• Keine Ergebnisse gefunden

Die Mensch-Tier-Differenz in der Anthropologie

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Aktie "Die Mensch-Tier-Differenz in der Anthropologie"

Copied!
26
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Die Mensch-Tier-Differenz in Religionen und Weltanschauungen

In den „abrahamitischen“ Religionen Spannung

zwischen „Ausnutzung“ und „Kultivierung“ als zwei Dimensionen von Herrschaft über die übrige Natur


→ Betonung der Differenz von Mensch und Tier!

Im Hinduismus über Wiedergeburtslehre stärkere Kontinuitätsannahme!

Im Buddhismus und Daoismus Betonung von Mitleid und Nähe aller Lebewesen

(2)

Die Mensch-Tier-Differenz in Religionen und Weltanschauungen

Naturalistische Weltanschauungen in der Moderne:!

Mensch als Teil der Natur; aber Interpretationsspielraum:!

Primat des Menschen und der Naturausnutzung z.B. im Marxismus!

ökologische Naturalismen: Nähe zum

Pantheismus, z.B. Gaia-Hypothese (Margulis/

Lovelock)

(3)

Die Mensch-Tier-Differenz in der Anthropologie

Klassische Philosophie: Mensch als!

„animal rationale“!

„zoon politikon“ (Aristoteles)!

Philosophische Anthropologie: „Sonderstellung des Menschen“

Doppeldeutigkeit:!

a) Mensch fällt aus evolutionärer Kontinuität heraus (nicht haltbar!)!

b) Einzigartigkeit der menschlichen Lebensform als ganzer (Ablehnung des Stufenmodells)

(4)

Die Mensch-Tier-Differenz in der Anthropologie

falsche Strategie: Suche nach einzelnen Kompetenzen, die allen anderen Lebewesen fehlen!

Beispiel Werkzeuggebrauch (tool-making-animal)!

Beispiel kognitive Fähigkeiten (etwa Intentionsverstehen)!

Beispiel Zeichensysteme (Einwand: Bienensprache, Walgesänge etc.)!

richtige Strategie: Suche nach Struktureinheit, die alle Aspekte durchdringt

(5)

Systematik: zwei grundsätzliche Weichenstellungen

Evolutionäre Kontinuität!

Differenzholismus

(6)

Evolutionäre Kontinuität

Menschen stehen in der Kette des Lebendigen!

Entstehung aller humanspezifischen Fähigkeiten und Eigenschaften im Laufe natürlicher Evolutionsprozesse!

Funktionale Parallelen zwischen Mensch und Tier:!

Organismus als selbstorganisierende Interaktionseinheit mit innerer Struktur, äußerer Grenze und Bewegungsorganen!

Enge Verwandschaft mit Physiologie der Organe und des Gehirns!

Organismen als unselbstständige Teilkomponenten von Interaktionszusammenhängen mit der Umwelt!

Zentrale Frage: Ergibt sich daraus in der Anthropologie ein szientifischer Naturalismus?

(7)

Evolutionäre Kontinuität

Zentrale Bedeutung des Interaktionszusammenhangs/der Umwelteinbettung für Verständnis der Reichweite naturalistischer Argumente!

Literaturhinweis: Thomas Fuchs, Das Gehirn - ein Beziehungsorgan, Kohlhammer-Verlag!

In den Neurowissenschaften/Kognitionswissenschaften häufig:!

Tendenz zur Isolierung des Gehirns: Mereologischer Fehlschluss!

Beispiel für Fehlschluss: Zitat aus Gerhard Roth: Fühlen, Denken, Handeln, 554:!

„Menschen können als bewusste Individuen nichts für das, was sie tun, denn ihr bewusstes Handeln wird durch das emotionale

Erfahrungsgedächtnis geleitet, das nicht dem Willen unterliegt.“

(8)

Evolutionäre Kontinuität, Thesen:

Gehirne können nicht denken, sondern nur Menschen Menschen-in- einer-Umwelt!

Alle menschlichen Fähigkeiten sind evolutionär entstanden!

Annahmen über Prozentzahlen der Übereinstimmung an

genetischem Material etc. verraten nichts über den Grad der tatsächlichen Differenz!

Die Umwelt des Menschen ist zum Teil von ihm selbst geschaffen (Kultur)!

Nur die innere Verbindung natürlicher und kultureller Faktoren erlaubt ein Verständnis der menschlichen Lebensform

(9)

Differenzholismus

Grundthese: Durch natürliche, evolutionäre Entwicklung ist eine menschliche Lebensform

entstanden, die sich als ganze, nicht nur in ihren „oberen Etagen“ von anderen Lebensformen unterscheidet.

