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Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten.
Von Joseph Hell.
Ihre höchste Blüte hat die arabische Poesie in einer Zeit er¬
reicht, wo kein irreführendes Vielwissen, kein religiöses Bedenken,
kein übermächtiger Herrscherwille die Echtheit des dichterischen
Fühlens trübte.
Der erwachende Islam leitete den Verfall dieser Blüte ein :
das Mißtrauen des Propheten und die Mißgunst der legitimen
Chalifen gegen die Verherrlicher kaum überwundener Zustände ver¬
gewaltigten die Wahrheit der poetischen Äußerungen und züchteten
gehaltlose Gelegenheitspoesie. Unter den Umajjaden aber erfolgte
ein Rückschlag des altarabischen Geistes gegen den Pietismus von
Medina und für die Dichter kam eine Zeit neuer Schaffensfreiheit
und Schaffensfreude.
Allein die Zeiten waren nicht spurlos an den scheinbar so
konservativen Sängern vorübergegangen. Mit dem erweiterten Ver¬
kehre hat sich ihr Gesichtskreis erweitert; der Stamm, ehedem die
Welt, in der und für die der Dichter schuf, erschien ihm jetzt nur
mehr als ein Teil der geeinten Nation , gewissermaßen als Partei
innerhalb des Staatsganzen und Gruppierungen nach ganz neuen,
religiös-politischen Gesichtspunkten durchkreuzten die alten Stamm¬
zirkel. Und die Dichter waren die berufenen Herolde dieser Gruppen.
Unter diesen Verbältnissen änderte sich das Wesen der Poesie : die
alte Form blieb beibehalten, aber der Gedankengehalt wurde ein
anderer-, vielgestaltiger aber nicht mehr Ausdruck wahren Empfindens,
sondern geistige Arbeit im Dienste der Parteien. Die Volksmasse
brachte den versifizierten Parteien reges Verständnis entgegen. Fahr
und Higä' gingen durch aller Mund, der Wirkungskreis und damit
der Einfluß der Dichter nahmen gewaltig zu. Die Dichtungen
dieser Zeit gewannen einige Ähnlichkeit mit der Parteipresse der
Gegenwart, sie sind einerseits Produkte des Zeitgeistes und machen
andrerseits selbst wieder Stimmung unter der Masse ; die jeweils
herrschende Partei findet die meisten Vertreter, aber auch den
Minoritäten fehlt es nicht an solchen ; denn auch bei ihnen gibt
30*
590 Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten.
es etwas zu verdienen und der Dichter wählt seinen Standpunkt
nach den Rücksichten der Opportunität und Rentabilität.
Das ist ein Wandel, den der Literarhistoriker beklagt, der
Historiker aber begrüßt; denn das Merkmal der Parteiliteratur,
die Einseitigkeit im Lob der eigenen Vorzüge, im Tadel fremder
Fehler fübrt zu einer Gründlichkeit, die wertvolle Einblicke in das
innere Leben eines Volkes gewährt, wenn in späterer Zeit die Er¬
zeugnisse verschiedener Lager ruhig verglichen werden. Wie die
Presse unserer Zeit der Zukunft als historisches Material über¬
liefert wird, so ist uns die Poesie der Umajjadenzeit mit all ihren
Schwächen eine ergiebige geschichtliche Quelle.
Ein Stück solcher Poesie der Geschichtsforschung nutzbar zu
machen ist der Zweck des Vorliegenden. Es sind die Lieder des
berühmten Umajjadendichters al-Farazdak auf das vornehme Ge¬
schlecht der Muhallabiten, deren wechselvolle Geschichte den lang¬
lebigen Dichter wiederholt zwang, seinen Standpunkt zu ändern und
so den gleichen Gegenstand von verschiedenen Seiten zu beleuchten.
Ich versuche im Folgenden den Text^) und die Übersetzung^) nach
Möglichkeit zu sichern und füge an historischen Bemerkungen nur
soviel hinzu, als zum Verständnis und zur Würdigung der einzelnen
Gedichte notwendig ist.
1) Von der Beiziehuiig der Handschriftenfragmente von Oxford (Bodl.
n 306) und London (Brit. Mus. 1066) glaubte ich nach den Mitteilungen, dio mir Mr. A. A. Bevan in liebenswürdigster Weise über sie machte, absehen za dürfen. Mr. Bevan bestätigt meine Vermutung, daß die Oxforder Handschrift vom Codex der Hagia Sophia abhängig erscheine; sie enthält außerdem nur einen kleinen Teil des Diwäns und weist nur ganz geringfügige Varianten auf. — Der Codex des Britischen Museums enthält nicht viel mehr als 500 Verse; der Text ist sehr fehlerhaft und nach Mr. Bevan's Urteil kaum geeignet, zur Heilung von Verderbnissen wesentliches beizutrag.^n.
Um so wünschenswerter wären boi dem Fohlen von Handschriften zahl¬
reiche Sawahid gewesen. Allein auch hier war die Ausbeute überaus dürftig;
ich suchte sie auf in: Lisän al-'arab; Täg al-'arüs; Gauhari; Kitäbu'l-a^;änl ;
Kämil, Maidäni; Jaküt; Bekrl; Hamdäni; Zamahsarl's Mufassal und dem
Kommentar des Ibn Ja'is; Mugni'l-lablb ; GSliiz, Opuscula, Livre des Avares und Livre des Beautes; Ibn Kutaiba's Kitäb as-si'r wa-s-su'arä' und Adab al-kätib;
Ihn al-Anbärl's Kitäbu'l-addäd ; Abü Zaid's Kitäbu 'n-nawSdir; Ta'lab's kitäbu '1-fasIh; Ihn WallSd's Kitäbu 'l-maksür wa'l-mamdüd; Hamäsa; Gamhara; fabari;
Balädori; Dinawari; Fragmenta historicorum arab.; Anonyme Chronik; Ibn al-Atlr. Die wenigen Belegstellen , die sich — meist bei den Historikern — fanden, beweisen, daß die Konstantinopeler HS. trotz ihres bedeutenden Um¬
fanges noch unvollständig ist und gerade in schwierigen Stellen eine leichtere, weil spätere Lesart bietet.
2) Es war mein Bestreben, Farazdak soweit als möglich aus seinem eigenen Dlwän zu erklären; der Wortschatz seines Freundes und Zeitgenossen al-Alital, den ich zum Vergleiche heranzog, reicht an denjenigen F.'s nicht an¬
nähernd heran und leistet deshalb für schwierige Stellen wenig Dienste. Die Parallelen aus der vorislamischen Poesie entnehme ich den umfangreichen Samm¬
lungen des Herrn Professors Hommel, dem ich auch an dieser Stelle für di Überlassung seines Materials geziemend danken möchte.
Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten. 591
A.
Al-Muhallab ibn ab! Sufra.
Das Hans des Abü Sufra oder , wie er eigentlich hieß , des
Zälim b. Sarräk ') war eines der angesehensten südarabischen Häuser
von Basra; das beweist sowohl seine Zugehörigkeit zu dem vor¬
nehmsten Geschlechte der Banü Azd , den 'Atik , als insbesondere
die Tatsache , daß al-Muhallab b. abi §ufra schon in den ersten
Jahren der Regierung Mu'äwija's Gelegenheit erhielt, sein Feldherrn¬
talent zu erproben.-) Trotz dieses Ansehens der Familie, das durch
die Erfolge al-Muhallab's in Indien und Samarkand*) noch gesteigert
wurde, taucht ihr Name in der arabischen Poesie erst um einige
Jahrzehnte später auf, zur Zeit der großen Wirren im Osten des
Reicbes, der Kämpfe zwischen Azd und Tamim, den Orthodoxen,
Si'iten und IJärigiten. Von da ab begegnet uns al-Muhallab's Name
in den Liedern aller Lager'*) und mehr als irgendwo bei Farazdak,
1) Dies war sein Name seit seinem Übertritt zum Islam. Über seinen und seiner Vorfahren frühere Namen gehen die Nachrichten auseinander, doch geht aus allen hervor, daß es persische Namen waren. Nach Aj^. XIXI, 64
hätte Abü Sufra früher fjtXjJ^, sein Vater t!i3i^.yo (nachmals sein
Großvater geheißen. Allein schon die Angabe, daß auch Abü Sufra's
Vater noch ,sich arabisiert" habe ist wenig glaubwürdig und ündet auch sonst nirgends liestätigung; viel wahrscheinlicher ist, was Frngm. hist. arah. p. 49
^ O - 3 ) <j .
gesagt wird, daß Abü Sufra selbst früher ^^yLuo (oder > Anm. de
Goeje's) geheißen habe, woraus nach Jakut II 387 s^L^ wurde. Vgl. hierzu Goldziher, Muh. Stud. I 133 Anm. 2. — Die Provenienz aus Persien war au der unter persischem Einfluß stehenden Küste von Bahrain kein Makel; erst als durch den Islam das arabische Nationalbewußtsein entstand , hielt man es auch an der Ostküste für nötig, arabische Namen anzunehmen (0^*J, A|>.
XIII, 64). Daß die Vorfahren al-Muhallab's dem vornehmsten Geschlecht der 'Atik (s. Wellhausen, Das arab. Reich und sein Sturz, p. 252, Anm. 1) ein¬
gereiht wurden, spricht ebenso deutlich für ihr altes Ansehen, wio die Rolle, die sie im Aufstande von Dabä spielten (b. Kutaiba, Ma'ärif, 203).
2) Er kam bereits im Jahre 44 d. H. als Unterfeldherr al-Hakam b.
*Amr's nach Horäsän (Ibn Wädili II 264), unternahm von hier aus den erfolg¬
reichen Zug Uber Kabul nach Multän (Baläil. 396; Ibn al-Atir III 372) und unterstützte alsdann al-Hakam auf seinem Zuge ins Gebirge Asall (I'ab. II 109;
Ibn al-Atlr III 380).
3) Hier kämpfte er von 52 d. H. ab unter Sa'ld b. 'Utmän (Tab. II 178) und verlor dabei ein Auge (Baläd. 411). Seit 61 stand er unter Salm b. Zijäd in Buhära (Ibn Wädih II 300) und dem nördlichen Transo.\anien (|»^jL>. jj^j L/Sj Tab. II 394).
4) Von den großen Dichtern des 'Iräk war Farazdak der einzige, der sich je mit Muhallab befaßte. Garir fiel erst über die Muhallabiten her, als JazTd b. 'Abd al-Malik sie verfolgte (Diw. Gar. I p. 106) und vernichtet hatte (Kämil
4 5
592 Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten.
der um diese Zeit gleichfalls erst anfängt, die politischen Ereignisse mit seinen Versen zu begleiten.^)
Wir haben von Farazdak zwei Lieder auf al-Muballab selbst
(Diw. 73 und Diw. 15) und zwei auf seine Frau IJaira bint Damra
(Diw. 14 und 516) — lauter Satiren. Da des Dichters Stellung
zu al-Muhallab jederzeit gleich war und in den Satiren jede An¬
spielung auf seine strategischen Taten fehlt, so hält es schwer, die
Entstehungszeit der einzelnen Gedichte zu fixieren. Von der einen
Satire auf al-Muhallab, Diw. 15, wissen wir allerdings, daß sie
unter der Statthalterschaft Bisr b. Marwän's in Küfa (72—73) und
von der einen auf Haira (Diw. 516), daß-sie nach einem Siege
Muhallab's bei Ahwäz (66 oder 75?) entstand, von der anderen
Satire auf Haira (Diw. 14) können wir mit großer Wahrscheinlich¬
keit annehraen, daß sie bald auf die erste folgte ; am schwierigsten
ist die zeitliche Bestimmung von Diw. 73.
