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Soziale Marktwirtschaft

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Academic year: 2022

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Jahrgang 57

Themen der Zeit aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt und Gesundheit

Soziale

Marktwirtschaft

ChAnCenGleIChheIT WAChsTUM

WeTTbeWerb

VerAnTWorTUnG reGeln

sChUldenbreMse eUroPA

In Zusammenarbeit mit dem Aktuelle

Materialien für den handlungs- orientierten Unterricht

(2)

Erfolgsmodell Soziale Marktwirtschaft

Deutschland hat ein Erfolgsmodell: die Soziale Marktwirtschaft. Was heißt das genau?

Das heißt, dass man zum Beispiel sein Leben selbst in die Hand nehmen und frei gestalten kann. Die Soziale Marktwirtschaft macht das möglich, indem sie gleiche Chancen für alle gewährleistet. Sie ermöglicht Lebenswege, bei denen die Leistung, nicht die Herkunft oder das Einkommen der Eltern über Erfolg und Aufstieg entscheiden soll. Soziale Markt- wirtschaft sichert zudem einen freien und fairen Wettbewerb in der Wirtschaft. Er sorgt dafür, dass Unternehmen auf Innovationen, Vielfalt und Einsatzfreude setzen, um Kunden zu gewinnen. So entstehen mehr Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand.

Die Soziale Marktwirtschaft gehört zu den besten Traditionen der deutschen Geschichte.

Sie ist der Grund für den Erfolg unserer Volkswirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg.

Dank ihr hat sich ein Versprechen für die größte Mehrzahl der Menschen realisiert, das lautete: Streng dich an, dann wird was aus dir! Das haben uns unsere Eltern gelehrt und das ist die Lebenserfahrung, die die allermeisten in Deutschland gemacht haben. Auch heute muss sich Leistung für alle lohnen. Wir brauchen gute Löhne, die sicherstellen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Wohlstandszuwachs teilhaben. Schließlich tragen sie mit ihrer Arbeit maßgeblich dazu bei. Der Mindestlohn trägt diesem Gedanken Rechnung.

Deutschlands Wirtschaft und Arbeitsmarkt sind heute in guter Verfassung. Flexible und innovative Unternehmer und hochqualifizierte Beschäftigte legen immer wieder, jeden Tag von Neuem, die Grundlage für diesen wirtschaftlichen Erfolg. Wir können uns aber nicht zurücklehnen. In Zeiten der Digitalisierung und der vierten industriellen Revolution müssen wir die Soziale Marktwirtschaft weiterentwickeln. Für ein Mehr an Fortschritt, Freiheit und Gerechtigkeit.

Das können wir nur alle gemeinsam und generationsübergreifend schaffen. Wir brauchen euch! Eure Ideen, euren Einsatz und euren Unternehmergeist! Damit es uns gelingt, die Soziale Marktwirtschaft gemeinsam neu mit Leben zu füllen, den Wohlstand und den sozialen Zusammenhalt in Deutschland zu stärken.

Ihr Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel

(3)

Lernziele

Die Schülerinnen und Schüler sollen

die Grundgedanken der Sozialen Marktwirtschaft kennen,

erkennen, dass die Soziale Marktwirtschaft ein auf Privat- eigentum begründetes marktwirtschaftlich organisiertes Wirtschaftssystem darstellt, bei dem der Staat die Rahmen- bedingungen setzt und für sozialen Ausgleich sorgt mit dem Ziel Wohlstand für alle,

die Funktionsweise der Sozialen Marktwirtschaft verstehen und den zunehmenden internationalen Einfluss, z. B. in Zusammenhang mit der Finanz- und Staatsschuldenkrise, erkennen,

grundlegende Ordnungsformen und -elemente der Sozialen Marktwirtschaft kennen und wissen, dass für die Sicherung der Funktionsfähigkeit ein Rechtsrahmen erforderlich ist,

verstehen, dass wirtschaftspolitische Entscheidungen übergeordneten gesellschaftlichen Zielen dienen sollen.

Didaktisch-methodische Anregungen

Diese Ausgabe „Soziale Marktwirtschaft“ soll dazu beitra- gen, das Vertrauen Jugendlicher in die Problemlösungsfähig- keit der Sozialen Marktwirtschaft zu stärken.

Die Arbeitsblätter ermöglichen einen lebendigen, handlungs- orientierten Umgang mit dem komplexen Thema „Soziale Marktwirtschaft“. Neben der fachlichen Qualifikation und dem Umgang mit neuen Medien steht deshalb die Schüleraktivität im Mittelpunkt.

Alle Arbeitsblätter sind als Übungsblätter konzipiert und bieten neben fachlichen Informationen verschiedene Angebote für eine abwechslungsreiche Aufbereitung der Thematik.

Zur optimalen Bearbeitung bietet diese Arbeitsmappe zusätzlich themenbezogene Internetadressen und ein Glossar mit wichtigen Wirtschaftsbegriffen aus den Arbeitsblättern.

Um wirtschaftliche und soziale Problemstellungen un- terschiedlicher Interessengruppen zu verstehen, bieten sich zudem Rollenspiele an.

Einundzwanzig Arbeitsblätter

Die Fragestellungen im Überblick:

1. Wieso gab es auf einmal alles?

2. Soziale Marktwirtschaft: Was ist das?

3. Weshalb ist Wirtschaftswachstum wichtig?

4. Warum schafft Wettbewerb Wohlstand?

5. Teuer, günstig oder gerade richtig?

Wie bilden sich die Preise?

6. Welche Aufgaben hat der Staat?

7. Wo steht die Soziale Marktwirtschaft im Grundgesetz?

8. Was ist sozial an der Sozialen Marktwirtschaft?

9. Sozialpartnerschaft: Gemeinsam stärker?!

10. „Samstags gehört Vati mir“

11. Die Schuldenfalle: Was macht der Staat?

12. Europas Finanzen auf einem guten Weg?

13. Welche Regeln brauchen die Finanzmärkte?

14. Welche Gehälter sind gerecht?

15. Welche Rolle spielen Unternehmerinnen und Unternehmer?

16. Globalisierung – wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?

17. Was tun, wenn die Gesellschaft immer älter wird?

18. Wir brauchen euch!

19. Vorbild Deutschland?!

20. Ist Erfolg Glückssache?

21. Soziale Marktwirtschaft: Alles kapiert?

Entwicklung des Wirtschaftswachstums, der Anzahl der Beschäftigten und der Arbeitslosigk

12

9

6

3

0

-3

-6

1950 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66

Wirtschafts- wachstum in Prozent Arbeits- losenquote in Prozent Beschäftigte in Millionen

(Skala rechts)

67 68 der VW-Käfer: symbol

für den breiten Wirtschaftsaufschwung der 60er-Jahre.

%

deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg: ein land in schutt und Asche.

(4)

7 Wo steht die Soziale Marktwirtschaft im Grundgesetz?

Diese Rechte sind in der Sozialen Marktwirtschaft durch gesetzliche Regelungen dort eingeschränkt, wo die Rechte anderer verletzt werden können. Solche Gesetze sind z. B. Gewerbeordnung, Handwerksordnung, Ladenschluss- gesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz, Kündigungsschutzgesetz, Schwerbeschädigtengesetz, Bundesurlaubsgesetz, Kartellgesetz, Tarifvertragsgesetz, Berufsbildungsgesetz.

Artikel 2 [Handlungsfreiheit, Freiheit der Person]

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

Artikel 9 [Vereinigungsfreiheit]

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereini- gungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig ...

Artikel 12 [Berufsfreiheit, Verbot der Zwangsarbeit]

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeits- platz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.

Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich ange- ordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Artikel 14 [Eigentum, Erbrecht, Enteignung]

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewähr- leistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt ...

Artikel 15 [Sozialisierung]

Grund und Boden, Naturschätze und Produktions- mittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschä- digung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.

Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

Artikel 20 [Sozialer Bundesstaat]

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demo- kratischer und sozialer Bundesstaat.

Artikel 28 [Sozialer Rechtsstaat]

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen ...

Grundgesetz

Erörtern Sie die Berufsfreiheit. Gehen Sie dabei auch auf die Beschränkung in einigen Berufen ein.