(10)

Differenzholismus

Ablehnung aller Schichten- bzw. Stockwerkmodelle!

!

!

!

!

!

DIFFERENZHOLISMUS

Ablehnung aller Schichten- bzw. Stockwerksmodelle

Erdgeschoss Erste Etage Oberstübchen

Vegetative Funktionen

Animalische Funktionen Geistige Funktionen

Pflanzen, Tiere, Menschen Tiere, Menschen

Menschen

Mittwoch, 8. Februar 12

(11)

Differenzholismus

Statt dessen: neue menschliche Möglichkeiten strukturieren den Organismus im Ganzen neu!

Zentrale Differenz zu anderen Lebewesen: Sprachfähigkeit und kooperative Kommunikation!

Sprache nicht einfach nur als Erweiterung tierischer

Ausdrucksmöglichkeiten, sondern als deren funktionale Neubestimmung!

Beispiel: Menschenaffen und Menschen verwenden Gesten, um

Aufmerksamkeit zu erzeugen (sog. „attention getters“, M. Tomasello)!

Funktion menschlicher „attention getters“ in Sprache eingebettet

(12)

Beispiel: „attention getters“

(nach Michael Tomasello, Origins of the human mind, MIT-Press 2008)

EIN BEISPIEL: „ATTENTION GETTERS“

(NACH MICHAEL TOMASELLO,

ORIGINS OF THE HUMAN MIND, MIT-PRESS 2008)

(13)

Humanspezifikum: Kooperative Kommunikation HUMANSPEZIFIKUM:

KOOPERATIVE KOMMUNIKATION

(14)

Humanspezifikum: Kooperative Kommunikation

Aufkommen prosozialer Kommunikationsmotive: helping, sharing!

Zusammenhang von Intentionalität und Rekursivität!

Rekursivität:!

A will, dass B x tut.!

B weiß, dass A will, dass B x tut.!

A weiß, dass B weiß, dass A will, dass B x tut.!

B weiß, dass A weiß, dass B weiß, dass A will, dass B x tut.!

…!

Kollektive Intentionalität: Wir tun etwas.

(15)

Ein Experiment zur sozialen Kooperation

https://www.youtube.com/watch?v=GInzFRCAUEw

(16)

Differenzholismus

Zentrales Strukturmerkmal der menschlichen Lebensform:!

Kommunikation und Denken mittels verkörperter Symbolizität!

Kommunikationssysteme gibt es auch bei anderen Lebewesen!

Funktionale Überlegenheit angepasster Kommunikationssysteme über Sprache (Beispiel: Bienentanz)!

Besonderheiten von (symbolischen) Sprachen:!

Ablösbarkeit der Kommunikation von Hier und Jetzt!

Rekursivität (der Sprache selbst und der kommunikativen Intentionen)!

Thematisierbarkeit von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft; von Möglichkeit, Wirklichkeit und Unmöglichkeit; Normativität und Totalität!

„Indirekter Gegenstandsbezug“, daher Gefahr des Realitätsverlustes (Sprache muss verkörpert bleiben)

(17)

Differenzholismus

Mensch als Wesen der Ausdrücklichkeit!

Wir müssen handeln und können uns nicht einfach verhalten!

Reflexivität im Unterschied zu bloßer Intelligenz: Bruch des Motivationskontinuums!

Zusammenhang Sprache-Handeln: Freiheit und Möglichkeitshorizont!

Plastizität und Selbstbestimmung!

Kultur als Natur des Menschen

(18)

Fazit

Zugleich von evolutionärer Kontinuität und Differenzholismus!

Wir sind ganz Teil der Natur wie alle anderen Lebewesen, aber…!

Unsere Lebensform ist als ganze anders:!

Wir sind verkörperte Symbolverwender: Geist, Gehirn, Körper und physische Umwelt bilden eine funktionale Einheit.!

Durch körperliches Handeln und Wahrnehmung haben wir einen direkten Wirklichkeitszugang.!

Durch den Gebrauch von Symbolen können wir uns von der Gegenwart und von der Wirklichkeit lösen.!

Durch soziale Kooperationen bilden wir über-individuellen Geist aus.!

Die genannten Aspekte sind keine isolierten Module, sondern bilden eine Einheit!

(19)

Fazit

Gemeinsamkeit mit Tieren: Wir sind Lebewesen!!

Fähigkeiten , mit Tieren Lebensgemeinschaften zu bilden: dann sind die Tiere nicht Nahrung, sondern Selbstwert!

