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Der erst Ende 1999 erschienene Band versammelt Beiträge, die schriftliche Fassungen von Vorträgen darstellen, welche schon 1995 auf dem Kolloquium Ancient Egyptian Litera¬ ture

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Gerald Moers (Hrsg.): Definitely: Egyptian Literature. Göttingen: Seminar für Ägypto¬

logie und Koptologie 1999. X, 140 S. (Lingua Aegyptia. Studia monographica. 2.) ISSN

0946-8641. DM 72- (für Subskribenten von Lingua Aegyptia DM 48,-).

Der erst Ende 1999 erschienene Band versammelt Beiträge, die schriftliche Fassungen von Vorträgen darstellen, welche schon 1995 auf dem Kolloquium Ancient Egyptian Litera¬

ture. History and Forms vorgetragen wurden (24. bis 26. März 1995 an der Universität Los Angeles). Das Kolloquium diente zur Vorbereitung der Herausgabe eines neuen Bandes aus der Reihe Probleme der Ägyptologie (PdÄ), der in Form von Einzelbeiträgen einen Überbhck über den Forschungsstand auf dem Feld der altägyptischen Literatur bieten will, sowohl was Merkmale und Besonderheiten einzelner Gattungen, als auch was allge¬

meine Fragen und die Theorie altägyptischer Literatur anlangt. Dieser Band, der das ver¬

altete Werk aus der Reihe Handbuch der Orientalistik^ ablösen soll, ist 1996 von Anto¬

nio Loprieno herausgegeben worden.^

Das von Moers, einem Kenner der Materie, der schon zahlreiche Aufsätze zu Fragen

der altägyptischen Literatur und der Agyptenrezeption moderner Autoren nebst Uber¬

setzungen ägyptischer literarischer Texte vorgelegt hat (wenn auch seine Dissertation noch immer ungedruckt ist'), herausgegebene Werk enthält Beiträge von Jan und Aleida

Assmann (Universität Heidelberg bzw. Konstanz), John Baines (Universität Cam¬

bridge), Gerald Moers (Universität Göttingen) und Richard B. Parkinson (Britisches

Museum London). Der Kolloquiumsbeitrag von Antonio Loprieno (Universität Los

Angeles, jetzt Basel) ist in den o.g. PdA-Band eingegangen.'' Angefügt ist dem Werk ein Supplement in deutscher Sprache von Claudia Suhr (Universität Göttingen), eine über¬

arbeitete Zusammenfassung ihrer Magisterarbeit.* - Die Qualifikation der Kontributo¬

ren ist unstreitig. Die meisten von ihnen haben namhafte Beiträge zu der seit den Sieb¬

ziger Jahren geführten Diskussion über Wesen und Entstehung altägyptischer Literatur ' B. Spuler (Hrsg.): Handbuch der Orientalistik. L Abteilung: Der Nahe und Mitt¬

lere Osten. L Band: Ägyptologie. 2. Abschnitt: Literatur. 2. Aufl. Leiden 1970.

^ A. Loprieno (Hrsg.): Ancient Egyptian Literature: History and Forms. Leiden/

New York/Köln 1996 (Probleme der Ägyptologie. 10.)

^ G. Moers: Der Aufbruch ins Fiktionale. Reisemotiv und Grenzüberschreitung in

ägyptischen Erzählungen des Mittleren und Neuen Reiches. Diss. Masch. Göttingen 1996 (erscheint voraussichtlich 2001 in überarbeiteter Fassung in der Reihe Probleme der Ägyp¬

tologie).

* A. Loprieno: „Defining Egyptian Literature. Modern Theories and Ancient Texts."

In: Ders. [Hrsg.]: Ancient Egyptian Literature. History and Forms. Leiden/New York/

Köln 1996, S. 39-58.

* Gl. Suhr: Zum fiktiven Erzähler in der ägyptischen Literatur. Unveröff. MA-Arbeit Göttingen 1997.

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gehefert. Allerdings zeigt dieser Band, der, besonders was die theoretischen Fragen an¬

langt, als eine Quintessenz der Debatte der letzten Jahre aufgefaßt werden kann (auch

wenn die gewichtige Stimme Antonio Loprienos hier fehlt), zugleich das Dilemma, in

dem die Bemühungen von Autoren bisher stets enden. Die Grundfragen sind bekannt:

Was zeichnet ägyptische literarische Texte gegenüber anderen Texten aus? (Textsorten¬

merkmale) Welche Funktion erfüllen sie in der ägyptischen Gesellschaft? Wie und auf¬

grund welcher Bedingungen konnten sie entstehen? Das Interesse der Forschung gilt

dabei nicht in erster Linie dem Phänomen sui generis im Sinne vergleichender Literatur¬

wissenschaft, sondern wird gewöhnlich aus der Perspektive des Historikers formuliert.

Das hat Vorteile, da prinzipielle Perspektiven der Kultur/Gesellschaft in die Klärung von Einzelfragen eingehen. Der Nachteil besteht in der Gefahr apologetischer Engführung in der Textbewertung, die dazu dienen muß, das eigene Kulturverständnis zu rechtfertigen.

Für beides bietet der Band Beispiele. Darüber hinaus zeigt er gerade am Fall der Literatur, daß über das Grundverständnis der altägyptischen Gesellschaft weniger Konsens zu be¬

stehen scheint als vielleicht allgemein angenommen.

Zu den einzelnen Beiträgen.]. Assmanns Aufsatz „Cultural and Literary Texts" (S. 1-15) stellt die eingestandene Revision früherer Ansichten dar.' Während er ehemals die Texte nach ihren funktionalen Bezügen zuordnete (ihrem „Sitz im Leben") und den literari¬

schen Text als in dieser Hinsicht funktionslosen, „unbestimmbaren" Text auffaßte, gleich¬

wohl aber darauf zu bestehen schien, daß sich die Kenntnis derartiger Funktionen aus innertextuellen Merkmalen erheben läßt, werden von ihm nun außertextuelle Kriterien bemüht. A. blickt auf die Gesellschaft im Ganzen und registriert ein Bedürfnis nach Selbstthematisierung in Gestalt einer didaktischen, in die kulturell entscheidenden Kom¬

petenzen einführenden Literatur. Aus der Not funktional nicht eindeutig zu bestimmen¬

der Texte wird also die Tugend einer Grundfunktion, die das Ägyptertum der Leser be¬

trifft. Literarische Texte sind somit Schultexte, ihre Aufgabe ist die Identitätsstiftung. Die damit vindizierte Funktion an den formal nicht-funktionalen Text beraubt ihn deshalb der Zuordnung zu Literatur im neuzeitlichen Sinne, der „kulturelle Text", wie ihn A.

nennt, ist nur dem Namen nach noch „literarisch". Erst im Neuen Reich, durch den Bezug auf die kulturellen Texte der Vergangenheit als einem Kanon klassischer Texte der Iden¬

titätsbeschreibung, kann sich , Literatur' herausbilden, d.h. Texte, die stärker der Unter¬

haltung („entertainment") gewidmet sind. Soweit A.^ - Es ist A. zuzustimmen, wenn er versucht, literarische Texte aus ihrer Funktion für die Gesellschaft zu begreifen. Insofern ist seine frühere Definition des Literarischen zu sehr von der Abwehr formgeschichtlicher Traditionen, wie sie aus den Bibelwissenschaften in die Ägyptologie eingedrungen waren, geprägt gewesen. Problematisch allerdings ist die einseitige Definition dieser Texte als Lehrschriften. Sie besagt nichts über die Enstehungsbedingungen gerade solcher Texte, die etwa narrative Grundstrukturen besitzen und Züge bewußter Fiktionalisierung auf¬

weisen. Sie wirft sie vielmehr mit der eigentlich didaktischen Literatur, den sog. Lebens¬

lehren, in einen Topf, anstatt ihre formalen und funktionalen Differenzen herauszuarbei¬

ten. Darüber hinaus unterstellt sie für die erzählende Literatur, daß die identitätsstiftende Absicht ähnlich klar zutage liegt wie in den Lehren. Hierüber dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Auch der Hinweis, Literatur im neuzeithchen Sinne sei aufgrund

' Vgl. dazu J. Assmann: „Der literarische Text im Alten Ägypten. Versuch einer Be¬

griffsbestimmung." In: OLZ 69 (1974), Sp. 117-126.

^ Ausführhcher hat A. seine Thesen dargelegt inj. Assmann: „Kulturelle und literari¬

sche Texte." In: A. Loprieno [Hrsg.]: Ancient Egyptian Literature. History and Forms.

Leiden/New York/Köln 1996, S. 68-82.

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eines mangelnden Buchmarktes nicht möglich gewesen, kann nicht überzeugen, denn hier wird eine historische Beziehung zu einer sachlichen gemacht, ohne daß dafür der Beweis angetreten wäre. Es ist daher sehr fraglich, v.a. wenn man den Gang der derzeitigen Dis¬

kussion verfolgt, ob A. hier auch nur annähernd die Gefolgschaft erlangen wird, wie sie seinen Forschungen zur Religion zuteil wurde. Allerdings beleuchten seine Auffassungen auf interessante Weise sein Verständnis der ägyptischen Gesellschaft.

Während J. Assmann literarische Texte en bloc in ihren gesellschaftlichen Rahmen si¬

tuiert, widmen sich die Texte von J. Baines, G. Moers und R.B. Parkinson stärker der Frage, was literarische Texte zu dem macht, was sie sind. J. Baines versucht in seinem Beitrag „Prehistories in Literature: Performance, Fiction, Myth" (S. 17-41) anhand einer Untersuchung biographischer Texte der 5. und 6. Dynastie das Aufkommen erster litera¬

rischer Formelemente zu identifizieren. Der Leitgedanke seiner originellen Abhandlung ist hierbei, daß die Darstellungen des Verhältnisses zwischen König und Beamten ideal¬

typische Szenen sind, Verdichtungen eines komplexen sozialen Zusammenhanges auf eine einzige repräsentative Episode hin. Und B. ist zuzustimmen, wenn er hier eine hterari¬

sche Gestaltung am Werke sieht, die von dem Interesse geleitet ist, die Reziprozität im Verhältnis König-Beamter zu betonen. Allerdings ist literarische Gestaltung noch keine Literatur und die Bezeichnung eines solchen Vorganges als „Fiktionalisierung" durchaus problematisch. Das zeigt sich auch darin, daß B. ebenso in der Verwendung mythischer Elemente in literarischen Texten, die einen freien Umgang mit den ursprünglichen my¬

thischen Erzählungen zu dokumentieren scheinen, Fiktionalisierung anzutreffen meint.