Obwohl die Soziale Marktwirtschaft nicht namentlich im Grundgesetz als deutsches Wirtschaftssystem festgehalten ist, legen zentrale rechtliche Elemente die Grundlage für diese Wirtschaftsordnung.

Los!

16 Globalisierung – wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?

Definition Globalisierung Oft wird Globalisierung als weltweite Arbeitsteilung be- schrieben. Wirtschaftliche Globalisierung bezeichnet einen Prozess, bei dem weltweite Märkte für Waren, Dienstleis- tungen und Kapital entstehen und Volkswirtschaften sich zunehmend international miteinander verflechten. Ein typisches Beispiel ist die Produktion eines Smartphones: in den USA oder Südkorea erfolgt das Design, wichtige Roh- stoffe kommen aus Afrika, der Touchscreen aus Deutschland, die Chips aus Südkorea. In China wird alles zusammengebaut und dann weltweit verschickt. Globalisierung ist nicht allein ein Phänomen, das die Wirtschaft betrifft. Es gibt mittler- weile auch eine globale Verflechtung, z. B. im Bereich von Kultur und Lifestyle (Mode, Musik, Filme), vor allem ange- trieben durch den Siegeszug des Internet.

1. Geben Sie mit eigenen Worten den Fachterminus Globalisierung wieder.

2. Erörtern Sie Chancen und Risiken für Deutschland im Globalisierungsprozess.

Filmtipp zur Globalisierung: WissensWerte – Globalisierung, http://bit.ly/gN9ijt

Quelle: BMWi

Berühmte Ökonomen zur Globalisierung Adam Smith (1723–1790), geistiger Vater der Marktwirtschaft In seinem Werk „Der Wohlstand der Nationen“ begründet Smith, dass die Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Menschen, Unternehmen oder Ländern die Quelle des Wohlstands ist.

David Ricardo (1772–1823), britischer Nationalökonom und Bankier Er entwickelte 1817 die Theorie des komparativen Kosten- vorteils, die heute noch immer Gültigkeit hat. Erklärt hat er sie ursprünglich am Beispiel der Länder England und Portugal und der Güter Tuch und Wein. Sie zeigt, dass Arbeitsteilung und Güteraustausch für beide Länder vorteil- haft sind, wenn sich jedes Land auf das konzentriert, was es am besten herstellen kann.

Die Globalisierung ist kein neues Phänomen. So gründete sich z. B. in Deutschland mit der Hanse bereits Mitte des 12. Jahrhun- derts eine Vereinigung von Kaufleuten, die im Seehandel lange sehr erfolgreich war. Und der Kaufmann Jakob Fugger konnte Anfang des 16. Jahrhunderts in Europa ein grenzüberschreitendes Handels- und Finanzimperium aufbauen. Getrieben durch die Öffnung der Märkte und den technischen Fortschritt hat die Globalisierung noch mehr Fahrt aufgenommen: So hat der Welthandel von 1960 bis 2012 fast um das 17-fache zugenommen – obwohl die Weltwarenpro- duktion nur um den Faktor 5,6 stieg. Die Globalisierung fördert auch die Bildung internationaler Unternehmen, die in mehreren Ländern der Welt aktiv sind. Seit 1960 stieg deren Zahl von ca. 7.000 auf inzwischen über 65.000 an.

Die größten Handelspartner Deutschlands 2014 (in Mrd. Euro, Werte gerundet)

Einfuhr Ausfuhr

Niederlande Frankreich

China Vereinigte Staaten

Frankreich Vereinigtes Königreich

Vereinigte Staaten China

Italien Niederlande

Vereinigtes Königreich Österreich

Belgien Italien

Polen Polen

Schweiz Schweiz

Russische Föderation Belgien

88 79 68 49 48 42 40 40 39 38 102 96 84 75 73 56 54 48 46

42 BMWi (2015)

Los!

Gleiche Produkte, gleiches Spielzeug, gleiche Einrichtung überall auf der Welt:

der Inbegriff der Globalisierung.

Die globale Vermögenspyramide

Quelle: Credit Suisse Global Wealth Databook 2014

44,0 0,7

Vermögen Anteil am

Gesamtvermögen (in %) Weltbevölkerung – Zahl der Erwachsenen (in %)

7,9 21,5

69,8 100.000 bis 1 Mio. USD

10.000 bis 100.000 USD 41,3

11,8

2,9

< 10.000 USD

> 1 Mio. USD

1

Ludwig Erhard hatte Amerikaner und Engländer nicht gefragt. Die waren am 20. Juni 1948 völlig überrascht, als Erhard an diesem Tag nicht nur die Deutsche Mark (DM) einführte, sondern auch die Preisbindung auf- hob. Die Siegermächte waren zwar auch für die DM, sie hatten die vielen Geldscheine in Amerika gedruckt und die wertvolle Fracht in 5000 Kisten nach Deutschland geschafft. Die neue Währung sollte den Menschen Vertrau- en geben, die Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Aber die Preise freigeben? Nein, davor hatten die Alliierten Angst, sie glaubten nicht daran, dass die Schaufenster über Nacht voll werden würden. Sie fürchteten Inflation und Proteste.

Ganz unbegründet waren die Sorgen nicht. Deutschland war durch den Krieg zerstört. Die Reichsmark war nichts mehr wert; die Menschen hatten Hunger. Jeder Bürger bekam seine Lebensmittel nur auf Bezugsschein, das reichte aber kaum zum Überleben. Preise wurden zentral festgesetzt, die Produktion gesteuert. Wer etwas mehr als die offizielle Ration haben wollte, musste dafür auf dem Schwarzmarkt astronomische Summen bezahlen oder tauschen.

Ludwig Erhard glaubte an die Kreativität und den Erfindungsgeist der Deutschen.

Wenn die Menschen erst einmal wieder Vertrauen in die eigene Währung hätten, so sein Kalkül, würde der Schwarzmarkt verschwinden, wären die Schaufenster wie- der voll. Genau so kam es. Jeder Deutsche bekam am Tag eins der Währungsreform 40 Mark Kopfgeld. Sparguthaben in der alten Reichsmark wurden getauscht; für 100 Reichsmark gab es 6,50 DM. Löhne und Mieten wurden im Verhältnis eins zu eins umgestellt. Das Wunder geschah: Über Nacht holten die Händler ihre Waren aus den Verstecken; man konnte wieder einkaufen.

Plötzlich gab es Bohnenkaffee und Südfrüch- te. Selbst ein Volkswagen wurde innerhalb von acht Tagen geliefert, wenn man 5300 DM bezahlen konnte.

Das Entscheidende war das Vertrauen in die neue Währung. Das war der Grundstock für das Wirtschaftswunder; die Schwarz- märkte trockneten über Nacht aus. Anfangs sorgte Inflation für Unmut, aber auch die verschwand rasch, weil die Unternehmen die Produktion ausweiteten und die Wirtschaft wieder in Gang kam.

Der Schwarzhandel blühte Ohne Rucksack ging gar nichts.

Obwohl Heinz Grüter am Ende des Krieges erst 17 Jahre alt war, ließen ihn seine Eltern immer wieder mit dem völlig überfüllten Zug von Essen nach Westfalen fahren. Die Bauern dort wollten feine Tücher, er brauchte Lebensmittel gegen den Hunger. Also besorgte er sich in der Tuchfabrik Stoff und dafür bekam er Speck und Eier. Aus Westfalen zurück, bezahlte er seinen Essener Tuchlieferanten mit Lebensmitteln.

Weil er geschickt tauschte, blieb am Ende immer genügend für die eigene Familie übrig.

1948: Auf einmal gab es alles. Die Währungsreform – Geburtsstunde der Sozialen Marktwirtschaft

Wieso gab es auf einmal alles?

1. Machen Sie sich Gedanken über die Wünsche der Menschen, damals und heute.

2. Welche Bedürfnisse hatten die Menschen 1948?

3. Welche Bedürfnisse haben Sie heute?

Bedürfnisse 1948 Meine Bedürfnisse heute

Los!

