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Europa in Sagen und Märchen

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Academic year: 2022

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MEHRSPRACHIGKEIT IN EUROPA MULTILINGUALISM IN EUROPE

P eter Lang

Béatrice Giribone-Fritz,

Renate Krüger & Chantal Muller

Europa in Sagen und Märchen

Ein anderer Zugang zu europäischen Kulturen und Sprachen für

den Fremdsprachenunterricht der Grundschule

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Ziel des primären Fremdsprachunterrichts ist es, die Offenheit gegen- über anderen Sprachen und Kulturen bei jüngeren Fremdsprachen- lernern zu entwickeln sowie zur Erweiterung ihrer sprachlichen und kommunikativen Kompetenzen beizutragen, um sie zu selbstbewussten europäischen Bürgern zu machen. Das Buch zeigt Wege auf, wie dieses Ziel durch den Einsatz von Sagen und Märchen aus Europa erreicht werden kann. Dafür wird zunächst das interkulturelle und sprachliche Potenzial von Märchen und Sagen dargelegt und es werden didaktische Hinweise zur Arbeit mit Sagen und Märchen im Fremdsprachunter- richt gegeben. Anschließend werden am Beispiel je einer Geschichte in deutscher, englischer und französischer Sprache Unterrichtsaktivitäten mit dazugehörigem Material vorgestellt. Zum Abschluss wird über eine Erprobung des im Buch vorgestellten Materials, das im Ergebnis eines von der EU-Kommission geförderten Comenius 2.1 Projekts entstand, berichtet.

Béatrice Giribone-Fritz, geboren 1969, DEA Sciences et techniques du langage, Maîtrise FLE, Französischlektorin an der Universität Erfurt, langjährige Erfahrung in der Lehreraus- und -fortbildung, Mitarbeit in Projekten.

Renate Krüger, geboren 1953, Diplomlehrerin für Französisch und Russisch, langjährige Tätigkeit als Russisch-, später Französischlektorin, z. Zt. wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Sprachlehr- und -lernforschung der Universität Erfurt. Schwerpunkt u. a. Didaktik des frühen FSU, Koordinatorin eines Projekts am EFSZ Graz.

Chantal Muller, geboren 1960, Diplom der Germanistik und Anglistik der Universität Leuven, Diplom im Europäischen Studium der Uni- versität Leuven, z. Zt. Maître-assistant bei der Haute Ecole Louvain- Sud. Schwerpunkte: Didaktik des Fremdsprachenunterrichts sowie des frühen FSU, Kultur, Interkulturalität. Koordinatorin eines Comenius- Projekts zum Einsatz von Sagen im frühen Fremdsprachenunterricht.

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Europa in Sagen und Märchen

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MEHRSPRACHIGKEIT IN EUROPA MULTILINGUALISM IN EUROPE 3

Herausgegeben von Demeter Michael Ikonomu &

Ernst Kretschmer

Wissenschaftlicher Beirat:

Roberto Bertozzi (Pescara), Kurt Braunmüller (Hamburg), Hans Drumbl (Bozen), Csaba Földes (Veszprém),

Antonie Hornung (Modena), Gerald Schlemminger (Karlsruhe), Iwar Werlen (Bern)

PETER LANG

Bern Berlin Bruxelles Frankfurt am Main New York Oxford Wien

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Béatrice Giribone-Fritz, Renate Krüger & Chantal Muller

Europa in Sagen und Märchen

Ein anderer Zugang zu europäischen Kulturen und Sprachen für den Fremdsprachenunterricht der Grundschule

PETER LANG Bern Berlin Bruxelles Frankfurt am Main New York Oxford Wien

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Bibliografi sche Information Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über

‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

Wir danken der EU-Kommission, Brüssel, für die Förderung des im Buch beschriebenen Projekts sowie allen daran beteiligten Kolleginnen und Kollegen im In- und Ausland.

Zu besonderem Dank sind wir Avril Brock, Anita Rowell, Nóirín Ní Nuadháin, Úáitéar Mac Gearailt, Máire Ní Bhaoill sowie José Noiret verpfl ichtet, deren Texte wir in das Buch aufgenommen haben.