Aber zum einen kennen wir keinen vollständig erzählten Mythos bis zur griechisch¬

römischen Zeit, wie B. selbst betont, und können daher auch nicht angeben, worin genau die Abweichungen bestehen sollen. Zum anderen reduziert sich ein derartiger Begriff von Fiktionalität auf den Abfall von einer bestimmten, als objektiv angesehenen Norm der Wirklichkeitsdarstellung. Hier wirkt sich in einem gewissen Sinne eine deformation professionelle aus: der Historiker schiebt unbemerkt den altägyptischen Lesern seine ei¬

genen neuzeithchen, von seiner wissenschaftlichen Ausbildung geprägten Objektivitäts¬

kriterien unter. Der Gedanke der Bewertung solcher Texte und ihrer mündlichen oder

schriftlichen Vorläufer nach ihrem etwaigen Quellenwert ist vorherrschend, für das Ver¬

ständnis ihrer möglichen Literarizität aber irreführend.

Ein ähnlicher Vorwurf kann auch dem Beitrag von R. B. Parkinson „The dream and the knot: contextualizing Middle Kingdom literature" nicht erspart bleiben. (S. 63-82) P. bie¬

tet eine schöne Beschreibung wichtiger Eigentümlichkeiten ägyptischer literarischer Texte.

Vor allem der Gebrauch der Metaphern von „Traum" und „Knoten" als Sinnbild einmal für die in solchen Texten entworfenen imaginären Gegenwelten und zum anderen für die Kom¬

plexität der Darstellung und die Verweigerung einfacher Lösungen sind erhellend. Interes¬

sant ist auch die Überlegung, daß solche Texte sich aufgrund dieses Befundes eher nicht als direkte Exponenten eines „offiziellen" Bildes der Gesellschaft geeignet haben dürften. P.

erwägt, ob solche „subversiven" Züge möglicherweise dazu dienten, die Glaubwürdigkeit allgemeiner Werthaltungen zu prüfen und zu bewähren, da viele Texte affirmativ enden.

Ihm scheint aber zu entgehen, daß damit die prinzipiell mögliche Anfechtbarkeit der Wert¬

haltungen impliziert ist und somit auch die Möglichkeit ihrer Ablehnung. Auch läßt sich, wie P. selbst sieht, der Pessismus mancher Texte fWorfe des Nerferti, Lebensmüder) mit ihrem positiven Schluß schlecht vereinbaren. Nicht zuzustimmen ist ihm aber, wenn er das Fiktionale als Nicht-Wirkliches begreift und auf eine Stufe mit der Beschreibung von Wun¬

dern oder phantastischer, traumhafter Erlebnisse stellt. Auch hier wirkt sich die Orientie¬

rung des Historikers an dem Modell objektiver Berichterstattung störend aus. Fiktionali¬

sierung als eine Weise der Organisation von Texten gerät nicht in den Blick.

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Das ist in G. Moers Text „Travel as Narrative in Egyptian Literature" (S. 43-61) ten¬

denziell anders. M. fragt nach der den Texten inhärierenden Literarizität, eine Frage¬

stellung, die er, wie gesehen, mit Parkinson und Baines teilt und von der Assmann zu einer eher inhaltsbezogenen Bewertung der Texte abrückt. M. glaubt aber, daß sich alt¬

ägyptische Texte selbst kennzeichnen, didaktische durch ihren Verweis auf ma'atgemäße Lehren (Verwendung des Terminus mdw.t nfr.t), narrative und eigentlich „literarisch" zu nennende Texte durch das Motiv der Reise als Selbstcharakterisierung des literarischen Diskurses, der laut M. als Grenzüberschreitung, als Ubergang von realen in mögliche Wel¬

ten zu verstehen ist. Literatur wird somit als Ort individueller und nicht als Ort kollekti¬

ver Selbsterfahrung verstanden, was den (allerdings nur inhaltlich möglichen) Anschluß an ein neuzeitliches Literaturverständnis gestattet. Uber das Reisemotiv ist darüber hin¬

aus auch die Identifikation literarischer Texte als solcher gesichert. Soweit M. Es ist be¬

dauerlich, daß er in seinem Text die theoretische Grundlegung im wesentlichen auf einer knappen halben Seite darbietet, während er ihrer Exemplifizierung an den überkomme¬

nen ägyptischen Quellen fast die Hälfte seines Beitrages widmet. Zu ihrem Verständnis sind daher andere seiner Texte heranzuziehen.' Dies ist deshalb zu bedauern, da Moers' Konzeption zu einer der durchdachtesten in der derzeitigen Debatte zählt und eine aus¬

führliche Diskussion verdiente. Hier sei nur auf folgende Problempunkte hingewiesen: M.

umgeht den Gegensatz zwischen inhaltlichen und formalen Kriterien, indem er im Falle der literarischen Texte inhaltliche Bezüge als Signal einer formalen Gestaltung begreift und umgekehrt. Jedoch setzt dies voraus, daß ein solcher Zusammenhang vom Leser durch¬

schaut wird. Die Selbstreferentialität, die M. behauptet, ist weniger die des Textes (der sich als solcher nicht thematisiert), als vielmehr die des Gedankens der Grenzüberschreitung oder, wie oben eher mißverständlich gesagt wurde, die des literarischen Diskurses. Aller¬

dings ist dadurch sowohl die Identifikation literarischer Texte als auch (zumindest vorläu¬

fig) ihre Interpretation an das „travelling-abroad motif" gebunden, was mißlich ist. Fer¬

ner entsteht der Eindruck, daß viertausend Jahre alte Texte ohne Kontextforschung, ohne einen Begnff oder wenigstens eine Hypothese über die gesellschaftlichen Diskurse der Zeit rein aus sich selbst als Literatur zu begreifen sind. Hier scheint J. Assmanns Ansatz weiter zu reichen. Und de facto geht natürlich auch M. wie sein Lehrer Loprieno^ von Formen der Individualisierung aus. Jedoch wäre es hilfreich, wenn solche Implikate bzw. Konse¬

quenzen des Ansatzes auch in einer entsprechenden Theorie von Gesellschaft/Kultur aus¬

gezogen würden. Dies allerdings mag ein Projekt für die Zukunft sein.

A. Assmanns Kommentar zu den besprochenen Positionen „The history of the text

before the era of literature. Three comments" (S. 83-90) ist zu knapp geraten und hat einen mißverständlichen Titel, da sich nur der erste Kommentarpunkt tatsächlich mit der Vorgeschichte von Literatur beschäftigt. In diesem ersten Punkt verweist sie darauf, daß

die Gruppierung von Texten nach Gattungszugehörigkeit erst als Erfordernis des auf¬

kommenden Buchdrucks eingetreten ist. Ebenso weist sie darauf hin, daß in der elisabe- thanischen Zeit „fiction" keinen Gegenbegriff zu „reality" darstellte. Nur, was will sie damit sagen? Besser wäre es wohl gewesen, sie hätte sich an einer Definition des Gattungs-

' Zum einen die in Anm. 3 genannte Dissertation, zum anderen G. Moers: „Fiktiona¬

lität und Intertextualität als Parameter ägyptologischer Literaturwissenschaft. Perspekti¬

ven und Grenzen der Anwendung zeitgenössischer Literaturtheorie." In: J. Assmann/E.

Blumenthal [Hrsg.]: Literatur und Politik im pharaonischen und ptolemäischen Ägyp¬

ten. Kairo 1999 (Bibliotheque d'fitude. 127.)

^ In seiner bekannten Abhandlung A. Loprieno: Topos und Mimesis. Zum Ausländer in der ägyptischen Literatur. Wiesbaden 1988 (Ägyptologische Abhandlungen. 48.)

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begriffs für die Ägyptologie (die die Anglistin wohl auch einmal betrieben hat) versucht und sinnvolle von weniger sinnvollen Gebrauchsweisen der Begriffe von Realität und Fik¬

tionalität geschieden. Immerhin hat sie zwei entscheidende Probleme für die Entwicklung einer ägyptologisehen Literaturdefinition angesprochen. Ebenso wichtig ist auch ihr Ein¬

wand gegen die neuerdings im Zusammenhang mit der Entstehung altägyptischer Literatur oft gebrauchte Rede von der „Emanzipation des Individuums". Sie ist im Kontext neuzeit¬

licher Kulturentwicklung geprägt worden und nicht ohne weiteres auf altägyptische Ver¬

hältnisse übertragbar. Und schließlich ist auch die Zusammenstellung einiger Merkmale, die nach ihrer Auffassung literarische Texte kennzeichnen, hilfreich, auch wenn diese über eine Zusammenfassung der Diskussion de facto nicht hinausgeht. Gleichwohl bieibt der Ein¬

druck, daß die Möglichkeit der Bewertung der literaturwissenschaftlichen Ansätze in der Ägyptologie durch eine anerkannte Literaturwissenschaftlerin vertan wurde.