Die Satire enthält, gleich Diw. 15, nichts als Angriffe auf die
Abstammung al-Muhallab's von den 'Umän-Azditen und Schmähungen
der letzteren. Sie unterscheidet sich jedoch von der unter Bisr
entstandenen (Diw. 15) durch ihren viel leidenschaftlicheren Ton.
Aus diesem Grunde glaube ich — ohne die Gewichtigkeit des
Argumentes überschätzen zu wollen — ihre Entstehung früher an¬
setzen zu dürfen , näher an der Zeit , wo der Haß zwischen Azd
und Tamim ara heißesten entbrannt war.
Es ist dies das Jahr nach dem Tode des Chalifen Jazid I.
Auf die Kunde von dem unerwarteten Tode des Herrschers ent¬
brannten in Horäsän und Ba.sra gleichzeitig jene Kämpfe zwischen
Süd- und jS'ordarabern , die in Basra zur Flucht 'Ubaidallah b.
Zijäd's, zur Ermordung des Azditenführers Mas'üd b. 'Amr, zura
Zusamraenstoß der Parteien auf dem Mirbad.-) zur Anerkennung
510, 12 = Diw. II p. 14). Dagegen standen al-Muhallab an minder bedeutenden Dichtern sehr nahe: Muj;Tra b. HabnS' al-Haiizali (Käm. 702; A;i. XI 1C3 — IGS;
XII Cl; XIII 42;, Ka'b b. Ma'dän al-'AskarT (Käm. 199, UG6 , G04; Tab.
II 1009, 1045; Anon. Chron. 317; A;>. Xl'lGi; XIU 57, 58, GO, G2, C3, 95)
und Zijäd b. Sulaimän al-A'gam (A^; XI 1G5, XIII 159, XIV 102, 107,
XV 15, 20, XVII 162, XVIII 13, 21, 28, 29: DTnawerl ed. Guirgass p. 282), dessen berühmte Elegie auf al-Muhallab uns handschriftlich erhalten ist (Berl.
75195). Da nl-Muhallab erst 82 d. II. starb, kann al-A'gam nicht schon um 70 gestorben sein, wie Hrockelmann, Gesch. d. arab. Lit. 1 GO nnzunehmen scheint.
— Keben zahlreichen Versen unbekannter Azditen, Tamimiten und Härigiten finden wir noch zitiert 'Abdallah b. az-Zubair al-Asadl (Käm. 217, GGG; Anon.
Chron. 272j: b. Kais ar-HuKajiät (I)iw. ed. Rhodokanakis LXVI = Käm. 633 H. Dnv. A. XV = KSm. 5'i3; Anon. Chron. 105, Ibn al-Atir IV 163;, Nahär 1]. Tiuisi'a fTiib. II 1251: Ibn al-Atir IV 382), Abü Harmala al-'Abdl (Käm.
GG2;, der MinUarite Mugähid (Anon. Chron. 105), Ibn 'Aräda, Dinaweri ed.
Guirgass p. 280, etc. Vgl. auch al-Kutäml Diw. VII, 4.
1) S. mein „Leben des Farazdak** pag. 21 IT.
2) Wellhausen, Das ar.ibische Keich und sein Sturz, p. 259. (Ich zitiere lortan dies Werk unter dem Sigl Arab. Heich, und im Gegensatz dazu WeU¬
hausen, Die religiös-politischen Oppositionsparteien im alten Isläm: Opp.-Part.)
* 5
HeU, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten. 593
des Kui'aisiten Babba als Emir fübrten — während in fjoräsän
Salm b. Zijäd sich vergeblich als Emir Anerkennung zu verschaffen
suchte und schließlich weichen und al-Muhallab b. ab! Sufra seine
Vertretung übertragen mußte.*) Auch al-Muhallab hatte nicht genug
Azditen hinter sich , um sich in Merw behaupten zu können. Er
mußte Merw verlassen und begab sich in seine Heimat Basra.-)
Er fand seine Vaterstadt erschöpft von den inneren Kämpfen, aber
äußerlich geeint durch eine gemeinsame Gefahr, — die Azrakiten.
Diese hatten in der Provinz Ahwäz so furchtbar gehaust,-') daß
Basra, gegen das sie sich nunmehr wandten, über sein drohendes
Geschick nicht im Zweifel sein konnte. So ist es nicht zu ver¬
wundern, daß Azditen und Tamimiten, eben noch die erbittertsten
Feinde, geraeinsam zur Abwehr ausrückten, um in anderbalbjährigen,
schweren und verlustreichen Kämpfen den Feind wenigstens von den
Mauern der Stadt abzuhalten.'')
Umstritten ist die Frage nach dem Verhalten der basrischen
Tamimiten zu den Härigiten während des Jahres 64. Während
Brünnow ein Zusammengehen der Tamimiten mit den Härigiten
annimmt,-'') erklärt AVellhausen ''): „dadurch wird ein ganz falsches
Licht auf die Stellung der Basrier zu den Hawärig hervorgerufen;
sie waren ihnen von Herzen feind und auch die Tamim machten
davon trotz Brünnow keine Ausnahrae' und an anderer Stelle"):
„die Härigiten waren für alle basrischen Stämme und auch für die
Tamimiten der gemeinsame Feind ..." Al-Farazdak's Satiren stellen
die Annahme Wellhausen's etwas in Frage. Wenn die Azrakiten, so¬
weit sie überhaupt Araber waren, im wesentlichen Tamimiten waren, ^)
und wenn ein taralniitischer Dichter, der nie gegen den Strom
schwimmt,") die Azditen gerade in der Person des großen Härigiten-
bekämpfers al-Muhallab verhöhnt, so deutet das doch auf Sympathien
der Tamiraiten für die Härigiten. Daß Farazdak solche hegte, geht
zur Evidenz aus den Spottversen hervor, die er unter der schwachen
Statthalterschaft Hamza b. az-Zubair's dem von den Negditen be¬
siegten Feldherrn der Regierung, 'Abdalläh b. 'Umair al-LaitI an
den Kopf wirft.'") Wenn es also auch sicher ist, daß die Taralmiten
1) Tab. II 489; Wellhausen, Arab. Reich 259.
2) i'ab. und Wellh. ibid. 'i) Käm. 61G, 3 ff.
4) S. hierüber bes. Wellhausen, Opp.-Part. p. 32, 33.
5) R. K. Brünnonr, die Charidschiten, p. 38.
ü) Opp.-Part. p. 28.
7) Arab. Keich p. 255. 8) Opp.-Part. p. 32.
9) Erst in hohem Alter , unter Jazid II. und Hisäm , lielS Farazdak die Rücksicht auf seinen Vorteil fallen und ertrug dafür große Unaunehinlichkeiten.
Vgl, Leben des Farazdak, p. 32 tt".
10) ÜIw. 500*; Anon. Chron. 134. Wellhausen deutet die Verse allerdings anders und meint (Opp.-Part. 30): „Farazdak stellte in vorwurfsvollen Versen die Flüchtigen an den Pranger". Ich kann aber in den Versen nicht bloße Vorwürfe — die ein gewisses Wohlwollen für die Partei dor Getadelten invol¬
vieren würden — erblicken, am wenigsten in dor Lesart der Anon. Chronik,
594 Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten.
in der Folge an den Kämpfen gegen die Härigiten teilnahmen, so
bleibt es doch zweifelhaft, ob sie das mit gleichem Ernste taten
wie die Azditen. Die Tatsache, daß 10000 Basrer unter größten¬
teils tamimitischer Führung anderhalbjahre mit 600—800 Härigiten
nicht fertig werden, daß den tapfern Härita b. Bedr seine Tami¬
miten verließen, sobald sie das unter al-Kubä' wagen durften,-)
beweist, daß die Tamimiten den Ernst der Situation erst spät er¬
faßten. Selbst als die Not sie zwang, sich dem Azditen al-Muhallab
unterzuordnen, wurde es nicht viel besser; als der Gefährte Muhallab's,
'Abdarrahmän b. Iskäf, von einem feindlichen Trupp überfallen
wurde, da ließen die Tamimitenführer HariS b. Hiläl und 'Atija
al-Anbäri ihn ohne Unterstützung, weil er ein Freigelassener (Klient
der B. Azd) war.*) Nach dem für Muhallab ungünstigen Überfall
seines Lagers bei Suläf ergriff ein tamimitischer Dichter bald die
Gelegenheit, al-Muhallab darob zu schmähen*) und unmittelbar vor
dem letzten, entscheidenden Vorstoß in der Schlacht von Sillabrä
hielt al-Muhallab es für nötig ,die Tamimiten zum Gehorsam zu
ermahnen".^) Die Tamimiten wollten es eben mit den Azrakiten
nicht verderben , so lange es wahrscheinlich blieb , daß sie doch
noch die Herren von Basra würden und das war der Fall bis zum
Siege Muhallab's bei Sillabrä. Vorher war al-Muhallab selbst nicht
besonders siegesgewiß; als al-Kubä' ihm das Kommando mit den
Worten anvertraute: . alle Leute in deiner Stadt blicken auf
dicb, hoffend, es werde Gott durch dich diese Trübsal entfernen",
da antwortete Muhallab selbst: ,Ich glaube zwar, daß ich eurer
Erwartung nicht entsprechen werde".'') Und bis zum Sawwäl 66
schwankte die Entscheidung, ja selbst bei SUlabrä entfloh ein Teil
des basrischen Heeres') und nur den verzweifelten Bemühungen
des Feldberrn und seines Sohnes Mugira mit ihren Azditen gelang
es, den Tag zu retten.') Nun war al-Muhallab mit einem Male
die Wellhausen vorlag und die, wie merkwürdigerweise vielfach die Farazdak- Zitate, ursprünglicher und vollständiger erscheint als der Text des Diwäns.
Da die Verse für die Beurteilung der Stellung F.'s und damit der Tamimiten von Basra zn den Härigiten maßgebend sind, seien sie hier angeführt:
Anon. Chron. 134: ,Nie floh von einem Heere ein FUrst mit einer Fahne und wird fUr alle Zeit anders genannt als ein Verräter.**
,Du suchtest sie (sc. die Negditen) auf, bis du sie fandst; du über¬
ließest ibnen die Zelte — mit Ausschluß der Frauen,"
,Und du gabst, was die Gattin ihrem Gatten gibt (sc. den Beischlaf), und warst (wie) die Trappe (sc. welche auf das Wurfnetz mistet), als du die Blitzenden (Schwerter) sahst."
