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Für die Lateiner liegt der Schauplatz der Heilsgeschichte, das Heilige Land, zugleich der Weltmittelpunkt*, im Osten

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AUF ABENDLÄNDISCHEN KARTEN

DES 11. BIS 14. JAHRHUNDERTS

Von Anna-Dorothee von den Brincken, Köln

1. Der Orient im christlichen Weltbild der Lateiner

Die christliche Weltkarte des abendländischen Mittelalters war nahezu

stets geostet.' Eine verwandte Ausrichtung des Weltbildes ist z. B. aus alttür¬

kischer Sicht (al-Käsgäri um 1076p, aber auch aus altamerikanischem

Verständnis' bekannt. Die Ursache hierfür dürften kosmologische Gesichts¬

punkte sein'': Im Osten geht die Sonne auf, aus dieser Himmelsrichtung er¬

wartet man Licht und Wärme, Neuanfang des Tages. Im Osten liegt nach

Genesis 2, Vers 8' das Paradies; dort nahm die Menschheit ihren Anfang,

dorthin fuhr Christus gen Himmel, und von dort wird er bei seiner Parusie

wiedererwartet. Für die Lateiner liegt der Schauplatz der Heilsgeschichte,

das Heilige Land, zugleich der Weltmittelpunkt*, im Osten. Jenseits vom

Zentrum erstreckt sich der Orient bis nach Indien, bis in das Land, das Alex¬

ander der Große als äußersten Zipfel der Erde erreichte. Von Osten nach

' Zur mittelalterlichen Kartographie jüngst zusammenfassend und aus¬

führlich: J.-G. Arentzen: Imago Mundi Cartographica. Studien zur

Bildlichkeit mittelalterlicher Weh- und Ökumenekarten unter besonderer

Berücksichtigung des Zusammenwirkens von Text und Bild. München

1984. (Münstersche Mittelalter-Schriften. 53.) A.-D. von den Brincken:

Kartographische Quellen. Welt-, See- und Regionalkarten. Turnhout 1988.

(Typologie des Sourees du Moyen-Äge occidental. Fasc. 51.)

2 Vgl. A. FLerrmann: Die älteste türkische Weltkarte. In: Imago Mundi 1

(1935), S. 21 ff. mit Abb. — Abb. auch bei L. Bagrow und R. A. Skel¬

ton: Meister der Kartographie. Berlin 1963, Tafel XXVIII, S. 354 bzw.

J. G. Leithäuser: Mappae Mundi. Berlin 1958, S. 104.

3 Vgl. E. Guzman: The Art of the Map-Making among the Ancient Mexi¬

cans. In: Imago Mundi 3 (1939), S. 1 ff. Abb. bei Bagrow/Skelton:

Meister der Kartographie. Berlin 1963, Tafel 111, S. 329 und Leithäu¬

ser: Mappae Mundi. Berhn 1958, S. 18 f.

'' A.-D. von den Brincken: Mappa mundi und chronographia. Studien

zur imago mundi des abendländischen Mittelalters. In: Deutsches Archiv

für Erforschung des Mittelahers 24 (1968), S. 118 ff., besonders

S. 175 ff.

' Hebräisch lautet es miqqedem, lateinisch in principio.

* Ezech. 5,5; vgl. dazu den Kommentar des Hieronymus. Ed. Migne: Pa¬

trologia Latina 25, Sp. 52.

(2)

Westen wandern in mittelalterlicher Vorstellung die Weltreiche und die Wis¬

senschaft; das Christentum kommt aus dem Orient und endlich auch das

Mönchtum''.

Das lateinische Mittelalter war mithin ausgesprochen ost-gerichtet,

„orientiert"; das Wort kommt aus dem Italienischen und bedeutet ursprüng¬

lich die Ausrichtung der Segel nach dem Wind.* Der abendländische Christ

sucht dann darüber hinaus Jerusalem wie Paradies, irdische wie himmliche

Vollendung im Osten.

Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, daß die abendlän¬

dische Karte des Mittelahers ein Weltbild zu fixieren bemüht ist, nicht aber

praktischen Zwecken dienen will. Sie unterrichtet über Plätze des Weh- und

vor allem Heilsgeschehens und ihre Lage zueinander, auch vermeldet sie als

Geschichtskarte Orte aus allen Epochen, projiziert gewissermaßen das Ge¬

schehen unter Ausklammerung der Zeitkomponente auf das Pergamentblatt.