In summa läßt sich folgendes Resümee ziehen: a) Es zeigt sich eine Spannung in der Dis¬

kussion zwischen Vertretern eines eher „kollektivistischen" („kultureller Text") und eines eher „individualistischen" Textverständnisses („selbstreferentieller, fiktionaler Text"), der unterschiedliche grundsätzliche Sichtweisen auf die ägyptische Geseiischaft widerspie¬

geln dürfte, auch wenn solche Unterschiede nicht oder nur ansatzweise zur Sprache kom¬

men, b) Das dürfte auch daran liegen, daß zu wenig beachtet wird, daß gerade komplexe Phänomene wie Literatur ohne so etwas wie eine Theorie der ägyptischen Gesellschaft

des Mittleren und Neuen Reiches kaum überzeugend erschlossen werden können. Diese

fehlt aber in den meisten Ansätzen. , Literatur' läßt sich jedoch nicht unter dem Mikro¬

skop studieren! c) Daher sieht man auch in den hier besprochenen Texten durchwegs eine gewisse Flucht in das Material, in die philologische Gelehrsamkeit, auch wenn sich dies gegenüber vergangenen Epochen schon merklich gebessert hat. Jedoch wäre es sinnvoller gewesen, sich auf die grundlegenden Ansätze zu konzentrieren und das Material nur im Einzelfall, zu Illustrationszwecken, zu konsultieren. Die Trennung von allgemeinen und bereichsspezifischen Überlegungen ist in dem handbuchartigen Werk aus der Reihe Pro¬

bleme der Ägyptologie besser gelöst, d) Wichtige Termini werden daher auch nicht hin¬

reichend diskutiert, manchmal allerdings auch aus Mangel an entsprechendem Problem¬

bewußtsein (etwa „Fiktionalität"). Es ist überhaupt betrüblich, daß eine Diskussion von

bestehenden Literaturdefinitionen und ihrer Anwendbarkeit in der Ägyptologie kaum

einmal vorurteilsfrei durchgeführt wird.' Die Definition des Literarischen und die Aus¬

einandersetzung über Interpretationsprinzipien geschieht immer noch viel zu eklektisch und von den Bildungsvoraussetzungen einzelner bestimmt. Es wäre aber wichtig zu wis¬

sen, wie sich die Frage nach dem Literarischen im Alten Ägypten überhaupt sinnvoll stel¬

len läßt, ehe man zu ihrer Beantwortung schreitet!

Schließlich sei noch auf Cl. Suhrs Supplement hingewiesen, „Zum fiktiven Erzähler in der ägyptischen Literatur" (S. 91-129). Der Text zeigt, wie eine konsequent nach literatur¬

wissenschaftlichen Prinzipien durchgeführte Analyse eines Textcorpus aussehen kann.

Sie analysiert darin die Erzählerstandpunkte als Prinzipien der Gestaltung der Autor- Leser-Beziehung („Mittelbarkeit") nach den Methoden formaler Erzähltextanalyse. Sie kommt dabei zu einer Fülle von einzelnen Beobachtungen, die fruchtbarer sind als ihre textübergreifenden Ergebnisse. Einschränkend ist allerdings festzustellen, daß S. die Text¬

auswahl und das heißt auch: das Kriterium der Literarizität nicht begründet und daß

sie für den Geschmack des Rezensenten etwas zu formalistisch vorgeht und keine Be¬

wertungen ihrer Ergebnisse hinsichtlich einzelner Texte wagt. Es ist jedoch eine genaue und gründliche Arbeit. Die Entstehung solcher Arbeiten und der Umgang mit modernem

Auch Antonio Loprienos in Anmerkung 4 genannte Studie leistet das nicht.

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Instrumentarium ist prinzipiell zu begrüßen, solange die Sensibilität für den Geltungs¬

bereich der Resultate und für die Abhängigkeit von einem übergeordneten begründenden Rahmen erhalten bleibt.

Abschließend ist dem Herausgeber und den Beiträgern für ein dicht geschriebenes und zuverlässig in den Stand der ägyptologisehen Literaturbetrachtung einführendes Werk zu danken, das darüber hinaus den beneidenswerten Vorteil aufweist, übersichtlich zu sein.

Auch für die schöne Gestaltung des Buches und die sorgfältig erstellten Indizes gebührt dem Herausgeber Anerkennung. Doch die Frage nach Existenz und Wesen altägyptischer Literatur bleibt auch nach der Lektüre dieses Bandes weiter eine offene Frage.

Holger Gutschmidt, Göttingen

Tetsuo Nishio u.a.: A Dietionary of Arah Trihes. Tokio: ICLAA/Tokyo University of

Foreign Studies 1999. VI, 594 S. (Asian and Afriean Lexicon. 34.) ISBN 4-87297-735-1.

Gestützt auf Kahhälas Mu'gam al-qahail al-'arabiya al-qadima wa-l-hadita wird - in

überarbeiteter und ergänzter Form - ein Verzeichnis arabischer Stämme vorgelegt, das aus den Vorarbeiten für eine on/j>2e-Datenbank arabischer Stämme hervorgegangen ist.

Aus diesem Zusammenhang heraus ist auch die gewöhnungsbedürftige Form der Auf¬

nahme der einzelnen Stammesnamen zu erklären, die ohne Kurzvokale in Lateinschrift wiedergegeben werden.

Neben den Kurznamen des Stammes bzw. der Stammesfraktion treten der längere Name oder eine Namensvariante, die Bezeichnung des Stammestyps, der Vorfahr bzw. die Vor¬

fahren, die sich vom verzeichneten Stamm herleitenden Stämme, mögliche Mitgliedschaft

in einer Stammeskonföderation, Allianzen mit anderen Stämmen, verwandte Stämme,

eine Bezeichnung für das bewohnte Territorium, der Herkunftsort des Stammes, Namen zeitgenössischer Staaten bzw. Regionen, Angaben zur Größe des Stammes, allgemeine Be¬

merkungen und die Quellenangalsen nach Kahhäla. Die jetzt gedruckt vorliegenden Infor¬

mationen sollen in Zukunft in Form einer Datenbank über das Internet zur Verfügung gestellt werden.

Der Wert dieser ungeheuren Arbeit soll nicht geschmälert werden, wenn Rez. zu be¬

denken gibt, daß eine andere Form der Aufbereitung für die Druckfassung des endgülti¬

gen Datenbestandes die Benutzerfreundlichkeit erhöhen würde. Dies ist naturgemäß von den eingesetzten Datenbankprogrammen abhängig, die für das vorliegende Verzeichnis nicht angegeben werden. Rez. ist sich aus leidvoller eigener Erfahrung bewußt, welche Probleme eine solche Umsetzung aufwirft, das Desiderat sei aber formuliert.

Mit dem vorliegenden Werk hegt in jedem Falle eine umfangreiche Datensammlung vor, die von allen auf dem Gebiet der arabischen Geschichte Arbeitenden zu beachten ist.

Die zukünftige Pubhkation via Internet kann für ähnliche Vorhaben durchaus von Inter¬

esse sein. Insbesondere die Arbeit an Enzyklopädien, Wörterbüchern, Bibliographien u.ä.

Vorhaben kann auf diesem Wege international angebunden werden und in ständig aktuali¬

sierter Form durchgeführt werden.

Rüdiger Lohlker, Göttingen

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Harry Stroomer: Mehri Texts from Oman. Based on the Field Materials ofT. M. John¬

stone. Wiesbaden: Harrassowitz 1999. XXVII, 303 S. (Semitica Viva. 22.) ISBN 3-447- 04215-X.

Zu drei neusüdarabischen Sprachen hat T.M. Johnstone je ein Wörterbuch veröffentlicht:

Harsüsi (1977), Jibbäli (1981) und Mehri (1987). Sein früher Tod hat leider verhindert, daß er die gesammelten Texte, auf denen die Wörterbücher basieren, selbst veröffentlichen

konnte. Die meisten seiner Tonbandaufnahmen hatte Johnstone vor seinem Tod jedoch

bereits transkribiert, und das gesamte Material der Universitätsbibliothek von Durham hinterlassen. Manche Texte liegen sowohl in handschriftlicher als auch in maschinen¬

geschriebener Fassung vor (siehe die Faksimiles S. XXIV-XXVI).

Daß Johnstone die Texte nicht selbst vor der Veröffentlichung des Wörterbuches her¬

ausgegeben hat, läßt sich wohl nur dadurch erklären, daß er sich über die Phonologie des Mehri noch nicht im klaren war. Dies betrifft insbesondere das Vokalsystem, denn zahl¬

reiche Varianten lassen Zweifel aufkommen, ob es sich bei 5/ü, e/i und a/ä wirklich um eigenständige Phoneme handelt (S. XVIII). Dieses Problem konnte auch Stroomer nicht lösen, da die wenigen Beispiele, die wie Minimalpaare aussehen, ebensogut Homonyme sein könnten.

Erstaunlich ist Stroomers Aussage, er habe beim sorgfältigen Abhören der Texte den Eindruck gewonnen, daß die Texte nicht natürlich gesprochen, sondern von einer, wohl in arabischer Schrift geschriebenen Vorlage, abgelesen wurden. Gilt dies auch für die zahl¬

reichen Dialoge, die in diesem Band publiziert sind?

Die Texte selbst sind außerordentlich interessant und geben einen guten Einblick in die Lebenswelt und das Denken der Mahra. Harry Stroomer sind wir außerordentlich

dankbar, daß er diese Texte herausgegeben und mit zahlreichen Verweisen auf John¬

stones Wörterbuch besser verständlich gemacht hat. Bis zu einer genauen Kenntnis der Phonologie des Mehri und seiner dialektalen Vielfalt ist allerdings noch ein weiter Weg, auf dem noch sehr viel Feldforschung geleistet werden muß.

Werner Arnold, Heidelberg

Fritz Meier: Essays on Islamic Piety and Mysticism. Übers, v. John O'Kane unter Mit¬

arbeit V. Bernd Radtke. Leiden u.a.: Brill 1999. XX, 752 S., 1 Abb. (Islamic History and Civihzation. 30.) ISBN 90-04-10865-3. € 159.-.

Fritz Meiers Bedeutung für die orientalistische Forschung braucht im deutschsprachi¬

gen Raum nicht noch einmal herausgestellt zu werden, für den englischsprachigen Raum ist dies ohne Zweifel mehr als notwendig. Die vorliegende Übersetzung wichtiger Artikel Meiers wird auch auf die dortige Diskussion befruchtend wirken, in der - wie auf so vie¬

len anderen Gebieten - die deutschsprachige Forschung nur wenig rezipiert wird.