Ich wüßte nicht, wodurch sich diese Verse von den schärfsten Satiren F.'s uuterschieden.
1) Anon. Chron. 66; Opp.-Part. 33.
2) Käm. 626, 1; Anon. Chron. 101; Opp.-Part. 33.
3) Käm. 631, 1:
4) Käm. 632, 1; Anon. Chron. 106. h) Käm. 637, 9.
6) Käm. 627,4; Anon. Chron. 106; BrUnnow, Charidsch. 72.
7) Käm. 636, 10. 11; 'J'ab. 587, 5 ff.; Opp.-Part. 34.
Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten. 595
der Held und Retter von Basra *) und der Spott über die Azditen
mußte jetzt jedenfalls eine "Weile ruben. Wir baben uns demnacb
die Zeit von der Ankunft Muhallab's aus IJoräsän bis zum Siege
bei Sillabrä als Hintergrund zur ersten Satire Farazdak's zu denken.
I.
Diw. 73 = Boucher pag. aO und 227.
^ .. O S.O .. oE- * - ^ Cj - &E.0 * tj , *
J-^s lt-^^ er! LT^' ij^^i fyh er? '^J^' '^'^i '
1. Wir haben die Azditen befunden als Zwiebel und Knoblauch,
und als die niedrigsten der Menschen, (zusammengesetzt) aus Schmutz
und Schande.
^ Cl
Der viermalige Gebrauch des partitiven ^ mit indeter¬
miniertem Substant. innerhalb der 3 ersten Verse ist wohl
metrischen Nöten zuzuschreiben. Das tert. comparat. ist der üble
Geruch. Die Azditen von Basra waren teils aus dem Serät-
Gebirge, teils aus 'Umän eingewandert ; erst die letzteren machten
infolge ihrer numerischen Stärke den Tämim den Vorrang streitig
(Wellhausen, Arab. Reich p. 248 f.) und deshalb beschäftigt sich
Farazdak in seinen Satiren nur mit den 'Umän-Azditen, wie
auch hier schon der nächste Vers zeigt.
^li; .üT j6 ^f^Q.^ f
2. Seeleute, in deren Bärte sich ergießt der Gischt des Wassers,
Holzspähne und Teer.
Zit. Jak. II 387. — Das sehr seltene i^^f^ findet sich
noch Diw. 185, 20; 224, 41; 635, 3. — ^ eigtl. das .Ab¬
gestoßene' ist gewöhnlich der Wasserstaub, der z. B. aus einem
Kessel entströmt (^lXäJ! ^_^) oderaus der Regenwolke {jal^ ^^^^^'i
aber auch Erdstaub und Spreu unter Bäumen, die der Wind
aufwirbelt (g-JjSl ^äj L. A. XX 211), und deshalb ist es wohl
möglicb , daß ^'Jij »„.uxi- noch auf ^aj zu beziehen ist ; in
dem gleichfalls gegen Azditen (Banü Mäzin) gerichteten Spottvers Diw. 336, ' 1 scheint F. ebenfalls von einem anderen / ^-ai als dem
1) Nicht nur al-Kuba', sondern auch die Bewohnerschaft Basra's sandte ihm ein Gliicicwunschschreiben (Käm. 640, 10 ff.).
596 Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten.
des Wassers zu sprechen, indem er sagt: (_jälJt jij-f^'
»jjJ^ (j^^^*^ (H^^ »Scheckig am Rücken vom Gischt (?) als
wären sie Abtritt-Käfer". Vielleicht ist auch hier an Teer zu
denken, denn das Wasser macht nicht scheckig.
jl^ jf\ ji^J! ij^j^. lij^ya ö! ^Lai» r
3. Ihre Hoden gleichen, da sie sie mit Palmblättern verdeckt haben,
großen Leistenbrüchen.
heißt nach den Lexikographen nur »vorangehen' und
zwar von der Kamelin. ^ dagegen »das Euter mit dem §irär
zubinden'. Über das Sirär, das Band mit dem man das Euter
der Kamelin zuband, damit das Füllen nicht zu oft Milch sog,
vgl. Jacob, Altarabisches Beduinenleben p. 65. Der Dichter wollte
an unserer Stelle das Zubinden der Euter mit dem Sirär und
das Verdecken der männlichen Scham mit Palmblättern in Ver¬
gleich bringen und gebrauchte unter dem Druck des Metrums für
^ den II. Stamm mit der denominativen (vgl. Wright, I 32 A)
Bedeutung »mit (lj) dem Sirär versehen".
,.«-,..0 wO-.^.- 3 y ^3 '
jLaüJl yiiJ! U^AJ (_5-*^ Ij^'-^r^
4. Wenn sie die Schiffe rudern, (sehen ihre Hoden aus wie) Hoden
von Ziegenböcken, desjenigen von al-Habl, mit den kurzen Haaren.
Der Vers ist mit dem vorhergehenden zu verbinden und zu
. , 3,3 iE,
konstruieren: ;;J! (j\.a>*J! \y,0^:>- Ül ein derartiges,
O 5: -
von den vorislamischen Dichtern als unkünstlerisch vermiedenes
o ,
yv.4./.iij ist bei F. nicht selten; vgl. z. B. noch V. 9-10-11;
ferner 217, 9-10; 11-12-13; 465, 10-11; 48-49; 471, 5-6;
480*, 4-5 etc. — Zu ^LJÜ finde ich keine andere Erklärung
L?, • °
& - - c, . .
als L. A. XIII 149: byaJL Jy-i*- ; P- scheint also den
Vergleich mit Ziegenböcken nur noch mehr spezialisiert zu haben ;
daß er unter J^aÜ- einen Ziegenbock verstand, geht aus yt^
hervor, denn yui:, wird speziell von Ziegenhaaren gebraucht
(Hommel, Säugetiernamen 233 A. 2). Der Dichter will also sagen:
Wenn die Azditen Schiffe rudern, so gleichen sie mit ihren großen
« 5 *
-Ji.
HeU, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten. 597
Hoden den Ziegenböcken des Stadtviertels (?) al-Habl .... Der
Vergleich wird erst verständlich, wenn man sich vergegen¬
wärtigt, daß man stehend und fast nackt ruderte (vgl. unten
Diw. 90, 36!).
-■*.o,-E O X,JG &
jLjjj! Ji\ iuLJj i^Ji ^ >_,JLj.*ii i^l-i', ö
5. Und wie manchen Verwandten hat al-Muhallab, an dessen Brust
man die Spur des Schiffstaues sieht.
. C.E
Zit. Jak. n 387. — ^Lj (und ^l^j, pl. äj.^) ist ein Riemen
über der Brust des Kameles, der das Zurückrutschen des Sattels
oder Sattelgurts verhindert; in diesem Sinne bei F. Diw. 13, 18
(zit. L. A. V 428). An unserer Stelle und Diw. 635, 1 (s. unten
S. 615) spricht F. von einem jLjj, das die Azditen um die Brust
trugen ; nach der Glosse zu 635, 1 meint er damit das Schiffstau
o
(,j*JläJ!), das man vielleicht ähnlich um die Brust zu winden
pflegte, wie es noch heute die Plösser tun.
-3 -O , w 3 3^ O I- 0.>-0.
^LiX! (j-^tLj s'"'*^' -^^ '"^" *^
€. In IJärak lenkte er kein Boß , sondern er lenkt die Platane
mit den geflochtenen Seilen.
0 J ,
Zit. Jak. II 387. — Subj. zu AiLi ist w^a*>o im vorher¬
gehenden Verse. Härak wäre nach Bekrl 311 Js^L» 3 ^^y^
(jivjLs , nach dem Kommentar unseres Diwäns aber ein Ort an
der Küste von 'Umän (Boucher 227 A. 1). Der Sinn ist klar:
Das Pferd der 'Umän-Azditen ist ihr Schiff aus Platanenholz,
das sie mit den Segeltauen lenken, wie man Pferde mit den
Zügeln lenkt. Vgl. Boucher 227 A. 2.
^UijT ^^is^\ ^ J>^L'T ^J>^'^ "^'^ ^ic (jvikLiU.jT V
7. Einer von denen, die über ihren Bärten Gürtel tragen, (ist) der
nächtliche Führer auf den weiten Meeresfluten.
Der Vers dürfte unmittelbar binter V. 5 gehören, dann er¬
gäbe sich die Gedankenfolge : V. 5 Wie manchen Verwandten hat
Muhallab . ., V. 6 einen von den den Bart verhüllenden, nächt¬
lichen Führern, V. 7 der in Härak nicht Rosse sondern Schiffe
lenkt V. 8 und vom Mäste aus die Winde beobachtet; also V. 5
und 6 Schilderung der Ei-scbeinung , 7 und 8 der Tätigkeit. —
Der Leibgurt (öLki), ein ursprünglich pei-sisches Kleidungsstück
598 Hell, Al-Faraxdak's Lieder auf die Muhallabiten.
(»Kemer"; Jacob, Beduinenleben 237) war, wie überhaupt persische
Sitte nnd Religion (vgl. unten V. 15) von den 'Umän-Azditen
übemommen worden (Diw. 90, 36). Zu unserer Stelle bemerkt
der Scholiast (nach Boucher 228 A. 1) ,wie die Feueranbeter'
und Boucher denkt deshalb mit Recht an das padom, den Schleier,
mit dem die Perser den unteren Teil des Gesichtes verhüllten,
, o ,
vgl. 'Alk. 13, 41 »mit dem Fadäm bedeckt", s. a. Gold¬
ziher, Muh. Stud. I 102 Anm. 3. Die Bärte der Azditen geben
F. viel Stoff zur Nörgelei, es sind Nabatäerbärte (Diw. 15, 7),
gelbgef^rbte (Diw. 159, 2), schmutzige (oben V. 2), lange, die im
Winde flattern (Diw. 15, 5). — ,3^^' Nebenform von J-J^
(L. A. XIII 264), ist von Boucher arg verkannt, statt des nicht
zu belegenden bei Boucher lese ich g^^; ^Ui., pl. von
»(reichliche) Wasserflut' wird vielfach appositionell gebraucht
O - o - o -
(öJ! j*^ i^Lxi, ^♦c L.A. VI 333) und bezeichnet die Weite,
.Svii die Tiefe des Meeres, fe/ ■
i >&,£... i
jlytaJÜT Käaä*»J! JjSo ^^gJLc jO;j! Lo» ^I-J^Lj A
8. Er verkündet die Winde und was sie bringen, auf dem Mast
des Scbifi'es gleich dem Sirär.
ist sowohl der Mast, als auch die Segelstange (Diw.
155,13 das Kreuz). Der Vergleich des auf dem Mäste auslugenden
Schiffers mit dem Sirär (s. oben S. 596 V. 3) ist schwer verständlich.
