterbehilfe: Verkürzung des verlöschenden Lebens durch eine aktive Einflussnahme auf den Krankheits- und Sterbeprozess vor Eintritt des Hirntodes
Grund: Ausführender begeht eine Straftat; aktive
Sterbehilfe ist gesetzlich verboten
Fehlerhafte Bezeichnung
Eine verbreitete, aber missverständliche
Bezeichnung ist auch Patiententestament, da es – anders als beim Testament– um eine
Verfügung geht, die nicht nach , sondern vor
dem Tod einer Person beachtet werden soll.
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2. Gründe & Bedenken
Mögliche Gründe:
Der Wunsch nach einem Behandlungsabbruch kann festgehalten werden
Der Wunsch auf Fortführung einer Behandlung und auf medizinische Maximalbetreuung kann niedergelegt werden
weitere Anweisungen:
Dürfen Bluttransfusionen vorgenommen
werden? Organtransplantationen erfolgen? Noch nicht zugelassene Medikamente eingesetzt
werden?
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Weitere mögliche Gründe
Entlastung unserer Mitmenschen; gerade derjenigen, die sich besonders um uns sorgen; denn nicht sie
müssen in einer oftmals sehr schwierigen Situation
herausfinden, was unser Wille gewesen sein könnte und über unser Leben oder Sterben zu entscheiden.
Ersparen von Selbstvorwürfen: „Habe ich genug gegen das Sterben des geliebten Menschen getan?“
Entlastung der behandelnden Ärzte, die ihr Berufsethos dazu verpflichtet, Leben zu retten, wann immer dies
möglich ist
Viele (ältere) Menschen haben Angst als Pflegefall wehrlos einer ungewollten
Behandlung ausgeliefert zu sein:
Sie wollen
als Pflegefall keine künstliche Ernährung, Beatmung oder auch keine Dialyse
nach einem Unfall mit sicherer Todesprognose nicht mit künstlichen Mitteln (Geräten,
Organspenden) am Leben erhalten
Um eventuell unnötig langes Leiden zu verhindern,
z. B. nach einem Schlaganfall
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Mögliche Bedenken
Festlegungen in einer Patientenverfügung bedeuten, dass man selbst die Verantwortung für die Folgen übernimmt, wenn ein Arzt den Wünschen entspricht
durch ein Festlegen auf einen Behandlungsverzicht: Verzicht auf das Weiterleben
Für Chance auf Weiterleben: möglicherweise Abhängigkeit und Fremdbestimmung
Eine Patientenverfügung kann die krankheitsbedingte Prognose eines Patienten verschlechtern.
Patientenverfügungen könnten bei den behandelnden Ärzten zu einer
„negativen therapeutischen Grundeinstellung" führen. Daraus könnte dann ein Selbstläufer werden, der die Prognose tatsächlich
verschlechtert. Dieser Effekt ist auch als "Futility"
(Aussichtslosigkeitsannahme) bekannt. In zwei Studien zeigte sich, dass bei Patienten mit einer schweren, intrazerebralen Blutung die
Annahme einer schlechten Prognose ein unabhängiger Risikofaktor für die tatsächliche Sterblichkeit und das neurologische Ergebnis war.
Christliche
Patientenverfügungen
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Mittlerweile ist eine große Anzahl verschiedener, auch christlich ausgerichteter Formulare im
Umlauf, die sich in Form, Inhalt und
Ausführlichkeit erheblich unterscheiden. Die Kirchen haben mit der von ihnen
herausgegebenen Christlichen
Patientenverfügung der vielfältig geäußerten Bitte Rechnung getragen, eine
Patientenverfügung zu entwickeln, die sich in
besonderer Weise dem christlichen Glauben
verpflichtet weiß.
Kann nicht nur von Christen benutzt werden, enthält aber
christliches Gedankengut zum Thema Sterbebegleitung (z.B.
Ablehnung aktiver Sterbehilfe) Grundgedanken:
Christinnen und Christen wissen sich im Tod von der Liebe Gottes umfangen.
Der Tod ist nicht das letzte Wort. Gottes Zusage gilt: Wir werden mit Christus auferweckt. Aus dieser Überzeugung heraus kann jede Christin und jeder
Christ sein Leben und Sterben in Gottes Hände legen. Wann oder wie
Christinnen und Christen sterben, überlassen sie Gott, der Herr über Leben und Tod ist.
Ausdruck der Mitverantwortung für unser Leiden und Sterben
Wer eine Patientenverfügung verfasst oder eine vorgefertigte
Patientenverfügung unterschreibt, erfüllt damit einen Dienst an sich selbst, aber auch an seinen Mitmenschen
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Wir weichen nicht ängstlich vor dem Gedanken zurück, dass auch wir einmal unser Leben auf dieser Erde werden beenden müssen
Die Patientenverfügung wird gelingen, wenn wir Martin Luthers Rat folgen:
„Befrage und erforsche dein eigenes Herz genau; dann wirst du wohl finden, ob es allein an Gott (ex solo Deo) hängt oder nicht.“ Im Vertrauen auf Gott können wir unsere Verantwortung für das Sterben mit einer
Patientenverfügung mitnehmen.
Christliche Hoffnung für das Leben gründet sich auf die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Der christliche Glaube schenkt uns die Gewissheit, dass es ein Leben nach dem Tode gibt. Die Zuversicht auf die Gegenwart Jesu Christi gibt Menschen den Mut, auch in den schwierigsten Situationen ihres Lebens Zeichen des kommenden Reiches Gottes wahrzunehmen und
weiterzugeben. So finden sie die Kraft, Menschen auf der letzten Wegstrecke ihres Lebens, dem Sterben, zu begleiten. Solches Begleiten macht die in
unserem Leben verborgene, aber dennoch wirksame Kraft des Heiligen
Geistes erfahrbar und zeigt: Auch im Sterben sind wir von Jesus Christus und seiner Gnade umfangen.
Die christliche PV bezieht sich ausschließlich auf sterbende Menschen. Der Verzicht auf
lebensverlängernde Maßnahmen könne nur für zwei Situationen verfügt werden:
für den unmittelbaren Sterbeprozess
und für den nicht behebbaren Ausfall lebenswichtiger Funktionen des Körpers, die (trotz Ernährung über die PEG) zum Tode führen.