Enthalten sind Übersetzungen der Aufsätze aus der von Glassen und Schubert her¬

ausgegebenen Sammlung Bausteine. Wenn auch die Bemerkung im Vorwort (S. VII) über

die geringe Rezeption deutschsprachiger islamwissenschaftlicher Forschung in Zeiten der Dominanz der englischen Sprache nur allzu zutreffend ist, sei vermerkt, daß in man¬

chen Gebieten durchaus auch deutschsprachige Forschung rezipiert wird. Man denke z. B.

an Arbeiten über die formative Periode der mälikitischen Rechtsschule (s. den Artikel von Jonathan Brockopp in JAOS 118, S. 233ff.). Vielleicht ist auch auf dem Gebiet der

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Islamwissenschaft eine allzu schnelle Unterwerfung unter vermeintliche Imperative der .Globalisierung' nicht angeraten.

Diese wissenschaftspolitische Anmerkung beiseite, ist dem Verlag und den Ubersetzern für die Publikation zu danken und der vorliegenden Übersetzung eine große Resonanz zu wünschen. Daß sie stimulierend wirken wird, ist sicher.

Rüdiger Lohlker, Göttingen

Frederick de Jong/Bernd Radtke (eds.): Islamic Mysticism Contested. Thirteen Cen¬

turies of Controversies and Polemics. Leiden: Brill 1999. XII, 829 S. (Islamic History and Civilisation. 29.) ISBN 90-04-11300-2.

Der vorliegende Band vereinigt die Vorträge, die beim Symposion „Sufism and its Op¬

ponents" in Utrecht 1995 zur Frage der innerislamischen Polemik um die Sufik gehalten wurden. Das Symposion war eine in einer ganzen Reihe von Tagungen, die sich seit Be¬

ginn der achtziger Jahre mit der Erforschung der sog. Ordensmystik im Islam befaßt

haben. Dementsprechend liegt auch der zeitliche Schwerpunkt der Beiträge ganz klar

auf der Zeit nach dem 13. Jh. christlicher Zeitrechnung; der Untertitel des Sammelban¬

des ist folglich etwas irreführend. Diese zeitliche Schwerpunktsetzung findet freilich ihre Berechtigung in der großen Bedeutung, welche die Ordensmystik der späteren Jahr¬

hunderte und die innerislamische Auseinandersetzung mit ihr für die islamische Zivi¬

lisation hatten und noch haben: Ihre Wichtigkeit für den Islam in der Epoche, die in

Europa Spätmittelalter und Frühe Neuzeit genannt wird, ist unbestritten und in den

wissenschaftlichen Debatten gerade des zurückliegenden Jahrzehnts erneut deutlich ge¬

worden.

Der Bogen der Beiträge ist geographisch denkbar weit gespannt: Vom Balkan reicht der Blick bis nach Südafrika, von Marokko bis Indonesien. Für viele allzu selten betrach¬

tete geographische Randgebiete der islamwissenschaftlichen Forschung wird hier leicht zugänglich ein knapper Überblick über die Auseinandersetzungen geboten, die sich vor Ort an der Mystik entzündeten. In oft brillanten, immer lesenswerten Darstellungen tre¬

ten so Einheit und Vielfalt des islamischen Denkens in dieser Frage deutlich zu Tage.

Lutz Berger, Tübingen

Baber Johansen: Contingency in a Sacred Law. Legal and Ethical Norms in the Muslim Fiqh. Leiden/Boston/Köln: Brill 1999. XIV, 521 S. (Studies in Islamic Law and Society.

7.) ISBN 90-04-10603-0.

Der Titel täuscht eine neue Studie zu einem überaus wichtigen Gegenstand vor. Die „In¬

troduction", in der der Verf. einige Betrachtungen über den fiqh und sein Verhältnis zur Theologie und über die Beurteilung des fiqh in der bisherigen Forschung vorträgt, ist je¬

doch der einzige Originalbeitrag. Was auf dem Klappentext als „chapter 1" bis „chapter

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VIII" ausgewiesen wird, entpuppt sich, wenn man im Buch selber nachschaut, als eine Reihe von Aufsätzen, die der Verf. zwischen 1977 und 1993 in Zeitschriften und Sammel¬

werken veröffentlicht hat, die sich ohnehin in jeder Seminarbibliothek finden. So stehen beispielsweise unter der englischen Überschrift „VII. Proof and procedure as a key to the figh's structure" die Aufsätze „Zum Prozeßrecht der 'uqübät" (ZDMG-S III) und

„Le jugement comme preuve" (SI 1990). Die Aufmachung des Bandes ist allerdings sehr gediegen.

Tilman Nagel, Göttingen

Marwan M. Obeidat: American Literature and OrientaHsm. Berlin: Schwarz 1998. 147 S.

(Islamkundhche Untersuchungen. 219.) ISBN 3-87997-271-0.

Die Veröffentlichung besteht aus fünf Aufsätzen, die der Autor in den Jahren 1985-1991 publiziert hat. In fünf Kapiteln wird eine chronologische Übersicht über die Entwicklung des Orientbildes in der amerikanischen Literatur von ihren Anfängen bis zur Gegenwart gegeben. Die Verwendung derartiger Motive erfolgte laut Kapitel I zuerst im 18. Jahrhun¬

dert durch Vermittlung der britischen Romantik. Wurden in Kapitel I mehrere Autoren

auf ihre Rezeption orientalischer Motive hin untersucht (Royall Tyler, Richard P.

Smith, Joseph S. Jones), so bildet den Schwerpunkt von Kapitel II das Werk eines Au¬

tors: Washington Irving, der vor allem durch seine fiktiven romantisch-historisierenden Werke über das maurische Spanien („The Conquest of Granada" 1829, „The Alhambra"

1832) bekannt geworden ist. In Kapitel III lernt der Leser die Werke der sogenannten

„Transzendentalisten" kennen (Ralph W. Emerson, James R.L. Whittier), die sich von Sufi-Poesie inspirieren ließen. Beide vermögen jedoch laut Aussage des Verfassers eben¬

sowenig wie die in Kapitel IV vorgestellten Reiseschriftsteller (u.a. Mark Twain) und

Autoren des 20. Jahrhunderts (u.a. Leon Uris) den Orient in seinem wahren Wesen zu

erfassen.

Es ist schade, daß diese zur Lektüre der amerikanischen Autoren anregende und

einen guten Überblick bietende literaturwissenschaftliche Arbeit fast gänzlich in Edward Saids „Orientalismus"-These aufgeht. Vermutlich hätte man zumindest im 20. Jahrhun¬

dert auch Autoren mit einem etwas differenzierteren Orientbild finden können, so z.B.

Paul Bowles.

Bärbel Beinhauer-Köhler, Göttingen

Anke v. Kügelgen/Michael Kemper/Allen J. Frank (Hrsg.): Muslim Culture in

Russia and Central Asia from the 18''' to the Early 20''' Centuries. Vol 2: Inter-Regional and Inter-Ethnic Relations. Berlin: Klaus Schwarz 1998. 660 S. (Islamkundliche Unter¬

suchungen. 216.) ISBN 3-87997-269-9.

Der an Informationen reiche zweite Sammelband zum Rahmenthema muslimischer Kultur

in Rußland und Zentralasien vom 18. bis frühen 20. Jahrhundert lenkt die Aufmerksamkeit

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auf eine Region, die meist nur im Rahmen orientahstischer Einzeldisziphnen bearbeitet wird. Der bewußt interdisziphnäre Ansatz wird zusätzlich durch die Zusammenarbeit westlicher und zahlreicher Autoren aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion befruchtet.

Häufig prägt ein anti-sowjetischer Tenor den Band; die Autoren wollen in Bereiche vor¬

stoßen, die zuvor durch eine repressive Minderheitenpolitik verschlossen waren, oder sie wollen die Folgen dieser Politik aufzeigen (u. a. S. 3, 457, 593).

In diesem zweiten Band befinden sich Beiträge zu folgenden Themenblöcken: I. Net¬

works of Scholars and Sufis, II. Inter-Ethnic Relations and Diasporas, III. Islam and Politics in a Non-Muslim State, IV. Literature, V. Architeeture. Ein Anhang mit einem Index sowie einer Gesamtbibliographie schließt das Werk ab. Häufig wagen sich die Au¬

toren in unerschlossene Bereiche vor, indem sie mit unveröffentlichten Quellen arbeiten (u. a. Anke von Kügelgen: „Die Entfaltung der Naqsbandiya mugaddidiya im mittleren Transoxanien vom 18. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts"; Allen J. Frank: „Islam and Ethnie Relations in the Kazakh Inner Horde") oder Themen im Grenzbereich verschiede¬

ner Disziplinen wählen (z.B. Boris D. Kocnev: „Festtagsmoscheen und Feste in Mittel¬

asien vom 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts").

Für Irritation sorgt das in der Einleitung formulierte Gesamtkonzept, das einen Ge¬

gensatz zu den Themen verschiedener Artikel bildet: Laut Einleitung S. 1, Zeile 8/9

hofTen die Herausgeber, durch die Themenstellung zu vermeiden, daß muslimische Re¬

gionen einer vornationalen Periode aus nationaler Perspektive betrachtet werden. Dies kann Verschiedenes bedeuten: Autoren mit nationalstaatlicher Sozialisation lassen diese außer acht, wenn sie sich mit dem Islam vergangener Zeiten beschäftigen. Ferner könnte intendiert sein, daß besonders Autoren der ehemaligen Sowjetunion sich unvoreinge¬

nommen Themen nähern sollen, die andere Ethnizitäten oder Nationalitäten berühren.

Vielleicht ist auch einfach nur gemeint, daß der Nationsgedanke in der behandelten Zeitperiode keine Rolle spielt? Die Lektüre zeigt, daß keine der Interpretationen zu¬

trifft und das Konzept unverständlich bleibt: Beispielsweise handelt der Beitrag von

Dzul'etta Mesxidze: „Die Rolle des Islams beim Kampf um die staatliche Eigen¬

ständigkeit Tschetscheniens und Inguschetiens (1917-1925)" von der Entstehung kau¬

kasischer nationaler Bewegungen, die im Ringen um Entfaltung der die Region durch¬

dringenden Sowjetmacht unterliegen. Hier beschäftigt sich eine Autorin der ehemaligen

Sowjetunion gerade mit dem entstehenden Nationsgedanken kaukasischer Völker.