Raum und Zeit sind endlich verstanden und grundsätzlich begrenzt darge¬

steUt.

2. Die biblisch-patristische Tradition: Hieronymus

Christus war Orientale. Schon das Neue Testament bezeugt daher in Apo¬

stelgeschichte, Episteln und Apokalypse Christen im Orient. Eusebios von

Kaisareia hat sich bereits in seinem Onomastikon mit Namengut und Geo¬

graphie des heiligen Landes und des Orients befaßt. Seine Untersuchungen

wurden den Lateinern durch den Kirchenvater Hieronymus zugänglich ge¬

macht, insbesondere durch die Schrift De situ et nominibus locorum

Hebraicorum'^.

Hierzu sind zwei dem Hieronymus zugeschriebene mittelalterliche Karten

überhefert, allerdings erst in einer englischen Handschrift des 12. Jahrhun¬

derts;'" sie bieten das Heilige Land (das in dieser Untersuchung ausgeklam¬

mert bleibt) sowie den Orient. Beide Karten sind ganz offensichtlich durch

die Kreuzzüge wieder in das Interesse der Lateiner gerückt und daher viel-

' Vgl. z. B. Otto von Freising: Chronica sive historia de duabus civitati¬

bus. Ed. A. Hofmeister. In: Mon. Germ. Hist. Script, in usum schol.

(1912), Prolog an Isingrim, S. 8; Prolog lib. V, S. 227; lib. Vll, 35, S. 372.

8 H. Nissen: Orientation. Berhn 1906 (Studien zur Geschichte der Reli¬

gion. 1.) S. 15.

'> Ed. Migne: Patr. Lat. 23, Sp. 903 ff.

10 MS London Brit. Libr. Add. 10049 fol. 64 und 64v.; vgl. dazu insbes. K.

Miller: Mappae Mundi. 3. Stuttgart 1895, S. 1 ff. und Tafeln im An¬

hang.

(3)

leicht nach Vorlagen des Kirchenvaters selbst gestaltet worden, allerdings mit Zutaten späterer Zeiten angereichert."

Die Orientkarte ist vermutlich Teil einer Weltkarte; sie ist geostet und zeigt

Kleinasien, Mesopotamien, Skythien, Parthien, Persien und Indien, auch

Teile der Balkanhalbinsel. Das verwendete biblische Namengut ist großen¬

teils alttestamentlich, von Gog gentes über area Noe mit Armenie pile u. ä.

über Orte in Kleinasien aus dem Neuen Testament bis hin zu Babylon. Ein

spezifisches Interesse an der Christenheit des Ostens läßt sich in der lateini¬

schen Patristik noch nicht ausmachen, denn die Christenheit wird — unbe¬

schadet der Tendenz zur Bildung von Nationalkirchen — generell als Einheit

verstanden.

3. Der Missionsaspekt im frühen Mittelalter: Beatus von Liebana

Illustrieren mittelaherliche Ökumene-Karten im Regelfall zumindest vor¬

zugsweise historische Texte, so findet man sie vielfach auch im Zusammen¬

hang mit den biblischen Geschichtsbüchern erhalten. Diese Beobachtung

trifft nur bedingt auf die Karte des Spaniers Beatus von Liebana (um

776/786) zu, denn sie gehört zu einem Apokalypsen-Kommentar'^, ist aber

geplant zum Kapitel von der Divisio Apostolorum, von der Aussendung der

zwölf Apostel, d. h. sie dient der Illustration eines historischen Vorgangs.

Vermutlich unter dem Einfluß des aufblühenden Jakobus-Kultes auf der Ibe¬

rischen Halbinsel wünscht man eine Verdeutlichung der Wirkungsorte nicht

nur der europäischen Apostel wie Petrus und Paulus in Rom, Philippus in

Gallien, Matthäus in Makedonien und Andreas in Achaia," sondern zeigt

auch Thomas in Indien, Johannes in Kleinasien, Bartholomäus in Lykao¬

nien, Simon Zelotes in Ägypten, Jakobus Alphäi, den Bruder des Herrn, in

Jerusalem, Matthias in Juda, während Judas Thaddäus an dieser Stelle nicht

aufgenommen ist.

" Vgl. Miller: Mappae Mundi. 3, S. 4.

