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"Krakau – das Mönchengladbach des Ostens". "Neue Wilde" in Polen und in Deutschland

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Thorsten Smidt

„ K r a k a u - das Mönchengladbach des Ostens." „Neue Wilde"

i n P o l e n u n d in Deutschland

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„Strahlemann aus dem Öffentlichen Dienst" nennt Martin Kippenberger (1953-1997) seine 1977 entstandene Zeichnung eines Polizisten, der sich uns mit breitem Lächeln zuwendet (Abb. 1). Ähnlich liebenswürdig gibt sich der Titel eines Ölbildes von Pawel Kowalewski

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(*1958) aus dem Jahr 1984: „Mon cheri Bolscheviq" (Abb. 2). Doch die Ausstrahlung des dargestellten sowje­

tischen Soldaten ist eine ganz andere. Nicht nur entzieht sich der Rotarmist im Halbprofil dem Betrachterblick, seine Augenhöhlen sind leer und weiß, während seine Lippen im Rotfarbton des Sowjetsterns, der auf seinem Helm prangt, übermalt sind.

Ohne die Autoren dieser beiden Bilder genauer kennen zu müssen, fällt die Zuordnung des ersteren zur neuen deutschen Figuration und des letzteren zur polnischen Malerei der 1980er Jahre nicht schwer. Der Polizist auf der einen Seite und der Soldat auf der anderen können exemplarisch jene Wanderung durch Europa und die USA veranschaulichen, die seit den späten 1970er Jahren das Phänomen der sogenannten „Neuen Malerei" gemacht hat.

Der Polizist und der Soldat legen auch Chronologie und Richtung nahe, in der diese Wanderung von statten gegangen ist, nämlich von West nach Ost.

Tatsächlich rezipierte Kowalewski die Kunst Kippenbergers spätestens seit 1984, als seine Künstlerfreunde von einem Stipendium in Westdeutschland

1 Der vorliegende Aufsatz ist die überarbeitete und ergänzte Fassung eines Kapitels meiner Dissertation SMIDT (2003).

2 Kowalewski gehörte der sechsköpfigen Warschauer Künstlergruppe „Gruppa" an, die zwischen 1982 und 1989 aktiv war und mit einer plakativen und teils aggressiven Malerei die Warschauer Kunstszene dominierte. Zur Chronik der „Gruppa" siehe S I T K O W S K A (1992).

- Zur polnischen Kunst der 1980er J a h r e W L O D A R C Z Y K (1990). - Eine Einordnung dieser Dekade in die Kunstentwicklung seit 1945 nimmt P I O T R O W S K I (1999), hier insbesondere 220-235, vor.

Originalveröffentlichung in: Omilanowska, Malgorzata (Hrsg.): Wanderungen: Künstler - Kunstwerk - Motiv - Stifter, Warszawa 2005, S. 149-161 u. Abb. 1-6

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einen Katalog Kippenbergers mitbrachten.

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So scheint es nur verständlich, dass polnische Kritiker für die Künstler ihres Landes die deutsche Bezeich­

nung „Neue Wilde"

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lediglich wörtlich übersetzten in „Nowi Dzicy",

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während in allen anderen betroffenen Ländern ein eigener Begriff geprägt wurde, so etwa „Transavanguardia" sowie „Arte Cifra" in Italien oder „New Wave" in Amerika. Dennoch wollte man auch in Polen in der neuen wilden Malerei etwas Eigenes erkennen. Dabei war nebensächlich, ob es sich tatsächlich um

„wilde" Kunst handelte. Den polnischen Malern wurde attestiert, im Gegen­

satz zu den westlichen Vorbildern keine bloß rhetorische Expression zu zeigen. Bei den unter dem Kriegsrecht leidenden Künstlern sei zu sehen, wogegen sie rebellierten und warum.

6

Umgekehrt sei es die Tragödie der wilden Westeuropäer, nicht für oder wider sein zu können.

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Ganz so einfach gelingt es jedoch nicht, den verspäteten Polen Eigenständigkeit zuzuspre­

chen. Wäre es der Protest allein, der ihre Bilder auszeichnen sollte, dann käme dieser Kunst heute kaum mehr als die Rolle eines Zeitdokumentes zu.

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Tatsächlich ist aber der politische Gehalt der deutschen und der polnischen Malerei erst noch zu überprüfen. Erst dann kann gefragt werden, welches Rezeptionsmodell hier vorliegt; erst dann kann gefragt werden, welche Eigenheit in der polnischen Malerei tatsächlich zu finden ist.

