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Rechtsexpertise zum Bedarf einer Präzisierung und Erweiterung der im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannten Merkmale

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Academic year: 2022

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Forschung der ADS auf einen Blick:

Rechtsexpertise zum Bedarf einer Präzisierung und Erweiterung der im

Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannten Merkmale

Die Studie im Überblick

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sieht in § 1 sechs Gründe vor, aufgrund derer nie- mand benachteiligt werden darf: die „Rasse“ oder ethnische Herkunft, das Geschlecht, die Religion oder Weltanschauung, eine Behinderung, das Alter oder die sexuelle Identität.

Benachteiligungen können jedoch auch an andere Diskriminierungsmerkmale anknüpfen, zum Bei- spiel an sozioökonomische Faktoren, an die familiäre Situation oder an das äußere Erscheinungsbild.

Die Erweiterungen der Schutzgründe in § 1 AGG ist grundsätzlich möglich, wie ein Blick in anderer EU-Mitgliedsstaaten oder die EU-Grundrechtecharta zeigt. Die vorliegende Expertise widmet sich der Frage des Reformbedarfes der geschützten Merkmale im AGG. Im Rahmen einer rechtsvergleichen- den Analyse wird untersucht, ob und inwieweit eine Präzisierung oder Erweiterung der im AGG ge- nannten Merkmale angezeigt erscheint. Die Rechtsexpertise umfasst die Erstellung eines Überblicks der bisherigen deutschen und europäischen Rechtsprechung sowie die Erhebung des aktuellen For- schungsstandes. Weiterhin wird am Beispiel anderer EU-Mitgliedsstaaten analysiert, inwieweit deren Antidiskriminierungsrecht aufgrund präzisierender oder weiterer Merkmale Wege aufzeigt, um wei- tere Merkmalsbereiche vor Diskriminierung zu schützen.

Titel der Studie und Autor_innen:

Die Studie wurde durchgeführt von Ulla Kuniß-Nickel, Rechtsanwältin und Bärbel Kuhlmann, Recht- anwältin, Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft. Sie wird folgendermaßen zitiert:

Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft (2019): Rechtsex- pertise zum Bedarf einer Präzisierung und Erweiterung der im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannten Merkmale. Rechtsexpertise im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Methode

Zur Analyse eines möglichen Reformbedarfs des § 1 AGG wurden aktuell bestehenden Merkmale und Rechtsfolgen nach deutschem Recht untersucht und die Rechtsfolgen kurz skizziert. Des Weiteren wurden die bisherige Rechtsprechung und der aktuelle Forschungsstand sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene erfasst. Im folgenden Schritt wurden exemplarisch die Rechtsordnun- gen der Länder Belgien, Bulgarien, Finnland und Großbritannien ausgewählt, die im Rahmen eines Rechtsvergleichs mit dem deutschen Antidiskriminierungsrecht untersucht wurden. Es erfolgte eine Analyse der jeweiligen Rechtsfolgen sowie des bestehenden Klage- beziehungsweise

Beschwerdeaufkommens in dem jeweiligen Land.

Zur Vertiefung dieser Analysen kamen leitfadengestützte Expert_inneninterviews mit Akteur_innen der Antidiskriminierungsarbeit und Rechtsexpert_innen sowohl auf nationaler, internationaler als auch auf supranationaler Ebene zur Anwendung. Die gewonnenen Untersuchungsergebnisse wurden

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in der Rechtsexpertise an den relevanten Stellen eingearbeitet und in Bezug zu den bundesdeutschen Regelungen der Diskriminierungsgründe und der dazu vorliegenden Rechtsprechung gesetzt.

Ergebnisse

Es kommen verschiedene Ansätze für eine Verbesserung und Erweiterung des Diskriminierungsschut- zes im AGG in Betracht, insbesondere die Aufnahme weiterer oder die Konkretisierung bestehender Merkmale sowie der Wechsel zu einem offenen Merkmalskatalog.

Insgesamt zeigt sich, dass viele Fallgestaltungen, die in den untersuchten europäischen Rechtsord- nungen entweder über zusätzliche Merkmale oder einen erweiterten Anwendungsbereich geschützt sind, jeweils im Einzelfall über die Merkmale des AGG erfasst werden könnten. Insoweit bleibt das Schutzniveau des deutschen Antidiskriminierungsrechts in Deutschland nicht wesentlich hinter dem Schutzniveau der im Rahmen dieser Studie untersuchten vier EU-Mitgliedstaaten zurück.