Fälle anderer Menschen, wie z.B. bei schwersten
Hirnschäden, sollten nicht geregelt werden, da diese
Menschen keinen Sterbenden seien.
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Verbindlichkeit
Die Frage, ob dem in einer Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Wunsch entsprochen werden muss, ist nach wie vor
umstritten. Gegen eine Verbindlichkeit der Patientenverfügung wird immer wieder vorgebracht, diese sei kein Anhaltspunkt für den Willen eines Patienten in einer konkreten Situation, da diese meist in gesunden Tagen abgefasst wurde
denn in auswegslosen Situationen wachse oftmals die Hoffnung und damit gehe eine Willensänderung des Patienten einher
wenn in einer Patientenverfügung Festlegungen für ärztliche
Maßnahmen in bestimmten Situationen enthalten sind , sind diese bei einwilligungsunfähigen Patienten verbindlich, sofern die konkrete
Situation derjenigen entspricht, die der Patient in der Verfügung beschrieben hat und keine Anhaltspunkte für eine nachträgliche Willensänderung erkennbar sind
der Arzt/ die Ärztin MUSS diese Patientenverfügung beachten
Missachtung des Patientenwillens kann als Körperverletzung strafbar sein
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sofern keine konkrete Behandlungssituation in der Patientenverfügung bezeichnet ist, lässt sich den Grundsätzen der Bundesärztekammer entnehmen: „…. so hat der Arzt so zu handeln, wie es dem mutmaßlichen Willen des Patienten in der konkreten Situation
entspricht. Der Arzt hat den mutmaßlichen Willen aus den Gesamtumständen zu ermitteln.
Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen des Patienten können neben frühen Äußerungen seine Lebenseinstellung, seine religiöse Überzeugung, seine Haltung zu Schmerzen und schweren Schäden in der ihm verbleibenden Lebenszeit sein. In der Ermittlung des mutmaßlichen Willens sollen auch Angehörige oder nahe stehende
Personen als Auskunftspersonen einbezogen werden, wenn angenommen werden kann, dass dies dem Willen des Patienten entspricht“.
XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung vom 17. März 2003 betont, dass es die Würde des Menschen gebietet, ein im einwilligungsfähigem Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht (etwa in Form einer Patientenverfügung) auch dann noch zu
respektieren, wenn die Verfasserin oder der Verfasser der Patientenverfügung zu einer eigenverantwortlichen Entscheidung später nicht mehr in der Lage ist
Bundesärztekammer:„Patientenverfügungen sind verbindlich, sofern sie sich auf die konkrete
Behandlungssituationen beziehen und keine Umstände erkennbar sind, dass der Patient sie nicht mehr gelten lassen würde.“
Voraussetzungen zur Gültigkeit einer PV:
Erklärungen müssen freiverantwortlich, vor allem ohne äußeren Druck abgegeben werden
Patientenverfügung darf nicht widerrufen worden sein
Für den Fall, dass eine Patientenverfügung das Unterlassen von Maßnahmen bei einer Erkrankung vorsieht, die noch nicht in ein Stadium des
unumkehrbaren tödlichen Verlauf getreten ist, das Befolgen der
Patientenverfügung aber zum Tod führen würde, obwohl noch realistische Aussichten auf Heilung bestehen, ist nach derzeitiger überwiegender
Rechtsauffassung die Patientenverfügung für einen Betreuer/Bevollmächtigten nicht zwingend verbindlich, wenn der Wille des Patienten für die konkrete
Behandlungssituation nicht eindeutig und sicher festgestellt werden kann (BVerfG 1 BvR 618/93, Beschluss vom 2. 8. 2001).
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Form einer
Patientenverfügung
Eine besondere Form ist gesetzlich nicht vorgeschrieben
sie kann schriftlich oder mündlich erfolgen es müssen auch keine Zeugen dabei sein, oder auch eine Beglaubigung der Unterschrift durch einen Notar ist nicht mehr notwendig.
mündliche Äußerungen in der Praxis nur sehr schwer nachweisbar u.
werden daher oft nicht als Patientenverfügungen gezählt, deshalb:
besser: schriftliche Verfügung, da darin der Wille besser nachzuweisen ist
der eigene Wille wird bei einer schriftlichen Form eher beachtet
Verfasser der Patientenverfügung muss einsichts- und urteilsfähig sein, also über die geistige und sittliche Reife verfügen, über sein
Selbstbestimmungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten eigenverantwortlich bestimmen zu können
Aufbewahrung im Original. Nahe Angehörige sollten von der Existenz und dem Aufbewahrungsort Kenntnis haben, um die Patientenverfügung den behandelnden Ärzten zukommen zu lassen
in aller Regel kann ein Laie bei einer vollkommenen eigenständigen Formulierung der Patientenverfügung diese nicht juristisch korrekt
abfassen. Deshalb sollte man eine vorgefertigte Verfügung nehmen und diese mit eigenen Worten ergänzen
sonst kann einem die Verfügung selbst zum Verhängnis werden
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Beispiel:
„Ein alter Bäckermeister hatte verfügt, er wolle ab einem gewissen Grad gesundheitlicher Schädigung „keine Apparatemedizin“, die sein Sterben nur verhindern würde. Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahren
argumentierte der vom Vormundschaftsgericht bestellte
Verfahrenspfleger, die Magensonde (PEG) laufe hier ja nur als
„Tröpfel-Infusion“, werde also nicht über einen Automaten, eine
Maschine, so geführt. Die Sondennahrung würde nur durch Schwerkraft aus der Infusionsflasche über einen Schlauch in den Magen laufen. Dies sei nach seinem Verständnis von Physik und Medizin keine
Apparatemedizin. Deshalb sei diese Art der Ernährung auch durch die Patientenverfügung keineswegs verboten…“
bei diesem Beispiel fehlt z.B. eine Darstellung davon, welche
Zustände der Verfasser als lebensunwert empfindet. Auch der
Begriff Apparatemedizin ist sehr umstritten.
Persönliche
Wertvorstellungen?
