Blau , Beilräge :ur phütiikisuheii lUünzkunde.
unmittelbar vorangeliendeu andern vocallosen Explosive obue Vocal
zu steben kommt, verursacht seine Articulation vielleicbt die griisste
o- o-co-
Scliwierigkeit, z.B. in »lXj, ^-Jj . Wenn, wie im letzten
Worte, die vorungebeude Explosive spirirender Natur ist, kann
der Nucbscblag sowohl der einen als der andern, weil sie beide
verschiedener Art sind , deutlich uusgesprochen werden ; ist aber
uuch jener, wie iu den zwei ersten Beispielen , von vocali¬
scber Natur, so wird die Aussprache schwerer und unbequemer,
und man erleichtert sie dadurcb , duss man den halben Nucbsclilags-
vocul des mittleren Buchstaben gur nicht hören lässt , sondern un¬
mittelbar nach ihm das Hamz6 in seinen zwei Momenten vollkom¬
men articulirt.
Beiträge zur phönikischen Münzkunde.
Vom Vicc-Kanzicr Blau.
(S, (liosp Zelschr. Bd. VI, S. 465 — 490.) Zweiter Artikel.
\.
Neue Münzen uus Nisibis.
Am .Schlüsse des ersten Artikels unserer Beiträge hatten wir
uuch Luynes' Essai sur lu numisinutique des Satrapies etc. eine
Beilic von .Satrapenmünzen besprochen , die sich durch die Fräg-
orte Nisibis uod Nineve als der .Satrapie Assyrien angehörig
kuudguben.
Es sind seitdem ein paar Jalire verüossen , wäbrend welcher
Geschäfte anderer Art die Fortsetzung dieser .Studien hinderten.
Jetzt darauf zurückzukommen und gerade da anzuknüpfen, wo
icb im J. 1852 Halt gemacht, veranlasst mich der glückliche Um¬
stand , dnss ich der Wissenschaft eioe Bereicherung des Materials
zu bieten im Staude bio, die bei der grosseo Seltenheit dieser
Müozen jedem Forscher auf diesem Gebiete willkommen seio wird.
Der ousserordeotlicbeo Freundlichkeit und seltenen Uneigen-
nützigkeit eines Freundes zu Smyrna, Herrn L. Meyer, verdanke
icb sieben der im Folgenden beschriebenen Stücke; drei besitzt
dasKönigl. Museum zu Berlin uoter seinen .neuerworbenen Schätzen;
eins von diesen wurde im Herbst 1852 nus der Borrell'schen Auction
erstanden ; eioe Doublette davon sab icb hier im CtJiinet SUbhi-
Bey's; eins endlicb beiludet sich in meiner eigenen Saiiinilunp
uod eio gleiches in der des Barou Tecco hier. Ausserdem habe
ieh iu Erl'abruiifj gebracht , duss Ismail l'uscba gegenwärtig (Jou-
70 Blau, Beiträge zur iihünikisehen Münzliunde,
verneur von Smyrna, vcrscliiedene Stücke dieser Gattung besitzt,
die icb jedocb bis jetzt leider nicbt babe untersucben künnen.
Indem icb die mir zu Gebote stebeuden Münzen auf der bei¬
gegebenen, unter meinen Augen litbograpbirten Tafel I. abbilden
liess, ging icb von der Ueberzeugung aus, denjenigen, die sicb
eine Prüfung meiner Arbeit augelegen seiu lassen wollen , und
denjenigen, die das von mir Geleistete durcb eigene Forschungen weiter zu führen und zu vervollständigen vermögen , dadurcb einen Dienst zu leisten; denn nichts ist gerude bei numismatischen .Studien für die Deutung eines Problems unerlässlicber als eine möglichst
unmittelbare Anschauung der MUnzen selbst, nm besten im Ori¬
ginal, oder, wenu das nicbt möglich, in Abdrücken und Abbil¬
dungen die mit Bewusstsein und Verständniss gemacht sind.
Ich bube hinsichtlich der Stücke, au dereu Beschreibung ich
jetzt gebe, nur nach den Originalen gearbeitet, die ich sämmtlich
so glücklich war in Händcu zu haben. Ich zweifle nicht, dass
sicb in europäiscben öffentlichen und Privatsammlungen noch ein
und dus andere StUck verwandten Gepräges findet, da namentlich
iu den letzten Jabren ungemein viel MUnzschätze uus dem Orient
nach Kuropa gewandert sind, die sich der Wissenschaft noch
wenig erschlossen baben. Möge diese Arbeit ihrerseits dazu bei¬
tragen , dieselbeu der Oeffentlichkeit näher zu bringen.
Zu deu ungefähr fünf StUcken , die wir Ztschr. VI, S. 48(>,
nach Nisibis setzen zu müssen glaubteu , fügen wir heute die ful¬
genden eilf Inedita, weicbe obwohl alle unter einander verschieden,
sicb docb sofort als einer Classe ungehörig ausweisen.
Allen voran stelle icb billiger Weise das Kxemplar, welcbes,
was Legenden und Embleme anlangt, am reichsten ausgestattet
ist, in dem die andern Nuancen, in deren Anordnung man eiu ge¬
wisses Princip nicht vermissen wird , gleichsam alle aufgehen.
No. 1. HS. Weibliche stehende Figur nach links , in faltigem
Gewände, das Haupt behelmt, in der Linken Speer und Scbild;
auf der ausgestreckten Rechten schwebt ihr die .Siegesgöttin mit
einem Kranze entgegen ; im Felde links Granutapfcl , rechts drei
Buchstaben. — RS. Nackte Figur eines Jünglings, nach links
schreitend; über die Oberarme hängt ein leichtes Gewand; die
ausgestreckte Rechte opfert aus einer Schale Uber einem brennen¬
den Altar. Die erhobene Linke bält einen grUnenden boben .Stab,
an dessen Fussende eiu Vogel sitzt. Zwischen Altar und Opfer-
schale zwei Buchstaben. Im Felde rechts aramäische Legende:
(T)::Diaii'a(n).
Gewicht 10,71 Gramm. — In meinem Cabinet. Abgebildet
Taf. I, No. I.
Ein gleiches Exemplar mit nocb besser erhaltener Legende
besitzt der Baron Tecco biersclbst. Gew. 10,72.
No. 2. HS. ganz wie Nu. I. Im Felde links dieselben dre>
Bucbstaben. ~ RS. äbnlich wie No. 1. Altar und Stab ein wenig
Ulau , Ueilräge zur plwnikischen Münzkunde. 71
vcrscliieden ; Opfcrsclialc oval. Die Bucbstalten über dem Altar
l'eblen, sowie aucb der Vogel. Recbts im Felde: TaD^Dlban.
Gew. 10,68 Gramm. — Cabiuet des Herrn Meyer. Abgebildet
Taf. 1, No. 2.
No. 3. HS. und RS. wie No. 2; jedocb sicher ein anderei
.Stempel, von gröberer Arbeit. Leg. (T)aD'2lbari.
Gew. 10,65. Cab. des Hrn. Meyer. Abgebildet Taf. I, No. 3.
No. 4. HS. Figur wie No. 1. Im Felde recbts zwei, viel¬
leicht drei Bucbstaben. — RS. wie No. 2. Opferscbale rund ,
Allar breiter. Leg. TaD''31^ai-|.
Gew. 10,70. — Cabiuet des Hrn. Meyer. Abgcb. Taf. I, No. 4.
No. 5. HS. und RS. wie No. 4. Im Felde der HS. nur zwei
Buchstaben, dieselbeu die nuf der RS. von No. 1 über dem Altar
stehen. Legende der RS. TSD'^DlbaCr).
Gew. 10,50. — Königl. Museum zu Berlin. Abgeb. Taf. f,
No. 5.
No. 6. H.S. wie No. 1. Im Felde zwei von den bisberigen
verscbiedene Buchstaben. — R.S. ähiilicb wie No. 2; besonders
deutlich tritt die K()|)fbeileckung des .lunglings hervor. Legendr
in elwas mehr gedehnten Zügen: (rajCSlban.
Gew. 10,59. — Cab. des Hrn. .Meyer. Abgeb. Taf. I, No. 6.
No. 7. HS. wie No. 1, duch obne die Bucbstaben im Felde.
R.S. mit unbedeutenden Verscbiedenheiteu wie No. 1, aucb der
Vogel erkennbar, Ueber dem Altar zwei unbekannte Bucbstaben.
Leg. (l)ao"'Dib3n,
Gew. 10,65. — Königl. Museum zu Berlin '), Abgebildet
Tuf. I, No. 7.
No. 8. HS. wie No. 7. — RS. ähnlich wie No. 7. Die beiden
Bucbstaben über dem Altar quer gestellt. Der Vogel fehlt. Leg.
T:3D''3iban.
Gew. 10,65. — Königl. Museum zu Berlin. Abgeb. Taf. I,
No. 8.
No. 9. HS. wie No. 7. — RS. wie No. 8; doch stehen über
dem Altar drei . und zwar andere Buchstaben , deren zwei erste
denen gleichen, die auf No. 1 an derselben Stelle steben. Im
Felde links: TaD"<3lban.
Gew. 10,62. — Cab. des Hrn. Meyer. Abgeb. Taf I, No. 9.
No. 10. HS. wie No. 1. Recbts im Felde nur ein Buchstabe.
RS. wie No. 2, obne Legende über dem Altar, aber mit dem
Vogel. Legende recbts , von unten nacb oben Inufend : TaO'Siban.
— Grobe Arbeit.
Gew. lü,.38. — Cab. des Hrn. Meyer. Abgeb. Taf. 1, No. 10.
No. 11. HS. wie No. 1. Im Felde zwei Buchstaben, sehr
ähnlich wie die bei Luynes Taf. VII, No. 5, abgebildete Münze.
— R.S. Linksbin schreitender Jüngling, reich bekleidet. Der Stab
1) Ein filcicbcs Slück in der Sammlung Sübbi-ßcy's. Gew. t0,71.
72 Blau , Beilräge zur phönikischen Münzkunde.
in der Linlien ohne Blätter. Opterschale nnd Altur wie ohen.
Rechts Leg. Tacjlban. Besonders feine Arbeit.
Gew. 10,49. — Cab. des Hrn. Meyer. Abgeb. Taf. I, No. II.
Alle diese MUnzen sind vollkommen gut erhalten, so duss,
wenn irgend ein Punkt dem Erklärer Schwierigkeit macht, dies
durebaus nicht einer Undeutlichkeit des-Gepräges zur Last gelegt
werden kann. Nur das von No. 10 mir vorgelegene Exemplar ist
im rechten Felde der RS. etwas oxydirt; jedocb lässt sicb mit
Hülfe der Loupe unter starker Beleuchtung und Vergleichung der
Abbildung bei Mionnet, Supplem. VII, pl. 4, no. 3, die Legende
noch deutlicb genug erkennen. No. 1 — 5 und 11 sind wabre
Frachtstücke.