Boucber entzieht sicb der Schwierigkeit, indem er übersetzt »dans
une corbeille attachee ä une vergue du navire', aber ich finde
weder Anhaltspunkte dafür, daß man daraals schon Mastkörbe
gehabt habe , noch dafür , daß das Sirär mit einem Mastkorbe
Ähnlichkeit hatte ; nach Burkhardt (bei Jacob, Beduinenleben 66)
existieren bei den 'Aneze allerdings Beutel aus Kamelhaaren
(samle), die den Dienst des alten Sirär versehen ; aber es ist sehr
unwahrscheinlich, daß F. diese Form des Sirär schon gekannt,
und wenn auch , so vergleicht er nicht die Mastkörbe , sondern
die Schiffer mit dem §irär! Ich vermute daher das tert. comp,
darin, daß der Matrose den Mast mit Händen und Beinen um¬
klammerte, wie das §irär das Euter umschlingt.
' > S J oE Cm, )0, J i , J .0 i ) o
j\Jl>3 ^! ijOj\ ^LiJ! xAc 'ci^^/to vi>.A». wJL^! ji^ 1
9. Ünd wenn al-Muhallab wieder dabin gebracht würde, wo über
ihn die Heimat des Abü §ufra die Gafbäume zusammenschließt.
Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten. 599
Zit. Jak. II 387. — oLiJ! (sg. iüLc) ist ein akazienartiger
Baum (Abü Zaid in L. A. XI 179) mit sebr süßer Frucht, der
auf dem sandigen Boden von 'ümän so reichlich gedieh, daß die
Dichter das Gebiet selbst bisweilen schlechthin oLc nannten
(Bekri 529 s. v. ^^y>).
^Li^! »Ii |.yjf i^Aij ^^Jilf ^^4=* i*^ t^^'
10. Zu Umm-al-Muhallab, wo sie seinem Munde die (Mutter-)Brust
des Lasters und der Niedrigkeit reichte,
,M.O, , ti ~ i. 3 iE , M, ,
^LtXJt^ ^ Q.*' f»A*Li!' «wJ jjlj » (^ji^i-i- »j! üVi-' "
11. Dann käme es klar zu Tage, daß er ein Nabatäer des Meeres
ist und daß er die niedrig(st)e der Wohnstätten (zur HeimatJ hat.
Die Nabatäer, d. h. die Reste der aramäischen Bevölkerung
in Syrien und Mesopotamien waren während der beiden ersten
Jahrhunderte des Isläm unter den Arabern so verachtet, daß
man ihren Namen spottweise auf jene Araber anwandte, die sich
niedergelassen hatten, Ackerbau und Gewerbe trieben, die Stammes¬
zugehörigkeit wenig achteten, kurz die Eigenschaften des echten
Beduinen nicht besaßen. Vgl. hierüber vor allem Goldziher, Muh.
Stud. I p. 99 Z. 3 ff. 156 A. 2; bei F. ist „Nabatäer« durchweg
Schimpfname, mit dem am häufigsten die Banü Tai' belegt werden
(Diw. 289, 8; 351, 1, 3, 4; 365, 13, 14, 23; 380, 4); die Banü
Azd sind „Nabatäer des 'Irak" (Diw. 342, 3), der Dichter Tirrimäh
„ein Nabatäer von den Bewohnern des Haurän' (Diw. 563, 8),
das Geräusch der Katä -Vögel gleicht dem Kauderwelsch der
Nabatäer und Griechen (Diw. 482, 9). Von Schiffen der Nabatäer
spricht schon Näbiga, 19, 19 (Ji-aäH ^jAilyi). Boucher's Be¬
merkung zu unserer Stelle (p. 68 Anm. 2) scheint mir in jeder
Richtung unzutreffend.
^\yX\ 'iS-^U Ij i^iA i4j iij tf
12. Länder, in denen kein junger Mann zwei Vorfahren von sich
aufzählen kann, wo sich die Mädchen hofieren lassen.
i , , i ,, . . i,.E
Statt Jou lese ich Juu, damit ist der Akkus. Q.Jj-?t ge-
L , y
rechtfertigt und auch ein guter Sinn gewonnen; das Passiv J>jij
übersetzt Boucber „es fände sich', aber diese Bedeutung hat
j^ bei F. nirgends, es heißt überall „es wird aufgezählt". —
600 Hell, AUFarazdak's Lieder auf die Muhallabiten,
- o j ^ - - «jE
äJ^w ist an unserer Stelle soviel wie jy«Jt (_>i5jt (nach Wright
Gramm. I 148 B b) .Land, wo man den Frauen schön tut".
Der Sinn des ganzen Verses: Die Sitten sind locker, die Mädchen
leicht zugänglich und darum die Abstammung der Männer un¬
bekannt.
-K'O - - o o- o-- oijE s - - OJ- 0-- -o.--
j!^L>J! ^! «.AÄJ J..^. ^(jj! L-jS uXüj uily'^ It"
13. Wie auch (sollte es anders sein), da euer Vater nie ein Pferd
gelenkt und nie seine Söhne zum Dawär gebracht hat.
Das jWo ist ein Gegenstand des heidnischen Kultus, ein Stein
(Wellhausen, Reste ^ 110), Götzenbild (Hamäsa p. 209, V. 2) oder
Opfei-tier (Käm. 91,9 und Ham. 1. c), das man in Prozession zu um¬
kreisen pflegte; so spricht Imrulkais von ^(.^ t5;!jv^ (Mu'all. 63)
und 'Antara vergleicht (Diw. 10, 2) das Herumgehen um die
Leiche eines erschlagenen Stammgenossen mit dem Umkreisen des
^tjO. An all den angeführten Stellen könnte ^tjO auch die fest¬
liche Handlung des Herumgebens selbst sein, und das wird sowohl
durch die Nominalform (anal, oi^i^) als durch einen Vers des
'Ämir b. Tufail, den der Scholiast der Nakä'id (fol. 241 b) zitiert,
sehr wahrscheinlich gemacht. Siehe hierüber R. Smith, Religion
of the Semites p. 221 Anm. 3.
,^ ) J - , , Cj . b - J - 3^ O >0' O-,
\ O^'-^^' ^ yi!*^ LXSiLij OjÄj J^Ajij If
14. Und nie hat er Jagüt angebetet und nie zu dem sich bekannt,
woran Himjar und Nizär glauben.
Über Ja^t, den Götzen der südarabischen Stämme Azd und
Madhig, um welchen im Jahre 623 n. Chr. ein heftiger Kampf
zwischen den Banü An'um und al-Härit einerseits und den Banü
Muräd andererseits bei Razm entbrannte, siehe WeUhausen, Beste ^
p. 19—21. Über Himjar und Nizär als Repräsentanten der süd-
und nordarabischen Stämme vgl. Goldziher, Muh. Stud. I 98 A. 1.
^ > 3 ü ^ O I, , 0 3 30i 3 3 O , w
JjCi ^^^lXjsWj c5/^ "^j^ iXswj *Jl! Lcj Io
15. Und nicht beten die Azd von Busrä Allah an, sondem sie
beten jedes Feuer an.
Über die Einwanderung der Azditen in Busra s. C. de Pereeval, Essai sur l'histoire des Arabes avant l'islamisme, II 203.
HeU, Al-Farazdalx 's Lieder auf die Muhallabiten. 601
II.
Diw. 15; Boucher pag. V. und 67.
Das Ansehen al-Muhallab's, das infolge seiner Siege und seiner
Gunst bei Mus'ab, dem fast unabhängigen Statthalter 'Abdalläh b.
az-Zubair's, hoch gestiegen war, ward durch den Untergang Mus'ab's
bei Maskin und den Übergang des 'Iräk in die Herrschaft der
Umajjaden erschüttert und die sofortige Unterwerfung unter 'Abd
al-Malik, die ihn in den Augen der IJärigiten so sehr herabsetzte,
brachte ihm zunächst auch nicht den Lohn, den er erhofft haben
mochte, die volle Gunst der Umajjaden. 'Abd al-Malik setzte nach
dem 'Irak Sprossen seines eigenen Hauses und diese gingen darauf
aus , al-Muhallab zu verdrängen und sich selbst die Lorbeeren zu
holen. Der erste dieser umajjadischen Statthalter, Hälid b. 'Abdalläh
hatte allerdings im Kampfe mit den Härigiten so wenig Glück, daß
der Chalife selbst wieder al-Muhallab vorschicken mußte;') er tat
es direkt, ohne den unentbehrlichen General dem eifersüchtigen
Statthalter zu unterstellen.^) Das kränkte den Nachfolger Hälid's,
Bisr b. Marwän aber noch mehr und während er offiziell die Ver¬
fügung des Chalifen anerkannte und al-Muhallab ein kufisches Heer
zur Verfügung stellte, instruierte er den Befehlshaber dieses Heeres,
er solle den Anweisungen al-Muhallab's zuwiderhandeln und dessen
Unternehmungen vereiteln.'') Das Heer al-Muhallab's, mißmutig
und kampfesmüde, wußte von dieser Intrigue des Statthalters nicbts,
denn erst als unerwartet die Kunde von dem frühzeitigen Ableben
des Statthalteis im Lager von Ramhurmuz eintraf, da verließen
die meisten Kufier und auch viele Basrier das Lager
und gingen hei m.*) Die Disziplinlosigkeit der 'Iräkaner dauerte
nun geraume Zeit an , bis der strenge Haggäg erschien und mit
blutiger Strenge Ordnung schuf.
In die Zeit zwischen dem Tode Bi^r b. Marwän's und der An¬
kunft al-Haggäg's fällt die Entstehung unseres Gedichtes ; der erste
Vers verrät, daß Bisr, obwohl ein Gönner Farazdak's und ein Gegner
al-Muhallab's, im Interesse der öffentlichen Ordnung Schmähungen
der Azditen und ihres Hauptes nicht duldete.
1) Kämil C54, Iff.; Ibn Wädil.i 324.
2) Tab. II 855.
3) KSmil CC4.
4) Bisr hatte als seinen Nachfolger in Basra wieder den schon erwähnten Hälid b. 'Abdallah bestimmt; auf die Kunde von dem Ausreißen der Heeres¬
pflichtigen schickte dieser ein Schreiben an die Deserteure, in dem er sie auf¬
forderte, zum Heere zurückzukehren. Trotzdem schlugen die Fahnenflüchtigen den Weg nach Küfa ein und gelangten in die Stadt, obwohl ihnen die Er¬
laubnis hierzu noch in letzter Stunde verweigert worden war. Kämil GG4 ff.;
Tab. II 857.
(302 Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten.
v^^^Jl^T ^5 Jäl^ Ji^ J^l p j^yl.y« yij tösi ^ p 5
1. Wären nicht die Hände des BiSr b. Marwän gewesen, so hätte
ich mich um das Anwachsen des Zornes in der Brust al-Muhallab's
nicht gekümmert.
Statt ^iXj bei Boucher ist Ji3^ zu lesen, wie Diw. 251, 1
^Lki 54' P- Über p statt p s. Wright, Gramm.
II 385 C, Lane 277. ^^.,!v3ö »die beiden Hände« sind bei F.
gewöhnlich das Symbol der Freigebigkeit, etwas seltener
dasjenige der Macht, wie an unserer Stelle. Der Sinn des
Verses ist : Nicht aus Furcht vor dem Zorne al-Muhallab's habe
ich bisher mit meinem Spotte zurückgehalten, sondem wegen des
Verbotes Marwän's.