3 Die „Gruppa"-Mitglieder Jaroslaw Modzelewski (*1955) und Marek Sobczyk (*1955) waren auf Einladung der Stadt Düsseldorf vom 01.10. bis 30.11.1984 in Westdeutschland, finanziert durch den Erlös einer Auktion zugunsten der Solidarnosc und organisiert von Rafal Jabionka.

Sie erstanden dort u.a. den Ausstellungskatalog W E R N E R B Ü T T N E R , M A R T I N K I P P E N B E R - GER, A L B E R T O E H L E N (1984), in dem die Zeichnung „Strahlemann aus dem öffentlichen Dienst" abgebildet ist.

4 Die Begriffsbildung „Neue Wilde" lässt sich auf Wolfgang Beckers Ausstellung „Les Nouveaux Fauves / Die Neuen Wilden" in der Neuen Galerie/Sammlung Ludwig, Aachen, im Januar 1980 zurückführen. Ohne dem damit kreierten künstlerischen Trend ein gemeinsames Anliegen oder auch nur eine stilistische Übereinstimmung nachweisen zu können, ist die Popularität des Begriffs eher auf erfolgreiche Marketingstrategien innerhalb des Kunstmarktes zurückzuführen.

5 Den Begriff prägt K O W A L S K A (1984), 78. - R O T T E N B E R G (1985), unpag., berichtet anlässlich der sechsten Ausstellung der „Gruppa", dass statt des Titels „Sztuka podziwu" [Die Kunst der Bewunderung] zunächst „Nowi Dzicy" [Neue Wilde] vorgesehen war, was jedoch auf heftigen Widerstand der Künstler gestoßen sei.

6 K O W A L S K A (1984), 91. - S T A N I S L A W S K I (1988), 214.

7 S T A N I S L A W S K I (1988), 214.

8 Mit diesem Problem haben sich polnische Forscher bisher nicht hinreichend auseinander­

gesetzt. Symptomatisch für die Beschreibung der künstlerischen Tendenzen der Dekade als Zeitphänomen ist W O J C I E C H O W S K I (1992). - P I O T R O W S K I (1999) thematisiert die Berück­

sichtigung des Kontextes im Prozess der Interpretation. Er besteht darauf, dass erst der Kontext die polnischen Künstler zu etwas Eigenständigem mache. Eine gegenüber ihrem westlichen Pendant formal kaum abzugrenzende Malerei in Polen will Piotrowski durch die Berücksichti­

gung des Kontextes aufgewertet wissen. Dieser Ansatz muss für einige Künstler dieser Dekade, insbesondere für Maler der „Gruppa", noch einen Schritt weitergetrieben werden. Denn in einigen Bildern begannen sie, über die Abhängigkeit ihres Tuns von den Zeitumständen zu reflektieren.

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151 Blicken wir zunächst nach Westen. Die deutschen Maler hatten ohne Kriegsrecht, im kapitalistischen Wohlstand, keinen so einfach zu benennen­

den Gegner. In Deutschland, wo die Polizei „dein Freund und Helfer" sein will, versieht der einzelne Beamte das Gewaltmonopol, das ihm in der Demokratie zukommt, mit einem betont freundlichen Antlitz. In einer ironischen Überaffirmation wird der „Strahlemann" zum Sinnbild einer schönen und heilen Gegenwart. Doch die übertriebene Leutseligkeit weckt Skepsis. Kippenbergers Zeichnung rückt die westliche Gesellschaftsordnung in die Nähe von Aldous Huxleys negativer Utopie der „Brave New World", einer „Welt der völligen Promiskuität und des universellen Glücks", der

„individuelle Werte" zum Opfer gefallen sind.

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Auf die Gefahr der kritiklosen Hinnahme einer nur vordergründig glänzend heilen Ordnung, wie von Huxley heraufbeschworen, vermag auch das Bild des strahlenden Polizisten zu verweisen.

Kowalewskis Werk dagegen, so könnte man im Gegenzug sagen, zeigt George Orwells „großen Bruder", der in Gestalt eines Repräsentanten der totalitären Ordnungsmacht Sowjetunion auftritt.