2 Soziale Marktwirtschaft: Was ist das?

„Ich will, dass der Einzelne sagen kann: ,Ich will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal selbstverantwortlich sein. Sorge du, Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin’.”

Ludwig Erhard

Eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach zeigt einen Vertrauensverlust in die Soziale Marktwirtschaft – und das, obwohl die Soziale Marktwirtschaft für den Wohlstand, den die Menschen in Deutschland erleben, entscheidend mitverantwortlich ist. Die wichtigsten Kritikpunkte waren danach:

Los!

1. Ordnen Sie folgende Länder der jeweiligen Wirtschaftsordnung zu.

Kuba, USA, Russland, Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Nordkorea, China 2. Begründen Sie Ihre Entscheidung!

Hier sind einige Quellen, die Ihnen bei der Recherche helfen:

BMWi – Soziale Marktwirtschaft: http://bit.ly/12ULpEW Auswärtiges Amt – Länderinformationen: http://bit.ly/zsILeC IMF Country Information Page: http://bit.ly/aUekny

Planwirtschaft

In der Planwirtschaft, auch „Zentralverwaltungswirtschaft“

genannt, wird das gesamte wirtschaftliche Geschehen von einer zentralen Stelle nach politischen Zielvorstellungen geplant, gelenkt und verwaltet. Der Staat bestimmt, z. B.

in Fünfjahresplänen, von wem, wann, wie viele und welche Güter (Waren und Dienstleistungen) hergestellt werden, wer diese erhalten soll, und legt die Preise fest. Es gibt zwischen Unternehmen keinen oder kaum Wettbewerb und in der Folge meist auch weniger Innovationen. Dieses System hemmt aber die Entwicklung von Ungleichheit.

Freie Marktwirtschaft In der „freien Marktwirtschaft“ konkurrieren verschiedene Unternehmen um die Gunst der Kunden und Verbraucher.

So entsteht Wettbewerbsdruck. Er führt dazu, dass Unter- nehmen ihre Produkte entsprechend der Wünsche ihrer Kunden weiterentwickeln, die Qualität verbessern und/

oder die Preise senken, um weiter am Markt bestehen zu können. Die Unternehmen produzieren, was die Menschen nachfragen. Die Preise bilden sich am Markt im Spiel von Angebot und Nachfrage. Dieses System des freien Marktes führt aber zu erheblicher Ungleichheit.

Soziale Marktwirtschaft

Sie setzt auf Markt, Privatinitiative, Wettbewerb, Sozialpartnerschaft und Solidarität.

Der Einzelne kann sein wirtschaftliches Schicksal selbst in die Hand nehmen.

Die Soziale Marktwirtschaft verhindert, dass der Mensch Spielball wirtschaftlicher Macht wird. Denn sie schützt sowohl vor einer Übermacht des Marktes als auch vor einer Übermacht des Staates.

Sie sorgt für soziale Sicherheit und beruht auf einer gemeinsamen Verantwortung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

[ [

48 %  Die Marktwirtschaft begünstigt die Starken, die Schwachen bleiben auf der Strecke 35 %  Leistung lohnt sich

zu wenig 32 %  Dass alles so unsicher

ist, dass es zu viele Risiken gibt 8 %  Unser Wirtschaftssystem

ist nicht leistungsfähig genug

Die Väter der Sozialen Marktwirtschaft

Der erste Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland hieß Ludwig Erhard (1897–1977). Gemeinsam mit Alfred Müller- Armack und Walter Eucken entwickelte er das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft. Sie wollten die Vorteile der freien Wirtschaft fördern und deren Nachteile durch klare Regeln eindämmen.

Daher plädierten sie vehement für ein Wirtschaftssystem, das auf Wettbewerb, Vertragsfreiheit, freie Preisbildung, Privateigentum und Haftung für wirtschaftliche Entscheidungen setzt. Ludwig Erhard bereitete die Einführung der Deutschen Mark als neue Währung vor und beendete die strenge Regulierung der Nachkriegswirtschaft mit der Währungsreform am 20. Juni 1948. Die Reformen führten zunächst zwar zu hohen Preissteigerungen, die Gewerkschaf- ten riefen im November 1948 einen Generalstreik aus. Das zu Beginn der fünfziger Jahre einsetzende sogenannte Wirtschaftswunder bestätigte dann aber Erhards Kurs. Auch Karl Schiller (SPD), Professor für Volkswirtschaftslehre und unter Kanzler Willy Brandt Wirt- schafts- und Finanzminister in der sozialliberalen Koalition, setzte später auf die Soziale Marktwirtschaft. Er gilt bis heute, neben Ludwig Erhard (CDU), als einer der führenden Wirtschaftspolitiker der Nachkriegszeit.

Kritikpunkte am deutschen Wirtschaftssystem

Quelle: IfD-Allensbach 2012

Arbeitslosigkeit in Deutschland

88 89 90 91

68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87

durch die erneuerung der sozialen Marktwirtschaft in den 80er-Jahren wurden in den alten bundesländern über drei Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen.

Ölpreiskrise und Überforderung der Wirtschaft durch den staat führten in den 70er-Jahren zu einbrüchen.

(5)

Glossar

Bruttoinlandsprodukt (BIP): Das Bruttoinlandsprodukt ist ein wichtiger Gradmesser für die Leistung einer Volkswirtschaft. Es gibt den Gesamtwert aller Güter (Waren und Dienstleistungen) an, die innerhalb eines Jahres in einer Volkswirtschaft hergestellt wurden und dem Endverbrauch dienen. Das BIP umschließt also Autos und Nahrungsmittel genauso wie Tätigkeiten von Rechtsanwälten oder Friseuren. Das BIP Deutschlands beinhaltet damit auch die Leistungen der Ausländer, die innerhalb unseres Landes arbeiten, während die Leistungen der Inländer, die im Ausland arbeiten, nicht berücksichtigt werden. Das BIP misst die wirtschaftliche Leistung eines Landes von der Produktions- und der Verwendungsseite her und wird in der Wirtschaftsstatistik bevorzugt verwendet, um sich ein Bild über den Wohlstand des Landes und die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft zu machen.

Bundeskartellamt: Das Bundeskartellamt ist eine nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie.

Rechtsgrundlage ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vom 1.1.1958. Das Bundeskartellamt ist zuständig für den Schutz des Wettbewerbs. Wichtige Aufgaben: Überwachung und Durchsetzung des Kartellverbots, Genehmigung anmeldepflichtiger Kartelle, Fusionskontrolle sowie Missbrauchsaufsicht.

Finanzkrise: Eine Reihe von Krisen hat die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion in den vergangenen Jahren unter Druck gesetzt.

Die Bankenkrise wurde zur Finanzkrise, die Finanzkrise ging über in eine Wirtschaftskrise, und schließlich gerieten die Haushalte einiger Euroländer in eine Schieflage. Einige Mitgliedstaaten waren nicht mehr in der Lage, ihre Schulden sicher zu bedienen. Durch die Staatsschuldenkrise ist die Wirtschafts- und Währungsunion in eine Vertrauenskrise gerutscht – trotz stabilem Euro.

Investitionen: Als Investition bezeichnet man die langfristige Anlage von Finanzmitteln in Vermögensobjekten, die zukünftig Erträge bringen sollen. Je nach Anlageobjekt unterscheidet man zwischen Sachinvestitionen, Finanzinvestitionen (z. B. Erwerb von Wert- papieren) und Bildungsinvestitionen. Der Verlauf der Konjunktur ist eng mit der Investitionsbereitschaft der Unternehmen verbunden.

Konjunkturelle Phasen des Abschwungs sind von verminderten

Investitionen begleitet, und Phasen des Aufschwungs und der Hoch- konjunktur gehen in der Regel mit einer hohen Investitionstätigkeit einher. Investitionen führen zu einer Belebung der Konjunktur und geben Impulse für Wirtschaftswachstum.

Kartell: Kartelle sind Absprachen (schriftlich oder mündlich) über Preise und Mengen. Dadurch wird der Wettbewerb ausgeschaltet zulasten von Abnehmern/Konsumenten. Kartelle sind durch das Wettbewerbsrecht grundsätzlich verboten. Verstoßen Unternehmen dagegen, können das Bundeskartellamt oder die Europäische Kartell- behörde Bußgelder verhängen.