Die vun Luynes publieirten MUnzen von Nisibis zerfallen im
Ganzen und Grossen in zwei Classen: solcbe die bei gröberer
Arbeil rohere SchriftzUge zeigen (Luynes pl. III, 1. I bis) uud
solche die mit grösserer künstlerischer Feinheit in den Figuren
auch besondere Sauberkeit der Legenden verbinden ( namentlich
Luynes pl. VII, 5 u. 9). — Unsere StUcke gehören sämmtlich der
letzteren Classe au und steben selbst den besten Luynes'scben vorun.
Zunäcbst wird die Lesung des Stadtnamens Nisibis, in der
das Samecb sowobl als das Betb nacb den Luynes'scben Abbildun¬
gen noch angreifbar gewesen wäre, soweit ausser Zweifel ge¬
stellt, als es durch Uebereinstimmung eilf verschiedener Stempel
Überhaupt möglich ist. Das Samech ist Uberall unverkennbar und
der .Schuft des Beth in No. 1. 2. 4. 8. 11. ist um nichts kUrzer als
der desselben Bucbstaben im vorhergehenden Satrapennamen. Die
Schreibung ist stets die bereits Bd. VF, S. 489, erklärte, mit ^
in der ersten Sylbe. Inzwischen lässt eben diese unortbogruphi-
sche Schreibung des Jod , sowie die unetymologiscbe Vertretung
des Sude durch Samech , mich jetzt von dem letzten Zeicben io
dem Numen anders denken. Ich bielt es dort für ein Final- und
VerkUrzungszeichen. Wenn indess der Graveur des Stempels,
nacbdem er acij geschrieben batte, nocb Ruum genug besass, um
ein Zeiclien der Abbreviatur hinzuzufügen, so würde er diesen
selbigen Raum ja haben benutzen können, um das Wort, das nur
um einen, höchstens zwei Buchstaben zu verlängern war, ganz
auszuschreiben ; überdies war ihm der Raum nicht so knapp zu¬
gemessen. Diese Erwägung erlaubt mir, dem Münzberrn, bezüg¬
lich Graveur, soviel ,, barbarische" Willkür zuzutrauen, doss er
dieselbe Form, die griechisch Ndnißig geschrieben wird, geradezu
durch TSD"': wiedergab , was scbliesslicb doch nicht barbarischer
ist, uls wenu die Pehlewi-Münzen arabische Namen nacb unge-
tahrer Aussprache gegen olle Regeln der Etymologie sebreiben,
oder als wenn uuf den SatrapenmUnzeii mit der Legende Tin dem
Siguiu in TuQOog ein Zain entspricht. Aehnlich wechselt arabisch
jxbUi^ (Berggren, Guide urub.-fruu^. p. 860) mito»»-iijU»j» (Kazwiui,
BtoM , Beiträge zur phönikischen Münzkunde. 73
Cosihogrnphie Bd. I, S. Ti, Teifaschi c. 14) =^ayvrjri?, undJjÜ
( Berggren a. a. 0. p. 868) mit (j-^l-b — — oje Form des
Zain wäre dann dieselbe wie auf den Miinzen des Pbarnabazus
und Tiribazus und den ciliciscben.
In dem Namen des Satrapen, den wir früber inan zu lesen
vorschlugen , wird man am meisten an der Fassung des dritten
Zeichens als Chetb Anstoss genommen baben. leb halte es jetzt
für möglicher, dass jenes sonderbare Zeicben, das sonst im ge¬
sammten Gebiete altsemitiscber Paläographie nicht weiter vor¬
kommt, ein Lamed vorstellen soll. Dabei besticht, dass wir dauu
den Namen Tabalos hätten, der als Satrapenname aus Herodot I,
153 ff. bekannt ist. — Ich theiltc diesen Gedanken brieflich eini¬
gen gelehrten Freunden bereits im J. 1852 mit. Herr Prof. Mo¬
vers schrieb mir darauf uuter dem 6. October 1852 :
„'— Sie kommen uuf den von mir beanstandeten Buchstaben
zurUck, welcben Sie für ein Chetb zu halten geneigt waren, wäb¬
rend Sie jetzt darin ein Lamed flnden möchten, wogegen icb paläo¬
graphisch erinnern kann, dass in den semitischen .Alphabeten Lamed
seiner ursprünglichen Gestalt nicht so untreu geworden ist. Mir
scheint das frugliclie Zeicben, welcbes in dieser Form keinem
einzelnen Buchstaben des phönizischen Alphabets verglichen
werden kann, ein Doppelbuchstabe zu seiu, dessen ersten Tbeil
ich für ein Jod wie bei Luynes III, 3. 6. VII, 5. halten möcbte.
während die Verlängerung an der linken Seite mir uumentlicb in
Betracht der weiteren Ligatur III, 1. IV, Ibis, ein umgestürztes
Lamed zu sein scheint. Dann würde ib-'an seiner Vocalisatiou
nach sich von Ihrem Tüßakog (Herod. I, 153. 154. 161) etwa so
unterscheiden , wie TaßovXtje (deun so ist wobl Pausan. VII, 2, 7.
zu lesen) von diesem ubweicht."
Ich glaube gewissenhaft genug in paläograpbischen Dingen
zu sein , um die Bedenken meines gelebrten Freundes ganz zu
würdigen, und tbeile sie bis so weit, duss ich mit ibm sage:
der Buchstabe lässt sich mit keinem einzelnen Zeicben des phö¬
nikischen Alphabets vergleicben, und er ist seiner ursprünglichen Gestalt untreu geworden.
Ich kann mich indess jetzt noch weniger als sonst zu einer
directen Vergleichung unsres Alphabets mit dem phönikischen ent¬
schliessen; das unsrige steht durchaus den aramäischen Al|ibabeten
(man vergleiche namentlich das der aramäisch-ägyptischen Denk¬
mäler) näher und theilt mit ihuen die Eigenthümliehkeit, sich
öfters auffallend von der ursprünglichen Gestalt der Zeichen zu
entfernen. Das n zu Anfang des Satrapennameiis würde man mir als
unvereinbar mit der phönikischen Gestalt des Tau vielleicht auch
abgestritten haben, wenn es nicht iu dem Nainen Tiribazus (Luynes
1,2) zu deutlich dastände: und die Buchstaben auf der Nisibciier
Münze ( Luynes III, 1 ) kumen selbst einem Gesenius so unphöui-
74 Blau , Beüräye zur phönikisihen Miinzkunde.
zisch vor, Jass er sie (Monn. Plioen. p. 286) lieber nacb Pam-
pbylieu setzte. — Was mich aber bestimmt , «las fragliche Zeichen
gegen die Vermuthung eiuer Ligatur in Schutz zu nebmen, ist,
dass die sämmtlicben nun vorliegenden Kxeinjilare dieser Münzen
darin übereinstimmen, es als ein einziges, gesondertes Zeiclien
rein und scharf darzustellen, dass sie ferner das Jod durchaus
scharfkantig zeichnen , und dass eine UuistUrzung des I^ained
doch aucb eine gewaltsame Annabme ist.
Will Jemand statt des Lamed einen andern einzelnen Ituch¬
stahen des Alphabets wahrscheinlich machen, so sträube ich mich
nicbt dagegen. Einstweilen gefällt mir der Tahalos vou ullen
möglichen Combinationen am besten. Der Name ist beiläufig nicht
persisch, sondern wird semitisch sein ; vgl. bN^U. Dass ein ety¬
mologisch richtigeres t: hier durch r wiedergegeben wäre, be¬
fremdet nach dem , was wir bei dem Numen Nisibis gesehen hnben,
nicbt. Den Nuinen bNaU aber führt gerade auch eiu persischer
lieainter bei Esra IV, 7, eiu Mitglied der persiscben Regierung
zu Samaria, unter der Regierung eines Artacbscbascbtu. Wel¬
cber Arlaxerxes damit gemeint sei, ist eine Streitfrage unter
den Auslegern , die wir nicht zu entscheiden haben. Indess findet
-die Kritik vielleicbt die Möglichkeit, unsern Tabalos mit jenem
Tabel historisch zu vereinbaren.
Unsere Ansicht von dein Ursprung der Münzen und ihrem
Character als Satrapenmünzen hat sich durch die Legenden dieser
neuen Stücke in jeder Weise befestigt; docb sind wir noch weil
entfernt, alle Fragen beantworten zu könueu, die sich an eben
diese Stücke knüpfen. — Von den Luynes'scheu Münzen hallen
nur zwei, VII, 5 und Vll, 9, neben der oben behundelteu Huupt-
legende anderweile Schriftcbaractere auf der andern Seile: die
eine Keilscbrift, die andere zwei einzelne Buchstabeu, die wir
Bd. VI, S. 484, mit dargestellt haben.
Letztere beiden kehren auch hier uuf No. 11 wieder. Da¬
neben aber baben, zum Tlieil an entsprechender Stelle, die sämml¬
liehen übrigen Münzen andere mehr oder weniger ähnliche Zeichen,
die — wir gesteben es — uns beute nocb eben so räthselhaft
sind , als jene es damals waren. Trügt uns nicbt Alles, so sind
diese Zeichen einem nndern Alphabete entlehnt als dem , in wel¬
cbem die Hauptlegenden verfasst sind; denn vou einem Dutzend
dort vorkommender Zeicben kehrt nicht eines in diesen wieder
und nicht eines lässt sich unbedingt semitisch umschreiben. Denn
könnte man auch nothdürflig auf No. I, 2 und 3 '72Sp, auf No. 9
p», auf No. 4 u, 5 'n^ lesen wollen, so ist damit einmal der
Erklärung nichts gedient, andrerseits aber sind in den übrigen
Legenden Bucbstaben enthalten , die eine auffallende Verwandt¬
schaft mit jenem Alpbabel zeigen, das in verschiedenen Abarten
in Cypern , Lycien und Carien vorkommt ( vgl. diese Ztschr. VI,
Ulau , BeUräge zur phiinikischen Münzkusiiäk 75
S. 526, und Luynes, Numismatique et inscrijitions Cypriotes. Par.
1852), jedenfalls aber nicbt pbönikiscb sind.
Wir überlassen Anderen die weitere Aufbellung dieses Punk¬
tes , verwahren uns aber gegen alle Folgerungen , die man daraus
für eine westlicbere üeimath unsrer Münzen könnte zieben wollen.