ISSN 1662-7792

ISBN 978-3-0351-0048-8

© Peter Lang AG, Internationaler Verlag der Wissenschaften, Bern 2010 Hochfeldstrasse 32, CH-3012 Bern

info@peterlang.com, www.peterlang.com, www.peterlang.net Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt

insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in Switzerland

Umschlagsgestaltung: Thomas Jaberg, Peter Lang Bern

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Inhalt

Vorwort . . . 7

1 Europäische Sagen und Märchen für den Fremdsprachunterricht der Grundschule – ein multikultureller und multilingualer Ansatz . . . 13

1.1 Zur Entstehungsgeschichte des Materials im Rahmen eines Comeniusprojektes . . . 14

1.2 Märchen, Sagen und Legenden im europäischen Kontext . . . 18

1.3 Interkulturelles Potenzial der verwendeten Sagen und Märchen . . . 21

1.4 Möglichkeiten zur Entwicklung von Hörverstehen, Sprachproduktion sowie Sprachbewusstheit . . . 29

2 Drei europäische national stories für den Einsatz im Fremdsprachunterricht der Grundschule . . . 39

2.1 Die Legende von Sankt Martin . . . 40

2.1.1 Kultureller Hintergrund . . . 43

2.1.2 Hinweise zu den Unterrichtsaktivitäten . . . 54

2.1.3 Ausgewählte Materialien für den Unterricht . . 66

2.2 How Arthur Became King . . . 69

2.2.1 Cultural Background . . . 73

2.2.2 Description of Activities . . . 84

2.2.3 Resources for the classroom . . . 95

2.3 Les nutons . . . 104

2.3.1 Contexte culturel . . . 109

2.3.2 Descriptif d’activités . . . 122

2.3.3 Matériel pour la classe . . . 134

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3 Ein Beispiel für die Erprobung des Materials

in der Schule . . . 147

Bibliographie . . . 153

Anhang . . . 157

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Vorwort

Dieser Band macht mit einem Material bekannt, welches im Rah- men des von der Europäischen Kommission unterstützten Come- nius 2.1. Projektes Early Language Learning: Meeting Multicultu- ral and Multilingual Europe through National Stories entstanden ist. Das Projekt wurde in den Jahren 2003–2007 durchgeführt. Es waren Mitarbeiter aus zehn europäischen Lehrerbildungseinrich- tungen beteiligt. Als Projektergebnis wurde im Juni 2007 eine DVD mit den erarbeiteten Materialien, eine DVD mit interaktiven Übun- gen sowie eine CD-ROM mit Beispielen aus der Schulpraxis, die während der Erprobungsphase des Projektmaterials aufgenommen wurden, bei der Europäischen Kommission eingereicht.

Ziel des Projektes war die Erarbeitung eines mehrsprachigen Materials, das zum Einsatz sowohl in der Lehrerausbildung als auch im Fremdsprachenunterricht der Grundschulen Europas ein- gesetzt werden kann. Im Mittelpunkt stehen zwölf Sagen, Legen- den und Märchen aus verschiedenen europäischen Ländern. Wie aus dem Titel hervorgeht, hat das Projekt einen mehrsprachigen und interkulturellen Ansatz. Die Geschichten sind jeweils in sechs Sprachen (Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Niederlän- disch und Gälisch) verfügbar. Die drei Geschichten aus Osteuropa sind außerdem noch in ihren Herkunftssprachen Polnisch, Unga- risch und Bulgarisch vorhanden.

Die Sagen und Märchen wurden für den Einsatz in der Grund- schule bearbeitet, die DVD enthält die Texte sowie die Audioversio- nen. Alle Geschichten sind illustriert. Zu jeder Geschichte wurden Hinweise für den Unterricht mit den entsprechenden Schüler- materialien, mehrsprachige Lexiksammlungen zur Entwicklung von Sprachbewusstheit (geschrieben und auditiv) sowie ein Text zum kulturellen Hintergrund erarbeitet. Letzterer informiert über Herkunft und kulturelle Zusammenhänge in Bezug auf die einzel- nen Sagen und Märchen und gibt Anhaltspunkte für interkulturelles Lernen. Das Material wird ergänzt durch Hinweise zur Didaktik

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und Methodik des Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule, wobei sich die Kapitel 2 und 3 auf die möglichen Ansätze für inter- kulturelles Lernen und die Entwicklung von Sprachbewusstheit sowie auf das Sprachenlernen mithilfe von Geschichten beziehen.