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Festlegung eigener Wertvorstellungen als wichtige Ergänzung und Auslegungshilfe der Patientenverfügung
Man muss sich also für sich selbst klar werden, was man will, was man nicht will, was einem lebenswert erscheint und was nicht, wie die Einstellung zu künstlicher
Lebensverlängerung, zum Erleben von Leiden, zum Leben nach dem Tod ist
Denn, die in einer PV festgelegten Wünsche, wie man in kritischen
Krankheitssituationen medizinisch betreut wird, beruhen meist auf persönlichen Wertvorstellungen, Lebenshaltungen, religiösen Anschauungen, Hoffnungen oder Ängsten
um die Festlegungen in einer PV besser nachvollziehen zu können, kann es für das Behandlungsteam und für Bevollmächtigte, Betreuer sehr hilfreich sein, die
persönliche Auffassung dazu zu kennen v.a. wenn die konkrete Situation nicht genau der entspricht, die man in der PV geschrieben hat
eine schriftliche Form der eigenen Wertvorstellungen kann auch die Ernsthaftigkeit einer Patientenverfügung unterstreichen
Überlegungen zu eigenen Wertvorstellungen
Beziehen sich auf:
das bisherige Leben (wurde ich enttäuscht vom Leben? Würde ich es anders führen, wenn ich nochmals von vorne anfangen könnte? Bin ich zufrieden, so wie es war? …)
das zukünftige Leben (Möchte ich möglichst lange leben? Oder ist mir die
Qualität des Lebens wichtiger als die Lebensdauer, wenn beides nicht in gleichem Umfang zu haben ist? Welche Wünsche / Aufgaben sollen noch erfüllt werden?
Wovor habe ich Angst in Bezug auf Sterben? …)
eigene leidvolle Erfahrungen (Wie bin ich mit Krankheit oder Schicksalsschlag fertig geworden? Was hat mir in schweren Zeiten geholfen? …)
die Beziehungen zu anderen Menschen (Welche Rolle spielen Familie oder Freunde für mich? Kann ich fremde Hilfe gut annehmen? Oder habe ich Angst, anderen zur Last zu fallen?)
das Erleben von Leid, Behinderung, Sterben Anderer (Welche Erfahrungen habe ich damit? Löst das Angst bei mir aus? Was wäre für mich die schlimmste Vorstellung? …)
die Rolle der Religion im eigenem Leben (Was bedeutet mir mein Glaube angesichts von Leid und Sterben? Was kommt nach dem Tod …?)
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Beispiele von
Patientenverfügungen
Der Anfang einer PV:
„Wenn infolge einer Gehirnschädigung meine Fähigkeit, Einsichten zu gewinnen, Entscheidungen zu treffen und mit anderen
Menschen in Kontakt zu treten, nach Einschätzung zweier
erfahrener Ärzte (Dr. med. Hausarzt und Dr. med. Neurologe) aller Wahrscheinlichkeit nach unwiederbringlich erloschen ist, selbst wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist, oder wenn ich bereits infolge eines weit fortgeschrittenen
Hirnabbauprozesses nicht mehr in der Lage bin, Nahrung und
Flüssigkeit auf natürliche Weise zu mir zu nehmen, oder wenn
ich mich bereits im Endstadium einer unheilbaren Erkrankung
befinde, so treffe ich folgende Festlegungen:“
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Weitere Ausschnitte aus PV:
„Eine künstliche Ernährung soll unabhängig von der Form der künstlichen Zuführung der Nahrung (z.B. Magensonde durch Mund, Nase oder
Bauchdecke, venöse Zugänge) nicht erfolgen. Die künstliche
Flüssigkeitszufuhr soll nach ärztlichem Ermessen reduziert werden.“
„Ich möchte, wenn möglich, in einem Hospiz sterben und dort geistlichen Beistand meines Heimatpfarrers oder, wenn dies nicht möglich ist, den Beistand durch einen Pfarrer der evangelisch- reformierten Kirche.“
„In Situationen, die in dieser Patientenverfügung nicht konkret geregelt sind, ist mein mutmaßlicher Wille möglichst im Konsens aller Beteiligten zu
ermitteln. Dafür soll diese Patientenverfügung als Richtschnur maßgeblich
sein. Die letzte Entscheidung über anzuwendende oder zu unterlassende
ärztliche / pflegerische Maßnahmen liegt bei meinem Bevollmächtigten.“
Häufige Fragen zum
Thema
Patientenverfügung
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1. Kann ich meine Familienangehörigen nicht automatisch vertreten?
Nein. Wenn der Betroffene über 18 ist und Ihnen keine Vollmacht ausgestellt hat, müssen Sie erst von einem Amtsrichter als Betreuer eingesetzt werden. Sie sind dann dem Richter über Ihre Handlungen Rechenschaft schuldig. Der Richter kann sich nach eigenem Ermessen auch für einen anderen Betreuer entscheiden.
2. Muss eine Patientenverfügung handschriftlich abgefasst sein?
Nein, aber sie sollte aus einem individuellen Text bestehen, der eigenhändig mit Datum zu unterschreiben ist.
3. Muss eine Patientenverfügung notariell beglaubigt sein?
Nein, aber es sollte der zugrunde liegende freie Wille und die Ernsthaftigkeit Ihrer Auseinandersetzung mit diesen Fragen bezeugt werden. Das kann durch einen Arzt oder eine beratende Person erfolgen, die möglichst nicht als Bevollmächtigter
eingesetzt ist.
4. Wie lange gilt eine Patientenverfügung?
Es gibt darüber keine gesetzliche Bestimmung. Je älter sie jedoch ist, desto eher kann Ihnen unterstellt werden, Sie könnten evtl. Ihre Meinung geändert haben. Als
Faustregel gilt in der Praxis: Nicht älter als zwei Jahre.
5. Sind Ärzte an meine Patientenverfügung gebunden?
Ja, wenn Sie auf die konkrete Situation anwendbar ist und keine Anzeichen bestehen, dass Sie Ihren Willen geändert haben.
6. Kann ich meine Patientenverfügung widerrufen?
Ja, jederzeit.
7. Wo sollte ich meine Patientenverfügung aufbewahren?
Wo sie mit Sicherheit zeitnah gefunden wird. Das kann bei Ihnen zu Hause sein oder bei der bevollmächtigten Person. Eine Kopie sollten Sie evtl. Ihrem Hausarzt überlassen und eine weitere der von Ihnen bevollmächtigten Person. Wenn Sie in ein Krankenhaus oder eine Pflegeeinrichtung gehen, sollten Sie dort auch eine Kopie Ihrer
Patientenverfügung vorlegen. Sie können ein Exemplar auch bei der Bundeszentrale für Patientenverfügungen des Humanistischen
Verbandes Deutschlands hinterlegen und ein Hinweiskärtchen auf das Vorliegen einer Patientenverfügung mit Informationen über Ihre Bevollmächtigten bei sich führen.