Und weil diese Frage aucb wieder mit der Thatsache zusammen¬
gebracht werden dürfte, dass die Kmbleme dieser Münzen an das
Gepräge von Side in Pampbylien erinnern, so geben wir gleich
jetzt der Erwägung Andrer das anheim, was uns zur Vermittelung
dieser Schwierigkeit zu dienen scheint.
Ich habe eine ziemliche Anzahl siditischer Münzen verschiede¬
nen Gepräges gesehen , auf keiner derselben aber fand ich die Dar¬
stellungen auf Rück- und Vorderseite den unsrigen so äbniicb , als
nöthig wäre, um daraus die gleiche Heimath derselben zu folgern.
Und weder der Pallaskopf, noch der Granatapfel , nocb die Nike,
die sich auf siditischen Münzen finden, sind dieser Stadt eigen¬
thümlich, so wenig als dieselbe ibren Numeu vom Granatapfel hat,
dessen Name vielmebr wohl umgekebrt von dem ihrigen entlehnt
sein wird.
Dagegen ist es sehr bedeutsam, dass gerade unsere .4thene
Nikepboros, die unter andern auch der Typus kuppadokischer
Könige ist (Mionnet, Suppl. Vll, pl. 14, no. 1), in mesopotami-
schen Prägstätten und, um dus Maass voll zu machen, speciell
in Nisibis auf Münzen der Seleuciden vorkommt. Neben andern,
die Pinder (Antike MUnzen des Berl. Mus. No. 399. 395) anführt,
besitzt das Berliner Cabinet eine , dereu Rückseite derselbe fol¬
gendermassen beschreibt (No. 400):
„RS. BA2JAES11 ^EAEYKOY EnWANOYS NIKATOPOI
Pallas, auf der Rechten Nike, in der Linken Schild und Lanze,
im Felde hEI^I und Palme." mi2I aber ist = NEII1BI2 (vgl.
Liebe, Gotha numaria p. 118, wo auch ein Gothaer Exemplar ab¬
gebildet ist). Wie nun die Seleuciden auch sonst ältere Landes¬
typen aufzufrischen lieben (vgl. Müller, Archaeol. der Kunst, 2. Aus¬
gabe. §. 408 Anm. 5, §. 145 Aura. 3), so mögen sie auch diese
Athene ältern Nisibener Münzen nachgebildet haben, Dass diese
ältere Darstellung wiederum eine Nachbildung griechischer Kunst¬
schöpfung war, will ich nicbt läugnen, und es ist vielleicht gut
daran zu erinnern , dass gerade zur Zeit der Achämeniden grie¬
chische Kunstdarstellungen in ziemlicher AnzabI in Asien und
speciell in Syrien vorhanden waren. Xerxes — berichtet Pausa-
nias — führte aus Athen allerhand Statuen hinweg, die erst zur
Zeit Antiochus des Grossen zurückgebracht wurden (1, 8, 5); anch
das Bild der Artemis von Brauron , welche für die persische Ar¬
temis galt, wurde damals fortgeschleppt (VHI, 46, 2). Einen
ähnlichen, vielleicbt oft minder gewaltsamen Weg mögen andere
griechische Götterbilder nach persischen Provinzen gefunden ha¬
ben, und warum sollten die Perser nicht eben solchen den Vor¬
zug gegebeu haben , die sie nach Atlributcu uud Auffassung füi
6
76 Blau , Beilräge lur phönikischen Münzkunde.
die Darstellung iiirer Gottlieiten benutzen konnten? Dass die ge-
walfnete Atbene Nikepboros eine asiatisebe Kriegsgöttin reprä¬
sentirt, ist ausser Zweifel , und man wolle nicbt vergessen, dass
sicb bereits auf pbönikiscben MUnzen aus dem sechsten Jahrhundert, z. B. denen des Königs Baal , der um 570 v. Chr. regierte (Movers,
Pboen. Alt. K. i, .S. 460), dieselbe mit Helm, Speer und Schild
gerUstete Göttin findet, und unter den kleinasiatischen Städten,
deren Wappen sie ist, oben an das carische Aphrodisias steht,
das frUber aucb Ninve biess (Pinder, Beiträge zur ält. MUnzk. 1,
Tuf. I, No. 3). — Jene asiatische Kriegsgöttin aber, die in grie¬
chischer Uebertragung bald Athene bald Arterais geuannt wird, ist
die Tanais oder Anaitis (vgl. Movers, Rel. d. Pboen. S. 621. 626).
Zum Belege meiner gesammten Ansicht Uber die Bedeutung
der Vorderseite unsrer MUnzen ist es mir vergönnt mich uuf eine
.Uünze zu berufen, die, da sie meines Wissens noch unedirt ist.
auf Tuf. I, No. 12, abgebildet ist. Ich fand sie in der reichen
Sammlung des Baron Tecco , dem ich für die Bereitwilligkeit, mil
der er mir seine Schätze zur Benutzung Uberlussen hat, ausser¬
ordentlich verbunden bin. Nach der nahen Verwandtscbaft mit
unsern MUnzen in Gewicht, .Metall, Grösse und Technik und nach
der augenscheinlich persisch-babylonischen Passung der darauf ge¬
prägten Figuren, ist über ibre Heimutb kein Zweifel. Die Vorder¬
seite stellt die Festkönigin der mit dem babylonischen Semiramis-.
persischen Taoai's-Culte verbundenen Sakäen dar, mit Krone und
Armspangen, angethan mit dem durchsichtigen Kokkosgewandc.
auf einem von zwei Sphinxen getragenen Throne sitzend, in der
balberhobenen Rechten einen Blumenkelch (vgl. Movers, Rel. d.
Phoen. S. 480 — 498). Auf der Rückseite aber erscheint eben
jene kriegerische Tanais-Semiramis, mit welcher wir scbon Bd. VI,
S. 490, die Nitokris - Atbene Nikepboros verglichen, Gesicht von
vorn mit einem belinartigen Kopfschmuck , die Linke auf den
Schild gestützt, auf der Rechten die Siegesgöttin, statt der Lanze
dient ein Baumstamm, — das Ganze io einbeiinischer, voo griechi-
scheo Vorbilderu unabhängiger Fassung und Arbeit.
Ist unsere Auslebt richtig, so erkennen wir folgerecht uul
der Rückseite der Nisibener MUnzen deu &tog ovj.ißu)(.io<; jener
Artemis, den die Griecben nach ihrer Art Apollo nennen, und deu
Maximus Tyrius dissert. 14, p. 261 R, als f.utgäxiov yvfivbv ix
yXa^ivdlov schildert. Weuigstens kenut Strabo (XVI, 2, p. 356.
ed. Tauchn.) nicht alleiu zu Duplinae (das seleucidischen Ursprungs
ist) den Altar des Apollo und der Artemis, wozu bemerkt wer¬
den mag , duss der Duphnäische Apollo als mit der Rechten aus
einer Schale die Libation ausgiessend gefasst wurde (Müller, Arch,
d, k. §. 158 Anm, 1), sondern derselbe weiss auch von ihrer Ver¬
ehrung zu Borsippa (XVI, 1, p. 337: 7« äi Bo^amnu Uqu noXig
iazlt) 'AQT^^iöog xai 'AnoXXwvof , vgl. Steph. Byzant u. d. A. B6q~
otnnu), Borsippa nun ist nuch Opperls fcintdeckuug nichts audere..
Blau , Beiträge zur phönikischen Münzkunde. 77
als die Tempelstadt Babylons (Zeitscbr. VII, S. 406); der babylo¬
nisclie Gott aber, den wir unbedenklich darin wiederfinden, ist der Apollo Chomaeus (über den Movers, Rel. d. Phön. S. 347 f.), jener Feuergott, der seinerseits in Namen und Natur mit dem persischen
Omanus , dem steten Paredros der Tanais, identisch ist.
Da wir uns aber in Nisibis und Nineve unter achämenidischen
Satrapen gleichzeitig auf persischem und aramäischem Boden be¬
finden, so däucht es uns um so handlicher, die beiden Gottheiten
auf unsern Miinzen geradezu als Tanais und Omanus zu bezeichnen,
wobei die Granate nicht mebr besagen will als die Palme welche
der Athene auf den Seleucidenmünzen zur Seite ist, der Feuer-
altar neben Omanus aber vollends für uns spricht und die Deu¬
tung der darüber stehenden Inschrift 'nr, ]a3> durch „Oman"
überflüssig macht.
Ich kann nämlich diesen letzten Griff, so willkommene Beute
cr aucb wäre, mit gutem Gewissen nicht wagen, da, wie ich
ohen bemerkte, alle diese ein- bis dreibuchstabigen Chiffern eine
gemeinsame Erklärung zu fordern scheioeo, eioige davon aber
bestimmt aus nicbt semitiscben Alphabeten gedeutet seio wolleo.
Dabei bio ich jedoch weit entfernt, mir diese Zeichen oder die
cypriotischen oder die lycischen Bucbstaben irgendwie voo grie¬
chischem oder soDst occideotalischem Eiofluss abhäogig zu deokeo,
bio vielmebr von ihrer orieotaliscbeo Abkuoft überzeugt uod kaon
micb anoocb auch voo der Aosicht oicht iosmacheo, dass sie, weoo
auch von Nichtsemiten für nichtsemitische Spraeheu zugerichtet,
doch dem altsemitiscben Alphabet entflosseo siod.
An unsere diesmalige Untersuchung, wie weit io die Cultur
der vorderasiatiscbeo Proviozeo des persischeo Reiches gerade
ein aramäisches Element eingriff, tritt inzwischen noch ein ande¬
res wichtiges Moment heran , zu dessen Besprechung unsere Mün¬
zen Anlass geben und dessen nochmalige Würdigung auch nach
den Andeutungen von Abschnitt II des ersteu Artikels in unserm
Interesse ist.
Die dort ausgesprochene, von Boeckh berübergeuommene An¬
sicbt, dass unsere Münzen für die herabgesetzten Didrachmen des ba¬
bylonisch-persischen Münzfusses zu halten seien, eine Ansicbt, die
allerdings die kühne Annahme einer Herabsetzung um ein Viertel
des Werthes einscbloss, modificiren wir dahin, dass sie Didrach¬
men des im persischen Rcie.hc üblichen babylonischen Münzfusses seien.
