Inf.bl. Forsch.bereich Landsch. 61, 2004 4
Wieviele Arten leben in der Schweiz?
Peter Duelli
In Publikationen, amtlichen Berichten, Zeitungsberichten und Umweltgutach- ten werden immer wieder pauschale Artenzahlen für die in der Schweiz lebenden Organismen genannt. Je nach der verwendeten Quelle fallen diese Zahlen recht unterschiedlich aus. Manchmal handelt es sich um die geschätzte Totalartenzahl, manch- mal geht es um die Anzahl der für die Schweiz nachgewiesenen Arten.
Im neuerschienenen Buch des Forums Biodiversität (BAUR et al. 2004) werden für Tierarten die neuesten Zahlen pu- bliziert. Ganz offensichtlich gibt es Or- ganismengruppen, bei denen nicht ein- mal die Zahl der bisher in der Schweiz nachgewiesenen Arten bekannt ist. Vor allem für die hier in der Tabelle 1 als
«Würmer et al.» zusammengefassten Wirbellosen scheint zurzeit niemand in der Schweiz in der Lage zu sein, genauere Angaben zu machen. Wie schon bei den Schätzungen in den «Ro- ten Listen der gefährdeten Tierarten der Schweiz» (DUELLI 1994) gehen wir bei den Würmern von Artenzahlen in Deutschland aus, wobei marine Arten weggezählt und submediterrane Arten dazugezählt werden müssen. Dies ist nur schätzungsweise möglich.
An der Eidgenössischen Forschungs- anstalt WSL arbeiten Expertinnen und Experten für verschiedenste Or- ganismengruppen. Im Rahmen einer einfachen Umfrage wollte ich wis- sen, wie hoch die Anzahl der für die Schweiz nachgewiesenen Arten bei den verschiedenen höheren Taxa der Pilze, Pß anzen und Tiere sei, und wie hoch die tatsächliche Artenzahl in der Schweiz schätzungsweise liegt. Es handelt sich hier also nicht um eine abschliessende, wissenschaftliche Stu- die, sondern um eine Schätzung ge- mäss Expertenmeinung nach bestem Wissen und Gewissen.
Die in der Tabelle 1 aufgeführten Zahlen zeigen allerdings, dass diese Schätzun- gen so weit von den gemeinhin verwen- deten Angaben abweichen, dass die Pu- blikation einer vorläuÞ gen Anpassung durchaus gerechtfertigt erscheint.
Neben den Artenzahlen für die Wür- mer et al. sind auch die Artenzahlen bei den Algen und niederen Pilzen sehr umstritten. Diese Mitteilung soll daher auch als Aufruf verstanden werden, uns mitzuteilen, wenn bessere oder genauere Angaben zu einzelnen Taxa in der Schweiz vorliegen.
Empfehlung:
Für pauschale Angaben zur Artenviel- falt in der Schweiz empfehlen sich aufgrund der neuen Zahlen in Tabelle 1 folgende Formulierungen:
– «In der Schweiz wurden bisher knapp 50 000 Arten mehrzelliger Organismen festgestellt»
– «In der Schweiz wurden bisher fast 50 000 Tier-, Pß anzen- und Pilzarten gefunden.»
– «Für die Schweiz sind etwa 30 000 Tierarten bekannt»
– «In der Schweiz gibt es schätzungs weise 43 000 Tierarten»
– «Die Artenzahl der in der Schweiz vorkommenden Tiere, Pß anzen und Pilze wird auf 70 000 geschätzt.»
– «In der Schweiz kommen schät- zungsweise 70 000 Arten mehrzel- liger Organismen vor»
Oder einfach:
– «In der Schweiz leben schätzungs- weise 70 000 Arten»
Tab. 1. Bekannte und geschätzte Artenzahlen für die Schweiz (Tiere, Pß anzen, Pilze:
alle mehrzelligen Organismen)
Taxa Artenzahl geschätzt Artenzahl +/- bekannt
Tiere 43 000 30 000
Wirbeltiere 560 552
Arthropoden 35 000 26 000
davon Insekten 30 500 22 330
«Würmer» et al. 7 000 3 200
Mollusken 280 270
Pß anzen u. Pilze 27 000 19 000
Gefässpß anzen 3 000 3 000
Moose 1 200 1 030
Flechten (alle) 2 200 1 660
Höhere Pilze 8 000 5 000
Niedere Pilze 7 000 4 000
Algen 6 000 4 000
Total 70 000 49 000
Ich möchte folgenden Kolleginnen und Kollegen (alle WSL Birmensdorf) für Angaben zu Artenzahlen von Pß an- zen, Flechten und Pilzen ganz herzlich danken: Thomas Wohlgemuth, Silvia Stofer, Beatrice Senn-Irlet, Christoph Scheidegger, Walter Keller, Simon Egli.
Zitierte Literatur
Baur, B.; Duelli, P.; Edwards, P.; Jenny, M.; Klaus, G.; Künzle, I.; Martinez, S.;
Pauli, D.; Peter, K.; Schmid, B.; Seidl, I.; Suter, W. (Hrsg. Forum Biodiversität Schweiz): 2004. Biodiversität in der Schweiz: Zustand, Erhaltung, Perspekti- ven. Haupt Verlag Bern. 237pp.
Duelli, P., 1994: Rote Listen der gefähr- deten Tierarten der Schweiz. Hrsg.
Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, BUWAL-Reihe Rote Lis- ten, EDMZ Bern: 93 pp.