Marktwirtschaft: Darunter versteht man eine Wirtschaftsordnung, in der Privateigentum an den Produktionsmitteln sowie die Abstim- mung aller wirtschaftlichen Handlungen bei dezentraler Wirtschafts- planung über den Markt typisch sind. Der Staat setzt in der Markt- wirtschaft nur Rahmenbedingungen fest, greift selbst aber nicht in das Marktgeschehen ein. Das Recht auf selbstständige Betätigung und eigenständige wirtschaftliche Entscheidungen ist sichergestellt.

Mittelstand: Das ist die gebräuchliche Bezeichnung für kleinere und mittlere Unternehmen aus den Wirtschaftsbereichen Industrie, Handwerk, Handel, dem Dienstleistungsbereich sowie den freien Berufen. Die weitaus größte Zahl der deutschen Unternehmen (mehr als 99 Prozent) gehört der mittelständischen Wirtschaft an.

Planwirtschaft (auch Zentralverwaltungswirtschaft): Bei dieser Wirtschaftsordnung plant, lenkt und kontrolliert eine zentrale Planungsbehörde den gesamten Wirtschaftsprozess unter politi- schen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Kennzeichen sind z. B.

Kollektiveigentum an den Produktionsmitteln, zentrale Wirtschafts- planung, staatliche Preisfestlegung für Güter und Dienstleistungen oder staatliche Lenkung von Berufs- und Arbeitsplatzwahl.

Soziale Marktwirtschaft: Die zentrale Idee der Sozialen Marktwirt- schaft ist es, den Mechanismus eines freien Marktes zu erhalten und gleichzeitig für sozialen Ausgleich zu sorgen. Die deutsche Wirtschaftspolitik orientiert sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts am Konzept der Sozialen Marktwirtschaft.

Mio.

Quellen: bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (bMWi), statistisches bundesamt, IZA

92 93 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14

40

30

20

10

0 2008/2009: beginn

der weltweiten Finanz- und staatsschuldenkrise der Wiedervereinigungs-boom

verdeckte zunächst die Konjunkturkrise und strukturelle Probleme der Wirtschaft.

Am 1. Januar 2002 wurde erfolgreich der euro eingeführt.

(6)

Lösungen

Arbeitsblatt 21:

1. Bruttoinlandsprodukt 2. Schulden 3. Grundgesetz 4. Gewerkschaft 5. Globalisierung 6. Angebot 7. Lernen 8. Kartell 9. Planwirtschaft 10. Staat 11. Frankreich 12. Wohlstand Lösungswort: Ludwig Erhard

Impressum

Diese Zeitbild-Ausgabe entstand in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

Verantwortlich für den Inhalt: Frank J. Richter Redaktion: Peter Wiedemann (3. Neuauflage 2016), Bernd Woischnik, Christina Georgieva, Jürgen Zurheide Didaktische Beratung: Steffen Reblin

Gestaltung: setz it. Richert GmbH, Sankt Augustin Bildnachweis:

Mappe: Titel: (von li. nach re.): iStockphoto/i-bob; Getty Images;

dpa Picture-Alliance; iStockphoto/Andreas Reh; CreativCollection;

Fotolia/Gina Sanders, S. 2: BMWi/Maurice Weiss, S. 3: (von li. nach re.):

akg-images; iStockphoto, S. 4: (von li. nach re.): dpa Picture-Alliance;

ullstein bild/Wodicka, S. 5: (von li. nach re.): dpa Picture-Alliance;

iStockphoto/i-bob; CreativCollection

Inhalt: S. 1 - S. 21: iStockphoto (Radfahrer), S. 1: dpa Picture-Alliance, S. 2: dpa Picture-Alliance, S. 3: Erik Liebermann, S. 4: Fotolia/jejje11;

wikipedia/andynormancx; Erik Liebermann, S. 5: iStockphoto/

luxcreative, S. 7: iStockphoto/Justin Horrocks, S. 8: iStockphoto/

Lise Gagne, S. 9: Erik Liebermann, S. 10: DGB, S. 11: Erik Liebermann, S. 14: iStockphoto/evirgen, S. 16: shutterstock, S. 17: iStockphoto/

itsmejust, S. 20: Erik Liebermann Druck: vier C Print Berlin, 2016

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Wieso gab es auf einmal alles?

1948: Auf einmal gab es alles. Die Währungsreform – Geburtsstunde der Sozialen Marktwirtschaft

Ludwig Erhard hatte Amerikaner und Engländer nicht gefragt. Die waren am 20. Juni 1948 völlig überrascht, als Erhard an diesem Tag nicht nur die Deutsche Mark (DM) einführte, sondern auch die Preis- bindung aufhob. Die Siegermächte waren zwar auch für die DM, sie hatten die vielen Geldscheine in Amerika gedruckt und die wertvolle Fracht in 5.000 Kisten nach Deutschland geschafft. Die neue Währung sollte den Menschen Vertrauen geben, die Wirtschaft wieder in Schwung bringen.

Aber die Preise freigeben? Nein, davor hat- ten die Alliierten Angst, sie glaubten nicht daran, dass die Schaufenster über Nacht voll werden würden. Sie fürchteten Inflation und Proteste.

Ganz unbegründet waren die Sorgen nicht. Deutschland war durch den Krieg zerstört. Die Reichsmark war nichts mehr wert; die Menschen hatten Hunger. Jeder Bürger bekam seine Lebensmittel nur auf Bezugsschein, das reichte aber kaum zum Überleben. Preise wurden zentral festgesetzt, die Produktion wurde gesteuert. Wer etwas mehr als die offizielle Ration haben wollte, musste dafür auf dem Schwarzmarkt astro- nomische Summen bezahlen oder tauschen.

Ludwig Erhard glaubte an die Krea- tivität und den Erfindungsgeist der Deutschen. Wenn die Menschen erst einmal wieder Vertrauen in die eigene Währung hätten, so sein Kalkül, würde der Schwarzmarkt verschwinden, wären die Schaufenster wieder voll. Genau so kam es. Jeder Deutsche bekam am Tag eins der Währungsreform 40 Mark Kopfgeld.

Sparguthaben in der alten Reichsmark wurden getauscht; für 100 Reichsmark gab es 6,50 DM. Löhne und Mieten wurden im Verhältnis eins zu eins umgestellt. Das Wunder geschah: Über Nacht holten die Händler ihre Waren aus den Verstecken;

man konnte wieder einkaufen. Plötzlich gab es Bohnenkaffee und Südfrüchte.

Selbst ein Volkswagen wurde innerhalb von acht Tagen geliefert, wenn man 5.300 DM bezahlen konnte.

Das Entscheidende war das Vertrauen in die neue Währung. Das war der Grundstock für das Wirtschaftswunder; die Schwarz- märkte trockneten über Nacht aus. Anfangs sorgte Inflation für Unmut, aber auch die verschwand rasch, weil die Unternehmen die Produktion ausweiteten und die Wirtschaft wieder in Gang kam.

Der Schwarzhandel blühte Ohne Rucksack ging gar nichts.

Obwohl Heinz Grüter am Ende des Krieges erst 17 Jahre alt war, ließen ihn seine Eltern immer wieder mit dem völlig überfüllten Zug von Essen nach Westfalen fahren. Die Bauern dort wollten feine Tücher, er brauchte Lebensmittel gegen den Hunger. Also besorgte er sich in der Tuchfabrik Stoff, und dafür bekam er Speck und Eier. Aus Westfalen zurück, bezahlte er seinen Essener Tuchlieferanten mit Lebensmitteln.

Weil er geschickt tauschte, blieb am Ende immer genügend für die eigene Familie übrig.

Los!

1. Machen Sie sich Gedanken über die Wünsche der Menschen, damals und heute.

2. Welche Bedürfnisse hatten die Menschen 1948?

3. Welche Bedürfnisse haben Sie heute?

Bedürfnisse 1948 Meine Bedürfnisse heute

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Soziale Marktwirtschaft: Was ist das?