Diese Modificirung gründet sich uuf eine lichtvolle und anziehende
Arbeit des Prof. Mommsen, der im J. 1851 io deo Berichten der
königl. sächsischen Gesellschaft der Wissenschofteo eine Abhund-
luog über den Verfall des römischen Münzwesens in der Kaiserzeü
drucken liess, deren 3. Abschnitt „die Provinziolmünze im Orient"
behandelt. S. 213 ff. führt er aus, dass im persischen Reicbe
gleichzeitig aof einen doppelten Fuss gemünzt wurde, dass die
Golddariken auf eiue undere Drachme justirt wuren als die Siglen,
78 Btav, BeUräge iur phünikischen Münzkunde
(lass iliese doppelte Währung der doppelten Talentreclinung bei
Herodot, naeb dem persiscben Gold- oder sogenannten euböiscben
Talent und dem babyloniscben oder Silbertalent, zu Grunde gelegt
ist. Er stellt es als unzweifelhaft hin , dass jenes Goldtalent
468000 Gran, dus Silbertalent 624000 Grun wog, duss eines
sich also zum nndern verhielt wie 3:4, dass hiernacb die Gold¬
drachme auf 78 pariser Gran, die Silberdrachme auf 104 p. Gr.
Normalgewicht anzusetzen sei. — Durch diese Aulfassung ver¬
einfacht sich das Exenipel allerdings bedeutend. Die Golddariken
sind sämmtlich Didrachmen auf dem persischen Fuss von 156 p. Gr.
(Boeckh, Metrol. Unt. S. 129). Daneben finden sicb, wenn gleich
selten, Drachmen von 78 p. Gr. (Mionnet, Poids p. 162). — Momm-
sen's Vermuthung, duss in der ältesten Zeit wohl auch mitunter
auf die persische Golddrachme Silber geprägt worden sei, wofür
er gewisse alte Stücke mit dem Quadratum incusum anführt (a. u.
0. S. 208), glauben wir bestätigen zu köunen. Jene Classe Mün¬
zen von unzweifelbaft persischem Ursprünge, auf denen der König
selbst zu Wagen dargestellt ist (s. Bd. VI, S. 483 u. unt. Anm. 1)
und deren Gewicbt zwischen 24 und 25 Gruiuin. schwankt (vgl.
Pinder, Ant. M. No. 411.412), sind auiTallcnder Weise nach dem
Goldfusse justirt und zu dem Gewicbte von sechs Golddrachmen
ausgeprägt. — Auch in Lycien und Carien scheint Silberprägung
nach dem persischen Goldfusse üblich gewesen zu sein. Die Bd. VI,
.S. 474, erwähnten lycischen Satrapenmünzen wiegen durchschnitt¬
lich 156 par. Gr. , also genau so viel als die Golddariken. Ein
gleiches Berliner Stück (Pinder No. 360) zu 8,4 Grm. ist ebenfalls
ein solches Didrachmon. Hecutomnus und Pixodarus von Carien
schlugen Didrachmen und Tetradrachmen nach demselben Fusse
(s. Pinder No. 349—350).
Das Silbertalent liegt dagegen folgenden Prägungen zu Grun¬
de: die Siglen sind die .Silberdrachme in unsren Cabineten vertre¬
ten durch die Silbermünzen weicbe ein den Golddariken ähnliches
Gepräge und ein Gewicht von 105-—100 par. Gr. buhen (Pinder,
A. M. No. 409. Mommsen S. 207); zu ihnen wird es erluubt sein
nuch jetzt noch (vgl. Bd. VI, S. 471) die Münzen von Sinope
( bei Luynes p. 65 f. ) zu zählen , da Mommsen selbst ( S. 208
Anm. 2) die persisebe Drachme sogar bis auf 89-| abweichen lässt.
— Die halben Drachmen sind die sogenannten rhodischen Drach¬
men (Mommsen S. 198. 201), wobei ich auf die bisber noch wenig
beuclitete Tbatsacbe aufmerksam mache, dass es Drachmen von
Rhodus mit semitischer Legende giebt. — Das silberne Didrach¬
mon erscbeint in unsern Silberduriken. Mommsen (S. 215 Anm.)
hält für die Benennung Silberdariken durebaus an jenen Drachmen
fest; ich meine, wenn der Golddarike ein Didrachmon war, so
kann man sicb für das silberne Didrachmon kaum eine natürlichere Bezeichnung als „ Silberdarikc" denken und das auf ciliciscben
Münzen hinzugesetzte DD tritt erst so in das rechte Licht. —
Blau , Beilräge zur phünikischen Münzkunde. 79
Mominscu's underes Bedenken, duss persisebe Reicksiniinzen nicbt
„puniscbe" Aufscbriften baben künnen, wird kaum einer Wider¬
legung bedürfen, wenn icb jenen, icb weiss nicbt von wem ge-
itraucbten Ausdruck „puniscb" in „aramäiscb" umändere. Denn in
der Tbat sind trotz ibrer aramäiscben Legenden nlle unsere Mün¬
zen im persiscben Reicbe gescblagen , und es ist wobl zu erwar¬
ten, dnss die Satrapen nach dem ReicbsmUnzfusse schlugen. Die
MUnzen die wir ßd. VI, p. -470, aufzählten ergaben ein Durch¬
schnittsgewicht von 10,59 Grammen oder 199,41 par. Gran. Die
dreizehn von uns oben beschriebenen wiegen durchschnittlich 10,61
Grummen. Sie stimmen ulso vollständig zu jenem „eigenthüm¬
lichen" kleinasiatischen Silberstück, das mit seinen Hälften und
Vierteln von etwa 11,5 (=216 par. Gr.) bis auf 9,5 (=179 pnr.
Gran) herabgebt und von Mommsen (S. 201) richtig als die vou
den Griecben sogenannte Inseldrachme erkannt ist.
Münzen von diesem Gewicht wurden unter persischer Herr¬
schaft in allen westlichen Satrapien mit Ausnahme vielleicht Ly¬
ciens und Caricns geschlagen (s. ßd. VI, S. 472 f., wo indess das
über die MUnzen des Zenis von Dardanus Gesagte auf einem Irr¬
thum beruht), und auf deuselben Fuss münzte auch Salamis auf
Kypros, Mytilene auf Lesbos, und regelmässig Bithynien während
der Autonomie, und noch in römischer Zeit scbliessen Münzen
von Tarsos , Kreta und Bithynien sich diesem Fusse an (Mommsen
a. u. 0.). Es ist also in der Thut der babylonische Silberdrach¬
men-Fuss, der zum Tbeil unter anderem Namen iu dem kleinasia¬
tischen Binnenlande und auf den Inseln mindestens von der Herr¬
schaft der Achämeniden an bis in die römische Kaiserzeit hinein
geherrscht bat.
Die Benennung dieses Münzfusses und des darauf basirten
Talentes als des „babylonischen" war aber gewiss nicbt willkür¬
lich oder missverständlich , sondern auf seinen historischen Ur¬
sprung gegründet. Charakteristisch dafür ist, dass die danach
geschlagene Silberdracbme den semitischen Namen Siglos = j»bptÖ
fuhrt, und duss gerade unsere mit aramäiscben Legenden versehe¬
nen Münzen in dieses babylonische System so vortrefflich passen.
VI.
MUnzen von Sinope.
In den Abbildungen Taf. V, 1—4, bei Luynes, Essai sur la
numismatii|uc des .Satrapies etc. ist eine MUnzclusse vertreten, die
geradezu als noch unerklärt betrachtet werden darf und um so
höheren Werth hat, uls sie bisher nur in wenigen Stücken bekannt
gewordeu ist. liuynes theilt sie einem unbekannten Satrapen von
Palästina und Sinope zu. Mit welcbem Rechte uud aus welchem
Grunde cr sie nach Palästina weist, leucbtet nicht eiu. Wir ver¬
mögen nur die eine Hälfte seiner Vermuthung zu adoptiren, die
nämlich, dass ihre Heimath Sinope ist.
6 »
80 Blau , Beilräge iur phiinikischen Münzkunde.
Der Typus griechischer Stadtmünzen von Sinope, welche den
Namen der Stadt tragen, ist mit Sicherheit hekannt. Als heieh¬
rend für unsern Zweck beschreihe icb hier ein schönes Exemplar
meiner Sammlung, ähnlich dem in Berlin (Pinder a. a. 0. No. 317).
HS. Jugendlicher weiblicher Kopf mit Diadem, für den der
Sinope der Tochter des Zeus gehalten. — RS. Adler einen Fisch
raubend, darunter 2IN£2, unter dem Flügel des Adlers z/70.
Die Wappen des Reverses deutet sich durch die Stelle Strabo's
(XII, 3. p. 21), der von den Sinopeern sagt, dass sie neben
Byzanz den reichsten Fang der Pelamydia (ntjkafivdia) besassen,
einer Art Thunfische die in Constantinopel und Marseille noch
jetzt Palamede, Palamyde heisst und in der Darstellung dieser
Münzen leicht wiederzuerkennen ist.
Dieser Typus ist den MUnzen mit griechischer Aufscbrift nicbt
ausscbliesslich eigen, er begegnet uns gleicbergestalt auf der mit
semitischer Legende versehenen MUnze bei Luynes Tof. XII, 1,
auf der wir, wie bereits der Herausgeber getban, ein deutliches
aJirnay, Abdsanab, leseo, das als Eigeonaoie sich einer Reibe
analoger, Abdzobar, Abd-Hadad, Abd-Phthah, Abd-Osiris u. s. w. an
die Seite stellt und somit voo dem Culte eiuer Göttin oder, weon
man lieber will, Heroin Sanape Zeugniss giebt.
Spuren einer Verehrung der Sinope oder Sanape als Eponyme
der Stadt habeo sich auch in griechischen Mythen erhulten, die
sie bald als Apollo's Geliebte und, mit Verflechtung einer ethno¬
graphischen Sage, Mutter des Syrus (Apollod. II, 955), bald als
Geliebte des Jupiter (Nicepbor. Blemmid. ed. Spohn p. 12) nennen.
Was für eine Bewandtniss es hierbei mit der Verwandtschaft
oder Identität von Sarapis und Kanopus haben möge, für die
Movers (Phoen. Alt. K. II, S. 198) sieh ausspricht, lassen wir
dahingestellt, und legen nur darauf Gewicht, den aus griechi-
sehen autonomen Münzen unzweifelbaft festgestellten Typus der
Stadt Sinope mit gleicher Sicherheit auch auf Stücken wieder¬
gefunden zu haben, welche semitische, genauer vielleicht aramäi¬
sche Legenden fübren.
Hiernach muss nun zunächst auch die von Luynes Taf. V, 4,
abgebildete Münze nach Sinope gesetzt werden, sofern wohl ohne
Widerspruch anzunehmen ist, dass MUnzen, die das characteristiscbe
Wappen einer Stadt führen, als in eben dieser Stadt gescblagen
betrachtet werden dürfen, nuch weoo der Name derselbeo nicht
darauf gesetzt ist.