Daran schließt sich eine zweite Frage an: Wieso ist in der genannten Zeile die Rede von einer prä-nationalen Periode? Haben sich nicht auch in Mittel- und Zentralasien im 19. und 20. Jahrhundert, also im behandelten Zeitrahmen, aus ethnischen Identitäten

Ansätze zu nationalen Identitäten gebildet, wie dies auch im genannten Beitrag von

D. Mesxidze beschrieben wird? Es scheint also grundsätzlich schwierig, zwischen eth¬

nischer, religiöser, regional definierter und daraus erwachsender nationaler Identität zu unterscheiden. So ist es verzerrend, wenn laut Einleitung Nationalität als implizit

die Menschen trennender Faktor ausgegrenzt werden soll, während der Islam als im¬

plizit einender Faktor hervorgehoben wird („By emphasizing trans-regionality and

inter-ethnicity we hope to avoid examining the history of the Muslim regions in a pre- national period from a national perspective. Muslim culture ... provides numerous top¬

ics for such an inter-regional project.") Da viele Artikel der Blöcke II und III Themen behandeln, in denen die genannten Faktoren Ethnizität, Nation, Religion und Region eine Rolle spielen, hätte man diese Faktoren in der Einleitung näher oder zumindest anders bestimmen sollen.

Bärbel Beinhauer-Köhler, Göttingen

(11)

Manwel Mifsud: Loan verbs in Maltese. A descriptive and comparative study. Leiden/

New York/Köln: E.J. Brill 1995. XVII, 339 S. (Studies in Semitic languages and hnguis¬

tics. 21) ISBN 90-04-10091-1.

In den letzten Jahren ist viel über das Maltesische geschrieben worden. Die Themen waren vielfältig. Es ging um die Herausbildung des Maltesischen, um seine Standardisierung,

um die Bildung einer adäquaten Orthographie, um die Einreihung des Maltesischen in

die Welt der arabischen Dialekte, um das Verhältnis zum Italienischen. Über die italieni¬

schen Elemente im Maltesischen finden wir Auskunft in der noch nicht veröffentlichten Doktorarbeit von J. Micallef: The SiciUan element in Maltese (Diss. London 1959). In der Monographie Le maltais au contact de l'italien von F. Krier werden die Elemente des Maltesischen aufgezeigt, die der italienischen Interferenz zuzuschreiben sind. Die lautliche Entwicklung des Maltesischen wird eingehend behandelt in der ausgezeichneten

noch nicht veröffentlichten Doktorarbeit von Alexander Borg A Historical and Com¬

parative Phonology and Morphology of Maltese (Diss. 1978). Allein das Thema der Lehn¬

verben auf dem morphologischen Gebiet verlangt noch eine gründliche Darstellung. Und

gerade diese legt nun Manwel Mifsud in seiner Monographie vor, indem er eine Ana¬

lyse der Morphologie der Verben nicht-arabischen Ursprungs bietet. Er zeigt zuerst das auf dem Arabischen beruhende semitisch-maltesische morphologische System, in das hin¬

ein die nichtsemitischen Formen eingefügt werden. Dafür daß ein System auf das andere einwirkte, war der Kontakt der Sprachen notwendig. Mifsud nennt uns die geschicht¬

lichen Ereignisse, die die Vorbedingung für Sprachkontakt waren. Nach der arabischen Besetzung wurden die maltesischen Inseln zuerst von Sizilien her von den Normannen

besetzt. Dadurch kam Malta wieder in den abendländischen Kulturkreis. Auf den ein¬

heimischen arabischen Dialekt wirkte zuerst das Sizilianische ein. Von dem Zeitpunkt an, da der Johanniterorden die Herrschaft über die Inseln gewann, wirkte das Hochitalieni¬

sche auf die Sprache Maltas ein. Nach dem Jahre 1800 übte auch das Englische Einfluß aus. Sizilianisch-italienische und englische Einflüsse wirkten auf die Sprache Maltas ein, und somit auch auf das Verbsystem. Mifsud hat für die ins Maltesische eingedrungenen Lehnverben vier Typen festgestellt. Ich gehe im folgenden nur auf die hervorstechendsten Züge ein.

1. In Kap. 3 (S. 49ff .) bespricht Mifsud die volle Übernahme von Lehnverben in semitisch¬

maltesische gesunde Verben. Die Integration findet bei diesem Typ nicht von Verb zu Verb statt. Zuerst wird ein Substantiv bzw. ein Adjektiv entlehnt, dessen Wort ins Maltesische paßt, das sich also auf drei Radikale reduzieren läßt. So wird das romanische Nomen serpe

„Schlange" ins Maltesische übernommen als serp. Dann wird nach diesem Nomen ein malte¬

sisches Verb der II. Form gebildet: serrep. Es liegt hier keine direkte Entlehnung des Verbs aus dem Italienischen vor. Mifsud spricht hier von Entlehnungen der 2. Generation (second generations loans). Verben der 2. Verbform verleihen im Maltesischen normalerweise dem Grundverb eine verstärkende Bedeutung. So steht zu dem malt. Verb kasara „zerbrechen"

die 2. Verbform kassara „in Stücke zerbrechen". Eine solche zusätzliche Bedeutung ist bei den malt. Lehnverben aus dem Romanischen nicht festzustellen. Sie haben eindeutig nur de¬

nominative Bedeutung. Aus dem ital. Adjektiv gwercz'o „schieläugig" wird malt. were. Nach ihm wird das malt. Verb werrec „jemanden schieläugig machen" gebildet.

Mifsud zeigt auch, wie die Lehnverben dieser Gruppe in das System der Verbformen und der Ableitungen eingegliedert werden. So wurde z. B. zuperca (< it.percid) denomina¬

tiv/^errec („auf der Leine aufhängen") gebildet, aus der die 5. Verbform tperrec („sich der

(12)

Zugluft aussetzen") abgeleitet wurde. Zu cempel entstand das Verbalnomen cempil „das Läuten" und dazu das Nomen unitatis cempila „das einmalige Läuten".

2. In Kap. 4 (S. 80ff.) untersucht Mifsud die romanischen Verben, die sich in die Gruppe derjenigen semitischen Verben integrieren, deren 3. Radikal schwach ist, nach der Formel CCCP (CP = y und w). Im Volksarabischen befinden sich in dieser Gruppe auch die Verba

mediae geminatae, ebenso die Verben mit Hamza (') als drittem Radikal. Auf dem Weg

zum Maltesischen gesellten sich noch die Verben mit ursprünglich 'Ain und Gain als letz¬

tem Radikal dazu. Der dritte Radikal erscheint im Semitisch-Maltesischen als -ä, ramä (aus ramy).

Nun erscheinen romanische Wörter mit kurzem Stamm mit einem -a als letztem Pho¬

nem: obda „gehorchen". Die Integrierung vollzieht sich dadurch, daß in der Flexion des semitisch-maltesischen Verbes eine Uminterpretierung stattfindet. Was im semitischen Schema als Radikal betrachtet wird, wird im Romanischen als Teil der Endung aufgefaßt.

In dem verbalen Ausdruck messeyna ist nach semitischem Verständnis na an die Wurzel

messey- angeschlossen worden: messey-na. Nun wird uminterpretiert. Es wird nicht ey

als Radikal, als Variante von -a erkannt. Es wird nicht mehr in Wurzeln gedacht, sondern

in Stämmen. Der Stamm ist mess-; und -eyna wird als Flexions-Morphem aufgefaßt:

mess-eyna. Die Perfektformen eines semitisch-maltesischen Verbs mit schwachem letz¬

ten Radikal z.B. dara sehen so aus: drayt, drayt, dara, drät, drayna, draytu, draw.

Analog dazu kanta (< cantare) kantayt, kantayt, kanta, kantät, kantayna, kantaytu,

kantaw. Eine Umdeutung hat stattgefunden von einer auf der Wurzel basierenden

nicht konkatenativen Morphologie zu einer auf dem Stamm beruhenden konkatenativen Morphologie.

Der Autor wirft auch die Frage auf, welche Konjugationsform der Ausgangspunkt für die Integration sein konnte. Er probiert eine Reihe von konjugierten Verbformen durch und kommt zu dem Ergebnis, daß nur die 3. Pers. mask. Präsens Indikativ und der Impe¬

rativ die Ausgangsform für die Integration bieten können.

Die lateinischen Konjugationen werden über das Sizilianische fortgesetzt. Mifsud spricht hier von 2 Kategorien. Zur 1. Kategorie gehören die Verben auf -ere, -ere und -ire.

Tait 2. Kategorie gehören die Verben auf -are. In der I.Kategorie sind die Endungen des Imperfekts in der 3. Person im Singular -i und im Plural -u, während in der 2. Kategorie die Endungen des Imperfekts im Singular -a und im Plural -aw oder -ew sind. S. 118 zeigt Mifsud die Zuordnung der lateinischen Konjugationen zu den hier gezeigten Kategorien.

Das wird sichtbar an dem Verb cantare , das der Autor der 2. Kategorie zuordnet, und von dem er im Maltesischen die 3. Sing. Imperf. mask, zeigt: /ykantal „er singt". Die lateini¬

schen Infinitive/»roi'zWere, vincere und servire ordnet er der I.Kategorie zu. Die Formen für die 3. Pers. Sing. Imperfekt sind yipprovdi „er versorgt", yvinci „er siegt" und yservi

„er dient".

S. 127fT. werden Flexionen und Ableitungen aufgrund der vorgestellten Verbformen besprochen. Da gibt es Lehnverben, deren P.P.P. mit dem semitischen Passivmorphem m- erscheint: mpoggi. Daneben gibt es vom selben Verb das P.P.P. der Vergangenheit

eine Form mit romanischen Passivmorphemem/)ogg«r. Ebenso finden wir mvinci neben

vincüt, mbassi/bassUt; ebenso mbäti/batüt.