, mi. C/ ' O ^ Cj. .. 3 , oE .O Cji Cj ,
bSj v_jL*j Us ^^'-^i V!^^' vjiüj ^Ls f
2. Und wenn du vor mir die Türen verschließest und dich ver¬
steckst, (so wisse,) ich habe keine Mutter unter den Gäfbäumen
und keinen Vater.
Jak. III 769; Bekrl 529 s. v. bier lautet der erste
- O J - 3 3 , oE -O - O J & -
Halbvers y,,cs^.3?5 ^^C> v-J^y?^' ^jUiCi es besteht also
Binnenreim d. h. der Vers kursierte auch als Anfang des Ge¬
dichtes. Ich halte aber unsere Lesart für besser und glaube,
daß V. 1 von jeber an die Spitze gebörte (wie aucb das Metrum
zeigt), daß er aber wegen seines losen Zusammenhanges mit dem
in sich abgeschlossenen Gedankenkomplex der Satire vielfach
weggelassen wurde.
Z.. > , , 3 Cj - 3 Cl. .. - - &--0-.o,&ES I,
yr^'' c}-*^ '-^Ir? {j-^A^i ^Jh^^ i^jäJ' J^! i^^i t"
3. Sondern die Bewohner der zwei Städte sind mein Stamm und
sie wohnen nicht in eineni gesenkten Tale von 'Umän.
m .. 3
Jak. III 769, Bekrl 535: 1^1^*3^. — Die -Bewohner der
' . > »
beiden Städte" sind — naeh Korän 43, 30 — die Kuraisiten
von Mekka und die Takifiten von Tä'if, d. h. die Banü Mudar.
Z..3.0 z. - >oE-, . Cj -
^y-^ iOjAali [jj'Lj ^tXiS-k ,«-iA9 ^Ol iC.A ^.ÄJ^LIji f
4. Edle aus Kais und Hindif kommen, wenn ich unter ihnen rufe,
auf den wiederholten Hilferuf.
Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten. 603
Statt ^jIa sonst überall v_j^J:ai: DIw. G4, 14; 211, 4;
277, 9.
- ■* y - o - - - j j -4 -oE-o o£,
^ji!- - - lyij^^ - r^'^ " o
5. Aber als icb die Azditen sah , wie ihre Bärte flattei-ten , um
einen Mazüniten von häßlicher Gestalt (geschart).
^.^*y> ist die alte persische Benennung von 'Umän (Fragm.
w 3
bist. pag. 67 Anm.), demnach der 'Umänite; der Araber
gebrauchte die Bezeichnung nur in verächtlichem Sinne, vgl. den
vielzitierten Vers al-Kumait's (Käm. 56S; 612 u. a. öauh. II 411):
, )- ^ _^-,£o£j-öS- - E.>c;EjoE.o «E,
Lsjili Ua**-' vXj^^ Oj\ Uu.
-o- , [ ü-o- sw£ JJ.* ,cj_*-:i,j
v,^j-^j üxJiXj Q-^i^ ^i>-+.:^ iiÄc! (jÄjIäJ! lXjij »lAlLa 1
6. Mit Zügeln um den Nacken — nachdem sie die Taue gerollt
hatten , da wunderte ich mich und wer solches hört , wird sich
wundern.
iXii gebraucht F. vom Anlegen des Kamelhalsbandes (DTw.
95, 3), des Kranzes um den Hals des Opfertieres (Divv. 196, 3;
204, 5), des Mantels 359, 6 und des Schwertes 256, 13; 413, 3;
465, 41. Wir haben also auch an unserer Stelle »lAiiu
zu verstehen ,mit um den Nacken gelegten Zügeln', wobei
-oE
äjjiw zu L>^^t im vorhergehenden Verse zu beziehen ist und
iOc! von ä^Iiu regiert wird, vgl. Hamasa rfo: xix5> öCiäl.
> J o, J J
Schwer verständlich bleibt y^^lä!! lXju; unter (_wjJii haben wir
wohl sicher die Schiffstaue zu verstehen, die er Diw. 73, 5
und 635, 1 ^Lj und 73, 6 ^J„yt nennt. An letzter Stelle ver¬
gleicht F. auch bereits diese Taue mit Zügeln (s. oben S. 597 V. 6);
- o -
es bleibt nur noch unklar, wie das Jou zu deuten ist, das .ja
sehr weitgehend gebraucht wird (vgl. die Beispiele bei Reckendorf,
Synt. Verb. p. 212). Ich kann mir nur denken, daß die Schiffer
3 > - C -
zu Land die Taue um den Nacken trugen und daß (_w^lftit lXxj
heißt: „nachdem sie die Taue zusammengerollt haben".
Bd. LIX. 40
604 Hellt Äl-Farazdak'' 8 Lieder auf die Muhallabiten.
i , > o- ,>-o- »- Sw-- & j- o- =Jc-ij_
vyj" (*-^ -^ojß ^ '>~k^j^ {^j^ f>-S V
7. Es verdecken Nasen, die nicht arabisch sind, Nabatäerbärte,
ihre Lippen sind nicht arabisch geformt.
Die Bärte der Azditen sind nach Diw. 159, 2 ^a>Li»i „gelb*.
m - J-O - 0 - -c£-0 = 0--i- ,0--
v_A*a:S3il O^lc ^■)^s^^ '•'-^^JS' («-^i bC«~JL/o l^'L |»J, („i*^ a
8. Wie auch? Da sie niemals zu einer heiligen Stelle in Mekka
gekommen sind und nie die Götzensteine bei al - Muhassab an¬
gebetet baben.
_. ■->-< ttl ist der Name einer der drei öamarät (Steinhaufen)
im Tale Minä, um die man bei Gelegenbeit des Hagg einen
Umlauf macht,; indem man sie mit Kieselsteinen bewirft. Der
Brauch stammt natürlicb aus der Heidenzeit (vgl. Imrk. 4, 12),
wo der Kult der Steine das Charakteristikum des arabischen
Kultes war (Wellhausen, Reste^ p. 101 u. III). Von der Ver¬
ehrung der Steinhaufen von Minä in vor islamischer Zeit
spricht natürlich F. an unserer Stelle und darum haben wir
auch die erste Vershälfte auf den vormuhammedanischen Kult in
Mekka zu beziehen.
m , t^O i.O - Oi.O - >-0-- 5-- - -
,_;^A.llIl [jJl^\ l3 ^1 j_^J! Vi^J*' [s>[m3 Li gtO g^JO |Jj 1
9. Und nie bat ein Rufender (unter ihnen) gerufen : 0 Morgen !
so daß sie in den Schrecken (des Kampfes) zogen außer in dem
mit Eisen beschlagenen Schiffe.
li-llö Li war der Ruf der Wachen beim Anrücken der
Feinde, vgl. Hud. 9, 17 r-ü^a üliAc ,am Morgen eines
s - ^
Überfalles, eines gerechten'. ^.^ ist bei F. imnier der Schrecken
Cjw c -
des Kampfes, daher häufig ^,^| , und Diw. 151, 4; 152, 3
g^yi »tjJ:. heiRt „mit einer iUms versehen"; die 'lUxo
ist ein breites Stück Eisen, also eine Eisenplatte, an Türen,
Balken, reparierten Schiffen (Lane 1761; L. A. II 29). An den
Türen dient die xajö als Riegel, daber w>.A/a „verschließen", z. B. Imrk. ^_>^A*ayo JJi. „verschlossene Pforte" und F. Diw. 491,2
' ' -V-
J-i - J
^.^U^!ii xxxAii* "^^^ ^^^^^ Weib mit wohlverschlossenen
Zähnen". F. gebraucht ein Wortspiel und sagt: Die Azditen
HM, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten. 605
rücken zwar auch aus = reiten und fahren), aber
nicht zum Kampf auf feurigen Rossen, sondern in alten aber
sicheren Schiffen (zum Fischen).
, , o- O _ & - - Cl OSeiEo--
(„Jüt* ^y>- ^xJL>- i5 ojyi ioLxi- «u^i viiot^?-. Loj i.
10. Und noch nie hat eine Azditin den Schmerz einer Beschnei¬
dung gefühlt und nie getrunken aus dem Leder eines Melkeimers.
o -
statt v_jjj> bei Boucher lese ich v-J^^, das sich allerdings
auch an keiner anderen Stelle findet. — Die jcIic ist nach
al-Azhari (L. A. II 119) ein Gefäß aus getrockneter Kamelhaut,
das der Beduine als Trink- und Melkgefäß benützt und wegen
seiner Unzerbrechlichkeit und seines leiebten Gewichtes schätzt.
Zu .^hui lXL* «zur 'Ulba geformtes Leder" vgl. al-Kumait's
^_JljiX5 ^iS. L. A. 1. c, wo die Herstellung der 'Ulba genau be¬
schrieben wird.
_ -O- "tT- O~ -a j m, , , .0.0 , ,
,_Üjtit ^wwilt Jji oJlS"! ^» '-^^5 u^A+jW U'='Li^ai\ LfjUi! 'u*. II
11. Und nie brachten ihr die Jäger Eier und Feldfrüchte und nie
aß sie vom Gewinst des (immer wieder in die Rebäba) zurück¬
gebrachten Spielpfeiles.
Zu Uli Lij'Jol vgl. Hud. 2, 12 Lüi- «.Ai^j »er suchte ihm
gepflückte Früchte", g-.*-^ ist gewöhnlich ein Spielpfeil, welcher
nicht gewinnt (Ham. r.«; Tar. 8, 3; 'Urwa 3, 19; Labid 9, 39;
19, 14); bisweilen aber auch einer, der gewinnt (Huber, Meisir-
» - J
spiel S. 14 u. 35). v_.^fi*ll , bei F. nur bier, wird verschieden
gedeutet: Socin übersetzt 'Alqama 13, 34 „mit einer Sehne ge¬
bunden", Huber-Brockelmann Labid 19, 39 „in der Hofinung auf
Gewinn in die Rebäba zurückgesteckt". Ich gebe der letzteren
Auffassung den Vorzug und verstehe „wiederholt in
die Rebäba zurückgebracht" d. h. so oft, bis schließlich doch
ein Gewinn dabei herauskam. Vgl. auch Huber, Meisirspiel
S. 38—40.
joE -t. i ,oE -s . C^- - —- -f- c
^AÄv.! Oji Xiiivo »lXaJ» sLf* l;*c oXf*. ^. Ii*
12. Und nie hat über ihr eine Sklavin einen Himrael aufgerichtet,
das Zelt einer Beduinin auf (hohen) Zeltpflöcken.
40*
606 Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten.