Der Stadtname steht auf unsern Münzen entschieden nicht,
und dürfen wir von der anderweiten Conformität des Habitus der
griechischen Münzeo eioen RUckschluss auf diese machen, so
denken wir von vorn herein daran, hier in der Legende:
pl '^'^ 1 -4 H einem Magistratsnamen zu begegnen. Wir leseo
dieseo Nameo nni'>1M, Ariodal. Das erste Zeicbeo ergiebt sich
Blau, Beiträge zur phünikischen lUünzkunde. gf
aus Vergleichung von No. 1—3 auf Taf. V als ein verstümmeltes
Alef. Das dritte Zeichen mnss als Jod gedeutet werden, da
das Caph, auf das man zunächst zu rathen geneigt ist, auf
eben diesen Münzen in anderer Gestalt erscheint (s. unten), da¬
gegen das fragliche Zeichen auch anderswo das Jod darstellt ').
Der Name Ariodat kehrt unter der Form Aridata «m^lN
Esther IX, 8, wieder und stellt sich neben Mithridates, Pbarandates, Tiridates einerseits, uud Ariobarzanes, Ariobazos, Aribazos, Arioch u. ähnl. andrerseits.
Augenscheinlich derselbe Name steht auf den Münzen bei
Luynes Taf. V, No. I —3, und wir dürfen vorerst daraus scblies¬
sen, dass aucb sie aus Sinope stammen.
Gegen Luynes' Ansicht aber, dass dieser Name einem Sa¬
trapen angehöre und die Münzen überhaupt Satrapenmünzen seien,
müssen wir Widerspruch einlegen. Alles was wir von der Ge¬
schichte und Staatsverfassung Sinope's wissen , spricht entschie¬
den dagegen.
Sinope war eine assyriscbe Colonie. Die Beweisstellen der
Alten, in denen diese Thatsache überliefert wird, bat Movers
1) leb vergleiche, ausser deo aramäisch-ägyptischen Monumenten, auf denen diese Figur sich öfters findet, die gewöhnliche Legende der cilicischen
kann nicht füglich anders gelesen werden als i^tüS . — Meine Deutung
der ciliciscben Legende (Bd. VI, S. 481 f.) ist mir bei gewissen¬
hafter Prüfung der dagegen erhobenen Einwendungen wieder zweifelhaft geworden. Wenn beide Legenden gleichbedeutend sind, so erscbeint mir die Lesung "ilfä als die zulässigere. Zur Deutung darf man vielleicht heran¬
ziehen das zendische mizda (Vendidad ed. Broekhaus S. 384), neupers. müzd,
„Sold" (griech. ftia&ös't) , wonach neupers, Sold-Truppea ^Äs^j
oier j)<^jA heissen, und hier in adjectivischer Bildung s^Ta eine „für den Truppensold bestimmte" Münze bedeulen würde, was vermöge einer ähnlichen Praxis auf diese Münzen gesetzt wurde , wie die neueste türkische Erfindung ist, welche ein eigenes Staatspapiergeld für die Donauarmee geschaifen hat, auf dessen Rückseite der Stempel: Ordüi humnjunlarine machsus Caime, d. i. „Für die kais.
Armee eigens bestimmtes Papiergeld" steht. — Bekannt ist, dass Herodot 111,90, berichtet, dass von dem cilleiscben Tribut ein Theil vorweggenommen wurde, um die Cavallecie-Garnisonen Ciliciens zu besolden. Dass aber i-^fü Bezeichnung der Münze sein soll und nicht etwa ans Mazdäjasn abgekürzt seio kann, ist namentlich aus der längeren Legende der Münzen des Abdzobar deutlich, welche ich jetzt so lese: t]in 13 intia? bV''t ''ITS d. i. ,,Soldmünze uielche von Abdzohar König von Cilicien" (geschlagen ward). ks''T = aram.
\S^} (Gesenius Thesaur. p. .H34) ist mit jenem zusammengesetzt, welches sich unter andern anch anf den aram.-ägyptischen Monumenlen als ältere Form des aram. findet. Für das d. i. kawa zend. „König" vergleiche man die bei Broekhaus Vendidad S. S52 angerührten Stellen. Daneben be¬
steht die Variante ji = 6flj»o.
Bd. IX. 6
82 Blau , Beilräge mr phönikischen Miinzkunde.
Phoeo. Alt.-K. Tb. I, S. ölh Anm. 3. Tb. II, .S. 198 ff. u. S. 287 Anm. 32 zusiimmcngestellt. — Daneben sind in die Stiftungssage Cimmerier verflocbten (.Movers a. a. 0. Tb. II, S. .303 Anm. 147).
Die milesiscbe Colonisation wird auf Olymp. 32, 2 angesetzt (s.
Rambacb de Mileto p. 47 ff. ). Sinope selbst ward Mutterstadt
blUbender Colonien, unter denen die nambaftesten Kotyora, Ke-
rasus und Trapezus von Xenopbon (Anabas. V, 5, 3. 7.10) ge¬
nannt werden. Wäiirend der Zeit seiner Macbt war es im Besitz
der llerrscbiift des Pontus Kuxinus und der Mittelpunkt des ge¬
sammten pontisclien Handels (vgl. Strabo Xll, 3, p. 21) als Sta¬
pelplatz der assyriscben und indiscben Waaren und als Markt für
die reicben Producte pontiscber Gegenden, unter denen das rha
ponticum, pbu ponticum, castorium ponticum u, aa. (Servilius Da-
inocrates ed. Didot S. 121. 123. l'ih) nicbt weniger beriibmt sind
als jene Glunzfarbe die von .Sinope ibren Namen hat ( Plin. N.
Hist. XXXV, 12 ff.i.
Die Miscilung der Bevolkerungselemente bestand nocb zu
Xenopbons Zeiten , und aus der jeweiligen Herrschaft des einen
oder des andern erklärt es sicb, dass die Abgeordneten Sinope's,
die zu Gunsten der Tochterstadt Kotyora sich zu Xenophon be¬
gaben , ein so vorzügliches Gewicbt darauf legen , dass sie im
Gegensatz zu den Barbaren, denen sie die Herrschaft abgerun¬
gen, uuch als Hellenen ungesehen sein wollen (s. die Rede des
Hecntonymus bei Xenoph. Anab. V, 5, 8 ff.). Der Trotz mit dem
sie dieses Anerkenntniss verlangen , die Drobung im abschlägigen
Falle sich mit den Paphlagonen gegen die Griechen zu verbinden,
und die Antwort Xenopbons, duss er wobl wisse, wie Korylas,
Papblaguniens Herrscher, nur auf eine Gelegenheit warte, um
ihre Stadt und die dazu gehörigen Seeplätze an sich zn reissen
(\', 3, 38. vgl. V, 6, 3 ff.), endlicb die ehrenvolle Behandlung der
Abgeordneten seitens der griechischen Heerführer, — ulles dns
lässt auf die Macbt und die Selbstständigkeit Sinope's in jener
Periode scbliessen. Dus griechische Element scbeint damals das
IJebergewiclit gehabt zu haben; die Gesandten selbst sind augen¬
scheinlich Griechen. Besonders characteristiscb ist das Verhält¬
niss zu Puphlugonien. Die Paphlagonen hatten , wie die Cyro-
pädie (Vlll, 6, 8) ausdrücklich versichert, keinen .Sutrupen, zahl¬
ten nach Curtius (III, 1, 23) aucli keinen Tribut (vgl. jedoch
Herod. III, 90), sondern standen unter selbstsländigen Königen
oder Dynasten (Cornel. Nep. Dutum. Cap. 2. 3), deren damaliger,
Korylas, sowohl durch den Umfang seiner Herrschaft (Anab. V,
(I, 9) als durch den Reichtbum seiner Hofhaltung berühmt war.
Sein Murstttll war vorzüglicher als der des grossen Königs
(ebend. 8). Diesem mächtigen Nachbar gegeoüber bewabrte Si-
oope, unterstützt durch seine Pflauzstädte , seine volle Selbst¬
ständigkeit, wenn gleich seio Gebiel sich uuf ein nur schmales
Territorium an der Küste beschränkte, zu welchem die Ortschnf-
Ulau , Ueilräge sur phönikischen Münxkunde. 83
ten Harmene (Anab. V, 9, iSj^ Pteria (Stepb. Byz. ed. Meineke
p. 538) und die Insel Korokondane (Stepb. p. 374) gereebnel
werden.
Das Scbweigen Xenopbons über einen Satrapen dieser Sladl
und Umgegend erscheint sonach völlig im Klaren , und wir wagen
zu glauben , dnss I^uynes selbst für diesen Zeitraum nicht einmal
einen unbekannlen Satrapen annehmen wird.
Sinope war zur Zeil Arlaxerxes II. ein Freislaal mil vorivie- gend griechischer Bevölkerung.
Ganz anders müssen sich jedoch im Laufe des vierten Jahr¬
hunderts die Verbälliiisse der Stadt gestaltet baben. Zur Zeit
Alexanders des Grossen waren die .Sinopeer uicbt allein dem Hel-
lenenthum entfremdeter, sondern stunden, wie bestimmt ungegeben
wird, noter persischer überbubeit. Arrian erzählt in seiner Ge¬
schichte des Feldzuges Alexanders CHI, 24j von einer Botschuft
welche dieSinopeer an den Hof des Perserkönigs sandten. Alexan¬
der ilog sie im Lande der Marder auf, liess sie aber wieder los:
Oll 2trwTiiTQ ovtf rov xoivoii jwv'EXXrjvwr fxun/ov , vno TltQaaig
XI Ttiuyf.ihoi ovx umixlna noitiv ISoxovv nagu tov ßuoiXia
aiftöv uQtaßtvovitg. — Welcber Unterscliied zwiscben dieser und
der Xenopbonteiscben Gesandtschaft! Dort das Thema des Red-
uers: „Wir sind Hellenen"; hier erhalten sie den Laufpuss
weil sie Nicht-Hellenen. Dort Abgeordnete einer freien Stadt zur
Wahrung der Rechte ibrer Colonien ; bier Boten einer unterthanen .Stadt die „ibrem Könige" den Tribut sendet.
Sinope war zur Zeil des lelzlen Achämeniden den Persern völlig unterworfen.
Ein solcher Umschwong der Dinge begreift sich om leichte¬
sten wenn man — eine Miscb-Bevölkerung einmal zugegeben —
annimmt, dass das nicbtgriechiscbe Element, mag man es eine
assyrische oder persische Partei nennen , die überband gewann
und die Stadt uuter das Scepter einer Macht stellte, auf deren
Schutz dieselbe sowobl durcb ibre geographische Lage als durch
historische Erinnerungen nngewiesen war. Wie und wann diese
Umwälzung vor sich gegangen, ist nicht mit Sicherheit bekannt;
sie erscheint über jedenfalls nicbt als Resultat einer gewaltsamen
Besitzergreifung persischer Seits; denn auch diese Periode weiss
noch nicbts von einem persiscben Statthalter in Sinope, vielmebr
verrätb der Umstand , dass die .Stadt directe Gesandte an den
persischen Hof gebeo lässt, ein onmittelbares Abbäogigkeitsver- hältniss „ihrem Könige" gegenüber.