'2 Ed. H. A. Sanders: Beati in Apocalipsin. Rom 1930 (Papers and Mono¬

graphs of the American Academy in Rome. 7.), insbes. Prol. lib. 2, c. 3 über die Apostel, S. 113 ff. Beatus behandelt neben Petrus und Paulus

Andreas, Johannes, Jacobus Zebedaei, Jacobus Alphaei, Philippus,

Thomas, Bartholomaeus, Matthaeus, Simon Zelotes (Cananeus), Judas

Jacobi, Judas Iscariotes, Matthias, Marcus den Evangelisten, Lucas, Barnabas, den Sohn des Propheten.

'3 Ebd. § 17, S. 116:... ad praedicandutn in mundo sortes proprias accepe-

runt, Petrus Roma, Andreas Acaya, Thomas India, lacobus Spania, lo¬

hannes Asia, Mattheus Macedonia, Filippus Callias, Bartolomeus Licao-

nia, Simon Zelotes Aegyptum, lacobus frater Domini lerusalem ...;

Matthias wird in § 15 in Juda bezeugt.

(4)

Christen im Orient auf abendländischen Karten des 11. bis 14. Jh.s

Die Beatus-Karte aus Burgo de Osma"* von 1086 (Ära 1124) hat die Aussa¬

gen im Kartenbild detailliert festgehalten, Johannes allerdings in Assyrien

eingezeichnet. Nur diese mappa mundi ist neben derjenigen aus dem Kloster

Ofia, überliefert in der Ambrosiana in Mailand, sowie einem Fragment aus

Lorväo (vor 1189)" so exakt der ursprünglichen Anlage treu geblieben, ganz

offensichtlich, weil diese sich um 1100 und in der Folgezeit wieder mit dem

Interesse des Westens in der Kreuzzugszeit deckte. Die übrigen Beatus-

Karten hatten der Apostel-Aussendung zwischenzeitlich keine Aufmerksam¬

keit mehr entgegengebracht.

'■^ Vgl. M. Destombes: Mappemondes A. D. 1200—1500. Amsterdam

1964 (Monumenta Cartographica Vetustioris Aevi. 1.), sect. 17,8, S. 41;

ed. K. Miller: Mappae Mundi. 1. Stuttgart 1895, S. 35 und Abb.

Heft 2.

" Vgl. L. Vazquez de Parga: Un mapa deconoscido de la serie de los

,,Beaios". In: Actas del simposio para el estudio de los codices del ,,Co-

mentario al Apocalipsis" de Beato de Liebana. 1,1. Madrid 1978,

S. 271—278. B. Rosen, Aachen, bereitet eine Untersuchung über die

Beatus-Karten vor.

(5)

4. Wehweite Interessen im 13. Jahrhundert:

die Karten von Vercelli, Ebstorf sowie des Matthaeus Parisiensis

Die Weltkarten des 12. Jahrhunderts rücken Jerusalem und das Heilige

Land unter dem Einfluß der Kreuzzüge deutlicher in den Mittelpunkt. Die

Spuren orientalischer Missionare der Vergangenheit finden sich daher nach

längerer Pause wieder im Bild auf den Großkarten des 13. Jahrhunderts fest¬

gehalten; vielleicht geschah dies bereits unter dem Einfluß der Mongolen-

Invasion in die bekannte Welt und in der Hoffnung auf Christen vom ande¬

ren Ende dieser Erde, die man für den Endkampf der Kreuzfahrer gegen die

Moslems zu gewinnen hoffte. Jedenfalls werden im 13. Jahrhundert gleich

mehrfach Wirkungsstätten der Apostel im Orient auch auf Karten nachge¬

wiesen.

Der Rotulus von Vercelli'*, eine zu Anfang unseres Jahrhunderts entdeck¬

te Weltkarte auf der Rückseite einer Archivalienrolle des Kapitelsarchivs von

Vercelli, hat in den noch heute entzifferbaren Teilen die meisten Wirkungs¬

stätten der Apostel im Orient in ähnlicher Weise bezeugt wie die Beatus-

Karte von Burgo de Osma: nicht nur Thomas ist in Indien, Johannes an der

Westküste von Kleinasien erwähnt, sondern auch Bartholomäus erscheint

nördlich von der Arche Noe in Armenien, Philippus in Kappadokien nord¬

westlich von der Arche sowie Simon und Juda südlich vom Turmbau zu Ba¬

bel und der Wüste Babylon in einem als Arabia bezeichneten Landstrich.