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8. Wie lange dauert es, bis ich meine Patientenverfügung erhalte?
Das hängt im Wesentlichen davon ab, welche Patientenverfügung Sie haben wollen und wie Sie sie in Auftrag geben:
1. Die kostenlose Ankreuzvariante können Sie sofort als PDF-Datei
herunterladen, ausfüllen und unterschreiben. Es ist empfohlen, sie dann zusätzlich bestätigen lassen.
2. Eine online in Auftrag gegebene Standard-Patientenverfügung kann am
nächsten Werktag bearbeitet werden. Als Normal markierte Aufträge werden in der Reihenfolge bearbeitet in der sie eintreffen. Als Notfall markierte Aufträge werden vorgezogen und möglichst am gleichen Tag zur Post gegeben. Eilige Aufträge werden bearbeitet, wenn keine Notfälle mehr vorliegen und i. d. R. am nächsten Tag abgeschickt. Alle anderen werden z. Zt. innerhalb einer Woche bearbeitet.
3. Ein Auftrag, der uns per Post erreicht, muss zunächst auf Plausibilität geprüft und dann erfasst werden, was ein bis zwei Tage dauern kann. Dazu kommen dann die unter 2. genannten Bearbeitungszeiten.
9. Muss die Patientenverfügung vom Arzt oder einer Beratungsstelle bestätigt werden?
Es gibt keine gesetzliche Regelung, die eine Bestätigung vorschreibt. Sie wird
allerdings empfohlen, um zu dokumentieren, dass sie die Patientenverfügung ohne Druck und im Vollbesitz Ihrer geistigen Kräfte erstellt haben. Die Bestätigung durch einen Arzt oder eine Beratungsstelle dokumentiert zusätzlich, dass und wo sie sich haben beraten lassen.
10. Müssen die Verfasser einer Patientenverfügung 18 Jahre alt sein oder können auch schon Jugendliche eine verfassen?
Natürlich kann auch eine minderjährige Person eine Patientenverfügung verfassen. Bis zur Volljährigkeit sind allerdings die gesetzlichen Vertreter
automatisch bevollmächtigt deren Willen zu vertreten. Besondern wenn es sich um die Durchsetzung eines Behandlungsverzichts oder -abbruchs bei einer
minderjährigen Person handelt, die nicht mehr Einwilligungsfähig ist, kann eine Patientenverfügung hilfreich sein.
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11. Muss eine Patientenverfügung mit einem Arzt besprochen werden?
Zurzeit gibt es keine gesetzliche Vorschrift, die das fordert. Es wird allerdings empfohlen, sich vor dem Erstellen einer Patientenverfügung von einem Arzt oder einer anderen fachkundigen Person beraten zu lassen. Dies gilt besonders, wenn Sie bereits unter einer Erkrankung leiden, die zu einem frühzeitigen Tod führen kann. Zu wissen, was einen am Ende erwarten kann, hilft dann bei der
Beantwortung der Fragen welche Behandlungen gewünscht werden und welche nicht. Die wenigsten Menschen in unserer Gesellschaft haben persönliche
Erfahrungen mit dem Sterben, da kann Aufklärung schon hilfreich sein.
Die Beratung vor dem Erstellen der Patientenverfügung ist also in Ihrem eigenen Interesse. Darüber hinaus wirkt Ihre Patientenverfügung fundierter, wenn Sie angeben, dass Sie sich haben beraten lassen und die Patientenverfügung am Ende von dieser Person bestätigt wurde.
Bitte haben Sie Verständnis, wenn Ihr Arzt Sie bittet, das Gespräch privat zu bezahlen, denn die Krankenkassen lassen ihn dies nicht abrechnen.
ENDE
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Literaturangaben
Putz, W./ Steldinger, B. : Patientenrechte am Ende des Lebens.
München. 2003
Bittler, J. : Patientenverfügungen und andere Vorsorgemöglichkeiten.
So entscheiden Sie über Ihre Leben autonom. Regensburg, Berlin.
2005
Bittler/ Rudolf: Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung. Bonn. 2000
http://www.bmj.de/media/archive/1184.pdf
http://www.ekd.de/patientenverfuegung/cpv_1.html
http://www.trauernetz.de/1014.php
Patientenverfügung aus
medizinischer Sicht
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Patientenverfügung: Inhalte
Was soll in bestimmten Krankheitssituationen an medizinischen und pflegerischen Maßnahmen geschehen, was soll unterbleiben?
Welche persönliche Einstellung zur Endlichkeit des Lebens und zu den
Interventionsmöglichkeiten der modernen
Medizin prägt meine Wünsche zur Behandlung
am Lebensende?
Patientenverfügung: Inhalte Festlegungen für Vorgehen
in der unmittelbaren Sterbephase
im Endstadium einer unheilbaren, zum Tode führenden Erkrankung
bei schwerer Hirnschädigung mit irreversibler Bewusstlosigkeit (z.B. „Wachkoma“)
bei fortgeschrittener Demenz mit Störungen der
Nahrungsaufnahme
Mittwoch, 13. Juni 2012 43
Warum Patientenverfügung?
Rasanter Fortschritt medizinischer Interventionsmöglichkeiten
Manipulierbarkeit des Todeszeitpunkts
Unsicherheit über angemessene Haltung zur Frage der Endlichkeit des Lebens
Veränderungen in der Arzt – Patient – Beziehung
Patienten-Selbstbestimmung vs. ärztliche Fürsorgepflicht
Sterben und Tod in der Menschheitsgeschichte
Moderner Mensch mit natürlichem
Ablauf von Krankheit und Tod seit ca. 40.000 Jahren
Medizinisch wirksame Eingriffe
bei potentiell tödlicher Krankheit seit ca. 150 Jahren
Interventionsmöglichkeit im
Ablauf des Sterbeprozesses seit ca. 40 Jahren
Langfristige Ernährung
bei komatösen Zuständen seit ca. 20 Jahren
Mittwoch, 13. Juni 2012 45
Endlichkeit des Lebens?