„Ich will, dass der Einzelne sagen kann: ,Ich will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge du, Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin•.“

Ludwig Erhard

Die Väter der Sozialen Marktwirtschaft

Der erste Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland hieß Ludwig Erhard (1897–1977). Gemeinsam mit Alfred Müller- Armack und Walter Eucken entwickelte er das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft. Sie wollten die Vorteile der freien Wirtschaft fördern und deren Nachteile durch klare Regeln eindämmen.

Daher plädierten sie vehement für ein Wirtschaftssystem, das auf Wettbewerb, Vertragsfreiheit, freie Preisbildung, Privateigentum und Haftung für wirtschaftliche Entscheidungen setzt. Ludwig Erhard bereitete die Einführung der Deutschen Mark als neue Währung vor und beendete die strenge Regulierung der Nachkriegswirtschaft mit der Währungsreform am 20. Juni 1948. Die Reformen führten zunächst zwar zu hohen Preissteigerungen, die Gewerkschaften riefen im November 1948 einen Generalstreik aus. Das zu Beginn der 50er-Jahre einsetzende sogenannte Wirtschaftswunder bestätigte dann aber Erhards Kurs. Auch Karl Schiller (SPD), Professor für Volkswirtschaftslehre und unter Kanzler Willy Brandt Wirtschafts- und Fi- nanzminister in der sozialliberalen Koalition, setzte später auf die Soziale Marktwirtschaft.

Er gilt bis heute, neben Ludwig Erhard (CDU), als einer der führenden Wirtschaftspolitiker der Nachkriegszeit.

Kritikpunkte am deutschen Wirtschaftssystem

Eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach zeigt einen Vertrauensverlust in die Soziale Marktwirtschaft – und das, obwohl die Soziale Marktwirtschaft für den Wohlstand, den die Menschen in Deutschland erleben, entscheidend mitverantwortlich ist. Die wichtigsten Kritikpunkte waren danach:

48 % Die Marktwirtschaft begünstigt die Starken, die Schwachen bleiben auf der Strecke 35 % Leistung lohnt sich

zu wenig

32 % Dass alles so unsicher ist, dass es zu viele Risiken gibt

38 % Unser Wirtschaftssystem ist nicht leistungsfähig genug

Quelle: IfD-Allensbach 2012

Freie Marktwirtschaft

In der freien Marktwirtschaft konkurrieren verschiedene Unternehmen um die Gunst der Kunden und Verbraucher.

So entsteht Wettbewerbsdruck. Er führt dazu, dass Unter- nehmen ihre Produkte entsprechend der Wünsche ihrer Kunden weiterentwickeln, die Qualität verbessern und/

oder die Preise senken, um weiter am Markt bestehen zu können. Die Unternehmen produzieren, was die Menschen nachfragen. Die Preise bilden sich am Markt im Spiel von Angebot und Nachfrage. Dieses System des freien Marktes führt aber zu erheblicher Ungleichheit.

Planwirtschaft

In der Planwirtschaft, auch „Zentralverwaltungswirtschaft“

genannt, wird das gesamte wirtschaftliche Geschehen von einer zentralen Stelle nach politischen Zielvorstellungen geplant, gelenkt und verwaltet. Der Staat bestimmt, z. B.

in Fünfjahresplänen, von wem, wann, wie viele und welche Güter (Waren und Dienstleistungen) hergestellt werden und wer diese erhalten soll. Außerdem legt er die Preise fest. Es gibt zwischen Unternehmen keinen oder kaum Wettbewerb und in der Folge meist auch weniger Innovationen. Dieses System hemmt aber die Entwicklung von Ungleichheit.

Soziale Marktwirtschaft

Sie setzt auf Markt, Privatinitiative, Wettbewerb, Sozialpartnerschaft und Solidarität.

Der Einzelne kann sein wirtschaftliches Schicksal selbst in die Hand nehmen.

Die Soziale Marktwirtschaft verhindert, dass der Mensch Spielball wirtschaftlicher Macht wird. Denn sie schützt sowohl vor einer Übermacht des Marktes als auch vor einer Übermacht des Staates.

Sie sorgt für soziale Sicherheit und beruht auf einer gemeinsamen Verantwortung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

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Los!

1. Ordnen Sie folgende Länder der jeweiligen Wirtschaftsordnung zu:

Kuba, USA, Russland, Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Nordkorea, China 2. Begründen Sie Ihre Entscheidung!

Hier sind einige Quellen, die Ihnen bei der Recherche helfen:

BMWi – Soziale Marktwirtschaft: http://bit.ly/12ULpEW Auswärtiges Amt – Länderinformationen: http://bit.ly/zsILeC IMF Country Information Page: http://bit.ly/aUekny

(9)

Weshalb ist Wirtschaftswachstum wichtig?

Man könnte sich ja durchaus fragen: Warum brauchen wir noch weiteres Wirtschafts- wachstum, wenn wir doch schon ein hohes Wohlstandsniveau erreicht haben? Tatsächlich lässt sich der jetzige Zustand aber nicht einfach „einfrieren“. So führt z. B. die zunehmende Automatisierung in der Industrie dazu, dass immer mehr von immer weniger Menschen produziert wird – die Produktivität steigt. Gleichzeitig gehen dadurch aber auch Arbeitsplätze verloren. Wir brauchen Wirtschaftswachstum, damit diese Arbeitsplätze an anderer Stelle neu entstehen. Zudem steht unsere Wirtschaft im internationalen Wettbewerb. Ausländische Investoren bevorzugen dynamische, wachsende Volkswirtschaften, wenn es z. B. darum geht, wo eine neue Fabrik errichtet werden soll. Zudem kann nur eine wachsende Volkswirtschaft die besten Talente für sich gewinnen. Schließlich schafft Wirtschaftswachstum finanzielle Spielräume für Investitionen in Bildung, Kultur und soziale Projekte.

Prozent

2008

1992 1996

Wirtschaftswachstum (BIP) in Prozent Arbeitslosenquote in Prozent

Beschäftigte in Millionen (Skala rechts)

30 20 10

0 -10

2004

2000 2012

Mio.

60 40 20 20140 Quellen: Statistisches Bundesamt, BMWi, 2014

Es ist genau wie beim Kaffee- kränzchen von Onkel Herbert:

Wenn der Kuchen zu klein ist, werden nicht alle satt. Deshalb ist es auch in der Sozialen Markt- wirtschaft wichtig, einen mög- lichst großen Kuchen zu backen.

Veränderung des BIP

Das Bruttoinlandsprodukt (Abkürzung: BIP) ist ein wichtiger Gradmesser für die Leistung einer Volkswirtschaft.

Es gibt den Gesamtwert aller Güter (Waren und Dienstleistungen) an, die innerhalb eines Jahres in einer Volks- wirtschaft hergestellt wurden und dem Endverbrauch dienen. Das BIP umschließt also Autos und Nahrungsmittel genauso wie Tätigkeiten von Rechtsanwälten oder Friseuren. Wenn von wirtschaftlichem Wachstum gesprochen wird, bezieht sich dies meist auf die (jährliche) Veränderung des BIP. Das Wirtschaftswachstum hat sich in der Vergan- genheit nicht gleichmäßig entwickelt. Gründe dafür sind beispielsweise die Ölkrise (1974/75), der Wachstumsschub durch die Wiedervereinigung (1990), die Internetblase und der Zusammenbruch des Neuen Marktes (2001) oder die Finanzmarktkrise (2009). Zeiten, in denen das Wirtschaftswachstum negativ ist, das BIP also kleiner wird, werden auch als Rezession bezeichnet. Genauer gesagt spricht man von einer Rezession, wenn das Wirtschaftswachstum in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen negativ gegenüber den jeweiligen Vorjahresquartalen ist.

Los!

Stellen Sie sich vor, dass Sie Bundeswirtschaftsministerin/Bundeswirtschaftsminister wären.

Benennen Sie Maßnahmen, um das Wirtschaftswachstum in Deutschland zu steigern. Begründen Sie Ihre Entscheidung.