Stimmen die Plätze der beiden erstgenannten Apostel mit Beatus überein, so

wird Bartholomäus in nahezu allen Zonen des Nahen Ostens, Indiens und

Äthiopiens in christlicher Tradition gesucht, Philippus in Phrygien und Si¬

mon Zelotes und Juda entsprechend dem Rotulus und abweichend von Bea¬

tus in Babylon. Die Vercelli-Karte steht allerdings vielleicht in einer Beatus-

Tradition, die korrekter den literarisch verbreiteten Apostellegenden ent¬

sprach. Die Datierung der Vercelli-Karte schwankt in der Meinung der For¬

scher zwischen Anfang und Ende des Jahrhunderts.'^

"> Der Erhaltungszustand des Originals im Archivio Capitolare di Vercelli erschwert die Arbeit. Hilfe bietet hier für das Gesamtbild die Wiedergabe

bei Y. Kamal: Monumenta Cartographica Afrieae et Aegypti. 3. Kairo

1935, Tafel 997.

" C. Errera: Un mappamondo medioevalesconorciuto nell'Archivio Ca¬

pitolare di Vercelli. In: Atti della R. Accademia delle Scienze di Torino.

Classed! Scienze morali, storiche e filologiche. 46. Turin 1910, S. 8—11.

C. F. Capello: // mappamondo medioevale di Vercelli (Nota prelimina¬

re). In: Atti del XVll. Congresso Geografico Italiano. 4. Bari 1957, S.

577—585. Ders.: II mappamondo medioevale di Vercelli (\\9\ —1218?).

Turin 1976 (Universitä di Torino: Memorie e Studi Geografici. 10.).

(6)

Die bekanntere, heute im Original verlorene Ebstorfer Weltkarte'* aus der

Mitte des 13. Jahrhunderts zeigt wiederum das Grab des heiligen Thomas in

Indien", während Johannes gar nicht erwähnt ist. Bartholomäus ist hier des¬

gleichen bei Hierapolis, aber bei einem Hierapolis in Mesopotamien ver¬

merkt, nördlich von der Arche Noe und insofern in Übereinstimmung mit

dem Rotulus von Vercelli^"; das Grab des Philippus erscheint in Kleinasien westlich von der Arche Noe^' in Kappadokien, also gleichfalls entsprechend

der Vercelli-Deutung. An Stelle von Simon und Juda vermeldet die Ebstorfer

Weltkarte in Mesopotamien^^ Matthäus. Mithin dürften die genannten Kar¬

ten des 13. Jahrhundert aus einer gemeinsammen Quelle schöpfen, die nicht

mit der Burgo-de-Osma-Version des Beatus identisch ist.

Als einziger weiterer Kartograph des 13. Jahrhunderts, der sich für die Lo¬

kalisierung der Missionsapostel interessiert, erscheint Matthaeus Parisiensis

mit einer Weltkarte, die etwa um 1250 anzusetzen und sicher von den ge¬

nannten Karten unabhängig, da völlig anders konzipiert ist.^' Beide erhahe-

nen Handschriften seiner für Asien übrigens ausgesprochen dürftig augefal-

lenen Weltkarte vermelden einmal — übereinstimmend mit der Ebstorfer

Karte — in Armenien ein lerapolis. Hicpredicavit Philippus apostolus, d. h.

etwa in Mesopotamien, südlich vom Kaspischen Meer und östlich von Pam¬

phylien. Die Zeichnung für den Orient ist mehr als spärlich. Außerdem aber

notieren beide Ausführungen dieser Darstellung im Nordosten Sicia, ubi pre¬

dicavit Ph"^; Philippus soll demnach offenbar in Skythien tätig geworden sein. Diese letzte Aussage^"* hat keine Vorbilder; die erste kann als Variante

der Tradition von Vercelli bzw. Ebstorf verstanden werden. Beatus in der

Überlieferung von Osma weicht auch hiervon ab. Mithin hat das 13. Jahr¬

hundert gerade für Kleinasien, Armenien und Mesopotamien Interesse an

Apostelmissionen. Die Berücksichtigung von Skythien läßt wiederum an die

Mongolen denken, denen Matthaeus in seiner Geschichtsschreibung beson¬

deres Interesse entgegenbrachte.

