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Rezensionen 385 Kitchen Politics (Hrsg.): Sie nennen

es Leben, wir nennen es Arbeit.

Biotechnologie, Reproduktion und Familie im 21. Jahrhundert. Müns- ter: edition assemblage 2015, 152 S.,

€ 9,80.

Die vermehrte Nutzung von Repro- duktionstechnologien und mit ihnen verbundener Praktiken wie Eizellspen- de und Leihmutterschaft stellt akade- mische und politische (queer)feministi- sche Debatten im 21. Jahrhundert vor neue Herausforderungen. So müssen etwa Fragen danach, was wir heute unter Reproduktionsarbeit verstehen, wie wir über Prozesse der kapitalisti- schen Inwertsetzung von Körpern be- ziehungsweise Körperstoffen im globa- len Biotechnologie-Sektor nachdenken und ob und wie reproduktionsmedizi- nische Verfahren ein neues Verständnis von Genealogie und Familie eröffnen, neu bearbeitet werden.

Es sind solche Fragen, denen das Herausgeber_innenkollektiv im dritten Band der Reihe Kitchen Politics nach- geht. Ausgangspunkt ist ein Dialog zwischen den australischen Theoreti- kerinnen Melinda Cooper und Catherine Waldby und Susanne Schultz und Felicita Reuschling von Kitchen Politics.

Im ersten Beitrag des Bandes, einem Aufsatz von Waldby und Cooper aus dem Jahr 2008, »Biopolitik der Repro- duktion: Postfordistische Biotechnolo- gien und die klinische Arbeit von Frauen«, diskutieren die Autorinnen am Beispiel des Eizellenverkaufs, wie der Beitrag von Frauen zu Reproduk- tionsbiologie und Bioökonomie in Ar- beitsverhältnisse einzubetten und ana- lytisch zu fassen wäre. Dies geschieht mit dem expliziten Ziel, dem Diskurs

um solche Praxen sowohl den viktimi- sierenden als auch den romantisie- renden Charakter zu nehmen. Letzte- rer zeige sich, wenn reproduktive Ar- beiten als großzügiges Geschenk ver- handelt werden. (45 f.) Waldby und Cooper ist es darüber hinaus wichtig, bioökonomischen Praxen wie den Ei- zellverkauf oder auch die Teilnahme an klinischen Studien als Versuchsperson, die sie als »klinische oder biomedizi- nische Arbeit« (38) fassen, in ihrem

»Wechselspiel« (39) mit anderen For- men feminisierter, transnational orga- nisierter Arbeit wie Haus-, Sex- und Sorgearbeit darzustellen; die Übergän- ge zwischen den betreffenden Ökono- mien, so die Autorinnen, seien »ausge- sprochen fließend«. (ebd.)

In ihrem Beitrag »Reproduktion neu denken. Leihmutterschaft zwi- schen Vertrag und Familie« fordert Cooper einen Perspektivenwechsel, bei dem Reproduktionsarbeit nicht zum Standpunkt, sondern zum Gegenstand der Kritik erklärt würde. Auf dieser Grundlage analysiert sie im Folgenden einige Entstehungsbedingungen der ge- schlechtlichen Arbeitsteilung im Eng- land des 19. Jahrhunderts und zeichnet die ko-konstitutive Herausbildung von Familien- und Vertragsrecht nach. In dieser Parallelität werden der – durch Vertragsverhältnisse definierte – Markt und die – durch nicht-vertragliche Verhältnisse definierte – Familie als zu unterscheidende Sphären festgeschrie- ben.

Anhand des aktuellen Beispiels der Leihmutterschaft in den USA zeigt Cooper sodann, wie eine zunehmende Kontraktualisierung reproduktiver Ver- hältnisse heute eine »rechtliche Neuer- findung der Form der Familie erfor-

Feministische Studien 2 / 16; DOI 10.1515/fs-2016-0021

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386 Rezensionen dert, durch die diese vom Bereich ver-

traglicher Verhältnisse getrennt und davor geschützt wird.« (69) So werden an die Person der Leihmutter gleichzei- tig zwei Anforderungen gestellt, die Cooper als einander im Grunde »aus- schließende Dinge« analysiert, näm- lich: »Einerseits die rechtliche Frag- mentierung und Kontraktualisierung reproduktiver Dienstleistungen, ande- rerseits die uneingeschränkte Durch- setzung eines nicht übertragbaren Sor- gerechts.« (71)

Abschließend formuliert die Auto- rin in Bezug auf die Figur der Leih- mutter, dass für eine fundierte Kritik dieser Figur sowohl postfordistische Arbeitsverhältnisse als auch die postfor- distische Familie in den Blick genom- men werden müssen. Mit dieser Fest- stellung schließt Cooper eine Lücke, die im gemeinsamen Aufsatz mit Wald- by mit dem bloßen Fokus auf Arbeits- verhältnisse offen geblieben war.

Im Anschluss an die beiden recht voraussetzungsreichen Texte wechseln die Herausgeber_innen zu einem For- mat, das den Dialog betont und die Vertiefung von bereits Gelesenem er- möglicht: Entlang vier thematischer Blöcke stellen sich Waldby und Cooper im E-Mail-Gespräch weiterführenden Fragen zu Theoriekonzepten und poli- tischen Perspektiven, die Schultz und Reuschling durchdacht formulieren.