Den Kauf neuer Autos von Kfz-Steuern befreien Geld drucken und jedem Bürger 1.000 Euro auszahlen Steuern senken für die Bürger

Investitionen und neue Technologien durch steuerliche Anreize fördern Steuern senken für die Unternehmen

Erneuerbare Energien fördern Rente erst ab 70 auszahlen

Urlaub nur noch in Deutschland erlauben Samstagsarbeit wieder einführen

Den Import ausländischer Waren behindern

(10)

Warum schafft Wettbewerb Wohlstand?

Die Soziale Marktwirtschaft lebt vom Wettbewerb; er ist die Voraussetzung für Wachstum, Arbeitsplätze und Wohlstand. Der Wettbewerb um Kunden führt dazu, dass Unternehmen ihre Produkte ständig verbessern und/oder die Preise senken müssen, um am Markt zu bestehen. Der Wettbewerb sorgt so für ständige Innovationen, die Produkte und Dienstleistungen attraktiver oder günstiger machen. Beides ist bei Handys passiert: Diese haben sich in den vergangenen Jahren technisch rasant weiterentwickelt (Touchscreen, LTE-Empfang). Gleichzeitig sind die Preise für das Telefonieren, SMS und mobiles Internet stark gesunken. Dies hatte zwei Ursachen. Zum einen konnten die Unternehmen durch neue technologische Erfindungen dieselben Leistungen immer billiger anbieten. Zum anderen versuchten Anbieter mit niedrigeren Prei- sen und besseren Leistungen immer mehr Kunden zu gewinnen (Wettbewerb). Und die Kunden freuten sich: Sie können heute für dasselbe Geld mehr telefonieren oder genauso viel telefonieren und das restliche Geld für etwas anderes ausgeben.

Quellen: Statistisches Bundesamt, Zeitbild

300

250

200

150

100

50

0 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

Preisentwicklung Mobilfunkdienste in Deutschland

Umrechnungsbasis: 2010 = 100

2014

89,7

Schon die Väter der Sozialen Marktwirtschaft haben von „Wett- bewerbsordnung“ gesprochen. Das hat zwei Seiten: Freiheit und Ordnung. Erstens die freie Entfaltung der besseren Ideen. Zweitens die ordnende Kraft des Staates. Denn Wettbewerb funktioniert nur dann, wenn faire Bedingungen dafür herrschen.

„Kaufleute sind interessiert, den Wettbewerb einzuschränken.“

Adam Smith (1723–1790)

Für Unternehmen bedeutet der Wettbewerb mit anderen Unter- nehmen Risiko und Kosten. Unternehmen versuchen deshalb den Markt möglichst zu dominieren, um hohe Preise und Gewinne zu erzielen. Es passiert immer wieder, dass Unternehmen unliebsame Wettbewerber auch durch unfaire Tricks ausschalten wollen. Hier ist der Staat gefordert! Schon Ludwig Erhard hatte das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) eingebracht, das zum Beispiel Kartelle verbietet. Von einem Kartell spricht man, wenn sich meh- rere konkurrierende Unternehmen über Preise, angebotene Men- gen, Rabatte oder Absatzgebiete absprechen, um den Wettbewerb auszuschalten. Für einen fairen Wettbewerb sorgt noch ein weiteres Gesetz: das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Danach dürfen Unternehmen z. B. in ihrer Werbung keine Lügen über ihre Wettbewerber und deren Produkte verbreiten. Auch das Nachma- chen z. B. von Markenprodukten eines Wettbewerbers ist verboten.

Los!

Erklären Sie die Maßnahmen der deutschen Bundesregierung, die getroffen wurden, um mehr Transparenz auf dem Benzinmarkt zu schaffen. Beurteilen Sie die Bedeutung und Effektivität der beschlossenen Maßnahmen.

Infos, die Ihnen weiterhelfen, finden Sie hier:

Tagesschau.de: http://bit.ly/129abRV Bundeskartellamt: http://bit.ly/1PwUuxd

Bundeswirtschaftsministerium: http://bit.ly/1bTTBOv

Eine App für den Vergleich von Spritpreisen finden Sie unter: http://bit.ly/1tfpnvg

(11)

Teuer, günstig oder gerade richtig?

Wie bilden sich die Preise?

Menge in Gramm

Nachfrage

4

3

2

1 500 1000 1500 2000

Preis in Euro

Angebot

Am Obststand „Schenk“ auf dem Vik- tualienmarkt in München kostet ein Kilo Bananen bis zu 3,95 Euro. In einem Supermarkt am Rande von München da- gegen meist nur 1,29 Euro. In der Sozialen Marktwirtschaft entstehen solche Preise durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Grundsätzlich gilt, dass bei steigenden Preisen die Nachfrage sinkt – weil immer weniger Menschen bereit sind, so viel Geld z. B. für ein Kilo Bananen auszugeben. Gleichzeitig erhöht sich bei steigenden Preisen das Angebot – weil es immer lohnender wird, z. B. Bananen zu importieren und zu verkaufen. Das heißt in diesem Fall: immer mehr Bananen auf den Märkten (steigendes Angebot, da hohe Preise) für immer weniger Käufer (sinken- de Nachfrage, da zu teuer). Ein Händler passt nun seinen Bananenpreis so lange nach oben oder nach unten an, bis er den größtmöglichen Gewinn erzielt. Oft wird dies der Preis sein, bei dem das Produkt aus angebotenem Preis und aktueller Nach- frage den höchsten Wert erzielt. Grafisch

abgebildet ist das der Punkt, an dem sich die beiden Linien, die Angebot und Nachfrage darstellen, treffen. Dies ist der sogenann- te Marktgleichgewichtspreis. Wie kann es dann aber sein, dass die Bananen am Obststand „Schenk“ so viel teurer verkauft werden als im Supermarkt am Rande von München? Der Grund dafür ist, dass An- gebot und Nachfrage durch viele Faktoren beeinflusst werden: So weiß ein Tourist aus dem Ausland vielleicht nicht, dass der Bananenpreis auf dem Viktualienmarkt für deutsche Verhältnisse relativ hoch ist. Oder er hat keine Zeit, zum günstigeren Super- markt zu gehen, da er schon bald wieder in den Reisebus einsteigen muss. Oder aber er will einmal etwas auf dem bekannten Viktualienmarkt eingekauft haben und ist bereit, für dieses Erlebnis mehr zu bezah- len. Viele weitere Gründe sind denkbar.

Bestimmte Verhaltensweisen von Unter- nehmen können die Preisbildung aber stark beeinträchtigen und dadurch den Kunden schaden. Dazu zählen Preisabsprachen zwi- schen Verkäufern, die man Kartelle nennt.

Der Obststand auf dem Viktualienmarkt und der Supermarkt könnten sich z. B.

verabreden, Bananen nur noch für 5 Euro pro Kilo zu verkaufen – die Kunden hätten dann keine Wahl mehr. Preise können auch steigen, wenn es nur noch einige wenige (Oligopol) oder sogar nur noch einen Ver- käufer (Monopol) gibt. In unserem Beispiel wäre das der Fall, wenn der Supermarkt schließt und nur noch der Obststand vom Viktualienmarkt Bananen anbietet – hier hätten die Kunden dann ebenfalls keine Wahl mehr. Die Unternehmen könnten sich aber auch durch unfaire Praktiken ge- genseitig schaden, zum Beispiel wenn Herr Schenk vom Viktualienmarkt Gerüchte verbreiten würde, dass die im Supermarkt verkauften Bananen mit gefährlichen Bakterien verunreinigt sind. Aufgabe des Staates ist es in all diesen Fällen, den fairen Wettbewerb zu schützen und missbräuch- liche Entwicklungen zu unterbinden, da die Bürgerinnen und Bürger sonst mit höheren Preisen bei schlechterer Qualität zu rechnen hätten.

Los!

1. Ergänzen Sie den Lückentext mit folgenden Begriffen. Achten Sie darauf, dass einige Begriffe doppelt verwendet werden können, währenddessen andere nicht sinnrelevant sind.