Zitat:
„Death is a series of preventable diseases“
William Haseltine, Chairman Human Genome Sciences
[nach D. Callahan(2000): New Engl. J. Med. 342,654]
Ärztliche Entscheidungen am Lebensende
sind bislang nicht verbindlich geregelt, sondern sind weitestgehend dem persönlichen Gusto des jeweils behandelnden Arztes
überlassen:
den veränderbaren medizinischen Behandlungsregeln,
seinen ethischen Vorstellungen,
seinem Glauben,
seiner Weltanschauung.
Die „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen
Sterbebegleitung“ v. 07.05.2004 sind zwar diesbezüglich ein Fortschritt, jedoch in sich widersprüchlich und unentschieden.
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Behandlungsentscheidungen beim
selbstbestimmungsfähigen Patienten: Probleme
Fürsorgepflicht
Vorrangiges Gebot der Lebenserhaltung
Unwiderruflichkeit einer Entscheidung, lebenserhaltende Maßnahmen zu unterlassen / abzubrechen
Ärztlicher Paternalismus
Definition „Selbstbestimmungsfähigkeit“
Entscheidungsfähigkeit in der Akutsituation?
Abgrenzung zur Suizidalität
Definition und Beurteilung von Suizidalität
Delegation der Verantwortung
Behandlungsentscheidungen beim selbstbestimmungsfähigen Patienten
„Bei einwilligungsfähigen Patienten hat der Arzt die durch den
angemessen aufgeklärten Patienten aktuell geäußerte Ablehnung einer Behandlung zu beachten, selbst wenn sich dieser Wille nicht mit den aus ärztlicher Sicht gebotenen Diagnose- und
Therapiemaßnahmen deckt.
Das gilt auch für die Beendigung schon eingeleiteter lebenserhaltender Maßnahmen.
Der Arzt soll Kranken, die eine notwendige Behandlung ablehnen, helfen, die Entscheidung zu überdenken.“
(Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung v. 07.05.2004, IV)
Mittwoch, 13. Juni 2012 49
Behandlungsentscheidungen beim nicht einwilligungsfähigen Patienten: Kann eine Patientenverfügung die ärztliche
Entscheidungsverantwortung ersetzen?
Fürsorgepflicht und Garantenstellung des Arztes
Grenze zur unterlassenen Hilfeleistung?
Konkrete Entscheidungssituation eindeutig bestimmt?
Hinreichende Aufklärung erfolgt?
Welche Faktoren prägen den „freien Willen“?
Liegen Mutmaßungen zur Lebensqualität zugrunde?
Anhalt für Meinungsänderung des Patienten?
Kann der Patient über das Handeln des Arztes verfügen?
Behandlungsentscheidungen beim nicht einwilligungsfähigen Patienten
„Bei einwilligungsunfähigen Patienten ist die in einer
Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachte Ablehnung einer Behandlung für den Arzt bindend, sofern die
konkrete Situation derjenigen entspricht, die der Patient in der Verfügung beschrieben hat, und keine
Anhaltspunkte für eine nachträgliche Willensänderung erkennbar sind.“
(Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung v. 07.05.2004, IV)
Mittwoch, 13. Juni 2012 51
Behandlungsentscheidungen beim nicht einwilligungsfähigen Patienten
„Maßnahmen zur Verlängerung des Lebens dürfen in Übereinstimmung mit dem Willen des Patienten
unterlassen oder nicht weitergeführt werden, wenn diese nur den Todeseintritt verzögern und die Krankheit in
ihrem Verlauf nicht mehr aufgehalten werden kann.“
(Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung v. 07.05.2004, I)
Verlauf einer Akuterkrankung
Akutphase: Prognose nicht beurteilbar
Maximaltherapie, ggfs. parenterale Ernährung
Prolongiertes Stadium mit unsicherer Prognose
Diagnostik zur Prognoseerhärtung
Abstimmung im Behandlungsteam
Ermittlung des Patientenwillens unter Beiziehung von Angehörigen und Rücksprache mit Hausarzt
Chronische Phase: schlechte Prognose zeichnet sich ab
Palliativmedizin: Änderung der Zielsetzung (Leidensminderung statt Lebensverlängerung)
Mittwoch, 13. Juni 2012 53
Behandlungsziele in der Palliativmedizin am
Lebensende
[nach H. Brody et al. (1997) New Engl. J. Med. 336:652] Wohlbefinden:
Minderung/Ausschaltung von Leiden
Minderung/Beendigung belastender medizinischer Maßnahmen:
z. B. Blutentnahmen, schmerzhafte Wundpflege
Sicherung der Kommunikation
Gewährung eines raschen, sicheren Todes
Patienten – Wünsche für das Lebensende
Grundsätzlich:
Leidensminderung
Begleitung
Erleichterung des Sterbens
In der konkreten Situation:
Beschränkung der Therapie auf Palliativmaßnahmen
ggfs. Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen
ggfs. bei unerträglichem Leiden ärztliche Hilfe zum Suizid im vertrauten Umfeld (sehr selten)
ggfs. bei nicht mehr selbst durchführbarem Suizid ärztliche Hilfe zur Lebensbeendigung (extrem selten)
Mittwoch, 13. Juni 2012 55
Brauchen wir eine Patientenverfügung (PV)?
Auch eine wohl überlegte und gut dokumentierte PV ist kein Garant für ein Sterben „in Stille und Würde“!
Wollen wir dem Patientenwillen gegenüber dem ärztlichen Paternalismus – mehr als bisher – Geltung verschaffen, ist eine sorgfältig abgefasste PV unverzichtbar!
Dann aber bedarf es zusätzlich einer eindeutig formulierten gesetzlichen Verankerung über Form und Gültigkeit
einer PV!
Gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen:
Bedenken contra
„Jede gesetzliche Regelung mindert die persönliche Betroffenheit und damit die
Verantwortungsbereitschaft des Arztes“
Felix Anschütz (persönliche Mitteilung)
Mittwoch, 13. Juni 2012 57
Gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen:
Bedenken pro
„Sollen wir wirklich den Arzt bewundern, der darauf wartet, dass die Natur ihren Gang geht, und nicht
den, der dabei hilft, dass der Vorhang fällt? Sollte es nicht wirklich einfach nur darum gehen,
sicherzustellen, dass das Leben einschließlich seines letzten Abschnitts angenehmer verläuft?“
Simon Blackburn: Gut sein – eine kurze Einführung in die Ethik
Vorsorgevollmacht
Mittwoch, 13. Juni 2012 59
Vorsorgevollmacht: Allgemeines
Vorweggenommene Bestimmung eines Vertreters für einen genau bezeichneten Aufgabenbereich
Ersatz für Sachwalterschaft
Vorteile
Vertreter kann selbst bestimmt werden
Bestimmte Entscheidungen können im vorhinein festgelegt werden;
zB welches Heim
Österreich
Seit 1.7.2007: Regelung in §§ 284f-h ABGB
vorher
verbindlich für Rechtsgeschäfte: §§ 1002 ff ABGB
unklar bei wichtigen Angelegenheiten: Heilbehandlung
Allgemeine zivilrechtliche Vollmacht:
§§ 1002 ff ABGB
Kann formlos erteilt werden
Voraussetzung: Geschäftsfähigkeit
Sowohl beim Vollmachtgeber als auch beim Bevollmächtigten
Erlischt durch Verlust der Geschäftsfähigkeit grundsätzlich nicht
Dann ist aber die Bestellung eines Sachwalters erforderlich, weil der Vollmachtgeber den Bevollmächtigten nicht mehr überwachen kann;
stRsp; aA LG Feldkirch 10.8.2006)
Rechtsgeschäfte; bei medizinischen Behandlungen und Wohnortänderung umstritten!
Vertretungsfeindlichkeit höchstpersönlicher Rechtshandlungen
§§ 1002 ff und §§ 284f-h ABGB gelten nebeneinander
Mittwoch, 13. Juni 2012 61
Vorsorgevollmacht: Voraussetzungen (1)
Konkrete Nennung der Angelegenheiten
Aber: Im Zweifel erfasst eine Vollmacht alle Vertretungshandlungen, die die „Natur bestimmter Angelegenheiten“ mit sich bringt
Gattungs- und Einzelvollmacht für bestimmte Angelegenheiten erforderlich
Gattungsvollmacht: Veräußerung von Sachen; Anleihen oder Darlehen aufnehmen; Geld entgegennehmen; Prozesse führen;
Vergleiche schließen
Einzelvollmacht: Erbschaft unbedingt annehmen oder ausschlagen;
Gesellschaftsverträge errichten; Schenkungen vornehmen; Rechte unentgeltlich aufgeben; im Rahmen einer allgemeinen Vollmacht reicht für diese Geschäfte auch ein Gattungsvollmacht; für
Bankgeschäfte reicht in der Regel eine Gattungsvollmacht
Vorsorgevollmacht: Voraussetzungen (2)
Höchstpersönlichkeit
Keine Erstellung durch Vertrauensperson oder Sachwalter
Geschäftsfähigkeit
Bei rechtsgeschäftlichen Angelegenheiten
Einsichts- und Urteilsfähigkeit
Bei höchstpersönlichen Angelegenheiten
Medizinische Behandlung, Wohnortänderung
Wer beurteilt die Geschäfts- sowie die Einsichts- und Urteilsfähigkeit ?
Vertreter darf in keinem Naheverhältnis mit der Betreuungsinstitution stehen
Sonst Vollmacht nach §§ 1002 ff ABGB
Mittwoch, 13. Juni 2012 63
Vorsorgevollmacht für einfache Angelegenheiten
Alle Maßnahmen außer
Einwilligung in schwerwiegende medizinische Behandlungen
dauerhaften Änderung des Wohnortes,
Außerordentliche Vermögensangelegenheiten
3 Arten
Eigenhändige Vorsorgevollmacht
eigenhändig schriftlich + Unterschrift
Fremdhändige Vorsorgevollmacht
Eigenhändig unterschrieben
3 unbefangene Zeugen, die nicht bevollmächtigt werden dürfen
Ohne Unterschrift
Notarielle Beurkundung
Notariatsakt
Vorsorgevollmacht für wichtige Angelegenheiten (§ 284f ABGB)
Vertretungshandlungen umfassen auch
die Einwilligung in medizinische Behandlungen, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden sind (§ 283 Abs 2);
die dauerhafte Änderung des Wohnortes;
Vermögensangelegenheiten, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören.
Angelegenheiten müssen ausdrücklich bezeichnet werden (Gattungsvollmacht)
Muss vor einem Rechtsanwalt, einem Notar oder bei Gericht erstellt werden
Identitätsfeststellung
Belehrung über Folgen und Widerrufsmöglichkeit
Dokumentation der Belehrung durch Unterschrift des Belehrenden auf der Vollmachtsurkunde
Mittwoch, 13. Juni 2012 65
Wirksamwerden
Verlust der
Geschäftsfähigkeit
Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder
Äußerungsfähigkeit
Auch anderer Zeitpunkt kann festgelegt werden
Beurteilung durch Bevollmächtigte/n
Ärztliches Zeugnis nur für Registrierung im ÖZVV erforderlich
Bevollmächtigter bedarf auch bei wichtigen
Angelegenheiten keiner gerichtlichen Genehmigung
Subsidiarität der Sachwalterschaft
(§ 284g iVm § 268 Abs 2) Nur wenn sich Bevollmächtigter zur Ausübung verpflichtet (Bevollmächtigungsvertrag)
Pflichten des Beauftragten nach den §§ 1002 ff ABGB
Geschäftsbesorgungspflicht
Kern der Leistungspflicht ist das vertraglich Vereinbarte
Treuepflicht
Wahrung der Interesse des Auftraggebers
Gehorsamspflicht
Weisungen sind einzuholen und zu befolgen
Verschwiegenheitspflicht
Herausgabepflicht
Fortführungspflicht
Rechnungslegungspflicht
Mittwoch, 13. Juni 2012 67
Pflichten des Beauftragten
nach § 284h ABGB (1)
Vollmachtsinhalt ist entscheidend
Befolgung von Anweisungen, die in der Vollmacht erteilt werden
Auch wenn sie dem objektiven Wohl widersprechen
Subjektiver Wille zählt
Auch Willensäußerungen nach Verlust der Geschäftsfähigkeit sowie der Einsichts- und Urteilsfähigkeit sind zu beachten
Sie gehen dem Vollmachtsinhalt vor, wenn sie dem Wohl der Person nicht weniger entsprechen als die Anweisung in der Vollmacht
Pflichten des Beauftragten
nach § 284h ABGB (2)
Wunschermittlungspflicht