Mifsud zitiert einige Lehnverben, deren P.P.P. zwei Passivmorpheme zugleich aufwei¬

sen, eines, m-, als Präfix semitischen Ursprungs und zugleich ein weiteres, -ut, als Suffix romanischen Ursprungs: mpingüt. Für das Verb sofra „leiden" führt Mifsud drei verschie¬

dene Formen des P.P.P. auf: eine mit semitischem Präfix, msofri, und zwei weitere ver¬

schiedene mit italienischem Suffix: sofritt und sojfert.

(13)

3. In Kapitel 5 (S. 140ff.), behandek Mifsud ..undigested Romance stems with a weak

final conjugation" vom Typ CCC oder CCCC. Hier wird der Wortkörper bei der In¬

tegration kaum oder gar nicht verändert. Die Wörter sind länger und es treten für das Maltesische ungewöhnliche Konsonantenfolgen auf, z.B. kkarga, influwenga, appartina, approfondisa. Die Verben dieses Typs werden flektiert wie die des 2. Typs (= Kap. 4). Was im Arabischen Variante des 3. Radikals war, wird im Maltesischen umgedeutet zu einem Flexionssuffix: inti arhitr-ayt.

Typisch für diese Klasse ist die Verdoppelung des 1. Konsonanten. Sie findet statt, wenn dem ersten Konsonanten des Italienischen ein Vokal folgt, z.B. ital. ^rwa „unterschrei¬

ben" > mah. ffirma. Sie unterbleibt dagegen, wenn das Verb mit Vokal anfängt: ital. ordina

„befehlen" > malt, ordna. Sie tritt auch dann nicht ein, wenn das Wort mit einer Konsonan¬

tengruppe beginnt, deren erstes Phonem ein Sibilant ist: ital. stimula „anspornen" > malt.

stimula. Mifsud gibt noch mehr Bedingungen für die Gemination an. Er führt sie zurück auf Phänomene sowohl der maltesisch-semitischen wie auch der italienischen Sprachent¬

wicklung (S. 141-168). Der erste Konsonant wird nur bei Verben verdoppelt, aber nicht bei anderen Wortarten: (i)ttanta „versuchen" aber tentatur „Versucher".

Ein Charakteristikum des hier besprochenen Types ist das Infix -iss-. Wir finden es im Italienischen: finisco, finisce; und wir finden es auch im Maltesischen. Mifsud zeigt, daß bei einigen maltesischen Verben dieses Infix nicht erscheint: obda, aber obbedisce. Mifsud zeigt ferner, daß bei einigen Verben das Infix fakultativ ist: pprefera/ppreferissa itA. pre-

ferisce. Er kommt zu der Annahme, daß bei frühen Entlehnungen (obda) das Infix eher

fehlt, während es in späteren Entlehnungen häufiger anzutreffen ist, und daß die Verwen¬

dung der Stammerweiterung vom Bildungsgrad des Sprechers abhängt.

In der Konjugation der Verben werden niemals die starken Formen übernommen. Es

wird immer nur die endungsbetonte Form verwendet. Dem italienischen Passato remoto difesi „ich verteidigte" entspricht das endungsbetonte ddefendeyt. Beim Partizip Perfekt finden wir oft die starken italienischen Formen, z. B. ammess „zugelassen", elett „erwählt".

Oft treffen wir die im Italienischen schwachen Bildungen auf -uto, wie in fondüt „ge¬

schmolzen", splodüt „explodiert".

Häufig gibt es beide Formen, und beide sind dem Italienischem entnommen, z.B. ojfrüt und offert, traducüt und tradott. Zuweilen besteht zwischen diesen Doppelformen ein se¬

mantischer Unterschied, z.B. kkonfondüt „vermischt" und konfuz „verwirrt". Die Parti¬

zipien mit den starken Formen sind eher gelehrten Inhalts und von Personen eingeführt, die durch ihre Bildung direkten Kontakt mit dem Italienischen hatten.

4. Im 6. Kapitel (S. 213ff.) wird die „integration of undigested English stems" besprochen.

Diese Lehnverben werden wie die in Kap. 4 und Kap. 5 behandelten konjugiert. Alles was

das moderne Leben betrifft, wird mit Worten aus dem Englischen ausgedrückt. Diese

Entlehnungen aus dem Englischen finden sich vor allem in der Domäne der Technologie, in der Elektronik, im Sport, auf finanziellem Sektor usw. Sehr viele Beispiele für Aus¬

drücke aus dem modernen Leben führt Edward Fenech auf in seinem Buch Contempo¬

rary Journalistic Maltese (Leiden 1978). Immer wenn ein neuer Vorgang oder eine neue

Sache beschrieben werden muß, kann man zum unbegrenzten Schatz des englischen

Lexikons greifen. Die Liste ist offen, denn täglich kann Neues erfunden und benannt werden.

Der erste Konsonant wird verdoppelt nach den schon in Kap. 5 genannten Regeln

wwoccja (< watch) „beobachten". Die Verdoppelung unterbleibt nach den in Kap. 5 festge¬

stellten Regeln: startya (< start) „starten".

(14)

Ein Charakteristikum der hier besprochenen Lehnverben ist die Stammerweiterung auf -y-, wie z.B. x-n-pparkya „parken", iddayvja „tauchen"; ülandja „landen" usw. Sehr viele Verben dieser Gruppe stammen aus dem Englischen. Auch bei einigen Lehnwörtern aus dem Italienischen finden wir diese Stammerweiterung: studya „studieren"; ppattja

„paktieren". In wenigen Fällen stoßen wir auch auf Verben mit Infix bei Verben semiti¬

scher Herkunft: (i)xxadinja „nachäffen" (yg\. xadin „Affe").

Wird ein englisches starkes Verb übernommen, richtet sich der Malteser an den schwa¬

chen Formen aus. So wird z.B. bei shake, shook, shaken nur die Form shake übernom¬

men: sseykayt „ich habe geschüttelt". In der Regel erscheinen die Grundvorstellungen in semitischer Form, z.B. „sehen" als ra, „führen" als messa. Zuweilen bleibt das Wort mit der Grundbedeutung in semitischer Form erhalten, während das dem Englischen entnom¬

mene Verb eine ganz besondere Bedeutung annimmt (119). Der Ausdruck für „führen"

schlechthin ist mexxa, aber das dem Englischen entnommene llidja (lead) hat die ganz spezielle Bedeutung „eine politische Partei führen".

In der Konjugation werden die dem Englischen entnommenen Lehnverben in die Kate¬

gorie 2 eingeordnet. Das heißt, daß diese Verben in der 3. Pers. Sing. Perf. mask, pparkya lauten und daß sie im Imperfekt auf -a enden yipparkya. Das P.P.P. heißt pparkyät. Das Verbalnomen dieses Verbs ist pparkyär.

In der Ableitung kann der Malteser auf italienische Morpheme zurückgreifen. Zu dem englischen book „buchen" gibt Mifsud das Verbalnomen bbukkyar an mit der Bedeutung,

„das Buchen, der Akt des Buchens schlechthin", wobei er den ital. Infinitiv benützt. Ver¬

wendet er aber die engl. Endung ing. buking wird der konkrete Vorgang bezeichnet: „die Buchung". So konnten durch Suffixe aus verschiedenen Sprachen semantische Nuancen ausgedrückt werden.

Die Vorherrschaft des Englischen ist zweifellos auf die Dominanz des Englischen in Politik, Wirtschaft, Technik und Kultur zurückzuführen. Die leichte Integration des Eng¬

lischen in die maltesische Verbmorphologie hat aber auch sprachliche Gründe. Sehr viele englische Lexeme bestehen nur aus einer Silbe und konnten so leichter in die maltesische

Formensprache aufgenommen werden.

In dem vorliegenden Werk haben wir eine auf alle Probleme eingehende Darstellung der Lehnverben im Maltesischen. Soziolinguistische Aspekte und solche des Sprachkontakts sind berücksichtigt. Genial ist die Erkenntnis des Autors, daß eine Umstrukturierung der morphologischen Vorgänge stattgefunden hat. Der Autor zeigt, wie der Wechsel von einer wurzelbetonten Morphologie zu einer auf Verbstämmen basierenden, also von einer nicht-konkatenativen Morphologie zu einer konkatenativen, die Eingliederung so vieler ursprünglich fremder Verben ins Maltesische ermöglicht hat.

Daß im Laufe der Geschichte mancherlei Sprachen zur Herausbildung und Weiterent¬

wicklung beigetragen haben, zeigen immer wieder Mischformen, von denen Mifsud zahl¬

reiche Beispiele liefert, von denen ich nur das Lehnverb sofra „leiden" zitiere. Mifsud zeigt das P.P.P. in dreierlei Gestalt, als msofri mit dem Präfix m- semitischer Herkunft, und als sofritt und soffen (schwaches Perfekt / starkes Perfekt) mit italienischen Morphe¬

men zum Ausdruck des P.P.P.

Mit dieser Monographie ist Mifsud eine vorbildliche Darstellung der maltesischen Lehnverben gelungen, auf die jeder Forscher zurückgreifen muß, der sich mit dem Malte¬

sischen auseinandersetzt.

Reinhold Kontzi, Stuttgart

(15)

Ramazan §e§en/Mustafa HA51M Altan/Cevat Izgi: Kibns Isläm yazmalan Katalogu.

Istanbul; Research Centre for Islamic History, Art and Culture 1995. XLI, 86 S.

türkischer und CI, 630 S. arabischer Text (Isar Vakfi Yayinlan. 2.) ISBN 975-7874- 01-9.

Die „Stiftung zur Erforschung der islamischen Geschichte, Kunst und Kultur" mit Sitz in Be5ikta§/Istanbul legt einen Band mit der Beschreibung islamischer Handschriften Zy¬

perns vor. Auf eine kurze Einführung in die Geschichte der islamischen Gelehrsamkeit auf Zypern folgt die Katalogisierung von 166 osmanisch-türkischen und 1 087 arabischen und persischen Handschriften. Die Ubersicht über das Material wird durch mehrere Indi¬

ces erleichtert. Es wird der Forschung hiermit ein bisher wenig genutzter Handschriften¬

bestand erschlossen, der, wie die Verfasser darlegen (S. XXII-XXV des türkischen Tex¬

tes), eine größere Anzahl bisher unbekannter Werke einschließt.