Nocb ein lUenschenalter später: und wir ündeo Sinope uber-
mals zu einer neuen Verfassong entwickelt. Wir charaoterisireo
dieses Stadium ebeofalls noch dem Bericht über eine Gesandt¬
schaft, deo uus Tacitus (Histor. IV, 83. 84) aus guter Quelle
aufbewahrt hat. Ptolemaeus von Aegypten, der erste seines Na¬
mens, hatte einst ein Traumgesicht: es erscheint ihm im Schlaf
6 •
Blau, BeUräge zur phönikischen Münzkunde.
ein schöner übermenschlicher Jüngling und befiehlt ihm, zu From¬
men und Ruhm des Reicbes sein, des Gottes, Bildniss vom Pontus
her holen zu lassen. Darauf fährt er unter vielem Feuer gen
Himmel. Ptolemaeus legt den ägyptischen Priestern und Traum-
deutern den gehabten Traum vor; diese aber, „der auswärtigen An¬
gelegenbeiten und pontiscber Dinge unkundig", vermögen ihn nicht
zu deuten; und er befragt darauf den Eumolpiden Timotheus, Ober¬
priester von Eleusis. Dieser bringt von Kaufleuten in Erfahrung,
dass am Pontus eine Stadt Sinope liege und nahe dabei ein alt¬
berühmter Tempel des Jupiter Dis. Auch befinde sicb dabei ein
weibliches Götterbild, das der Proserpina.
Eine nochmulige Erscheinung des Gottes bewegt wirklich
den Ptolemaeus Gesandte und Geschenke mit einer Flotte nacb
Sinope an den König Scydrothemis („is tunc Sinopensibus imperi-
tabat" ) zu senden. Sie sparen nicbts um den Scydrothemis zur
Herausgabe des Götterbildes zu bewegen , aber drei Jabre wider¬
steht er ihrem Andringen. Endlich durch Drohungen der Aegypter
und vom Himmel verbängte Plagen getrieben, beruft er eine Volks¬
versammlung und trägt dieser das Anliegen vor. Opposition gegen
den König — Feindseligkeiten gegen die Aegypter — das Volk
schaart sich um den Tempel. Der Gott befindet es inzwiscben
schliesslich für gut, selbst zum Ufer zu wandeln und die Schiffe
zu besteigen, und landet drei Tage darauf in Alexandrien. Dies
ist der Ursprung der Verehrung des Serapis in Rhacotis.
Von sagenhafter Beimischung nicbt rein, giebt uns diese Er¬
zählung ein lebhaftes Bild sinopensischer Zustände auf der Scheide
des 4ten und 3ten Jahrhunderts. Im Auslande uur unter den Kauf¬
leuten bekannt, in sich noch stark genug um drei Jahre lang den
Aegyptern zu trotzen , ist die Republik zu einer Monarchie ge¬
worden, einen König mit anscheinend nicbtgriecbischem Namen an
der Spitze; eine Volksversammlung in Opposition gegen den Kö¬
nig, dem alten Culte einheimischer Götter mit Zähigkeit ergeben.
Analog der Geschichte anderer Republiken haben wir uns den
Gang der Entwickelung so zu denken , dass allmälig aus Partei¬
kämpfen sich eine Aristocratic zuerst des Besitzes und dann der
Geburt bildete; von der Adelsherrschaft zum Kleinkönigthnm ist
nur ein Schritt: Scydrothemis ist nur Stadtkönig, nicht Herrscher eines Reiches.
Sinope war zur Zeil des ersten Ptolemäers ein kleines Königthum.
Hauptstadt eines Reiches wird Sinope erst durch die Bildung
des Königreichs Pontus. Die Pontische .4era datirt vom J. 298
V. Chr., also unmittelbar nach der Periode in der die Erzählung
des Tacitus spielt. Die Reihe der abwechselnd Mithridates und
Pharnaces genannten pontischen Könige, ein Fürstengeschlecht
das, .wenn nicht aus einheimischem Blute entstammt (Appian. Mi-
thridat. 9), so doch jedenfalls auf gutvorbereiteten Boden für seine
Pläne in jener Aristocratic gestossen war, die schon vor der
Blau , Beilräge zur phönikischen lUünzkunde. 85
Bildung des pontischen Reichs einen Königsthron in Sinope er¬
baut hatte, — bringen Sinope noch einmal zn Ruhm und Ehre,
ehe es dem römischen Reiche einverleibt wird (App, Mithr. 83).
Pompejus liess den Leichnam des Mithridates in .Sinope „io den
Königsgräbern" beisetzen (App. Mithr. 113). Wenn mao diese einst
uufgrabeo wird , so wird sich aucb .Sinope's Gescbicbte noch et¬
was mebr aufhellen.
Wir deuteten scbon oben an, dass die Parteikämpfe, die jener niclitgriechiscben Adelsberrscbaft den Sieg gaben, schon vor Alex¬
anders des Grossen Zeit stattfanden , also etwa gegen die Mitte
des vierten Jahrhunderts. Artaxerxcs II., zu dessen Zeit wir Sinope
als blühende griechische Colonie kennen lernten, einer Zeit aus
der übrigeas auch die Eingangs erwähnten griechischen Stadt¬
münzen datiren , starb 362 v. Chr. In die letzten Jahre seiner
Regierung, die ohnehin durch eine allgemeine Cmgestaltuog der
politischen Zustände Kleinasiens bezeichnet sind , setzen wir die
Anfänge des Verfalls der griechischen Macht in Sinope. Ein
natürlicher Fortgang würde sein, sich Sinope's innere Verfassung
von der Mitte des 4ten Jahrhunderts an bis zum pontischen Kö¬
nigthum so zu denken, dass unter persischer Oberhoheit die ein¬
heimische Adelspartei die Herrschaft ausübte, und aus deren Mitte
ein Stadtoberster gewählt wurde, dem im Laufe der Zeiten dem
Brauche des Jahrhunderts gemäss der Königstitel (Tacitus sagt
ausdrücklich : Scydrothemidi regi) zu Theil ward.
Dieser Abriss der Geschichte Sinope's ist fdr die Deutung
unserer Münzen in doppelter Hinsicht eine Grundlage. Einmal
können wir hiernach annähernd die Periode bestimmen, in welche
diese Münzen fallen. Es ist nicht glaublich, dass dies die Zeit
der Blüthe der griechischen Macht gewesen sei; das wahrschein¬
lichste ist vielmehr, dass Münzen, welche mit Emblemen und
Legenden verseben sind, die nicbt griechisch, sondern denen ähn¬
lich sind , welche unter den Achämeniden in den kleinasiatischen
Satropien üblich waren, zu einer Zeit geschlagen sind, wo Sinope
unter persischer Herrschaft stund und die Stadtregierung in nicht¬
griechischen Händen war: wir sagen, ungefähr um die Mitte des
4ten Jahrhunderts oder bald nachher. Wir setzen sie nicht später,
weil in den Münzemblemen selbst noch der Kampf ausgedrückt
ist, der zwiscben dem griechischen uod nichtgriechischen Ele¬
mente stattgehabt hatte; denn die eine Münze des Ariodat (Loynes
V, 4) führt ooch dos griechische Wappeo, während derselbe Münz¬
herr auf späteren Stücken an dessen Stelle ein nationales, auf
der einen Seite Baal-Pharnaces , auf der anderu Kampf eioes
Greifen und Hirschen, gesetzt bot. — Zweiteos ober zieben wir
eben hieraus auch Schlüsse auf den Sinn der Nennung jenes Ario¬
dat. Er ist nicht Satrap, soodern Stadtoberster voo Sioope, eiu
Vorgäoger, vielleicbt Vorfahr jeoes um 300 regiercoden Scy¬
drothemis.
gg Blau , Beilräge zur phönikischen Münzkunde.
Wir lioinnien nun znr Legende der Huuptseite der Miinzen
Nu. 1—3, mit denen die Abbildung bei Gesenius Monn. Pboen.
Taf. 37 R. zu vergleiclien ist. üie vorliegenden Vuriunten sind:
H A Ltjy Luynes V, i.
^^Aiul » V, l.
li4AL'\ Gesenius 37. R.
^IHAl.. Luynes V, 3.
Zuvörderst ist es unzweifelbaft, duss diese Vuriunten alle
auf ein und dusselbe Wort zuriiekzufübren sind , du die Münzeu
nicbt allein im Uebrigen ganz übereinstimmend sind, sonderu uucb
gerade die in Rede stebenden Legenden Beiscbriften zu einer und
derselben bildlicben Darstellung einer Gottbeit sind. Die Münzen
voo Tarsus und andern ciliciscben Städten buben ein verwandtes
Gepräge. Dort ist derselbe tbronende Zeus Aetoplioros in nur
etwas verscbiedener Attitüde dargestellt und in der Ueischrift als
Baal bezeicbnet. Aucb bier ist in L. V, 2, das bsz deutlicb, auf
den andern Stücken fragmentariscb erbalten. Wie aber die Grie¬
cben jenen Buul-Tars durch Zivg T^ifftof übertragen , so dürfen
wir, falls unsere Vergleichung richtig ist, uuch erwurten, duss nicbt
minder der Baal von Sinope von den westlichen Völkern uls irgend
ein Zeus oder Jupiter aufgefasst worden. Beides bestätigt sich:
sowohl römische als griechische Scbriftsteller kennen diesen Gott
von Sinope. Die Taciteische Krzäblung, in der er als Jupiter
Dis erscbeint, fübrten wir oben un. Dieselbe Krzäblung findet
sich abgekürzt bei Kustotbius (ad Dionys. Perieg. 255), wo die
Gottbeit, deren Bild von Sinope entführt uud nach Alexandria ge¬
bracht wird '), Ziv( 2iviDnlirjg genaoot uod durch 2d()a7iig ioter- pretirt wird.
Wir begnügen uns jenen Baal bierin vorerst wiedergefunden
zu haben; ihn seinem mythologischen Charakter nach zu fixiren
erlauben die Nucliricliten der Griechen und Römer allein nicht, du
dieselben ibn bald mit ihrem Gott der Unterwelt, bald mit Aesculap
(Tacitus Hist. IV, 84) vergleichen, bald ibn Jovem rerum omnium
potentem (Tac. o. o. 0.), hold auch ibn Apollo sein lassen (Pausuii.
I, 31,2), und ihn daneben Osiris und Serupis nennen.