Eine Beziehung zu Beatus-Karten ist durchaus denkbar, nicht jedoch zu

denjenigen in der Fassung des Bildes von Burgo de Osma.

18 Beste Reproduktion heute E. Sommerbrodt: Die Ebstorfer Weltkarte.

Hrsg. im Auftr. d. Historischen Vereins für Niedersachsen. Hannover 1891; Blattzählung nach dieser Ausgabe; sehr übermalt bei K. Miller:

Mappae Mundi. 5. Stuttgart 1896.

" Sommerbrodt: Die Ebstorfer Weltkarte, Bl. 14.

20 Sommerbrodt: Die Ebstorfer Weltkarte, Bl. 9.

21 Sommerbrodt: Die Ebstorfer Weltkarte, Bl. 9.

22 Sommerbrodt: Die Ebstorfer Weltkarte, Bl. 15.

23 Vgl. K. Miller: Mappae Mundi. 3. Stuttgart 1895, S. 70—73; dazu R.

Vaughan, Matthew Paris. 1958 u. ö. (Cambridge Studies in Medieval

Life and Thought. 11, 6.), S. 235 ff., bes. S. 241.

2" Vgl. K. Miller: Mappae Mundi. 3. Stuttgart 1895, S. 72.

(7)

5. Ostchristen bei Ranulph Higden im England des 14. Jahrhunderts

Ranulph, Chronist typisch englischen Traditionsbewußtseins in der Mitte

des 14. Jahrhunderts, liefert auf seiner Karte nicht mehr die Begräbnisplätze

der Apostel, wohl aber aktuelle Hinweise auf Christen im Orient.

Nördlich der Donau trägt er ein: Sit hia inferior cuius pars est Alania prop¬

ter barbaras gentes. Ex parte aquilonis habitant Tartari, quorum rex fuit

presbiter Johannes.^^ Es handelt sich um den Norden unserer Erde, gleichzu¬

setzen mit Rußland. Ranulph weiß vom Reich der Goldenen Horde, mit dem

er Priester Johannes in Verbindung bringt, den legendären Reiter der Chri¬

stenheit vor der Übermacht der Moslems vom anderen Ende der Welt.

Weiterhin kennt er in Südafrika^* Gens Arabea Ethiops super (statt sem¬

per) nuda, veridica atque christianissima. Tres habet reges, tot episcopos,

weiß also, daß in Äthiopien christliche Könige und Bischöfe wirken.

Das Sagengut des 13. Jahrhunderts ist ins Geschehen integriert und hat

Neuerkenntnisse gezeitigt.

6. Das Echo auf den Seekarten des 14. Jahrhunderts

Die Portolan-Karten, ursprünglich nur Küstenführer, verbinden seit dem

Ende des 13. Jahrhunderts Erfahrung mit Überlieferung; das Neue an ihnen

ist, daß sie sich des Kompasses bedienen und mit einem Liniennetz überzo¬

gen sind, das die Schiffe die Richtung für das gewünschte Ziel finden läßt.

Sie bieten daher recht exakte Küstendarstellungen und erste Vorstellungen

von deren wahrem Aussehen. Zeigte die als Pisana bezeichnete älteste erhal¬

tene Karte dieser Art um 1300 noch ausschließlich Küsten, so haben die Ve¬

netianer wie Petrus Vesconte schon Interesse für die Zuordnung der Küsten¬

bewohner; hier finden sich zuerst Fahnen, die u. a. andeuten, ob die Einwoh¬

ner Christen oder Moslems sind: Kreuze in Kleinasien weisen auf armenische

und andere Glaubensbrüder hin.^^

25 Abb. M. Destombes: Mappemondes A.D. 1200—1500, Tafel F und

sect. 47,1. K. Miller: Mappae Mundi. 3. S. 101; Texte: Polychronicon,

ed. C. Babington und J. R. Lumby. London 1865—1886 (Rolls Series

41, 1—9), lib. VIIc. 32, Bd. 8, S. 176 zu A.D. 1201: Johannes in Indien.

K. Miller: Mappae Mundi. 3, S. 105. J. Taylor: The Universal Chro¬

nicle of Ranulph Higden. Oxford 1966; zu den Karten S. 63—68. Hier ist die Karte London Brit. Libr. Roy. 14.C.1X. fol. lv —2 herangezogen.