Alle erwähnten Begleittexte sind in den drei Sprachen Englisch, Französisch und Deutsch verfügbar, was auch auf der Benutzer- oberfläche sichtbar ist.

Die nachfolgend aufgeführten Sagen und Märchen wurden von den Projektmitgliedern gemeinsam ausgewählt. Es sind Ge- schichten aus neun Ländern, die eine große Bandbreite an The- men und Genres bereithalten und stellvertretend für die beteilig- ten Länder stehen:

– Der Heilige Martin (eine europäische Legende/Deutschland) – Der Heilige Nikolaus (eine europäische Legende/Belgien) – Die Legende vom Heiligen Georg (Barcelona/Spanien) – Der Wunderhirsch (Ungarn)

– König Artus (Großbritannien) – Der Drache vom Wawel (Polen)

– Das Schloss von Sagunto (Valencia/Spanien) – Der Rattenfänger (Deutschland)

– Die Dame von Stavoren (Niederlande) – Eisirt (Irland)

– Die Wichtelmännchen (Belgien) – Das kleine runde Weißbrot (Bulgarien)

Schon zu Beginn der Arbeit wurden die Projektziele klar formu- liert. Die Auswahl bekannter Sagen und Märchen aus den verschie- denen, am Projekt beteiligten Ländern sollte dazu dienen, die Of- fenheit gegenüber anderen Sprachen und anderen Kulturen bei jüngeren Fremdsprachenlernern zu entwickeln sowie zur Erwei- terung ihrer sprachlichen und kommunikativen Kompetenz bei- tragen. Das Arbeitsmaterial sollte so beschaffen sein, dass es sowohl von Lehrkräften als auch von deren Schülerinnen und Schülern unmittelbar genutzt werden kann. Außerdem sollten durch den gleichzeitigen Einsatz des Materials in verschiedenen europäischen Ländern Kooperationsmöglichkeiten in der Lehrer- ausbildung und im primaren Fremdsprachenunterricht angebahnt

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9 werden. Dieser Band soll helfen, das Material weiter zu verbreiten und somit zur Verwirklichung der genannten Ziele beizutragen.

Der Band gliedert sich in drei Kapitel. Im ersten Kapitel wird der dem Projektmaterial zugrunde liegende theoretische Ansatz beschrieben. Außerdem wird das Potenzial des Materials zur Ent- wicklung von interkultureller Kompetenz und Sprachbewusstheit bei der praktischen Umsetzung im Fremdsprachenunterricht der Grundschulen vorgestellt. Im zweiten Kapitel werden exemplarisch drei der in das Projekt aufgenommenen Sagen bzw. Märchen so- wie die Möglichkeiten ihrer Nutzung im Unterricht vorgestellt. Es wurde, um dem Anspruch auf Mehrsprachigkeit zu entsprechen, je eine Geschichte in deutscher, englischer bzw. französischer Sprache ausgewählt. Je eine Illustration sowie ausgewählte Schü- lermaterialien komplettieren das Kapitel. Im dritten Kapitel wird an einem Beispiel gezeigt, wie das Material während der Erpro- bungsphase in der Schulpraxis eingesetzt wurde.

Zuletzt einige Worte in eigener Sache. Das auf der DVD veröf- fentlichte Material ist das Ergebnis eines langen Arbeitsprozesses und zahlreicher leidenschaftlicher Diskussionen unter den Pro- jektmitgliedern, von denen jeder seine Befindlichkeiten, seine Er- fahrungen, seine Kultur und seine spezielle Ausbildung einge- bracht hat. Es ist unbestreitbar, dass jeder von uns im Verlaufe dieser drei Jahre sehr viel gelernt hat. Die wichtigste Erfahrung, in interkultureller Hinsicht, scheint jedoch das unmittelbare Er- leben der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der europäischen Kulturen durch den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen und die intensive Beschäftigung mit unseren zwölf Geschichten zu sein. An dieser Stelle sei all denjenigen gedankt, die an diesem Projekt mitgearbeitet und zu dessen Verwirklichung beigetragen haben. Das sind:

– aus der Haute Ecole Namuroise Catholique – Département Pédagogique Champion – Namur (Belgien): Chantal Muller – aus dem Bradford College (Großbritannien): Anita Rowell,

Dr. Avril Brock

– aus dem St Patrick’s College Dublin (Irland): MA Dr. Uaitéar Mac Gearailt, Máire Ní Bhaoill, Nóirín Ní Nuadháin

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– aus der Inholland University, Haarlem School of Education (Niederlande): Ankie Mantel

– aus der Apor Vilmos Katolikus Föiskola Budapest (Ungarn):

Dr. J. Pazonyi, G. Paulik

– aus der Universität Erfurt (Deutschland): Béatrice Giribone- Fritz, Renate Krüger, Dr. Andreas Marschollek

– aus der Universitat Ramon Llull – Blanquerna – Barcelona (Spanien): Carme Flores, Ann-Marie Holm-Nielsen

– aus der Shoumen Episkop Konstantin Preslavski University Varna (Bulgarien): Valya Raynova, Ivanka Kamburova, Doriet- ta Chakarova

– aus der Catholic University of Valencia (Spanien): Norma Gon- zalez

– aus der Popular Knowledge Society’s Lower Silesian University College of Education Wrocùaw (Polen): Prof. Bogusùawa Doro- ta Goùebniak, Dr. Elz.

bieta Kalinowska, Dr. Rozalia Ligus.

Besonderer Dank gilt unserer Projektkoordinatorin Chantal Mul- ler, die es nicht nur geschafft hat, alle Verwaltungs- und Finanz- angelegenheiten souverän zu meistern, sondern es auch verstanden hat, die Projektmitglieder anzuleiten, kontroverse Diskussionen zu einem Ergebnis zu führen, auf Einhaltung der Termine und die Qualität der eingereichten Texte zu dringen, sich dabei oft dreier Sprachen zu bedienen und so schließlich das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen.

Weiterhin möchten wir Ulrike Wollenhaupt-Schmidt (Erfurt) danken, die es übernommen hat, das gesamte Material auf eine DVD zu bringen, was angesichts der Fülle der Texte und der Vielfalt der verwendeten Dateien keine leichte Aufgabe war. Wir bedanken uns bei unserer Kollegin Claudia Benneckenstein, die in bewährter Weise die Redaktion der zahlreichen Texte und auch dieses Bandes übernommen hat und uns auch sonst mit Rat und Tat zur Seite stand. Stellvertretend für die vielen am Projekt beteiligten studenti- schen Hilfskräfte seien Alexander Kords (Übersetzung, Textformatie- rung u.v.m.), der auch die Erstfassung für die Erstellung und Forma- tierung dieses Manuskripts geliefert hat, Stefanie Kirsch und Jasmin Dreher, die das Manuskript bis zum Druck betreut haben, erwähnt.

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11 Schließlich sagen wir allen Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern aus Grundschulen von Bulgarien über Deutschland bis Großbritannien Dankeschön, die unser Material mit viel Freu- de und Kreativität erprobt und uns dadurch in unseren Ideen be- stärkt haben.

Erfurt, Oktober 2009 Renate Krüger

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1 Europäische Sagen und Märchen für den Fremdsprachenunterricht der Grundschule – ein multikultureller und multilingualer Ansatz

Seit den neunziger Jahren erschienen in Sammelbänden, Grund- schuldidaktiken oder Fachzeitschriften zahlreiche Beiträge zum Thema Arbeit mit Geschichten im frühen Fremdsprachenunter- richt (vgl. z.B. Kierepka 1996, Muller 2004, Stein 1999, Piepho 2000 u.a.). In diesen Beiträgen wird in der Regel die Arbeit mit Geschichten (engl. stories, frz. histoires) im Allgemeinen beschrie- ben, Hogh (2003: 40) zum Beispiel verwendet den englischen Be- griff story sowie den deutschen Geschichte und meint damit kei- ne bestimmte Gattung. Teilweise werden auch verschiedene Arten oder Typen von Geschichten genannt: Kinderbücher bzw. Bilder- bücher (z.B. in Kierepka 1996: 73, Stein 1999: 430f.) oder Alltags- geschichten (Piepho 2000: 44).