So diskutieren sie beispielsweise Refe- renzen und Abgrenzungsbewegungen zur marxistischen Terminologie und Analyse oder Coopers kritischen Um- gang mit der These einer »Krise der sozialen Reproduktion«. (92)

Auf das Interview folgt ein Beitrag von Susanne Schultz mit dem Titel

»Kinderwunsch-Ökonomie und Kin-

derwunsch-Verstaatlichung. Ein Streif- zug durch aktuelle Konfliktlinien in deutschen Kontexten«, der die Kom- plexität des von Kitchen Politics gewähl- ten Themenfeldes nochmals deutlich zeigt. Angefangen mit dem Beispiel der Reinterpretation reproduktiver Rechte durch die »Lobby der Reproduktions- medizin« (109), über die Darstellung von Konfliktlinien, die sich entlang der unterschiedlichen technologischen Verfahren ergeben, bis hin zur »Ver- staatlichung des Kinderwunschs« eröff- net Schultz Möglichkeiten politischer Einwände. Unter anderem plädiert sie, auch in Abgrenzung zu Waldby und Cooper, für die Aufrechterhaltung der Verbote von Eizellabgabe und Leih- mutterschaft in Deutschland.

Auf der Grundlage ihrer Analyse er- weitert Schultz die Perspektive Wald- bys und Coopers auf Arbeitsverhält- nisse und Familie noch einmal um eine Reihe weiterer, miteinander verwobe- ner »Kampffelder«. Es geht um

Die Frage der Selektion und der Gene- tisierung sowie Biologisierung des Sozialen, der kapitalistischen Inwertsetzung von Kör- perteilen / -substanzen / -prozessen, die Kri- tik nationalstaatlicher Biopolitik und auch die Frage, wie wir nicht nur in Bezug auf Leihmutterschaft auch das Subjekt des Kin- des mitdenken können. (127)

Felicita Reuschling diagnostiziert im abschließenden Beitrag »Kapitalisti- scher Realismus, Postutopie und die heilige Familie« unter Bezugnahme auf den Begriff des Kapitalistischen Realis- mus bei Mark Fischer in der Gegen- wart eine »Stimmung der Postutopie«, die sich »unter anderem auch an der Abwesenheit alternativer oder uto- pischer Lebensentwürfe und Bezie-

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Rezensionen 387 hungsmuster« (130) zeige. Ganz im

Gegensatz zu den von ihr zitierten uto- pischen Ideen, von Friedrich Engels, Shulamith Firestone über Marge Piercy bis Donna Haraway, ist laut Reuschling heute gar eine Refamiliarisierung und Retraditionalisierung auszumachen.

Ihrer recht düsteren, auch wütenden Gegenwartsanalyse zum Trotz sieht sie durchaus auch in der gegenwärtigen politischen Praxis Perspektiven, die zu- mindest »das Heraustreten aus dem Alltagsbetrieb und die Ermöglichung anderer Beziehungen, wenn schon nicht jenseits, dann doch als Erweite- rung der Beziehungen im institutio- nellen, ökonomischen und privaten / freundschaftlichen Rahmen« (143) zu- lassen.

Der Band enthält eine ganze Reihe theoretisch und politisch kontroverser Thesen. Sicher kann man im Einzelnen mitunter eine andere Haltung einneh- men als die Autorinnen. Insbesondere muss eine quasi transnationale Gültig- keit der Analyse Waldbys und Coopers in diversen soziokulturellen Kontexten weiterhin kritisch hinterfragt werden.

Doch macht es die Stärke des Bandes aus, dass er – nicht zuletzt durch den sehr gelungenen dialogischen Aufbau – zu einer reflektierten Weiterentwick- lung der eigenen Position zu »Biotech- nologie, Reproduktion und Familie im 21. Jahrhundert« herausfordert.

Laura Schnieder

Kirstin Mertlitsch: Sisters – Cy- borgs – Drags. Das Denken in Be- griffspersonen der Gender Studies.

Bielefeld: transcript 2016. 276 Seiten,

€ 34,99

Cyborg, Drag oder die New Mestiza sind

»Ikonen der westlichen Gender und Queer Studies« (9), sogenannte »Be- griffspersonen« (Deleuze / Guattari), die innerhalb der genannten akademischen Felder weithin bekannt und wirk- mächtig sind, zugleich aber auch im- mer wieder neu geschaffen, reanimiert oder weitergedacht werden. Die Philo- sophin Kirstin Mertlitsch geht in ihrer Dissertation der Frage nach, welche Bedeutung und Funktion diese Be- griffspersonen für feministische sowie gender- und queertheoretische Ansätze haben, eruiert deren Wirkung auf Rezi pient_innen und ergründet deren erkennt nistheoretische und politische Potenziale.

Mertlitsch weist dabei auf eine Ver- schränkung von Theorie und Praxis hin und macht es sich zur Aufgabe, an Arbeiten von Donna Haraway (»situ- iertes Wissen«) sowie Karen Barad (»agentieller Realismus«) anknüpfend einen theoretischen Ausgangspunkt für eine »queer-intersektionale Ontoepis- temologie« zu schaffen, »in welcher Er- kenntnis- und Seinspraktiken untrenn- bar miteinander verwoben sind« (12) und die gleichermaßen androzentris- mus, heterozentrismus- wie auch ras- sismuskritisch wirkt. Dabei zeigt die Autorin auch auf, dass Begriffsper- sonen zwar der Wissensvermittlung dienen, aber nicht nur Konzepte ver- körpern, sondern auch Haltungen, Emotionen, Affekte oder Körperwahr-

Feministische Studien 2 / 16; DOI 10.1515/fs-2016-0022

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