2' Abb. hierzu u. a. bei R. Almagiä: Planisferi, Carle nauliche e affini del secolo XIV al XVII. Cittä del Vaticano 1944 (Monumenta Cartographica

Vaticana. 1.), S. 13 ff. und Tafeln IV—IX. Siehe auch Ms. Vat. Lat.

2972 fol. 107—111 und Ms. Pal. Vat. Lat. 1362 A.

(8)

Insbesondere die mailorquinische Kartenkunst interessiert sich dann nicht nur für die Beschaffenheit der Küsten, sondern auch für das Landesinnere.

So zeigt bereits vor Vesconte der Genuese Johann von Carignano, Rektor an

San Marco in Genua^**, auf runden Siedlungssymbolen Embleme an, die

Christen bezeugen, etwa in Nubien und Äthiopien.

Angelino Dalorto-Dulcert, vermutlich italienischer Kartograph, der auf

die Balearen zog, bezeugt viele Christen in Kleinasien wie in Nubien; dies be¬

legen die eingezeichneten Fahnen und Patriarchalkreuze.'"

Der Katalanische Atlas von 1375 ist in Kopien erhalten" und erlaubt exak¬

te Beobachtungen durch sein handliches Format, seine deutliche bildliche

Ausführung, die zudem in brauchbaren Reproduktionen zugänglich ist. Er

steht zweifellos in engem Kontext mit den Aussagen des Libro del Conosci-

miento de todos los Reynos y Senorios que son por el Mundo^^. Die Tafeln

zeigen in Afrika" den König von Nubien, der mit den Christen seines Landes

im Kampfe liegt; diese sind Untertanen des Kaisers von Äthiopien und Prie¬

sters Johannes. Die Stadt Dobaha hat ein Patriarchalkreuz auf der Fahne,

ebenso Sohan. In Kleinasien und Armenien ist christliche Besiedlung gekenn¬

zeichnet, desgleichen auf Zypern, in Kappadokien etc. Arabia Sebba ist von

der Königin von Saba'" beherrscht. Von Tarssia^'^ reiten die Heiligen Drei

Könige auf ihrem Weg in Richtung Bethlehem: Typisch für mittelalterliche

Karten ist es, daß Ereignisse sehr verschiedener Zeiten auf die Kartenfläche

projiziert sind. In Indien sieht man den König Colobo^'* von Colombo, viele

Städte um ihn zeigen Tatzen- oder Patriarchalkreuze. Im Ky/co/-See'' gibt es

2" Im Staatsarchiv von Florenz Opfer des Zweiten Weltkrieges geworden;

Abb. u. a. bei G. Grosjean und R. Kinauer: Kartenkunst und Karten-

lechnik vom Altertum bis zum Barock. Berlin, Stuttgart 1970, S. 30.

2'^ Vgl. hierzu J. Ph. FoRESTi von Bergamo, Supplementum Chronicorum lib. Vlll (Venedig 1483), f. 17 f. zur Mission Carignanos 1306; dazu E.

Cerulli: Giovanni da Carignano e la cartografia dei paesi a sud

deU'Egiilo agli inizi del secolo XIV. In: Atti del XIV. Congressso Geo¬

grafico Italiano 1947. Bologna 1949, S. 507. R. A. Skelton, An Ethio¬

pian Embassy lo Western Europe 1306. In: O. G. S. Crawford: Ethio¬

pian Itineraries ca. 1400—1500. Cambridge 1958. App. 1II,S. 212—215 (Hakluyt Society 11, 109/1955).

M. DE LA RoNCiERE Und M. MoLLAT DU JouRDiN: Porlulane. Seekarten

vom 13. his 17. Jahrhundert. München 1984, Tafel 7.

'I Ms. Paris Bibl. Nat. Esp. 30, ed. u. a. H.-C. Freiesleben, Der Katalani¬

sche Weltatlas vom Jahre 1375. Stuttgart 1977.

" Ed. M. Jimenez de la Espada. Madrid 1877; engl. Ed. C. Markham.

Book of the Knowledge. London 1912 (Hakluyt Society. 11.29.).

" Ms. Paris Bibl. Nat. Esp. 30 ed. Freiesleben, Tafel 4 links.

Ebd., Tafel 5 links bzw. rechts.

" Ebd., Tafel 6 links.