Auch Märchen werden oft als für den Fremdsprachenunter- richt geeignete Textsorte angeführt (z.B. Kierepka 1996: 73, Göt- ze 2000: 11). Bei den erwähnten Beispielen handelt es sich aber meist um die gängigen, allseits bekannten Märchen – wie Rotkäpp- chen, Schneewittchen oder Aschenputtel aus den Sammlungen Perraults oder der Gebrüder Grimm. Die Begriffe Sage oder Le- gende tauchen nicht oder nur am Rande auf. Götze (2000: 11) erwähnt den Begriff Legende im Titel, im Text des Beitrages wird allerdings auf diese Gattung keinerlei Bezug genommen, es geht um die Arbeit mit Märchen bzw. Tiergeschichten. Die Sage vom Rattenfänger dient in englischen Lehrwerken oder in Lehrwer- ken zu Deutsch als Fremdsprache bisweilen als Textgrundlage, wobei der Akzent auf der Vermittlung von Sprachkenntnissen liegt (vgl. Dreke/Salgueiro 2000: 17). Auf Sagen und Legenden als lite- rarische Gattung und als ,Lieferanten‘ für interkulturelle Erkennt- nisse wurde bisher in der didaktischen Literatur zur Arbeit mit

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Geschichten wenig oder gar nicht eingegangen. In der zum vor- liegenden Material erarbeiteten Didaktik (vgl. DVD Didaktik: 49–

53) sowie in den Texten zu den kulturellen Hintergründen der einzelnen Geschichten hat das interkulturelle Potenzial der ver- wendeten Sagen, Legenden und Märchen einen nicht geringen Stellenwert. Da aber die Didaktik vor Fertigstellung des Materials erarbeitet wurde, konnten bestimmte, vor allem (material-)über- greifende Erkenntnisse erst im Nachhinein gewonnen werden.

So sollen in diesem Kapitel zunächst die Entstehung des Pro- jektmaterials und die dabei angestellten methodologischen Über- legungen beschrieben werden. Im Anschluss wird auf die Begriffe Legenden, Sagen und Märchen eingegangen. Schließlich soll dar- gestellt werden, welches interkulturelle Potenzial das hier vorge- stellte Material enthält und wie man dieses im Fremdsprachen- unterricht der Grundschule nutzbar machen kann. Dabei werden die in die Sammlung aufgenommenen Geschichten als allen Euro- päern gemeinsame und über Länder- und Sprachgrenzen hinweg verbindende Mythen erläutert. Das Kapitel wird durch eine Darstel- lung der Möglichkeiten zur Entwicklung von Sprachkenntnissen sowie darüber hinausgehend zum Aufbau von Sprachbewusstheit abgeschlossen.

1.1 Zur Entstehungsgeschichte des Materials im Rahmen eines Comeniusprojektes

Fado, fado1… es waren einmal 21 Lehrkräfte aus zehn verschie- denen Lehrerbildungseinrichtungen Europas, die insgesamt neun Länder und zwölf Nationalitäten repräsentierten und angetreten waren, den Fremdsprachenunterricht der Grundschulen durch das Einbeziehen von Geschichten zu verbessern. So etwa könnte man den Beginn des in diesem Band vorgestellten Comenius-

1 Gälische Wendung, die Märchen einleitet.

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15 projektes beschreiben. Nachdem ein erster Versuch, ein Projekt in diesem Sinne für die Fremdsprache Englisch zu beantragen, ge- scheitert war, wurde die Idee auf weitere Sprachen ausgedehnt.