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Die Ironie des Künstlers zielt auf die Leblosigkeit und Blindheit der Figur. In diesem Bildnis hat der

„big brother" mit dem Augenlicht das Instrument seiner Machterhaltung, die allumfassende Überwachung, bereits verloren. Er erscheint als hohle Maske seiner selbst, als Popanz. Gelber Teint und schlitzartige Augenform verleihen ihm dabei mongolische Züge. Die Verfremdung ist noch weitergetrieben durch den Abdruck eines Lippenstiftes auf seinem Mund, so als sei er von einer geschminkten Frau geküsst worden. Solchermaßen effeminiert, ist der fremde Soldat jeder Bedrohlichkeit beraubt. Schon allein darin könnte ein subversiver Akt gesehen werden. Doch gesteigert wird dies durch die vermeintliche Zuneigung, die der Bolschewik, „mon cheri", damit erfährt.

Denn die Farbgleichheit des Kussmundes mit dem Sowjetstern lässt diese Liebesbekundung zu einer - ironischen - Bejahung des sowjetischen Herr­

schaftsanspruchs werden. Damit gibt Kowalewski das Regime, das der anonymisierte Soldat vertritt, der Lächerlichkeit preis.

Die Malerei des Polen bringt demonstrativ zum Ausdruck, dem Kriegs­

recht samt seinen Protagonisten ungerührt und unbeeindruckt gegenüberzu­

stehen. Pawel Kowalewski will mit seiner Malerei nicht mehr aufklären und nichts mehr anstoßen. Da die Kritikwürdigkeit der Zustände ohnehin für alle offensichtlich war, musste der Künstler darauf nicht mehr insistieren. Er führt die Situation lediglich als eine nicht mehr bedrohliche vor. In seiner

9 K I N D L E R S NEUES L I T E R A T U R L E X I K O N (1988), 230.

10 Das Gemälde ist nicht nur in dem Jahr entstanden, in das George Orwell seine Zukunftsvision projiziert hat - 1984 - , zwei Jahre zuvor hatte Jarosiaw Modzelewski bereits einem Bild den Titel „1984" gegeben; das Thema dürfte dem Künstlerkollegen mithin bekannt gewesen sein. Die Umschreibung der sowjetischen Macht als (Orwellscher) „großer Bruder" war so geläufig, dass sie selbst Historiker in Untersuchungen des Kriegsrechts ohne Erläuterung verwenden; vgl. etwa P A C Z K O W S K I (2002), 14.

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Darstellung sieht der „große Bruder" nichts mehr und kann deshalb mit einem Kuss zum vermeintlichen Liebling aller werden. Anders scheint sich dagegen der Fall für Martin Kippenberger dargestellt zu haben. Sein strahlender Polizist stößt ein Hinterfragen amtsträgerlicher Selbstzufrieden­

heit und damit des Gesellschaftssystems an; dieses Bild will aufklären, es appelliert an den Betrachter. Kowalewskis Bild bestätigt dagegen nur das Offensichtliche. Entgegen der verbreiteten zeitgenössischen Kritikermeinung war es nicht der politische Gehalt der polnischen Malerei, der diese gegen­

über der deutschen auszeichnete.

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Im Gegenteil: Der aufklärerische Impuls eines Martin Kippenberger wurde verworfen. Ähnlichkeiten zeigen sich, wenn überhaupt, nur auf formaler Ebene. Hier deutet sich ein Rezeptions­

modell an, dass sich mehr an der Form orientiert als an den damit verbundenen Inhalten.

Insbesondere bei einem Thema von existentiellem Ausmaß lohnt es, eine mögliche weitere Anleihe eines jungen polnischen Künstlers bei einem seiner westdeutschen Kollegen zu verfolgen. Marek Sobczyk (*1955), der wie Kowalewski der Warschauer Künstlergruppe „Gruppa"

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angehörte, malt 1984 „Czlowiek dobry pochylajacy siq nad czlowiekiem zlym" [Ein guter Mensch beugt sich über einen schlechten Menschen] (Abb. 3). Er scheint damit Georg Baselitz' (*1938) „Modell für eine Skulptur", 1980, in ein Leinwandbild zu übertragen (Abb. 4). Baselitz zeigte seine erste große Holzskulptur auf der Biennale von Venedig 1980. Aus mehreren Holzstücken hat der Künstler eine männliche Figur gehauen, die sich sitzend leicht nach hinten lehnt und den rechten Arm mit nach oben geöffneter Hand ausstreckt.

Aus einem liegenden quaderförmigen Block ist erst ab der fast kugelförmigen Hüftpartie aufwärts der Körper in vereinfachenden Rundungen herausgebil­

det und die leicht gekerbte Oberfläche schließlich rot und schwarz bemalt.