Zu tüJj! a5^J->v vgl. Diw. 19, 16 und Hamäsa Ha. Die
xXLw ist ein großes Zelt aus Ziegenhaaren (öauh.), daher der
Vergleich mit dem Himmelszelte. Sehr selten , aber von allen
o -
Lexikographen genau registriert ist »...^ju. in der Bedeutung „lang und dick", und „Zeltpflock". Sollte 'Alqama's s.\.^.^\ ._jJÜh
„Kamelfüllen des Himmels" (2, 33) dem Dichter vorgeschwebt
und ihn veranlaßt haben, in einem Verse, in dem er vom Himmels-
o ,
zelte spricht, auch ^.>ju- zu gebrauchen ?
joE -o- o-c*- o - - -o- O OJ - >o- 5 - o-_ G'S
v.^A.Jii'! Ojjo f***^ i*^-* '■^^ j-*^**^ 'j^ OlXsj! b!j If"
13. Und nie hat sie ein Feuer angezündet, auf daß ein nächtlicber
Wanderer zu ihr komme und nie hörte ein solcher die Stimme von
Hunden, die ihr gehörten.
Durch Lagerfeuer und Hundegebell verriet man den ver¬
irrten Reisenden die Lage gastlicher Zelte ; die Anspielung hierauf
und der Spott über die Ungastlichen , die das Feuer auslöschen
und den Hund zum Schweigen bringen , damit er keinen Gast
anlocke, finden sich fast in jedem Gedicht F.'s.
-c- -o- o o-- - &-0 s- ' y"^ - - -
v^iX« iUP, viiJLÄÄit bij Lj/oLo! LLaj ^L^i % lf
14. Und nie breitete ein Erntender Kleider vor ihr aus und nie
wanderte sie aus, aus Furcht vor dem Reißen des Baches.
Die Erklärung des ersten Halbvei-ses bietet Diw. 226, 6:
,3 -O* ü- .. -O- ,3,3 «J- .
XS'yfii.'J^, ^ ^ Liii L^l LijLii- o^j 6L_»5U sjjjsuoj
„In einer gelben (Wüste), einem Fundort von Trüffeln, deren
Ertrag die Sammelnden zu ihr heimbringen in dem Kleide
eines solchen, der sie (die Wüste) aufwühlt". — k_oJ»^ ist ein
fließendes Wasser in der Niederung, also ein wenig reißendes
(vgl. 'Alq. 1,19 „Gartenrinne"; 13,12 „Wasserleitung"; Lab. 47, 27
„Wasserniederungen* ; Ham. nc i_5vXij LIüJL« „tauende Triften" etc.).
JUav dagegen ist der wassen'eiche Gießbach oder Strom z. B.
Diw. 9, 40 (Euphrat); 26, 3; 96, 10; 154, 6 etc. Wie im Sprich-
JO-'O - - o-
wort J»^y~Jl ^ i3L«« (Maid. fi*t^) J^a*« als etwas Gefährliches
Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten. 607
o , , ^
erschemt, so verbindet F. absichtlich J^y« und v_oj^>i, um
spöttisch zu sagen : Die Azditin fübrt kein Nomadenleben wie
das Beduinenweib , denn sie ist zu furchtsam und erblickt in
jedem Bächlein einen gefährlichen Strom.
O > ' , 0% ' O , s , I , c n .o , , o£ ' ,
v_J^ itssiu» ^Lä! vJ^j^ !iLs^ L^! u-aä^I lo
" e> ^
15. Und nie ließ der Hirte zu ihr ein Flinkes (Kamel) galoppieren,
mit dem Schlauche einer Milchkamelin oder dem Wasserscbläucbe
eines einsam Lebenden (Hirten).
O - ,03
».^Jaj ist ein Melkeimer, wie die xJlc, vgl. Diw. 182, 14
y ^ ^ o ^ s
ÄJ-Lcj >_^J -^^ '•^^ Wenn in fruchtbaren Zeiten
SS g
die Schläuche vollgefüllt sind (Diw. 405, 34), so daß der
Schaum der geschüttelten Milch herausdringt (Diw. 584, 8), dann
kehrt der Hirte oder die Hirtin vom einsamen Weideplatz eilends
zu den Lieben zurück (476*, 6). J^Lc ist in der alten Poesie
sehr häufig ,die entfernt weidende Herde" und i—yt« der Hirte,
der seine Herde (weit von seiner Familie) wegführt (&auh.).
»j^^Jojm, bei F. nur hier, ist ein mittelgroßer Wasserschlauch,
,m,3 , O _
kleiner als die jCiiiti SJtj^ und größer als das ^jkh (Kämil 564, 3).
m.
An al-Muhallab's Frau IJaira bint Damra.
^aira bint Damra aus der Familie Salamatu'l-ljair des kaisi-
tischen Stammes Kusair (Käm. 251, 12) war, wie es scheint, die
Lieblingsfrau al-Muhallab's. Darauf deutet der Umstand hin , daß
er nach seinem Siege in Ahwäz, als seine Frauen zu ihm kamen,
alle nach Basra zurückschickte, IJaira aber speziell beschenkte
(Diw. 516, Einl.) und daß IJaira später Schmuck und Einrichtungs¬
gegenstände verkaufte , um ihrem Gatten aus einer Geldverlegen¬
heit zu helfen (Tab. II 1034 f.). Auch die Angriffe F.'s gegen sie
lassen vermuten , daß sie unter den Frauen al - Muhallab's eine
besondere Stellung einnahm, denn von den übrigen nimmt F.
keine Notiz.
a) Diw. 14 = Boucher pag. fl und 63.
tiber die Veranlassung des Gedichtes erfahren wir im Kitäb
al-Agäni Glaubwürdigeres als in der Einleitung zu unserem Ge¬
dichte, Bouch. p. 63. Ag. XIX, 28 wird erzählt: Kurz vor al-Muhallab's
!> i
608 HeU, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten.
Zug gegen die Azrakiten bat öarir den Farazdak, sich für ihn bei
al-Muhallab zu verwenden und versprach ihm 1000 Drachmen.
Farazdak tat es und al-Muhallab war ihm zu Willen, aber ein
Verwandter IJ!aira's, öudai', hetzte IJaira gegen Farazdak auf und
sie machte ihrem Gatten Vorwürfe wegen seines Wohlwollens gegen
Farazdak. Muhallab entschuldigte sich damit, daß er ,nur seinen
guten Ruf von ihm erkauft habe'. &udai''s und Haii'a's Handlungs¬
weise wurde dem Dichter bekannt und er rächte sich an &udai'
mit der Satire Diw. 46, an 'Qaira mit der folgenden :
vilL-Ji lXxj LUs_j v_jyj Lü ^li
* *
1. Wenn du unser dich rühmen willst, nun wir haben schon den
Ahnen mancher Familie erhöht nach der Erniedrigung.
Das herkömmliche Fa^r leitet der Dichter ironisch mit der
Fiktion ein, als wollte IJaira die Ruhmestaten der Tamimiten
erfahren, um sich ihrer selbst zu rühmen (da die Kais und
Tamim ja eng verwandt waren). v_j ^ heißt bei F. nur „sich
einer Sache rühmen' (Diw. 537,6; 539,3), nicht etwa aueh
„wetteifern mit jmd.', was für unsere Stelle viel besser passen
würde.
iC*A*>,JjT l^I^ LIa9 ^ !yi 1»
2. Sie nahten sich unserer Beute oder sie fanden bei uns ein
üppiges Mahl unter den (Zelt-)Stricken.
iü**»Jjt wie Diw. 279, 18; 381, 3; s. a. 155, 12.
JL-Ü. sind hier, wie so häufig, die Zeltstricke als Symbol der
Gastfreundschaft. Sinn: Zu allen Zeiten suchte man unsere
Nähe wegen unserer Freigebigkeit. — Die ganz abweichende
Übersetzung Boucher's halte ich für verfeblt.
, , , ^ of , ' ' J - * O «.o , ^
liLäc k5^-^. erf U*'-^' j l-*}
3. Niemand unter den Menschen kommt den Zurära gleich oder
erreicht die 'Ikäl.
Zurära und 'Ikäl sind zwei Unterabteilungen des tamlmi-
tischen Stammes der Banü Därim. F. selbst gehörte zu den
Banü 'Ikäl.
, m i <J, , Cl . tj , , - ' , i i
XjJ~\ LSOlXx U lit v_aj^ ^
4. Und wer von euch, o Söhne Ka'b's, hält stand im Ringkampfe,
wenn wir das Seil entrollen?
6 £
HeU, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten. 609
„Das Seil entrollen" heißt die lange Reihe der Ahnen auf¬
zählen, vgl. z. B. Diw. 187, 18 u. 19 u. ö.
- - -« - .»-O-* £ - o - i-lS O-E
jLjjJ! Sl\j!^ ^jbLs\*J! ^! t5jL^t ^yi ^ij:....! ^5Jol:^! o
5. Etwa ein öa'dite, ein von der Schande verstümmelter, oder die
(Banü) 'Aglän mit Straußenbeinen?
,,^s.tJi heißt eigentlich „ohne äußere Ohrmuschel", wie der
Strauß, z. B. 'Alq. 13, 19. ot-lü »Äj!^ ist nach L. A. IV 183
das „Schienbein". Die beiden Stämme werden also mit Straußen
verglichen, die einen in bezug auf die kurzen Ohren, die anderen
in bezug auf die langen und dünnen Beine.
^5L?-jjT % sUÖJL jlii ^liiit JopT
6. Oder die Banü 'Ukail, die an ihrem Hinteren aussätzig und
weder Weiber noch Männer sind?
- OS
Zu ^LflÄj! ijoyi vgl. Ham. Iw und Labid 33, 8.
jLllf oLjkS-Jj? ^ ^^jJlL (_^l-i^ »S^iA ^ ^jSÜ^ V
7. Sondem sie sind Verhaßte, Hermaphroditen, die aus den weiten
Spalten pissen.
-oJ_ 0-S-> Oy
Man beachte den Wechsel des Genus : qJLj — iSyua ^ j
F. bezeichnet die Banü 'Ukail als Zwitter und spricht des¬
halb bald im Mask, bald im Fem. von ihnen. Ein ähnlicher
. o >
Vers ist zitiert L. A. u. T. A. s. v. ,_^iis-.
.o .o£- &' o , , , o , — , , o , ,
i3L«.J! ^!y>LS' ^ly^W i-^-«*" qJ 'ijuatua sL*J a
8. Sie haben die Frauen §a'sa'a b. Sa'd's geschändet mit Geschlechts¬
teilen, gleich den Geschlechtsteilen der Maulesel.
§a'sa'a b. Sa'd vermag ich nicht zu identifizieren ; er begegnet
uns nur an dieser Stelle des Diw. Vielleicbt ist an Sa'sa'a b.
Mu'äwija, den die 'Ukailiten zu ihren Vorfahren rechneten (vgl.
Wüstenfeld, Geneal. Tab. D. 14), zu denken.
^ »Tix^ oLy^ 0*^1-^
9. Ihre (beschnittenen) Geschlechtsteile haben kleine Sklavinnen
übertrofi'en im Springen nach der Eichel der Männer.
61Q Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten.
^jLäS" die „Bescbneidung" und die „beschnittene Stelle" ge¬
braucht F. immer von Frauen (Diw. 289, 12. 27; 632, 10;
s. a. o. pag. 605). Ich fasse den Vers im Zusammenhalt mit dem
vorhergehenden so auf: sie sind Zwitter und stürzen sich mit
gleicher Begierde auf Frauen (V. 8) und Männer (V. 9).