aktive Handlungspflicht
ebenso wie Sachwalter
Kann subjektiver Wille nicht festgestellt werden muss das (objektive) Wohl des Bevollmächtigten bestmöglich gefördert werden
materielle Aspekte sind nicht vorrangig
Mittwoch, 13. Juni 2012 69
Rechte der/s Beauftragten
Vollmachtsinhalt ist entscheidend
Entgelt nach Vereinbarung
Aufwandersatz
für notwendigen und nützlichen Aufwand
objektive ex-ante-Betrachtung
auch bei fehlgeschlagenem Erfolg
Vorschuss auf Verlangen
Recht auf Information
über wichtige und für die Geschäftsführung notwendige Angelegenheiten
Schadenersatz
bei Verschulden des Bevollmächtigten
für jeden mit der Erfüllung des Auftrages verbundenen Schaden
Beendigung der Vollmacht (1)
Widerruf durch Vollmachtgeber
Jederzeit möglich
Geschäfts- bzw Einsichts- und Urteilsfähigkeit nicht erforderlich, Äußerungsfähigkeit reicht
Widerruf muss konkret und ernstlich sein
Allgemeine zivilrechtliche Vollmacht bleibt (§§ 1002 ff ABGB)
Überwachungssachwalter erforderlich; aA LG Feldkirch
Entscheidungsfähigkeit gegeben
Alle Vollmachten erlöschen
Kein Sachwalter, weil Person selbst entscheidungsfähig
Mittwoch, 13. Juni 2012 71
Beendigung der Vollmacht (2)
Durch Tod; ausgenommen
Geschäfte, die sich ohne offenbaren Nachteil für die Erben nicht unterbrechen lassen (Fortführungspflicht; § 1025 ABGB)
Vollmachtsverhältnisse, die gerade für den Tod des Vollmachtgebers begründet wurden (§ 1022)
Widerruf durch (Überwachungs)Sachwalter
Wenn es zu seinem Wirkungskreis zählt
Erfüllung
Insbesondere bei Einzelvollmacht
Fristablauf bei zeitlicher Begrenzung
Konkurs von Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem (§ 1024 ABGB)
Registrierung im ÖZVV
(Österreichisches Zentrales Vertretungsregister)
Register nach der Notariatsordnung; § 140h NO
Österreichische Notariatskammer
Registrierung
der Vorsorgevollmacht
des Wirksamwerdens einer Vorsorgevollmacht
des Unwirksamwerdens einer Vorsorgevollmacht
Registrierung ist in keinem Fall
Gültigkeitsvoraussetzung
Mittwoch, 13. Juni 2012 73
Patientenverfügung
Patientenverfügungsgesetz: PatVG
In-Kraft-Treten: 1.6.2006
Was ist eine
Patientenverfügung?
Rechtshandlung, mit der jemand
eine medizinische Behandlung im Vorhinein ablehnt
wenn sie/er im Zeitpunkt der Behandlung nicht einsichts-, urteils- oder äußerungsfähig ist
durch PatientIn oder gesunde Person
Keine Vertretung möglich
Mittwoch, 13. Juni 2012 75
Rechtslage vor dem 1.6.2006
Grundsätzlich verbindlich;
umso verbindlicher je genauer die Situation für die betroffene Person vorhersehbar war (Aufklärung)
je kürzer der Zeitraum zwischen Erstellen der Patientenverfügung und Eintritt der Situation
Einsichts- und Urteilsfähigkeit erforderlich
Keine Formvorschriften
Dokumentationspflicht der Krankenanstalten und zT auch der Heime
In der Praxis oft nicht beachtet
Grund: Hippokratischer Eid, Haftungsängste
Verbindliche Patientenverfügung (1):
§§ 4 ff PatVG
Allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen
Bestimmte medizinische Maßnahme(n)
muss sich zumindest aus dem Zusammenhang ergeben
Beschreibung der Krankheitssituation ist nicht erforderlich; aA Bernat
Folgeneinschätzung
Gesundheitliche und rechtliche
Umfassende ärztliche Aufklärung (§ 5)
Information über die Folgen für die Behandlung
Dokumentation der Einsichts- und Urteilsfähigkeit
Dokumentation der Aufklärung
Dokumentation, dass der Patient die Folgen der PV zutreffend einschätzt
Begründung erforderlich: zB Behandlung steht im Zusammenhang mit früherer oder aktueller Krankheit des Patienten oder nahen Angehörigen
Dokumentation
Schriftlich, Angabe von Namen und Anschrift, eigenhändige Unterschrift
Mittwoch, 13. Juni 2012 77
Verbindliche Patientenverfügung (2)
Form (§ 6)
Schriftlichkeit + Datum
Rechtsanwalt, Notar oder (rechtskundiger) Patientenvertreter
Belehrung über Folgen der Patientenverfügung und über die Widerrufsmöglichkeit
Dokumentation der Belehrung
Schriftlich, Angabe von Namen und Anschrift, eigenhändige Unterschrift
In der PV
5-Jahresfrist
Nicht, wenn Einsichts-, Urteils- oder Äußerungsfähigkeit in der Zwischenzeit wegfällt (§ 7 Abs 3)
Bei Erneuerung und Änderung beginnt diese neu zu laufen; aber
Neue ärztliche Aufklärung + Dokumentation
Schriftform + neuerliche Belehrung durch Rechtsanwalt, Notar oder (rechtskundiger) Patientenvertreter (siehe oben)
Verbindliche Patientenverfügung (3)
Rechtsfolgen
PV gilt als aktueller Wille
Ist vom Arzt direkt zu befolgen
Verlust der Einsichts- und Urteilsfähigkeit vorausgesetzt
Sonst gilt aktuelle Willensäußerung
Keine Zustimmung durch Sachwalter oder Pflegschaftsgericht erforderlich
Sachwalter ist bloßer Gehilfe
Sachwalter ist aber Vertreter beim Abschluss des Behandlungsvertrages
Mittwoch, 13. Juni 2012 79
Beachtliche Patientenverfügung (1)
§§ 8 ff PatVG
Zumindest eine Voraussetzung für eine verbindliche Patientenverfügung ist nicht erfüllt
Dient zur Feststellung des mutmaßlichen Willens
Orientierungshilfe
PV ist umso mehr zu beachten
je eher sie die Voraussetzungen einer verbindlichen PV erfüllt
je genauer Krankheitssituation und deren Folgen im Errichtungszeitpunkt abschätzbar waren
je konkreter die medizinische Behandlung, die abgelehnt wird, beschrieben ist
je umfassender die ärztliche Aufklärung war
je mehr die Formvorschriften eingehalten wurden
je öfter sie erneuert wurde bzw je kürzer die letzte Erneuerung zurückliegt
Beachtliche Patientenverfügung (2)
Rechtsfolgen
Der mutmaßliche Wille ist Entscheidungsgrundlage für Sachwalter und Pflegschaftsgericht
Ist der Wille durch die beachtliche PV klar feststellbar, sind sie daran gebunden!