Tilman Nagel, Göttingen

Bibliography on Manuscript Libraries in Turkey and the Publications on the Manuscripts Located in these Libraries (hrsg. von E. insANOGLU, verfaßt von N. Bayraktar und M.

Lugal). Istanbul: Research Centre for Islamic History, Art and Culture 1995. XXX, 337 S. ISBN 92-9063-059-X.

Unter den alphabetisch geordneten Ortsnamen der Türkei werden Handschriftenbestände der jeweiligen Institutionen (Moscheen, Bibliotheken usw.) aufgelistet. Jede Eintragung enthält die folgenden Punkte: 1. Name der Institution, 2. Geschichte der Institution in

Stichworten, 3. Angaben zur Herkunft der jeweiligen Handschriftenbände, 4. Umfang

der Bestände nach Sprachen aufgeschlüsselt, 5. Kataloge, 6. wissenschaftliche Veröffent¬

lichungen über die betreffende Institution und ihre Bestände. Der zweite Teil des Buches enthält eine Bibliographie zum türkischen Bibliothekswesen, eine Bibliographie von wis¬

senschaftlichen Arbeiten über in türkischen Bibliotheken aufbewahrte Handschriften sowie sechs Indices. Es ist somit ein ausgezeichneter und sehr nützlicher Leitfaden für alle Forscher entstanden, die in der Türkei islamwissenschaftliche Handschriftenstudien betreiben wollen.

Tilman Nagel, Göttingen

Slobodan Ilic: ILüseyin Lämekani. Ein osmanischer Dichter und Mystiker und sein

literarisches Werk. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 1999. XIII, 216 S. (Mizän. Studien und Texte zur Literatur des Orients. 8.) ISBN 3-447-04142-0. DM 138,-.

Hüseyin Lämekänl, Scheich des Melämi-Zweiges des Bayräml-Ordens, lebte um die

Wende vom 16. zum 17. Jh. in Istanbul und erwarb schon zu Lebzeiten einen Ruf als be¬

deutender Mystiker und Dichter. Seinem von der Forschung bisher vernachlässigten poe¬

tischen Wirken widmet sich die in der von Petra Kappert herausgegebenen Reihe Mizän

erschienene Studie von Slobodan Ilic, die aus einer Bamberger Dissertation aus dem

Jahre 1996 hervorgegangen ist.

(16)

Der hier behandehe Diwan Lämekänls besteht aus 90 Gedichten (S. 33-190), die neben einigen wenigen außerhalb desselben geschriebenen Gedichten (S. 191-195) im osmani¬

schen Original, Transkription und deutscher Übersetzung nebst kritischen Anmerkun¬

gen und Kommentaren wiedergegeben werden. Abgerundet wird die Darstellung durch

einen Überblick (S. 197-204) über weitere Werke Lämekänls wie Briefe, Traktate etc. Ilic trug die Gedichte des Diwans aus elf Handschriften zusammen, die er in Bibliotheken in Istanbul, Konya, Antalya, Sarajewo, Cambridge und Wien einsehen konnte. Von diesen enthalten jedoch nur zwei den „mehr oder weniger vollständigen, gemäß der alphabeti¬

schen Folge des Endreimes geordneten Text seines Diwans" (S. 23); hierbei handelt es sich

um die Süleymaniye Kütüphanesi in Istanbul und die Gazi Husrev-begova biblioteka in

Sarajewo. Von den 93 im osmanischen Original wiedergegebenen Gedichten sind bis auf

zwölf alle in Faksimile abgebildet. Im allgemeinen sind diese gut lesbar - lediglich bei fünf eingescannten Gedichten treten Leseschwierigkeiten auf (Nr. 14, 40, 47, 55, 64). Die Ab¬

bildungen im Anhang (S. 213-216) sind viel zu klein geworden und daher für eine Lektüre ungeeignet.

Dem eigentlichen Diwan vorangestellt ist eine kurze Beschreibung seiner poetischen Formen, Metren, Reime, Themata, der Sprache etc. (S. 23-31). Ilic betont, daß der Diwan inhaltlich und formal nicht von der üblichen Diwanliteratur seiner Zeit abweicht. Bis auf wenige persische Ausnahmen ist er in osmanisch-türkischer Sprache verfaßt, wobei der Gebrauch von Ausdrücken aus der türkischen Volkssprache extrem selten ist. Es dominie¬

ren vielmehr persisch-arabische Lehnwörter. Thematisch handelt es sich überwiegend um gedichtete Gebete, in denen Gott um Verzeihung gebeten und der Prophet glorifiziert wird. Das Lob für den vierten Kalifen 'Ali, Sinnbild der Ritterlichkeit, kann nicht als Hinweis für eine schütische Gesinnung gesehen werden, da es in ähnlicher Form auch bei sunnitischen Orden anzutreffen ist. Von zentraler Bedeutung ist der in Meiämi-Lehren verbreitete Existenzmonismus, die Wahdat al-wugüd, in der die Seele nach Vereinigung mit Gott strebt.

Die Angaben zum Autor und seinem Orden, den Melämi-Bayrämi, fallen leider sehr

knapp aus. Der Geburtsort Hüseyin Lämekänls, dessen eigentlicher Name Hüsämuddin war, ist in der Forschung (Übersicht über die Forschungsliteratur und handschriftliche

Quellen zu seinem Leben S. 5-15) bisher umstritten gewesen (Bosnien, Peshte oder

Hurpi5te). Ilic plädiert für eine bosnische Herkunft, da die MelämTs zu Lämekänls Leb¬

zeiten gerade in jener Gegend sehr aktiv waren und einer seiner Jünger ein Bosnier war.

Lämekänl verbrachte nach seinem Studium der religiösen Wissenschaften in Istanbul den Großteil seines Lebens mittellos in der Tekke im Hof der Istanbuler §äh Sultan Moschee, wo er auch beigesetzt wurde. Als Todesdatum gibt Ilic den 21. Dezember 1625 an.

Obgleich der Orden der Melämi-Bayrämi, ein Ableger der Halveti, im 16./17.Jh. Ver¬

folgungen durch die Obrigkeit ausgesetzt war und nicht wenige seiner Scheichs durch das

„Schwert der Scharia" umkamen, scheint Lämekänl unbehelligt geblieben zu sein. Er be¬

tonte sogar in mehreren seiner Gedichte, daß er die Gebote der Scharia befolge und sich zur hanefitischen Rechtsschule bekenne. Inwiefern sind seine Gedanken daher als stellver¬

tretend für die Haltung anderer Melämi anzusehen? Stellt er nicht gar eine Ausnahme dar? Leider geht Ilic nicht näher auf diese wichtigen Fragen ein. Sein kurzes Kapitel über den Orden der Melämi (S. 17-21) vermag kaum den religiös-politischen Hintergrund des Wirkens Lämekänls zu beleuchten und seine Person geistesgeschichtlich einzuordnen.

Abgesehen hiervon sind einige wenige Flüchtigkeitsfehler bei Transkription und Überset¬

zung anzumerken, so etwa S. 66-67 in Gedicht Nr. 15, Vers 1 Strophe 2 „sen fenä ol"

(übersetzt mit „Du sollst verlorengehen") statt, wie im Faksimile zu lesen ist, „sen qabä ol" (etwa: „Du sollst verachtenswert sein"). Trotz solchen kleineren Mängeln stellt diese

(17)

Arbeit jedoch einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der osmanischen mystischen Lite¬

ratur dar.

Volker Adam, Hahe (Saale)

Ekmeleddin Ihsanoglu (ed.): Osmanli Astronomi Literatürü Tarihi. [History of Astro¬

nomieal Literature During the Ottoman Period.] Cilt 1, 2. Istanbul: Islam Tarih, Sanat Ve Kultur Ara§tirma Merkezi (IRCICA) 1997. 1146 S., 7 Abb. ISBN (l.Cilt) 92-9063-

070-1, (2. Cilt) 92-9063-071-x, (Takim) 92-9063-072-8; Ekmeleddin Ihsanoglu (ed.):

Osmanli Matematik Literatürü Tarihi. [History of Mathematical Literature During the Ottoman Period.] Cilt 1, 2. Istanbul: Islam Tarih, Sanat Ve Kultur Ara§tirma Merkezi (IRCICA) 1999. 720 S., 10 Abb. ISBN (1. Cilt) 92-9063-076-0, (2. Cilt) 92-9063- 077-9, (Takim) 92-9063-078-7.

Die vier Bände geben eine Zusammenstellung von erhaltenen Kopien astronomischer, astrologischer und mathematischer Schriften in Arabisch, Persisch und Türkisch sowie von mehrsprachigen Werken vom frühen 9. Jh. Higra/15.Jh. bis ins 14. Jh. Higra/20.Jh.

Diese Übersichten sind in Werke datierbarer Autoren, undatierbarer Autoren und in

anonyme Schriften unterteilt. In den einzelnen Einträgen werden, soweit möglich, An¬

gaben über den Autor, den Kopisten, den Auftraggeber, den Ort der Anfertigung des Wer¬

kes, Charakter (Übersetzung, Kommentar, Kompilation, eigenständige Abhandlung etc.),

Gliederung und Inhalt der Schrift, sowie der Anfang und das Ende des Wortlautes des

Textes mitgeteilt. Danach werden die erhaltenen Handschriften nach ihren Bibliotheks¬

standorten sortiert nachgewiesen sowie, wenn vorhanden, bibliographische Angaben über moderne Arbeiten über den Autor sowie über Editionen, Übersetzungen oder historische Analysen seines Werkes beigefügt. Informationen über den Kodex, in dem sich die Kopien des Werkes befinden, über Illustrationen oder den Einband werden nicht mitgeteilt.