, ,.a 3 O - ^ > ) Cj3 ü .o o- ö^- ,3
[^[m1^\ *-JJyO jAC jyjkli J^^' X^L*.» t.
10. Zufrieden mit dem Inneren des Dickichts, bewohnen sie Gräben
von übler Beschaffenheit.
^yJ.i ist bei F. sonst immer der Aufenthaltsort der Löwen,
Diw. 65,'5; 185, 9; 279, 24. K,>Ui- ist DTw. 284, 2 das Gegen¬
teil von ^Jjuo, also „Friedlichkeit", jLs?Lwi nach L. D. III 319 '3
= XJLS>Lw*.o „Versöhnlichkeit". Wenn der Vers an diese Stelle
gehört, so ist er nur bildlich zu verstehen vom homosexuellen
Geschlechtsverkehr! Der Vergleich im folgenden Verse macbt
die Auffassung sehr wahrscheinlich.]
^^liilT y*iS\ ili'j y^ ^csj oj>! L II
' ' — ' «>
11. Oder nicht, o Haira, Schwester der Söhne KuSair's, bist du
nicht der Brunnen der schweren (männlichen) Glieder?
Mit diesem Verse beginnen die Angriffe atif ^aira und ihren
Stamm Kusair. yi> ist Lizenz für »y ■5>.
O 0_- O-J - ,-O-E
oL«» ^^-ÄÄi! Lic ^xiJii' yi:^ ^j^i cj^i:ö \t
12. Sahst du raich nicht, wie ich die Söhne Kusair's abschälte,
gleichwie einer von oben beginnend einen Stock entrindet.
, 3
Boucher liest ^l-**; ^k- XIX, 29 bringt den Vers rait den
I — 3 Cj. ,
Varianten: ^näU! .... iwi^! ^1. Wortspiele wie oyii
o.J ^
yfjatf i^yj' sind bei F. sehr selten. — Sinn: Ich habe sie ihres
Ruhmes entkleidet.
M
- - , i , ^ si , O-J o o-
v3LAi> Sl ^ ^ ^•|'-*~' ^» s» ^y» t*^*^ ''^
13. Nichts ist hinfälliger als die Kusaiviten, nicht einmal Schafe,
die zu einem Schreckbilde zurückkehren.
HM, Al-Farazdalc's Lieder auf die Muhallabiten. ßll
Zu „zurückkehren" vgl. Aljtal 169,2 u. 244,1;
Kam. 758, 17. — i)LÄi» ist eine künstliche Schreckgestalt, welche
die Raubtiere von den Herden fernhält; vgl. Diw. 546, 27 t^l^i'
v_.*jöj 3t ^.jLälT, wozu Komm. glJlJt i3Wi^W v^^^- ^S'-
auch den Vers des Abul-'Atähja Ag. III, 169. — F. will sagen:
Die Kusairiten sind schwach und feige, wie wehrlose Schafe, die
hinter Schreckgebilden vor ihren Feinden Schutz suchen, an¬
statt ihnen stand zu halten.
O - --.O -O-, , O 3 ' 3 m , 3 3
^^Li x>L=-'Ot ^ L^jJj: l5i>^ Ü>r> ^jyJ ^ ^ty \f
14. Du siehst, es hält nicht stand, wenn sie im Kampfgewühl von
vorne angegriffen werden.
Der Wechsel des Genus LjaJIc (^lXjL . . . ? ^ist nur
> *
verständlich, wenn man » auf jLo» und LjjJLc auf ^Lto bezieht.
ist bei F. „aufhalten« ein Pferd (88, 28), die Träne 89, 17.
^ > ^ y 3 ~ - -oE' ' O - - G - -O- OJ--
'■^■^ '^Hj'i c*^ ^ 1*^'-^'
15. Du siehst sie um versammelt, Waisen und Witwen, die
vor Magerkeit sterben.
Das i^Lli»! sich Kusairiten scharen, ist also 9aira.
Dieser Gedanke wird im folgenden weiter ausgesponnen.
' m ' O3 , , 3,.a , O'J . , O J
i3L*.j4%Jt j^yi.äÄÄ» of ^7*-^ töt lt
16. Als sie geheiratet wurde, da sahst du die Sehnurrbartspitzen der Söhne KuSair's vor Stolz sich emporrichten.
, .o - -.o 3 . Ci, 3 O. 'O —
^^UiiJt u>^' i rfr-^ v> j^.;
17. Und wäre der Beiscblaf der Haira nicht gewesen, so wären
sie nicht zurückgekehrt mit einem Gewinne in der Rechten und
in der Linken.
ist der gewinnende Lospfeil. — V. 16 u. 17 sind stark
korrumpiert zitiert Ag. XIX, 28. 29.
O OJ- O- -O-J- f ^ '
^3L»5 tXi» Q» L?^^^ '"^ X*AiL! Ai. Ia
18. Zuweilen kommt auch ein gemeines Weib zu Glück und spendet
den Lebensunterhalt infolge eines Kindes und Besitzes.
4 6«
612 Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten.
Sinn : Dadurch, daß Haira dem Muhallab einen (männlichen)
Nachkommen (den Abü 'Ujaina) schenkte, kam sie zu Ansehen
und Reichtum und war nun in der Lage, ihre hungrigen Stamm-
o ,
bnider zu unterstützen, ^^uü bei Boucher ist wohl Druckfehler.
b) DTw. 517.
Über die Entstehung des Gedichtes sagt die Einleitung: „Als
al-Muhallab die Azrakiten besiegt hatte und in Ahwäz stand , da
kamen seine Frauen zu ihm, er aber schickte sie wieder nach Basra
zurück; es kam zu ihm aucb Haira bint Pamra, die Kusairitin,
und er beschenkte sie." Das vorhergehende Schmähgedicht war
also vor, das vorliegende nach dem Feldzug des Jahres 66 ent¬
standen.
, S ->,0- O , > ' 'biiS,,
Ijs-Us- ^ !5!t UilJaA.io* ^! » - J ji |J1 !
1. Sahst du denn nicht, daß der Dämon der Schwester der Banü
Kusair nichts wollte als Widerspenstigkeit ?
Zu JJalJü als .böser Charakter" vgl. Diw. 469* 2; 273, 10;
429, 3; 279, 8. Zu L^ü^ ^\ vgl. Ham. oIa: ^\ U,
> J Sj * - - *
»ol^ L^-U.^ ^1 „nachdem sem Herze widerspenstig nicht wollte
' & ..
sich bequemen (Rückert 491, 1)*. Ahnlich Ahtal p. 8 Z. 6:
^ , Z. Z. , ) 3
'iS±to . . . «50^ LI .Nichts will dein Holz als Härte".
&
Die HS. schwankt zwischen der Schreibung L! und
und LL , wie auch die aus gleicher Quelle stammende HS. des
Diwäns des Ahtal (Petersburg). Ich schreibe konsequent
^L etc.
- r?0- O.« -' - } , G..
L»"LXj L^sUj tXis Jjij yalL L.jj'ls t
' ' - ' a
2. Und wenn ihr in der Hauptstadt ein Gatte entgangen, so fand
sie sicher in Mäfartä einen Beischlaf.
-o-
Mäfai'tä ist nach dem Kommentar ,!l\IL üj.'s, also in der
j • -j '
Nähe von Kufa (Bekrl öIa).
: 6 «
HeU, Al-Farazdak'a Lieder auf die MuhaUabiten. 613
B.
Al-Muhallab's Söhne.
Von den zahlreichen Söhnen al-Muhallab's hatte der Erst¬
geborne, al-Muglra, die Eigenschaften seines Vaters in vollstem
Maße geerbt. Während der langen Härigitenkriege kämpfte al-
Muglra als ünterfeldherr im Heere seines Vaters und erwarb sich
dabei den Ruhm höchster Tapferkeit.-) In Friedenszeiten teilte er
sich mit seinem Vater in die Verwaltung der östlichen Provinzen,
teils neben,-') teils unter ihm stehend.*) Während des letzten
Feldzuges al-Muhallab's nach Transoxanien ereilte ihn in seinem
Regierungssitze Merw der Tod, 82 d. H.*)
Obwohl al-Mugira's Leben und Wirken mit demjenigen al-
Muhallab's so eng verknüpft ist , und obwohl er in der bewegten
Zeit der „Kämpfe der öufra" in Basra selbst politisch hervortrat,
und zwar als Anhänger der damals noch schwachen Umajjaden-
partei,*) so finden wir doch nirgends einen Vers Farazdak's über ihn,
noch weniger einen solchen über al-Muhallab's Söhne al-Mufaddal,
Hablb , Kabi.sa , Muhammed und 'Abd al-Malik, die sich gleichfalls
schon zu Lebzeiten al-Muhallab's im Kriege auszeichneten.') Icb
schließe aus diesem Schweigen al-Farazdak's zweierlei: erstens, daß
es dem Dichter nie darum zu tun war, die Person al-Muhallab's
herabzusetzen, sondem daß er in ihm nur das Haupt der Azditen
angriff; zweitens, daß die frühesten Lieder auf Jazid b. al-Muhallab
1) Wir liennen ihrer zehn : al-Muglra, Jazid, aI-Mufa<1dal, 'Abd al-Malik, KabTsa, Mudrik, Habib, Muhammed (KSmil 694, 17; 699, 1), Marwän (Tab. II 1215'etc.; Diw. 471*; 610), Abü 'Ujaina (Tab. II 1209 etc.; Käm. 25'l, 12).
2) Im Azrakiten-Feldzuge des Jabres 66 Tührt al-Mu!>Ira die Vorhut (Tab. II, 591; Käm. 628, 1), dringt bis Sük al-AhwBz vor (Käm. 629, 7) und kebrt dann Uber Nahr Tirä, wo er seinen von den HSrigiten gekreuzigten Oheim Mu'ärik bestatten läfit (Kfira. 630, 14; Anon. Chr. 104), zum Hauptheere zurUck; in der Schlacht bei Sillä und Sillabrä glänzte er durch persünlichen Mut (KSm. 631, 8; 639, 9) und hielt auch dann noch stand, als al-Muhallab vermißt wurde (636, 7; Anun. Chr. 105). Als al-Muhallab zu Mus'ab berufen ward. Ubergab er das Kommando al-Mui>Ira (Käm. 643; Anon. Chr. III); im J»hre 73 finden wir ihn am Feldzuge gegen Abü Fudaik beteiligt (Tab. II 853) und ira Jahre 77 steht er wieder im Heere al-Muhallab's gegen Katari (Käm.
679, 8, 14; 690; 691).
3) In Istahr als Ünterstatthalter des Hälid b. 'Abdallah b. Asid (Tab.
II 822).
4) Vom Jahre 78 ab (Tab. II 1034, 1039).
5) Tab. II 1077—1079.
- - > -O 3 - OJ.. ^
6) Tab. II 799, 11: ^J-i''' a- "j**'" • • • CT* V'^' hierzu das Spottgedicht F.'s nuf die besiegten Gufriten Diw. 159.