Rechtliche Klarstellung für die Merkmale „ethnische Herkunft“ und Geschlecht

Hinsichtlich des festgestellten unterschiedlichen Anwendungsbereiches einzelner Merkmale kommt eine Konkretisierung bestehender Merkmale des AGG in Betracht, insbesondere für die Merkmale Staatsangehörigkeit, Sprache sowie Geschlechtsidentität an. Diese stehen in einem engen inhaltli- chen Zusammenhang zu bereits vorhandenen Diskriminierungsgründen. So weisen Sprache und Staatsangehörigkeit einen starken Bezug zur Herkunft eines Menschen auf. Somit könnte durch eine Konkretisierung des Merkmals ethnische Herkunft eine Einbeziehung in den Schutzbereich erfolgen.

Eine Konkretisierung von Geschlechtsidentität als dem Merkmalsbereich Geschlecht zugehörig könnte mehr Rechtssicherheit geschaffen werden.

Gleichwohl bleiben einige wenige Merkmale, die im deutschen AGG bislang keinen Diskriminierungs- schutz genießen, weil sie in keinem inhaltlichen Zusammenhang zu einem der vorhandenen Merk- male stehen. Dies ist insbesondere bei den Merkmalen familiärer Status sowie sozioökonomischer Status der Fall.

Mögliche Aufnahme des Diskriminierungsmerkmals „Familiärer Status“

Für die in anderen Ländern geschützten Merkmalskategorien Ehestand und Lebenspartnerschaft/Fa- milienstand/ Personenstand/familiäre Beziehungen kommt für Deutschland eine Erweiterung in Be- tracht. Persönliche Verhältnisse wie zum Beispiel der Status als Verheiratete_r oder Alleinerzie- hende_r oder das Vorhandensein minderjähriger Kinder oder pflegebedürftiger Angehöriger sind vom Schutzbereich des AGG derzeit nicht erfasst. Die Ehe und Familie genießen einen besonderen Schutz sowohl auf verfassungsrechtlicher als auch europäischer Ebene.

Prüfung der Aufnahme des Merkmals „Nachteiliger sozioökonomischer Status“

In der Betrachtung von Diskriminierungsgründen mit sozioökonomischem Bezug wurde im Rahmen der Studie deutlich, dass Benachteiligungen aus sozioökonomischen Gründen vermehrt in Kombina- tion mit bereits geschützten Merkmalen auftreten und Rechtsunsicherheiten bei der Definition sowie Abgrenzung des Anwendungsbereiches eines solchen Merkmals verbleiben. Diese könnten einer ent- sprechenden Erweiterung des Merkmalskatalogs entgegengehalten werden.

Gleichwohl konnte keines der besprochenen Strukturmodelle, weder die Öffnung des abschließen- den Merkmalskatalogs noch die Erweiterung beziehungsweise Konkretisierung der geschützten Merkmale, abschließend priorisiert werden. Gemein ist allen Modellen, dass sie mit einer Geset- zesnovellierung des AGG einhergingen, der in jedem der Fälle ein zeitintensiver und kontroverser Dis- kussionsprozess der politischen Wissensbildung zwischen Gesetzgeber, Vertreter_innen von Be- troffenengruppen, der juristischen Fachwelt sowie anderen Akteur_innen der Antidiskriminierungsar- beit vorausginge.

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Die vorliegende Studie hat Vor- und Nachteile der Weiterentwicklungsmöglichkeiten des gesetzlichen Merkmalskatalogs in § 1 AGG untersucht und diskutiert. Als offene Forschungsfrage bleibt, auf wel- chen Wegen die Rechtsdurchsetzung für bestehende und neu aufzunehmende Diskriminierungs- gründe zu verbessern ist. Denn es konnte gezeigt werden, dass ein Mehr an Merkmalen nicht zwangsläufig zu einem effektiveren Diskriminierungsschutz führt. Mithin ist zu vermuten, dass ein höherer Schutzumfang für mehr Merkmalsbereiche nicht die Defizite in Rechtszugang und Rechts- durchsetzung für die Betroffen verbessern kann. Hier bedarf es weiterer Erkenntnisse, welche kon- kreten Barrieren für eine Klagebereitschaft bestehen und welche Faktoren einer effektiven Rechts- durchsetzung im Wege stehen.

Mehr Informationen

Die Studie „Rechtsexpertise zum Bedarf einer Präzisierung und Erweiterung der im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannten Merkmale“ stehen => hier zum Download zur Verfügung.

Kontaktdaten: Antidiskriminierungsstelle des Bundes Glinkastraße 24

10117 Berlin

Telefon: +49 (0) 3018 555 – 1855

Juristische Erstberatung - E-Mail: beratung@ads.bund.de Allgemeine Anfragen - E-Mail: poststelle@ads.bund.de

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