Dem Baal-Tars der ciliciscben Münzen gemäss und entspre¬
chend der Uebersetzung Zivg Sivumhtjg sollte man nun in dem
Worte, das auf bya folgt, vielleicht den Stadtnamen erwurten: der
aber steht bestimmt nicht darin — und die Neugier wird nocb
mehr dadurcb gereizt, dass man in allen Varianten denselben Nn¬
men sucht, während sie so verschiedeoe Buchstabenfigureo zeigeo.
I) Ueber den Zeus Aetopboros auf den Münzen der ersten Könige von Aegypten vgl. auch Pinder, Beitr. zur jilt. Münzkunde, Bd. 1, S. 225.
Blau , Beiträge zur phönikischen Münzkunde. 87
Ich gestehe, duss dieses eioe Wörtchen mich Jahre lang geneckt
hat, obwohl ich bereits Bd. VI, S. 468, die Lesung Luyoes'nss bs3
= Baal Pe'or als sicher fälseblich bezeichnen konnte. Was ich
jetzt zur Erklärung gebe, unterstelle icb bereitwillig der Kritik
Anderer. Ich fange mit L. V, 3, an und lese -IpE
ich nehme dann L. V, 2, und erkenne darin 7113"iE t^a
uod endlicb L. V, 1, uebst Gesenius 37. R. ^['3]
Das Phe — um vor allem etwaige paläographische Anstösse
zu beseitigen — ist allerdings in dieser Figur selten. Inzwischen
durf, wie wir bereits obeu hervorgebobeo habeo, dieses uod
die verwandten Alphabete überhaupt niclit nnch dem phönikisch-
inscbriftlicben Alpbabet beurtheilt werden ; und da wir schon im
Numen des Ariodat ein eigentbümlicb geformtes Jod fanden, so
kann onser /\ kein Jod seio, wie man aus den Münzen des Tiri¬
bazus scbliessen möcbte. Auf einer des Pharnabazus ist das Phe
eio ähnlicher spitzwinkeliger Haken (Luynes I, 4) und danach von
diesem Gelebrten aucb in unsern Legenden richtig erkannt worden,
üie andern Bucbstaben in L. V, 3, bedürfen keiuer Erörterung;
in V, 2, und V, 1, sind die Elemente *]:)"£) wohl unbestritten deut¬
licb; das mittlere Zeichen in beiden Legenden halte ich für eine
Ligatur uus und :, die namentlich in V, 1, noch augenfälliger
ist als in V, 2.
Die beiden Formen PbarnakJi uod Pbarnoukh neben einander
zo linden überrascht nicbt; demselben Formen Wechsel begegnen
wir in Personennamen die sich an den dieses Gottes ansehliessen.
Pharnaces (Inschrift aus Telmissus bei Fellows Discoveries p. 380.
Hummer, Topogr. Ans. S. 167 No. 23. — Desgleicben aus Sidyma,
Fellows u. a. 0. p. 407. Thucydid. II, 67. .Strabo XII, 3, p. 21)
bestebt neben Pharnouchos (Aescbyl. Pers. 3H. Xenoph Cyr. VI,
3, 32. Stepb. Byz. p. 99 ed. Mein.) und Pharnouches (Herod. VII.
88. Arrian. Exped. Alex. IV, 3, 7). Scbon Numeri XXXIV, 25,
kommt ein sebulonitiscber Mannsnaiue Tf^'^E vor. Vgl. Kuoik in
deo Petersburger Melaoges Asiatiques Bd. I, p. 616 f.
Der Gott selbst wird von den Alten mit dieser doppelten
Namensform belegt: Strabo (XII, 3, p. 39) neont ibn Pharnakos,
bei Photius (Bibl. cod. 94. p. 75) heisst er OuQvovxoi , wozu
noch die dritte kürzere Form Phamos tritt, über weicbe s. Mo¬
vers, Rel. d. Pboen. S. 460.
Nicbt allein aber dass der Name dieser Gottbeit anderweitig
constatirt ist, — wir erfahren auch, dass gerade am Pontus sein
Cult heimisch war. Bei Photius (u. o. 0.) wird er nucb Jambli-
chus als am Nordgestade des Pontus zusummen mit Pliarsiris und
der Tanais verehrt erwähnt, und zwar gerade in einer Gegend
aus der wir auch sonst den Cult assyrisch-semitischer Gottheiten,
der Astarte, des Nergal und des Sarapis, kennen. Die Stadt Pbar-
oacia am Pootos, das alte Kerasus, eine Colooie voo Sioope, hatte
von ihm den Namen. Strabo (a. a. 0.) gedenkt eines berühmten
88 Blau , Beilräge zur phönikischen Münzkunde.
von Uierodulen bedienteu Heiligthums zu Cabira, das dem Men
des Pbarnacos geweiht war (vgl. Wesseling zu Hieroclis Synecdem.
p. 394, 19. Movers, Rel. der IMioen. S.649). Cabira aber war eine
der bevorzugtesten Residenzen der pontischen Könige (App. Mithr.
78), und wenn also dort Pbarnacos die oberste Gottheit war, so
ist es fast natürlich anzunehmen, dass sein Cult zU Sinope nicbt
minder bekannt war. Die häufige Wiederkehr des Namens Phar¬
naces in der Reibe der pontischen Könige steht damit in Zusam¬
menhang. Und wer weiter zurückgreifen will, der wird vielleicbt
in der Geschichte des ersten medischen Herrschers Pburnaces, der
Sardanapals Reich stürzt und ihm nachfolgt ( Veil. Paterc. I, 6),
deu Kumpf zweier sicb entgegenstehender Religionen erkennen.
Höchst wichtig wäre es , wenn Rotb oder, soweit die Vermittelung
im Zend zu suchen , Spiegel mir die Vermuthung bestätigen könn¬
ten, dass Pharnaces und Phamos nicbts anderes als = Varuna sei,
wofür nicht allein die Namensäbnlichkeit sprechen könnte, sondern auch die gemeinsame Auffassung beider als höchsten Lichtwesens,
Sonnengottes und Herm des Todes, und namentlich die enge Ver¬
bindung beider mit INitbra, die in dem regelmässigen Wechsel der
pontischen Königsnamen Pharnaces und Mithridates einen religiö¬
sen Grund zu baben scbeint.
Jedenfalls nämlicb stellt sicb Pharnuces durch die Bezeich¬
nung als Men sofort in die Sippe von Lichtgöttern , welche in
dualistischer Fassung als Men und Mene, Lunus und Luna in
ganz Kleinasien heimisch sind. Pharnaces wird übrigens geradezu
als .Sonnengott definirt (Auson. epigr. XXX), und da aucb Serapis
der Sonnengott ist (vgl. z. B. die Inschrift uus Stratuoicea bei
Fellows Discov. p. 82: "Hhog Zeig 2t()antg u. ebenda p. 3ti9), su waren in .Sinope Surapis und Pliurnak identisch; uud die Mythe, wo¬
nach der Delische Apollo aus Sinope gekommen sein sollte (Pausan.
I, 31, 2), spricht mit für diese Auflassung, auf welche vielleicht
aucb die Sagen zurückzuführen sind, die den Autolycus als (irUn-
der von Sinope iieuiicn und von seiner dortigen Verehrung als
Gott und seiuem Orakel sprechen (Strabo Xll, 3, p. 22, Appian.
Mithr. 8b; A|iollon. Rliod. II, 9.">*)J. Denn Aeililvxiiq reibt sich durch seinen Namen „der .Selbstleuclitende , dus Liclitweseii" den
Lichtgottheiten an. — Wenn Müller (Arcbaeol. d. K. S. 611.
§. 400. Anm. 2) den Pbarnaees auf pontisclien Münzen uls einen
„Hermes-Bacchos mit .Sonne, Mond und Blitz" definirt, so ist das
ein unverständliches Quid pro quo.
.4ucb dass dem Sinopischen Zeus eine Paredrus beigelegt
wird, welche Tacitus für die Proserpina hielt, widerspricht dein
Obigen niclit. Die kleinusiatiscbe Mundgöttin wird auch sunst
mit der Persephone, Persepbatta identificirt (Movers, Rel. d. Phön.
S. 624), und in Cabira war ja mit dem Heiligtbuin des Pharnak
Monddienst verknüpft. — Kiner weiblichen Pharnake wird nuch
in den Mythen gedacht (Hesych. s. v. Kivvnng). — Wenu bei
Blau, Beilräge nur phönikischen Münzkunde. 89
Tacitus (H. IV, 83) die Göttin von Sinope vom Oraliel zu Delplii
als Schwester des Apollo bezeichnet wird, so erinnert das daran,
dass aucb Artemis gewöhnliche Metonymie fiir dieselbe weiblicbe
Mondgottheit ist (Gesen. Monn. Phoen. p, 116).
Ja, wir glauben sogar, in nächster Nähe bei Sinope selbst die
Mene wiedergefunden zu haben. Dicht bei .Sinope lug ein Flecken
dessen älterer Name Harmene (AQfirjvti Xenoph. .4nab. V, 9, Ift),
späterer Armene (Ag/iiivi] .Strabo XH, 3, p. 21. Steph, Byz.) ist.
Das von Strabo (a. a. 0.) aufbewahrte .Spottlied:
oaiig l'gyov ovdiv i^/jv, lAg/xlvriv liii/_iatv
verräth, wie zwecklos und unnütz in den Augen der griechischen
Handelswelt diese Anlage erschien. Darf man aber annehmen,
dass dieselbe nur einen religiösen Zweck hatte, dass sie eine
Niederlassung rings um den Sitz des Heiligthums einer Landes¬
göttin war, so erklärt sicb einerseits der Spott der Griecben und
wird andrerseits die Etymologie '3a-iri „Berg der Mene" wahr¬
scheinlich. Die Tempel der Mene steben io den kleinasiutischen
Städten fast immer auf Höhen.
Hiernacb und in Erinnerung dessen was wir oben über den
Abd-Sanap sagten , sowie der auf Münzen der pontischen Könige
gewöhnlichen Zeicben von Sonne und Mond (Pinder, A. M. S. 57),
dünkt uns die Annabme eiues zweitheiligen Licbtgöttercultus in
Sinope, des Men-Pharnak und der Mene-Sinope , begründet.
Und wir tasten noch eine Spanne weiter. Wenn Cassiope iu
Epirus ein Hciligthum des Jupiter Casius hatte ( Sueton. Nero
cap. 21), so war es wobl von diesem Gotte ebenso gut benannt
wie Cassiope auf Corcyra (vgl. Movers a. a. 0. S. 669). Sollte
man für Sinope bei der äbnlicben Namensbildung nicht eine ähn¬
liche Etymologie annehmen dürfen? Wir würden es dann auf Stn
zurückzuführen wagen und im Voraus auf Cliwolsohn's „Ssabier",
II, S. 156—158, verweisen, wo, zu dem ausdrücklichen Zeugnisse
des sabäischen Festkalenders (Ztschr. VII, .S. 468 Anm. 2) vom Mond-
gotte Sin, auch aus andern Quellen nacbgewiesen ist, dass Sin der
Mondgott der altsabäiscben Religion war '). Mögen Andere, die
dann auch die Namen Sinai und Pharan und den dortigen Mond-
und Licbtcultus (Tucb in dieser Zeitschrift Bd. III, S. 202. 195)
oicht vergessen wollen, diesem Winke weiter folgen.