2. Erläutern Sie anhand der Grafik und eines selbst gewählten Beispiels das Prinzip von Angebot und Nachfrage.

Begriffe: Aktie, Angebot, Geld, Gewinn, Kartell, Kurs, Liberalisierung, Markt, Monopol, Nachfrage, Preis, sinken/sinkt, steigen/steigt, Währung

Angebot und Nachfrage werden durch den Preis beeinflusst: Steigt der Preis, den der Anbieter erzielen kann, dann steigt , weil der Anbieter einen höheren erzielen kann. Dagegen nimmt bei einem steigenden Preis ab. Umgekehrt verhält es sich, wenn der Preis sinkt: Dann erhöht sich . Steigt das Angebot bei gleichbleibender Nachfrage, dann sinkt

. Erhöht sich die Nachfrage bei gleichbleibendem Angebot, dann der Preis.

(12)

Welche Aufgaben hat der Staat?

Nicht alle Aufgaben des Staates sind wirt- schaftlicher Natur. Selbstverständlich muss der Staat z. B. seine Bürger vor Gefahren schützen (Polizei, Feuerwehr, Militär).

Viele Aufgaben dienen aber zumindest auch dazu, eine erfolgreiche wirtschaftliche Tätigkeit zu ermöglichen. So stellt der Staat beispielsweise die notwendige Infrastruk- tur (Straßen etc.) bereit, schafft Rechtssi- cherheit und ermöglicht eine friedliche Streitbeilegung über die Gerichte. Oder er gewährt mit Schulen und Universitäten allen Zugang zur Bildung.

In bestimmten Fällen beeinflusst der Staat die Wirtschaft direkt. Insbesondere stellt er mit Gesetzen und Verordnungen die Spielregeln auf. So regelt die Gewerbe- ordnung z. B., für welche Gewerbe man eine Erlaubnis benötigt. Sozialgesetze sorgen dafür, dass Härten infolge von Arbeitslo- sigkeit oder Krankheit abgefedert werden.

Und Umweltgesetze stellen sicher, dass Umweltverschmutzer auch wirklich zur Kas- se gebeten werden. Werden die Vorgaben nicht eingehalten, setzt der Staat sie durch.

In bestimmten Fällen greift der Staat lenkend ein, z. B. durch Förderprogramme, die etwa Existenzgründern beim Start in die Selbstständigkeit helfen, oder durch Kon- junkturprogramme, die zu einer Belebung der Wirtschaft beitragen.

Ordnungspolitischer Rahmen und staatliche Eingriffe

In der Sozialen Marktwirtschaft haben das eigenverantwortliche Handeln und der freie Wettbewerb grundsätzlich Vorrang vor staatlichen Eingriffen. Der Staat schafft nur die notwendigen Rahmenbedingungen (Gesetze, Infrastruktur etc.), hält sich aber sonst zurück.

Staatliche Eingriffe beschränken sich daher regelmäßig auf die Anwendung und Durchset- zung geltenden Rechts (z. B. des Kartellverbots zum Schutz des freien Wettbewerbs). Nur in Ausnahmefällen greift der Staat lenkend in das Geschehen ein.

1. Kartellrecht Verbot von Preisabsprachen

Beispiel Absprache Hersteller/Handel Das Bundeskartellamt (BKartA) hat gegen mehrere Supermarktketten und Hersteller von Süßwaren, Kaffee, Tiernahrung und Körperpflegeprodukten Bußgelder in Höhe von insgesamt 151,6 Millionen Euro verhängt. Die an diesem Kartell beteiligten Unternehmen haben sich unter anderem über Ladenpreise für bestimmte Produkte abgesprochen (Mitteilung des BKartA vom 18.06.2015).

2. Förderprogramme Unterstützung von volkswirtschaftlich

nützlichen Projekten Beispiel EXIST-Programm EXIST ist ein Förderprogramm des Bundes- wirtschaftsministeriums (BMWi). Ziel ist es, das Gründungsklima an Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu verbessern.

Das BMWi hat dazu seit 1998 mehr als 230 Projekte mit über 130 Millionen Euro unterstützt. (www.exist.de)

480.000.000.000 EUR

Nach dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Großbank Lehman Brothers stürzte die Welt im September 2008 in eine tiefe Finanzkrise. An den Finanzmärkten kursierten hoch komplizierte Finanzprodukte, die plötzlich nichts mehr wert waren.

Finanzexperten hatten zum Beispiel riskante Immobilienkredite von Schuldnern in den USA gebündelt. Als diese ihre Zinsen nicht mehr zahlen konnten und reihen- weise ihre Häuser verkauft wurden, verloren zuerst die Kredite und dann die ver- kauften Häuser drastisch an Wert. Auch europäische Banken hatten diese Finanz- produkte gekauft. Als deren Wert sank, fehlte Geld, um die Löcher zu stopfen. In der Folge drohten auch in Deutschland große Geldhäuser zusammenzubrechen. Die Bank „Hypo Real Estate“ musste sogar verstaatlicht werden. Banken wurden sehr vorsichtig, und viele Unternehmen erhielten neue Kredite nur noch unter deutlich schlechteren Bedingungen oder gar nicht mehr. Eine Vertrauenskrise drohte, die unsere gesamte Wirtschaft erschüttert hätte. Deshalb richtete die Bundesregierung im Oktober 2008 vorsorglich einen Fonds mit einem in seiner Dimension bis dahin einzigartigen Garantievolumen von 480 Milliarden Euro ein, um weitere Banken- pleiten zu verhindern. Neben den Banken wurde die sogenannte Realwirtschaft (gewerbliche Unternehmen) parallel dazu mit zwei großen Konjunkturprogram- men, im November 2008 und im Januar 2009, unterstützt. Auch andere europäische Regierungen, und die Regierung der USA, handelten nach einem ähnlichen Muster.

Los!

Benennen Sie tabellarisch Möglichkeiten ordnungspolitischer und wirtschaftlicher Eingriffe aus Sicht des Staates und aus Sicht eines Unternehmens. Nehmen Sie Stellung zu folgenden Beispielen: Schulen gründen, Krankenhäuser verwalten, Autos bauen, die Deutsche Bahn managen.

Staat Unternehmerin/Unternehmer

(13)

Wo steht die Soziale Marktwirtschaft im Grundgesetz?

Obwohl die Soziale Marktwirtschaft nicht namentlich im Grundgesetz als deutsches Wirtschaftssystem festgehalten ist, legen zentrale rechtliche Elemente die Grundlage für diese Wirtschaftsordnung.

Grundgesetz

Artikel 2

[Handlungsfreiheit, Freiheit der Person]

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

Artikel 9

[Vereinigungsfreiheit]

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereini- gungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig ...

Artikel 12

[Berufsfreiheit, Verbot der Zwangsarbeit]

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeits- platz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.

Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich ange- ordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Artikel 14

[Eigentum, Erbrecht, Enteignung]

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewähr- leistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt ...

Artikel 15

[Sozialisierung]

Grund und Boden, Naturschätze und Produktions- mittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschä- digung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.

Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

Artikel 20

[Sozialer Bundesstaat]

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demo- kratischer und sozialer Bundesstaat.

Artikel 28

[Sozialer Rechtsstaat]

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen ...

Diese Rechte sind in der Sozialen Marktwirtschaft durch gesetzliche Regelungen dort eingeschränkt, wo die Rechte anderer verletzt werden können. Solche Gesetze sind z. B. Gewerbeordnung, Handwerksordnung, Ladenschluss- gesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz, Kündigungsschutzgesetz, Schwerbeschädigtengesetz, Bundesurlaubsgesetz, Kartellgesetz, Tarifvertragsgesetz, Berufsbildungsgesetz.

Los!

Erörtern Sie die Berufsfreiheit. Gehen Sie dabei auch auf die Beschränkung in einigen Berufen ein.

(14)

Was ist sozial an der

Sozialen Marktwirtschaft?