Den Übersichten vorangestellt sind neben einem türkischen und einem englischen Vor¬

wort ein Überblick über die wissenschaftlichen Aktivitäten und Institutionen im vor-

osmanischen Anatolien und im Einflußbereich der Osmanen sowie Auswertungen der

Entwicklungen der astronomischen, astrologischen und mathematischen Literatur ein¬

geteilt nach Autoren, Kopisten, Regionen, Jahrhunderten, Sprachen und Patronen. Vor

allem diese Teile verdienen eine Übersetzung aus dem Türkischen, um so einem breiteren Leserkreis zugänglich gemacht zu werden, sind sie doch die ersten Ergebnisse der in den vier Bänden erstmalig in diesem Umfang vorgelegten Darstellung der arabischen, persi¬

schen und türkischen mathematisch-astronomischen literarischen Produktion im Osma¬

nischen Reich.

Insgesamt sind die vier Bände ein wichtiges und sehr nützliches Nachschlagewerk für diejenigen, die sich mit der Geschichte der genannten wissenschaftlichen Disziplinen be¬

kannt machen oder auf die eine oder andere Art darüber forschen wollen. Ihre Überset¬

zung ins Englische wäre wünschenswert, um auch den Nichtspezialisten den Zugang zu

wissenschaftlichen Aktivitäten und Trends im Osmanischen Reich zu ermöglichen.

Vier Punkte der genannten einführenden Auswertungen der zwei Werke erscheinen aus meiner Sicht besonders wichtig als Ausgangspunkte für mögliche weitere Forschungen:

1. das relative Übergewicht astronomischer und astrologischer Texte im Vergleich zu ma¬

thematischen Schriften, das sich nicht nur quantitativ niederschlägt, sondern auch in

(18)

der Quahtät der Werke, ihrer Förderung durch den Osmanischen Hof und der frühe¬

ren Übersetzung und Verarbeitung westeuropäischer astronomischer Texte durch Ge¬

lehrte des Osmanischen Reiches zum Ausdruck kommt;

2. die regionalen Disproportionen in der Produktion astronomischer, astrologischer und mathematischer Schriften, die hinsichtlich der Kopierung astronomischer und astrolo¬

gischer Texte die Führung Anatohens vor Kairo und Istanbul und ein Übergewicht dieser drei zusammen (ca. 60%) über alle anderen Regionen anzeigen; hinsichtlich der Kopierung mathematischer Texte führt Kairo vor Anatolien und Istanbul (zusammen

ca. 59%); bei den Herkunfts- bzw. Wirkungsstätten der Autoren dominieren in bei¬

den Disziplinen Istanbul und Kairo (Astronomie/Astrologie: ca. 62%; Mathematik:

ca. 73 %), wobei der Anteil Kairos bei den mathematischen Texten um 50 % über dem bei astronomischen und astrologischen Texten liegt;

3. die Verschiebung der quantitativen Verhältnisse zugunsten mathematischer Texte im 19. Jh., die als Resultat der Verankerung von Mathematik an den neuen Schulen inter¬

pretiert wird, an denen Astronomie nur als eine Art Wahlfach belegt werden konnte;

4. die Veränderungen in der/den für die Abfassung der Texte gewählten Sprache(n) über

die Zeit sowie über die Regionen des Osmanischen Reiches, die nicht nur den Kon¬

flikt zwischen den traditionellen (islamischen) und den modernen (westeuropäischen) Wissenschaften vor allem im 19. Jh. markieren, sondern wenigstens zwei weitere Pro¬

zesse anzeigen: die Entwicklung des Osmanisch-Türkischen zur Wissenschaftssprache und die Widerspiegelung der sprachlich-ethnischen Schichtungen des Osmanischen Reiches auch in den Wissenschaften.

Um die Spezifika dieser vier Punkte und der durch sie verkörperten historischen Prozesse

deuthcher erkennen zu können, wären zum einen Vergleiche mit den Entwicklungen in

Iran, Mittelasien und Indien wünschenswert als auch Vergleiche mit den wissenschaft¬

lichen Produktionen anderer Volks- und Religionsgruppen, die im Osmanischen Reich ge¬

lebt haben, wie den Armeniern, Griechen, Kopten, Nestorianern, Juden etc. Das Fehlen der Literaturen dieser Gruppen resultiert aus der konzeptionell bedingten Einordnung der Wissenschaftsgeschichte im Osmanischen Reich in die Wissenschaftsgeschichte in der Zivi¬

lisation des Islam (S. X-A) und daraus folgend der Beschränkung der zwei Werke auf arabi¬

sche, persische und türkische Texte. Diese Beschränkung steht das wichtigste Defizit dar.

Aus dem Versuch, eine Geschichte der astronomischen, astrologischen und mathema¬

tischen Literatur unter den Osmanen in Form eines Katalogs der erhaltenen Handschrif¬

ten und gedruckten Bücher zu schreiben, ergeben sich Probleme, die in den Einleitungen

nicht genügend erörtert worden sind. Dazu gehören die Einbeziehung von Autoren und

ihren Werken, die nicht oder nur sehr kurze Zeit im Osmanischen Reich gewirkt haben, oder die Ausklammerung von einer Reihe von literarischen und disziplinären Genres, deren Werke ebenfalls Aspekte von Astronomie, Astrologie oder Mathematik behandeln wie z.B. Enzyklopädien oder kalam-'^^erke im Bereich der islamischen Traditionen und populäre Wissenschaftsdarsteliungen oder Zeitschriften im Bereich der westeuropäisch beeinflußten neueren Entwicklungen. Dazu gehört auch das Problem der Interpretation der vorgelegten Statistiken. So widerspiegeln beispielsweise die ermittelten regionalen Dis¬

proportionen nicht allein die ungleiche historische Verteilung wissenschaftlicher Aktivi¬

täten im Osmanischen Reich. Sie resultieren außerdem aus unterschiedlichen Erhaltungs¬

bedingungen für Handschriften, den Bedingungen der Eingliederung unterschiedlicher Regionen ins Osmanische Reich oder ihrer Ausgliederung aus ihm, dem gegenwärtigen Stand der Erfassungen von Handschriften und Büchern in den verschiedenen Nachfolge¬

staaten des Osmanischen Reiches und den von den Autoren der beiden Werke benutzten

(19)

Katalogen. Hinsichthch letzterem fällt auf, daß für die beiden Bände zur Mathematik er¬

heblich weniger Kataloge ausgewiesen werden als für die beiden Bände zur Astronomie und Astrologie. Es fehlen z.B. Kataloge zu osteuropäischen, mittelasiatischen, jemeniti¬

schen sowie einer Reihe von indischen Bibliotheken. Da dieser Sachverhalt unkommen¬

tiert bleibt, wird nicht klar, aus welchen Gründen auf sie (und andere Kataloge) verzichtet worden ist. Daß sie überhaupt keine mathematischen Texte enthalten, ist aufgrund meiner eigenen Erfahrungen mit einigen dieser Kataloge auszuschließen. Die Katalogisierung der Drucke des 19. und frühen 20. Jh. ist in vielen Ländern noch weniger fortgeschritten als die Katalogisierung der erhaltenen Handschriften, wodurch sich weitere Beschränkungen für die Auswertung regionaler Disproportionen in diesen beiden Jahrhunderten ergeben.

Es bleibt zu wünschen, daß sich die Autoren der beiden Werke bei einer eventuellen Uber¬

setzung oder Neuauflage mit diesen und anderen konzeptionellen und interpretativen Problemen intensiver auseinandersetzen.

In allen vier Bänden gibt es eine Reihe von Schreibfehlern, insbesondere in den Lite¬

raturverzeichnissen, und einige andere Irrtümer. So erscheinen z.B. in der Liste der Ka¬

taloge unter Belgien drei Titel, die dort nicht hingehören, sondern in einen allgemeinen

Teil (Pearson) und unter USA (Nemoy, Simsar; Osmanli Astronomi Literatürü Tarihi.

2. Cilt, S. 961).

Sonja Brentjes, Berlin

Asya Asbaghi: Persisch für Anfänger. Heidelberg: Julius Groos 1997.192 S. ISBN 3-87276- 800-X. DM36.-.

Faramarz Behzad/Soraya Divshali: Sprachkurs Persisch. Eine Einführung in die Per¬

sische Sprache der Gegenwart. Bamberg: Logos Verlag 2000 (3. Aufl.). 396 S. ISBN 3-9807103-0-0. DM 68.- (Beiheft, 49 S., und 6 Sprachkassetten sind separat erhählich).

Von den bis 1990 auf Deutsch erschienenen Persischlehrbüchern kann keines als wirklich

gelungen bezeichnet werden. Neben dem eher für Volkshochschulen konzipierten Lehr¬

buch von Sobhani (1962) blieb das technisch-trockene Lehrbuch von Alavi/Lorenz (I.Auflage Leipzig 1967) lange Zeit das einzige auf weiter Flur. In den 1980er Jahren er¬

schienen die beiden interessanten, aber mit gewissen Mängeln behafteten Lehrbücher von

Madani (Bd. 1: 1984, Bd. 2: 1993) und Behruz/Flower/Nagel (1989). Die beiden hier

besprochenen Lehrbücher sind ebenfalls weit davon entfernt, perfekt zu sein. Es soll je¬

doch gezeigt werden, daß zumindest eines der beiden eine willkommene Bereicherung auf dem Markt deutschsprachiger Persischlehrbücher darstellt.

Das Lehrbuch von Asbaghi enthält einen Hauptteil mit 36 Lektionen (S. 13-138), ei¬

nen Schlüssel zu den Übungen (S. 139-147), einen grammatikalischen Index (S. 148-150) und ein persisch-deutsches sowie deutsch-persisches Glossar (S. 151-192) mit jeweils ca. 800 Wörtern. In den einzelnen Lektionen folgen in der Regel einem Verzeichnis der neuen Wörter ein Grammatikteil, ein kurzer persischer Lesetext (mit lateinischer Tran¬

skription und deutscher Übersetzung) und zwei oder drei kurze Übungen. Zeichnungen

der Autorin, mit Übungen zu Wortschatz und Grammatik verbunden, lockern das Buch

an einigen Stellen auf.

Der Umfang der einzelnen Lektionen (bei kleinem Buchformat und relativ großem

Druck) ist etwas kurz geraten. Die Übungen umfassen manchmal nur insgesamt drei Zei¬

len. Die den persischen Lesetexten beigegebenen Transkriptionen und Übersetzungen

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