In der vorbereitenden Sitzung wurde schnell klar, dass nicht nur weitere Sprachen einbezogen werden müssten, sondern auch in- terkulturelle Aspekte des Lernens mit Geschichten zu berücksichti- gen wären. Schließlich galt es die Frage zu klären, welche Art von Geschichten im Mittelpunkt des Projektes stehen sollte. Es sollte sich um Geschichten handeln, die zum einen gemeinsame euro- päische Werte widerspiegeln, zum anderen aber für ein Land typi- sche Lebensweisen, Bräuche und Orte zeigen, damit die Schüler Gemeinsamkeiten und Unterschiede innerhalb der europäischen Kulturen erkennen und verstehen können. Im Laufe der Diskus- sion tauchte der Begriff national stories auf. Was hatte man darunter zu verstehen? Als Beispiel wurde die Sage von den Hai- monskindern für Belgien angeführt, eine Sage, die Bezüge zur Region der Ardennen, der Maas sowie zum Ort Dinant und ge- schichtliche Bezüge zu Karl dem Großen aufweist und daher nicht nur zum belgischen, sondern auch zum deutschen Sagengut ge- hört. Die Idee wurde aufgegriffen, der Projektitel Meeting multi- cultural and multilingual Europe through national stories war schnell gefunden. Als didaktischer Ansatz wurde der storytelling- approach zugrunde gelegt. Als Ziel wurde die Anfertigung einer mehrsprachigen Anthologie von europäischen Geschichten, ein- schließlich Material für Lerner und Lehrkräfte, vereinbart.

Neben der Beteiligung an der Erstellung des umfangreichen Projektantrages bekam jede Institution den Auftrag, beim ersten Projektmeeting drei national stories aus dem eigenen Land bzw.

der eigenen Region vorzustellen. Es sollte jeweils begründet wer- den, weshalb gerade diese drei Geschichten ausgewählt wurden.

Das Projekt wurde von der EU-Kommission angenommen. Das erste Meeting fand im Dezember 2003 in Barcelona statt. Im Vor- feld hatten die einzelnen Kleingruppen intensiv nach national sto- ries, die für den Einsatz im Fremdsprachenunterricht geeignet sein sollten, gesucht. Nun galt, es pro Land bzw. Institution eine story für das zu entwickelnde Material auszuwählen. Schon bei der Vorstellung der in Frage kommenden Geschichten zeigte sich,

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dass die Auffassungen darüber, was genau national stories seien, auseinandergingen. Denn es wurden von einigen Ländern nur Sagen und Legenden, von anderen nur Märchen vorgeschlagen.

Eine Einigung wurde durch Abstimmung erzielt. Dabei wurden folgende Kriterien herangezogen:

– die Geschichte sollte als national story etwas für das jeweilige Land oder die Region Typisches enthalten, aber auch euro- päische Elemente bzw. Werte enthalten, d.h. Vergleiche zu Sagen und Märchen anderer Länder zulassen,

– sie sollte nach Möglichkeit über Sitten und Bräuche erzählen, die heute immer noch gültig sind bzw. gepflegt werden, um interkulturelles Lernen zu ermöglichen,

– sie sollte für Kinder interessant sein, die Kinder sollten sich mit dem Helden/der Heldin identifizieren können,

– die Geschichte sollte in der Zielsprache zu bewältigen sein.

Schließlich wurde pro Institution eine der vorgeschlagenen Ge- schichten ausgewählt sowie zwei weitere, unserer Meinung nach ,europäische‘ Geschichten. Dabei wurden die verschiedenen Ty- pen von Sagen berücksichtigt: es gibt eine Sage über den Ursprung eines Landes (Der Wunderhirsch aus Ungarn), eine über einen jungen König, der durch Zauberkräfte an die Macht kommt (Wie Arthur König wurde aus Großbritannien), zwei Sagen über Städte, die von einem Drachen befreit werden (Der Drache vom Wawel aus Krakau/Polen, Der Heilige Georg aus Barcelona/Spanien). In der erstgenannten Sage ist es ein Schusterjunge, der den Drachen überlistet, in der anderen der heilige Georg, der als Drachentöter allseits bekannt ist. Weiterhin wurden Sagen über Personen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten oder Charakterzügen, seien es positive oder negative, ausgewählt (Der Rattenfänger, Die Dame von Stavoren aus den Niederlanden). Von den guten Taten zweier Heiliger berichten die Legenden von Sankt Martin und Sankt Niko- laus, die als europäische Geschichten mit in die Sammlung auf- genommen wurden. An der Grenze zwischen Sage und Märchen bewegen sich die beiden Zwergengeschichten: Eisirt aus Irland und Die Wichtelmännchen aus Belgien. Schließlich wurden zwei Märchen ausgewählt, die außer den für Märchen typischen Wieder-

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