Bewusstsein, Empfindungsfähigkeit, Schmerz und Lust, Instinkte mit anderen Säugetieren gemeinsam → diese Gemeinsamkeiten aber auf spezifisch menschliche Art!

elaboriertes Selbstbewusstsein, kollektive Intentionalität, biographische Identität, Reflexivität, Umgang mit Möglichkeitshorizonten, normative Orientierung

Alleinstellungsmerkmale des Menschen als Ausdruck der Struktureinheit seiner spezifischen Lebensform

(20)

Evolution und Entwicklung des Menschen

Begriffsklärung: Evolution und/oder Entwicklung!

Evolution:!

sinnfreier (=weder sinnvoller noch sinnloser) Prozess (keine Zweckursachen)!

Mechanismen (stark vereinfacht): Mutation und Selektion!

Bedeutung des Zufalls und der Pfadabhängigkeit!

Entwicklung:!

Teleologie: im Naturprozess die Ontogenese des Organismus; im Kulturprozess die Entstehung von Neuem durch teleologische Antizipation!

Verbindung von Zufall und Zielgerichtetheit!

„ratchet-effect“ (Michael Tomasello)

(21)

Evolution und Entwicklung

Siegeszug der Evolutionspsychologie seit den 80er Jahren!

http://plato.stanford.edu/entries/evolutionary- psychology/

(22)

Grundannahmen der Evolutionspsychologie

Dominanz genetisch geprägter Verhaltensweisen: Weitergabe der Gene als

„Ziel“!

Entstehung von menschlichem Verhalten als Folge von Adaptionen in der Steinzeit!

Verhalten daher nicht an die Jetztzeit angepasst!

Tooby/Cosmides: „Our modern skulls house a Stone Age mind.“!

Lieblingsbeispiel der Evolutionspsychologie: Unterschiedliches Sexualverhalten von Frauen und Männern!

Modularitätsannahme: Swiss-Army-Knife-Model of the Human Mind

Geist aus vielen unabhängig voneinander evolvierten Funktionsmodulen zusammengesetzt

(23)

Kritik an der Evolutionären Psychologie

genetischer Determinismus!

Ausblendung der Rolle von Kultur (dagegen: Dual- Heritage-Theory)!

Nichtunterscheidung zwischen Trieb (Drive) und Gewohnheit (Habit)!

Vernachlässigung des menschlichen Bewusstseins und Symbolgebrauchs

(24)

Die Evolutionäre Entstehung des Menschen

Konzentration auf die innere Form des spezifisch menschlichen Bewusstseins!

Koppelung von Bewusstseins-, Sprach-, Gehirn- und Handentwicklung Koevolution (Terrence Deacon)!

Ineinandergreifen von kultureller Entwicklung und natürlicher Evolution: sog. ratchet effect (Michael Tomasello) → Kultur als Tradition von kognitiven Errungenschaften, sodass nicht jede Generation neu anfangen muss!

Die Evolution des Bewusstseins nach Merlin Donald, A Mind so Rare

(25)
(26)

Vielen Dank für ihre

Aufmerksamkeit!

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Tiere nach lebenden Vorbildern oder auch Fantasietiere aus echtem Keramikton können Kinder ab sieben Jahren am Samstag, 26.. Oktober 2019, im Haus der Naturpädagogik im

Adenoviren sind insofern etwas be- sonderes als dass sie sich als ausge- sprochen hartleibig erweisen; durch ihre äußere Hülle dringt nicht der Alkohol von Desinfektionsmitteln

Da sie aber meistens um einiges teurer sind als die entsprechen- den Humanarzneimittel, ver- schreibt der Tierarzt dann doch manchmal die Version für Men- schen – streng genommen

•Wir greifen ein, indem wir Gefahren für Mensch und Tier auch durch behördliche Maßnahmen abwenden.. •Wir informieren und warnen

1-2 Die Lehrperson leitet eine Einführungsdiskussion über die eigene Mediennutzung, die SuS machen sich erste Gedanken dazu, viele sind sich vielleicht gar nicht bewusst,

«Durch die Bündelung der Anstren- gungen von Agroscope und ihren Partnern schaffen die Agroscope-Forschungs- programme einen Mehrwert – sowohl für die Landwirtschaft als auch für

Diese Grundtatsache beweist, dass jedem Leiden eine Intentionalität innewohnt, und zwar eine personale, keine wie im Falle des leiblichen Schmerzen bloß vitale Intentionalität:

Durch ein Tier wird der Tagesrhythmus aufrecht erhalten, Depressionen können vermieden werden, da sich der alte Mensch noch um etwas anderes kümmern muss als nur um sich selbst,