Friseursalon HaarKlein Lohn-/Gehaltsabrechnung Zeitraum Oktoberz 2015

Frau Anna Stieglitz Schlossallee 17 53117 Bonn

Grundgehalt 1.496,00 EUR Steuer/Sozialversicherung

Lohnst Kir.St Soz

91,66 EUR 7,33 EUR 2,13 EUR KV-Beitrag RV-Beitrag

121,18 EUR 139,88 EUR AV-Beitrag PV-Beitrag 22,44 EUR 21,32 EUR

Auszahlung:

1.090,06 EUR

Anna, 20 Jahre, freut sich: Ihre Chefin hat sie nach ihrer Ausbildung als Vollzeitkraft in ihrem Friseurgeschäft übernommen und zahlt ihr nun den gesetzlichen Mindestlohn – 8,50 Euro die Stunde. Der gesetzli- che Mindestlohn bildet eine Art Sicherheitsnetz, damit der Wettbewerb zwischen Unternehmen nicht zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Vereinbarung immer niedriger Löhne, sondern um die besseren Produkte und Dienstleistungen stattfindet. Mit dem Mindestlohn verdient Anna bei einer 40-Stunden-Woche 1.496,00 Euro im Monat. Doch davon landet nicht alles auf ihrem Konto, sondern es gibt Abzüge: Neben der Lohnsteuer sind das vor allem Abzüge für die Krankenversiche-

rung (KV-Beitrag), Rentenversicherung (RV-Beitrag), Pflegeversicherung (PV-Beitrag) und Arbeitslosenversicherung (AV-Beitrag) sowie der Solidaritätszuschlag (Soz) für den

wirtschaftlichen Aufbau Ostdeutschlands und die Kirchensteuer.

Einer für alle, alle für einen

Die Soziale Marktwirtschaft verbindet die Freiheit auf dem Markt mit dem sozialen Ausgleich. Damit keiner auf der Strecke bleibt, tragen (wirtschaftlich) starke Schultern mehr als die schwachen. Dies ist das sogenannte Solidarprinzip. Je mehr Geld Anna verdient, desto höher wird auch der Anteil der Abzüge auf ihrem Lohnzettel. Doch wenn sie krank wird oder ihren Job verliert, dann kann sie sich auf die Solidar-

gemeinschaft verlassen.

Sozialleistungen 2014

Schätzungen in Prozent des Bruttoinlandsprodukts Frankreich

Finnland Belgien Italien Schweden Spanien Deutschland Portugal

Vereinigtes Königreich Vereinigte Staaten Kanada

Durchschnitt OECD: 21,6 31,9 31,0 30,7 28,6 28,1 26,8 25,8 25,2 21,7 19,2 17,0

Quelle: OECD, 2015

Der Ausbau des Sozialstaats 2014

Sozialleistungen insgesamt: 808,3 Mrd. Euro, davon sind:

43,0

Krankheit, Invalidität

39,1

Alter, Hinterbliebene

11,1

3,9 2,9

Kinder, Ehegatten, Mutterschaft

Arbeits- losigkeit

Sonstiges

%

Quelle: BMAS, Sozialbudget 2014, Zeitbild

Los!

1. Geben Sie mit eigenen Worten Ihre Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit wieder.

2. Benennen Sie die Aussagen, die auf die Soziale Marktwirtschaft zutreffen. Begründen Sie Ihre Entscheidung.

Sozial gerecht ist für mich, ja nein

wenn die Menschen entsprechend ihres Einkommens Beiträge zur Sozialversicherung leisten.

wenn jeder einen gleichen Anteil seines Einkommens an Beiträgen zahlt.

wenn Menschen, die selten krank sind, niedrigere Krankenversicherungsbeiträge zahlen sollen.

wenn Menschen mit niedrigem Einkommen die gleiche Krankenversorgung erhalten.

wenn Menschen, die keine Kinder haben, weniger Rente erhalten sollen.

wenn Raucher einen höheren Krankenversicherungsbeitrag zahlen sollen.

wenn alle die gleiche Rente erhalten.

(15)

Sozialpartnerschaft:

Gemeinsam stärker?!

Deutschland wird weltweit nicht nur für seine wirtschaftlichen Erfolge geachtet, sondern auch für die soziale Stabilität. Grundlage dafür ist die Sozialpartnerschaft, in der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam Verantwortung übernehmen. So haben Arbeit- geber und Arbeitnehmer in vielen Unternehmen flexible Beschäftigungszeiten vereinbart.

Dies hat ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die deutsche Wirtschaft die Finanz- und Wirtschaftskrise gut gemeistert hat und die Zahl der Arbeitslosen trotz der Krise begrenzt geblieben ist. Die Sozialpartnerschaft in Deutschland fußt auf den beiden Säulen:

Tarifpartnerschaft (Tarifautonomie)

Mitbestimmung

Tarifautonomie

Die Tarifautonomie hat sich zu einer tra- genden Säule der Sozialen Marktwirtschaft entwickelt. Sie bedeutet, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften die Höhe der Löhne und Gehälter sowie Arbeitsbedingungen wie z. B. die Arbeitszeit unbeeinflusst vom Staat aushandeln. Die Tarifpartner kön- nen am besten die wirtschaftliche Lage ihres Unternehmens bzw. ihrer Branche einschätzen und einen für beide Seiten vernünftigen Kompromiss finden. Der Staat legt lediglich einen äußeren Rahmen fest, z. B., wie viele Stunden eine Arbeitneh- merin/ein Arbeitnehmer pro Tag arbeiten darf oder wie viel Urlaub ihr/ihm im Jahr mindestens zusteht.

Mitbestimmung im Aufsichtsrat

Der Aufsichtsrat ist ein Kontrollgremi- um des Unternehmens und z. B. für Akti- engesellschaften und Genossenschaften gesetzlich vorgeschrieben. Der Aufsichtsrat überwacht u. a. die Geschäftsführung und legt deren Gehälter fest. Bei großen Unter- nehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern wird er zu gleichen Teilen durch Vertreter der Anteilseigner und der Arbeitnehmer gebildet. Die Anteilseigner stellen den Auf- sichtsratsvorsitzenden, der bei Stimmen- gleichheit mit einer Doppelstimme für die Pattauflösung sorgt. Über den Aufsichtsrat können Arbeitnehmer strategische Fragen mitbestimmen (Unternehmensmitbestim- mung).

Der Betriebsrat

In Deutschland können Mitarbeiter von Unternehmen mit mindestens fünf Angestellten einen Betriebsrat gründen.

Dieser vertritt die Interessen der Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer und hat dazu besondere Informations-, Anhö- rungs- und Mitwirkungsrechte. Bestimmte Regelungen, wie Änderungen der täglichen Arbeitszeiten, kann ein Arbeitgeber z. B.

nur vornehmen, wenn der Betriebsrat zustimmt. Über den Betriebsrat können Arbeitnehmer daher wichtige betriebliche Entscheidungen mitbestimmen (betriebli- che Mitbestimmung).

Kooperation statt Konfrontation

Die deutsche Sozialpartnerschaft wird von vielen Wirtschaftsexperten, auch im Ausland, als ein wichtiger Standortfaktor Deutschlands angesehen. Im Dialog zwi- schen Arbeitgebern und Arbeitnehmern können Probleme bereits geklärt werden, bevor sie eskalieren und etwa in Streiks münden. Es gibt aber auch Kritiker, die insbesondere die Mitbestimmung als zu bürokratisch, zeitraubend und kostenin- tensiv ansehen.

Arbeitskämpfe:

Großes Gefälle

Im Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2013 durch Streiks und Aussperrungen verlorene Arbeitstage je 1.000 Arbeitnehmer

139 Frankreich

135 Italien

23 Vereinigtes Königreich

Deutschland USA Polen Österreich Schweiz 16

9 5 2 1

66 Spanien

76 Finnland

Quelle: WSI Hans-Böckler-Stiftung

Los!

Ein Start-up-Unternehmen, das Computerspiele entwickelt, hat großen Erfolg. Jetzt möchten die Beschäftigten darüber verhandeln, wie alle am Erfolg beteiligt werden können. Gestalten Sie im Kurs ein Rollenspiel. Die Verhandlungselemente sind: Unternehmensbeteiligung, Arbeitszeiten, betrieblicher Service (z. B. Kinder- betreuung). Übernehmen Sie dazu die Rollen der Arbeitgeber (Management) und des Betriebsrats. Sammeln Sie Argumente und stellen Sie die Positionen der Beteiligten im Rollenspiel dar.

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