(9)

ein armenisches Kloster mit dem Grab des Apostels Matthäus. In Ostindien

herrscht König Stephan im Lande des Apostels Thomas. Außen ganz im

Norden findet sich das Land Gog und Magog und das des Antichrist. Hier

sind Glaube und Wissen, Mythologie und Kunst in sinnfälliger Weise mitein¬

ander verbunden.

* * *

Mittelalterliche Karten als Geschichtswerke geben Orte vorzugsweise der

Heilsgeschichte wieder, um ihren Platz im ordo zu bestimmen; erst in zweiter

Linie können sie allenfalls als Itinerar dienen, denn Vermessung kennen sie

nicht. Erst die spätmittelalterliche Seekarte bietet praktischen Nutzen im alt¬

hergebrachten Gewand; sie verbindet historische Stätten des östlichen Chri¬

stentums mit zeitgenössischen Beobachtungen über dieselben und führt so zu

einer Synthese von Ideologie und Wirklichkeit im Bilde. Behutsam bereitete

sie im Weltbild die Öffnung vor, die auf der Suche nach Christen am anderen

Ende der Welt zur Entdeckung neuer Kontinente anregte.

(10)

SANCTI EPHRAEM SYRI:

GESCHICHTLICHER UND SPRACHLICHER ERTRAG

Von Anton Schall, Heidelberg

In einer noch nicht gedruckten Einführung in den äthiopischen Evange¬

lientext las ich jüngst einen Satz, der mich sehr verwunderte. Der Verfasser

ging hier ausführlich auf die sprachliche Vorlage des äthiopischen Evange¬

lientextes ein und besprach auch die bekannte These von Arthur Vööbus,

der eine syroaramäische Vorlage des äthiopischen Evangelientextes nicht

ausschließt. Im Zusammenhang mit dem Der Suryänl im Wädi Natrün, dem

Syrerkloster in der nitrischen Wüste, der Sketis, las ich folgenden Satz: ,,If

the Story can be trusted, the famous Ephraem Syrus had already visited

Egypt." Nun aber hat bereits Otto Bardenhewer in seiner Geschichte der

altkirchlichen Literatur. Bd. 4. Das 5. Jahrhundert mit Einschluß der syri¬

schen Literatur des 4. Jahrhunderts. Freiburg 1924, S. 351 ausdrücklich ver¬

merkt: ,,Ganz unglaublich ist, was syrische Biographen erzählen, Ephraem

sei von Ägypten aus nach Caesarea gekommen, nachdem er jahrelang bei

den ägyptischen Mönchen geweilt habe." Neun Jahre später befaßte sich

Hans Jakob Polotsky in Orientalia N. S. 2 (1933), S. 269—274, erneut mit

Ephraems Reise nach Ägypten und schrieb: ,,Es besteht daher längst Über¬

einstimmung darüber, daß die Reise nach Ägypten als legendäre Zutat zu be¬

trachten sei." Scharfsinnig erschloß Polotsky, wie der Ägyptenaufenthalt

Ephraems über die syrische Vita des ägyptischen Einsiedlers Pschoi auch in

die Vita Sancti Ephraem Syri hineingekommen ist. Die Reise Ephraems nach

Caesarea in Cappadocien, dem heutigen Kayseri, zu Basilius dem Großen,

dem 379, also sechs Jahre nach Ephraem verstorbenen älteren Bruder des

Gregor von Nyssa und hochbedeutenden Kirchenlehrer und -führer, wird

uns später noch beschäftigen.

Der Text der anonymen Vita Sancti Ephraem Syri ist in zwei vielfach und

beträchtlich voneinander abweichenden Rezensionen überliefert. Die eine

Rezension ist nach einer Handschrift der Vaticana vom Jahre I I(X) in Tomus

3 der römischen Ausgabe Opera omnia 1743' gedruckt worden. Die andere

Rezension ist nach einer Pariser Handschrift des 13. Jahrhunderts gedruckt

bei Sancti Ephraem Syri Hymni et Sermones ... edidit Thomas Josephus

Ephraem Syri opera omnia, quae exstant Graece, Syriace, Laline, in sex tomos distributa ... Syriacum texlum recensuit post obitum Petri Bene¬

dicti Maronitae Stephanus Evodius Assemanus. Tomus tertius Syria¬

ce et Latine. Romae 1743, S. XXlll—LXlll.

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