Subjektives Wohl der Person ist entscheidend
„Eine Patientenverfügung bindet als Ausdruck des fortwirkenden Selbstbestimmungsrechts, aber auch der Selbstverantwortung des Betroffenen den Betreuer [Sachwalter]; denn schon die Würde des Betroffenen (Art 1 Abs 1 GG) verlangt, dass eine von ihm
eigenverantwortlich getroffene Entscheidung auch dann noch respektiert wird, wenn er die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Entscheiden inzwischen verloren hat.“ (BGH 17.3.2003)
Mittwoch, 13. Juni 2012 81
„Qualifiziert“ beachtliche PV
Es liegt eine beachtliche PV vor
Wille des Patienten kommt aber klar zum Ausdruck
Es ist klar, dass Patient im Zeitpunkt der Erstellung einsichts- und urteilsfähig war
informierte Entscheidung
keine Anzeichen von Willensmängeln oder eines Widerrufs
Rechtsfolge
Es ist kein Sachwalter zu bestellen
Arzt kann/muss PV direkt befolgen
Allgemeines
PatVG erfasst nur medizinische Maßnahmen
Pflegemaßnahmen und Grundversorgung können aber ebenfalls verweigert werden!
PEG-Sonde
Notfälle: PV ist unbeachtlich
Wenn die Suche nach einer PV das Leben oder die Gesundheit ernstlich gefährden würde
Vgl § 110 Abs 2 StGB: keine Einwilligung erforderlich
Behandlungsabbruch durch Arzt
Kein Recht auf eine bestimmte Behandlung
Innerhalb des Krankenversicherungsrechtes aber schon
zT Behandlungspflicht von Ärzten und Krankenanstalten
Wenn medizinisch nicht indiziert
Wenn Sterbeprozess bereits begonnen hat und nicht mehr gestoppt werden kann
Ökonomiegebot: § 133 Abs 2 ASVG
Mittwoch, 13. Juni 2012 83
Registrierung
Keine gesetzliche Registrierungsmöglichkeit vorgesehen
Patientenverfügungsregister der österreichischen Rechtsanwälte
Österreichisches Zentrales Vertretungsverzeichnis (§ 140h NO)
Für Vorsorgevollmacht, Sachwalterverfügung und Angehörigenvertretung
Kombination der PV mit der Vorsorgevollmacht
einheitliches Formular zur Errichtung einer
Patientenverfügung
Patientenverfügung
Aktuelle Rechtslage und
gesetzlicher Regelungsbedarf
Mittwoch, 13. Juni 2012 85
I. EINFÜHRUNG
Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg v.
15.1.2008:
„Richter machen sich strafbar, wenn sie Patientenverfügungen missachten“
-> „kein strafrechtliches Risiko bei Beachtung
von Patientenverfügungen“?
Empfehlungen der BÄK und der Zentralen Ethik- kommission bei der BÄK v. 30.3.2007:
„Der in einer Patientenverfügung geäußerte Wille des Patienten ist grundsätzlich
verbindlich; deshalb dürfen sich Ärzte nicht über die in einer PV enthal-tenen Willensäußerungen eines Patienten hinweg-setzen. … Gleichwohl können Situationen eintreten, die nicht konkret beschrieben sind oder sich nicht voraussagen ließen. Zudem kommt die PV zu einem
Zeitpunkt zur Anwendung, wenn die
Kommunikation zwischen Arzt und Patient nicht
mehr … möglich ist…
Mittwoch, 13. Juni 2012 87
…Bedenken …, ob der antizipierte und der aktuelle Wille des Patienten noch identisch sind. Solche Zweifel führen nicht zur
Unbeachtlichkeit der ge-samten PV, sondern sie bleibt insoweit „verbind-lich“, wie sich
daraus bestimmte Wertorientierun-gen des
Patienten und der mutmaßliche Wille erkennen lassen …. Den mutmaßlichen Willen des
Patienten zu erforschen bedeutet, nach
bestem Wissen und Gewissen zu beurteilen,
was der Patient für sich selbst in der Situation
entscheiden würde, wenn er es könnte.“
Es müsse verhindert werden,
„…dass die Ausführung einer
Patientenverfügung zu einem
Automatismus ohne Ansehung der Situation des konkret betroffenen Patienten wird.“
„…Ein Arzt kann nicht zu einer seinem
Gewissen widersprechenden Behandlung
… gezwungen werden.“
Mittwoch, 13. Juni 2012 89
Gesetzentwurf Stünker u.a.:
„Viele Menschen wollen Gewissheit haben, dass sie über die Art und Weise ihrer medizinischen Be-
handlung selbst bestimmen können, wenn sie infolge einer Krankheit oder eines Unfalls ihre
Entscheidungsunfähigkeit verloren haben. … Viele Menschen verbinden mit den modernen medizini- schen Möglichkeiten … auch Befürchtungen …, einem hochtechnisierten und unpersönlichen
Gesundheitsbetrieb ausgeliefert zu sein…“
„Niemand darf sich zum Richter in der Frage aufwerfen, unter welchen Umständen ein anderer vernünftigerweise bereit sein sollte,
seine körperliche Unversehrtheit zu opfern, um dadurch wieder gesund zu werden. … Selbst ein lebensgefährlich Kranker kann triftige und
sowohl menschlich wie sittlich achtenswerte Gründe haben, eine Operation abzulehnen, auch wenn er … nur durch sie von seinem Leiden befreit würde“.
(BGHSt 11, 111, 114)
Mittwoch, 13. Juni 2012 91
Selbstbestimmung
ärztliches Gewissen
Fürsorge insbes. Schädigungsverbot
I. Einführung
II. Aktuelle Rechtslage
III. Gesetzentwürfe
IV. Bewertung
V. Ausblick
Mittwoch, 13. Juni 2012 93