Zur Unterstützung unsrer Auslegung der Legende ^zlo bsa
meinen wir hiermit das NothdUrftigste beigebracht zu haben.
Wir haben im Obigen die Antwort auf die letzte Frage vorbe¬
reitet, die uns zu erwägen nocb übrig bleibt uud die wir ab-
1} Die Ableitung and .Sivconos noraftov bei Eust. ad Dionys, v. 2ää
lässt an eiue Zusammensetzung mit zend. ap (femin.) Wasser, also
= Mondwasser , denken; während bei der göttlichen Verehrung der yyß die Etymologie schon vergessen scheint.
90 Vlatt , Beilräge zur phönikischeri Münzkunde.
sichtlich bisher aufgeschoben haben, nämlich die nacb der wahren
Nationalität der Bevöljierung für welche diese und die verwandten
Münzen geschlagen wurden. Das Bild welcbes die Prüfung die¬
ser MUnzen uns von der Culturepoche Vorderasiens, in welche
sie fallen, aufzeigt, ist ein höchst eigenthümliches, aber doch
scharf ausgeprägtes.
Der von den Alten gebrauchte Ausdruck , dass Sinope eine
astyrische Colonie war, gelangt zum rechten Verständniss wenn
man damit diejenigen Nachrichten zusammenhält, welche von Sy¬
rern in Sinope redea (Plutareh. Luculi. c. 23. Eust. ad Dionys.
V. 772. 775. 970). Sonst sind Griechen und Römer sehr ungenau
in Gebrauch der Ausdrücke Syrer und .4ssyrer; diesmal scheinen
iodess beide Bezeichnungen mit Recbt überliefert zu sein, woferu
wir nur mit Eustatbius '(a. a. 0. S. 772) unter Syrern Alles begrei¬
fen, was van Babylonien an bis zura issiscben Meerbusen wobnt.
— Neben den Syrern am Pontus finden wir aucb Chaldäer da¬
selbst erwähnt. Chaldaea, bei Steph. Byz. u. Eust. ad Dionys.
V. 767 Chaldia, heisst nach Strabo Xii, 3, p. 36 fT. die Gegeod
am Pontus nördlich von Armenien mit den Hauptstädten Trapezus
und Pharnacia. Die Einwobner waren von Dynasten regiert, wie
die Chaldäer von Sophene. Constantinos Porpbyrog. (de Themut.
1. 1, th. 3) fügt binzu, dass die Assyrer, als sie die Bewohner
von Samaria gefangen fortgeführt, ihnen hier Wohnsitze aoge-
wiesen hätten, eine Notiz die, obwohl aof falscher Combination
beruhend, docb insofern eine Beachtung verdient, als sie eine
historische Erinnerung an die Zeil jener Colonisation des Pontus
durch Chaldäer, die von Assyrern dahin verpflanzt worden, ein¬
scbliesst. Wir wissen ja aus 2 Kön. XVil, 24 ff. (vgl. Esra IV,
2. 9. 10. Zooar. Annal. II, 22. Judith I, 7), dass die Assyrer nach
der Wegführnng der zehn Stämme zahlreiche Colooisteo aus deo
ontern Euphrutländern nacb Samaria und dem ganzen Lande
westlich vom Euphrat verpflanzten, und dass diese ihre Religion
und ihre Cultur in die neuen Wohnsitze mitbrachten. Man lese
nach was Movers Rel. d. Pb. S. 73 ff. Pboen. Alt. K. II, S. 402 ff.
über diese Colonisation sagt, — man vergleiche damit, dass die
am Pontus verehrten Gottheiten zum Theil dieselben sind wie
die von den Colonisten in Samarien verehrten (i. B. Nergal) , zum
Theil wenigstens demselben Götterkreise angehören, — man ver¬
binde dann, dass wie in Nineveb chaldäische Insthriften existirtcn (s. Amyntas, Statfam. 1. 3, citirt von Layard, Niniveh and its Rem.
II, S. 360), und jene Colonisten in Samaria an den persischen
König auf aramäisch schrieben (Esra IV, 9), so auch in Sinope
aramäische Schrift und Sprache beimisch erscheint und noch König
Eumenes von Pergamus syrische Briefe schreibt (Diod. XIX, 23;,
wie denn Epiphanias (adv. haeres. II, p, 629; siehe die Stelle bei
Gesen. Mann. Phoen. p. 83 Anm.) von den Persern im Allgenei-
nen sagt, „dass die meisten neben den persischen Buchstai»en
Blau, BeUräge zur phönikischen Uünskunde. 91
auch die syrischen in Gebrauch haben", — man beachte ferner,
dass am Pontus nach babylonischemMümfusa gemünzt wurde, — man
sehe sich dann noch einmal jene Nachrichten an , die von Assy¬
rern und Syrern oder Chaldäern am Pontus sprechen , und man
wird sich der Ueberzeugung nicht erwehren können , dass jene
Colonien am Pontus auf gleichen Ursprung mit denen in Palä¬
stina zurückzufuhren sind , dass sie von assyrischen Herrschern
dahin geführt, aber aramäischer Nationalität waren, und dass sie
ihre Verpflanzung aus Babylonien gleichen Ursachen danken wie
jene in Samaria, wenn sie nicbt gar bloss vorgeschobene Posten
dieser selbigen Ansiedelung sind.
So tbeilen sie denn auch mit diesen ihren Brüdern jene Bin-
miscbung des arischen Elementes in das Semitische, die jedenfalls
scbon in Babylonien vor sicb gegangen sein muss; denn so sicher
der Lichtgott Pharnak und der Name Ariodat nicht semitischen
Ursprungs sind, so sicber ist die chaldäische, will sagen baby¬
lonische Religion vielfach mit arischen Elementen versetzt. Ich
habe das bier nicht weiter auszuführen ; nur beiläufig mag darauf
hingewiesen sein, dass z. B. die Adiljas, über welche Rotb's vor¬
treffliche Abbandlung in d. Zeitschr. VI, S. 67 ff. handelt, in den
Annedolen der Babylonier ein merkwürdiges Conterfei finden.
Die aramäischen Colonien Am Pontus sind eins der nördlich¬
sten Glieder dieser Kette voo Aosiedelungen , die unter der assyri¬
schen Herrschaft der jüngern Zeit entstanden sind. Diese Kette
setzt sich durch Armenien und Cappadocien, wo ja überall Syrer
and Leucosyrer genannt werdeo, nach Cilicien fort, wo Tarsus
voo Saoberib colooisirt worden war (Movers, Phöo. Alt. K. S.404),
und von da eioestbeils über Philistäa nach Aegypten, woher die
aramäisch-ägyptischen Monumente sich erklären , und anderntbeils
eotloog der grossen Heer- und Handelsstrasse die nach den
grossen Emporien im Mutterlande führt. Dass Nisibis und in der
Fortsetzung jener Strasse Nineve Münzen mit Legenden io persi-
cirtem Aramäisch schlugen, erscheint mir nunmehr aucb in an¬
drem Lichte als vor Jahreo , wo ich diese Cotersucbungen be¬
gann. Die Bd. VI, S. 488, ausgesprucheoe Aosicht , dass die
Phöniken einen wesentlichen Antheil und Einfluss l»ei der Prä¬
gung jener Münzen hatten , nehme ich ausdrücklich zurUck und
lege schliesslich das Bekenntniss ab, dass ich mich zukünftig
hüten werde, Beiträge zur phönikischen Münzkunde das zu nen¬
nen , was sich im Laufe der Untersuchung und am Schlüsse der¬
selben vielmehr als Beiträge zur aramäisch-persischen Münzkunde
herausstellt.
92
Aus Sa'di's Diwan.
Von
Prof. H. II. Graf.
1. Auswahl aus Sa'di's Kasiden.
Bis jetzt hat mao in Europa Sa'di nur durch seinen Gulistan
und Bostan als Didactiker und Moralisten kennen g-elernt; was
er als Lyriker geleistet, ist beinahe ganz unbekannt; und doch
ist sein Diwan weit umfangreicher als jene beiden Werke
Ich glaube daber nicbts Unzweckmässiges zu tbun , wenn ich durcb
Herausgabe und Uebersetzung einer Auswahl aus seinen kleinem
Gedichten auch diese zu näberer Kenntniss bringe und damit zu¬
gleich einen Beitrag zur Geschichte der persischen Literatur lie¬
fere. Ich beginne mit seinen Persischen Kasiden jk,jL«c'$
^^^jLs. Allerdings sind diese wie seine übrigen Gedichte schou
gedruckt vorhanden; doch haben die im Orient erschienenen Aus¬
gaben derselben für uns beinahe die Seltenheit von Manuscripten,
so dass eine blosse Uebersetzung ohne Mittbeilung des Textes
nicbt genügen würde. Leider stebt mir zu dem Texte selbst nur
der in Caleutta 1795 erscbienene Druck zu Gebote, da meine Be¬
mühungen, noch wenigstens ein Manuscript zur Vergleichung zu
erlangen, vergeblich gewesen sind '); docb bat sich mir der Text
dieser Ausgabe für den Bostan, bei Vergleichung mit verschiede¬
nen andern Drucken und Handschriften , als so zuverlässig er¬
wiesen , dass ich auch den Text des Diwan mit vollem Vertrauen
zu seiner Correctbeit wieder abdrucken lassen kann. Einzelne
Druckfehler sind damit natürlich nicht ausgescblosseu , docb sind
deren wenige; die Berichligungen, die ich deshalb für notbwendig
gehalten habe, finden sich in den Anmerkungen angegeben.
Der Inhalt der Sa'di'schen Kasiden ist tbeils didactisch, theils
lyrisch, theils panegyrisch; doch nimmt das lyrische Element den
geringsten , das didactische bei weitem den grössten Raum ein,
und mit Recht sagt Sa'di von sich selbst (s. Nr. VI):
1) In der Calcuttaer Ausgabe bildet er einen Folioband von 584 Seiten, l'eber die Bestandtheile desselben s. v. Hammer's Seh. Redekünste Persiens, S. -207 ff.
2) Eine der Königlichen Bibliothek in Berlin gehörende, mir gütigst mil- gelbeilte Abschrift von einem Theile des Sa'di'schen Diwan ist selbst nur der Calcuttaer Ausgabe entnommen.