7) al-AIuhallab selbst, sowie sein Dichterfreund Ka'b al-AskarT rühmen gegenüber Haggäg die Tüchtigkeit dieser jungen Männer, und Haggäg pflichtet ihrem Urteile bei (Kam. 694, 11 ft'.; 698, 13 ff.).
614 Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten.
erst nach al-Muhallab's Tode entstanden, d. h. von dem Augen¬
blicke an, da Jazid das Haupt der Azditen darstellte.
Zu dieser Stellung innerhalb der Muhallabiten - Familie wäre
Jazid nie gelangt , wenn nicht al-Muglra zu früh gestorben wäre ;
denn al-Muballab erkannte die gefährlichen Eigenschaften Jazid's,
seinen Hochmut und seine Prunksucht^), und entschloß sich
schwer, ihm das Erbe seines Amtes zu übertragen. Und auch al-
Haggäg, dem damals Horäsän unterstellt war, hatte von Jazid's
Verschwendungssucht ebensoviel gehört als von seinem Stolz und
seinem Unabbängigkeitssinn : mit der Bestätigung in der Nachfolge
al-Muhallab's ließ er ihm deshalb eine Verwarnung zukommen
und nahm Jazid's Schwester Hind zur Frau , um eine Empörung
Jazid's hintanzuhalten.-) Jazid blieb auf seinem Posten vom Jahre
82—85. Während seit dem Falle des Ibn As'at der ganze Osten
widerstandslos zu Haggägs Füßen lag, erhoben die Muhallabiten,
gestützt auf die Azditen , die dui'ch sie nach Horäsän gekommen
waren, noch immer ihr Haupt.-') Trotz wiederholter Unbotmäßig-
keiten Jazid's vermoebte Haggäg erst im Jahre 85 vora Chalifen
die Erlaubnis zur Absetzung Jazid's zu erwirken.
I.
In die Zeit dieser ersten Statthalterschaft Jazid's ist die Ent¬
stehung der beiden Satiren , Diw. 283 und Diw. 635 zu verlegen,
da in ihnen noch jede Anspielung auf die späteren Geschicke
Jazid's fehlt.
a) Diw. 283.
) J-Oi -J ^ _ - , , Cj , JOH» ,0-
j^jJt v^liiJ J- ^5 «Jü!^ S ^y*j> Ä.*5»o ^MjJ I
1. Der Sohn der Dahma ist keiner von denen, mit welchen eine
Familie Verbindungen unterhält; denn in 'Umän fragt man nicht
nach der Religion.
- & -
iU.»-^ ist Jazid b. al-Muhallab, vgl. Komm, zu Diw.
o OJ o S- o--*. o - j&j_o-
635, 1 Q-J O"- O"*? ^■'■^^ tXxÄ^ v,:>Jj
O - O -.-a o -o- - o o- o-o
"if^ <y^- "^r^^ <y'- i^'^*' a- u?^"
;-j-<. o,,i{,,GE.o
v_.JLiil lXj^j j.! Jj^!. Nach dem Kämüs dagegen (cf.
Wüstenf., Gen. Tab. XI, 29) war Dahma eine Tochter des filudai'
1) Ibn Wäilil.i, II 30.
3) Wellhausen, Arab. Reich p. 150 f.
2) Ibid.
Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten, 615
b. Sa'ld, nicht, wie nach unserm Kommentar, seine Schwester,
und dies dürfte das Richtige sein; denn Diw. 635, 5 schließt
F. seine Satire auf JazTd b. Muhallab mit einem unvermittelten
Ausfall auf öudai', und da im ersten Vers der gleichen Satire
Jazid der „Sohn der Dahma" genannt wird, so ist anzunehmen,
daß F. in öudai' seine Tochter Daljma verspotten wollte. Zu
> j j
vJü!^.» vgl. Mufadd. 39, 7 J^^lj v_Äjtji! ootLtSj „und es wur¬
den gänzlich abgeschnitten die Verbindungen und Versprechungen"
(Thorbecke). ist die Lehre Muhammed's als ethische
Richtschnur (Goldziher, Muh. Stud. I 13 ff.).
' -,-o - w- , - J&- Sj 0> -o J 3 > ,
üVi^Äj'! gVjJ! i5 ij^"^ ^^=' iS'^ji^ f-r^^j, fJ^ ^
2. (Es sind) Leute , deren Lanzen die Ruderstangen bilden , wenn
sie morgens ausrücken, wenn im Winde die langen Bärte zerzaust
werden.
M OJ .. Cl
Das seltene ^Jy« statt des gewöhnlicheren (jrJ-< gebraucht
F. noeh Diw. 470*, 3. — .., ».Äie ist sowohl die „eben nieder-
>o J
^■\Jr*
gehende Regenwolke" (Diw. 156, 1) als der „lange Bart". Vgl.
>0- OJJOJ
Ham. p. 820, V. 3 iXi.P ^.^j-^ic und hierzu Kommentar:
- " ,o y cj t
qSlX.'! iA^^Jj'l ^yi ^ j^.,j.ü*jt. Das Gedicht ist
zweifellos unvollständig; eine Ergänzung konnte ich bis jetzt
noch nicht finden.
b) DTw. 635.
_ H 3 - O > wi-O-^ - & ^ , O " - &-0 ' «■- & -
^L^Jlj i.._»_«^iJ ^ V^y* qj! Lj liJO fS I
1. Wie viele Verwandte hast du, o Sohn der Dahma, die mit
Hosen (angetan) geschildert werden und mit Schiffstauen.
Xeben J^y\ steht am Rande ^jJM (Tau). heißt
nicht nur die Namen, sondern auch die Eigenschaften des
3
Vorfahren aufzählen (Goldziher, Muh. Stud. I 43 Anm. 8). ^.,L.j
— pers. J.*jd, die lederne Hose der Ringkämpfer und die
leinene der Matrosen, hat im Arabischen nur die letztere Be¬
deutung behalten (Dozy, Vetements p. 93).
616 Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten.
xLä^T |.jiUj ^lii^i ^tiJ jiiL !•
2. Fortwährend stößt er die Segel weg mit den zum Dienste des
Schiffes Bestimmten (Körperteilen) und dem After.
F. schildert die Körperbewegung des im Sitzen Rudern-
« <j-o »,0- i,-,
den; vgl. Diw. 46, 4: Lw^LiüU JO:*>.b ,«.StXj Jsiij^ „er (der
Schiffer) stößt fortwährend mit seinem Hintern, indem er die
---OJ
Brust vorneigt"; jUAa-J! (»jÄU sind nach dem Kommentar:
O - 0--J--. i -O.^ &H»J-- J - -.-O- J-o-. - -
^asj j'-*^' '-^i'^.^' '^'^ j^^'j »LäjJIj »Ltl^j...
heißt „ein Ding, eine Handlung u. dgl. sich selbst zum Be¬
dürfnis macben", in diesem Sinne spricbt F. Diw. 645, 30 von
- - - o J
einem (^cj-ti! „einem der Liebesleidenscbaft Hingegebenen", und an unserer Stelle nennt er diejenigen Körperteile der Azditen,
welche ganz der Handhabung der Schiffe dienen x;■p.wJl fß^.
Daß JjiJ.\ der After ist und nicht ein „dünnes Seil" ergibt sich
aus dem Gesagten von selbst.
-Ä - S - " ' - -C-.J-J o- J
(j:^tykau. v_.^tA/« Laxs oiX>. ^.jUc ci...x*wJ !ö! r
3. Wenn 'Umän geschildert wird, findest du dort Wege für die
Schiffe und für die Schiffer.
, . „ * > , . 5 - )oE C- - , , .11
^'^JL 1^ ^Jic l,«..>«.> Iyüi ^.ijtÄ ii5vLi.! f
4. Jenes ist eine Gesellscbaft (von Leuten), die alle hocken auf
der Niedrigkeit der Eigenschaften und der Abstammung.
^jii! „kauern, hocken' (Mufadd. 34, 82; Diw. 11, 11;
465, 7) bedeutet im übertragenen Sinne: „verharren auf"; so
auch Diw. 620, 2.
-«h: - ) i - - -EcE - r-v-s ->--J 5- .£
^y> y\y^ '■^ '^y^ 'j'-^ o
5. Ich betrachte ein Haus , das Gudai' verherrlicht (durch seine
Zugehörigkeit), als das ehrloseste, was es gibt an Häusern.
Über Gudai' b. Sa'ld s. Diw. 46 und dazu Boucher p. 167,
Anm. 1 und oben S. 608 Z. 4 ff.
Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhallabiten, QYi
,* S - -JO o- .. ^
j[m ^\ ljU, ^1 J-oij o'-^ U*'— ' L^J^
6. (Es steht) auf den Grundfesten eines Sklaven von 'Umän, der
am Stricke des Abü Sufra (angebunden) melkt.
Zu jJüij gibt der Scholiast die kaum echte Variante ^jjü.
Über J^Iöj sagt er: „}lki ist hier das Melken um die Mittags¬
zeit. Er (der Dichter) berichtet, daß er (6udai') ein Hirten¬
sklave gewesen sei, der ausriß und dann mit einem ge¬
bunden wurde; das ö'j; ist nämlich ein Strick, mit dera man
die Fessel und das Knie des Kamels verbindet, wenn es nach
seinem Stalle brüllt (verlangt). Er will sagen: Und euer Vater
ist ein entflohener Sklave , der gebunden wurde , wie man das
Kamel bindet.' Jazid wird also als der Sohn des Abü §ufra
und der Tochter eines seiner Sklaven bezeichnet.
II.
Diw. 296.
Die folgenden Verse sind entstanden nach der Flucht Jazid's
und seiner Brüder aus der Haft des Haggäg zura Prinzen Sulairaän,
der damals — 90 d. H. — in Palästina (Ramla) residierte. >) Das
Entkoraraen der Muhallabiten erweckte im 'Iräk wieder die alten
Hoffnungen und Befürchtungen der Süd- und Nordaraber, um
derentwillen Haggäg die Häupter der Azditen im Jahre 86 ge¬
fangen gesetzt hatte.-) Wie vor der Einkerkerung der Muhallabiten
Farazdak sich eine Weile neutral gestellt und die Reise des um
seine Stellung besorgten Haggäg von Damaskus nach Wasit in
indifferenten Versen geschildert hatte,^) so beschreibt er in dem
folgenden Gedichte die Flucht der Muhallabiten in einer Weise,
die je nach dem Ausgang der Krise als Lob oder Spott gedeutet
werden konnte :
fLi 'jjS J-Ipt^ gÄ:^! ^ \j^Li:J ^fyjjJi J' 'ß p I
1. Nie sah ich (Leute) gleich dem Häuflein, das über Stock und
Stein entfloh, indes die Wächter nicht schliefen.
1) Tab. II 1208—1217.
2) Vgl. Tab. II 1172: über al-Haggäg's Furcht vor Jazid ibid. 1138 f.
3) Die Verse (Diw. 464. Tab. II 1139, Jac. I 424, III 914) klingen zwar wie ein Lob , sie künnen aber — ganz wie in unserem Gedichte über Jazid b. Muhallab — insofern als Spott gedeutet werden, als die geschilderte Eile das Zeichen und die Folge von Furcht war.