Mit dieser Skulptur verursachte Baselitz einen solchen Aufruhr, dass dieser auch bis nach Polen durchgedrungen sein dürfte. Kritiker sahen in der Armhaltung der Figur eine Anspielung auf den Hitlergruß und wollten in den beiden Farben die des Dritten Reichs erkennen, während Baselitz seinerseits darauf beharrte, dass die Gebärde auf Beispiele afrikanischer Kunst zurück­

ginge, bei denen die nach oben gewendete Handfläche Ergebung nach einem Kampf anzeigt.

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Marek Sobczyk deutet die Geste als gleichermaßen Hilfe suchende wie bietende, indem er zwei Figuren malt, die in ihrer einmal nach hinten gelehnten, einmal vorgebeugten Körperhaltung die Silhouette der Holzskulp­

tur nachbilden, sich dabei aber in ihrer Gestik aufeinander beziehen. Doch

11 D i e s g i l t s e l b s t v e r s t ä n d l i c h n i c h t f ü r d i e g e s a m t e K u n s t p r o d u k t i o n w ä h r e n d d e s K r i e g s ­ rechts. N u r e i n i g e n w e n i g e n K ü n s t l e r n g e l a n g es, e i n e K u n s t neben d e m K r i e g s r e c h t z u s c h a f f e n ; d a z u a u s f ü h r l i c h S M I D T (2003).

1 2 V g l . A n m . 2.

13 V g l . d a z u W A L D M A N (1996), 7 4 - 7 6 .

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in der zweidimensionalen Darstellung überschneiden sich die beiden Arme, ohne sich zu treffen. Der „gute Mensch", wie der Titel die stehende, bis auf ihren roten Hals monochrom blau gehaltene Figur bezeichnet, greift ins Leere. Kaum zu unterscheiden vom dunklen Hintergrund steht er hinter dem

„schlechten Menschen", der durch seinen fleischfarbenen Teint auf Füßen und Arm und durch sein ausgestaltetes Gesicht hervorgehoben ist. Da sein ausgestreckter Arm aufgrund der Daumenhaltung als rechter mit nach unten geöffneter Handfläche identifiziert werden muss, erscheinen die Gesten der Figuren nicht nur als Hilfe suchend oder spendend, sondern wesentlich offensichtlicher als in Baselitz' Skulptur auch als Hitlergruß deutbar.

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Auf Sobczyks Gemälde treffen sich Gut und Böse in nahezu derselben Gebärde.

Das Bild verdeutlicht, dass ein Mensch nur gut oder böse ist, zu „uns" oder zu „ihnen" gehört,

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weil jemand oder er selbst sich so betitelt. In krassem Gegensatz zu der Polarisierung in der politischen Auseinandersetzung seiner Zeit führt Marek Sobczyk die Gleichzeitigkeit der Extreme als menschliche Konstante vor.

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Wir haben es mit einem in der polnischen Nachkriegskunst neuartigen Rezeptionsmodell zu tun. Zwar handelt es sich noch immer um eine aus­

schließlich von West nach Ost gerichtete „Wanderung" von Motiv und Stil, doch hat sich ihre Motivation geändert. Mit Motiv oder Stil wird nicht mehr automatisch auch die zugrunde liegende Weltanschauung übernommen. Das Rezeptionsmodell der 1980er Jahre ist nicht mehr affirmativ zu nennen wie etwa im Fall der Informelbegeisterung im Polen der 1950er Jahre. Damals hatte sich - neben anderen Künstlern - vor allem Tadeusz Kantor (1915-1990) als „Importeur" einer im Westen dominierenden Kunstrichtung hervorge­

tan.

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Von seiner zweiten Parisreise 1955 brachte er das Informel nach Polen.

Im politischen Tauwetter ab 1955/1956 verbreitete sich auch hier die von Werner Haftmann proklamierte „Weltsprache Abstraktion".

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Das im Westen

14 Bildnerische Anspielungen auf das Dritte Reich - Hitler oder Goebbels als Bildpersonal sowie das Hakenkreuz - finden sich auch in den Werken anderer Künstler der Gruppe „Gruppa", so dass eine beabsichtigte Doppeldeutigkeit der Geste wahrscheinlich ist.

15 Die Scheidung zwischen einem „wir" und dem entgegengesetzten „sie" war ein in den 1980er Jahren gebräuchlicher Topos, mit dem sich die Opposition gegen den gemeinsamen Gegner, die Vertreter des kommunistischen Systems, zu einen suchte; vgl. dazu MICHNIK (1992), 46.

16 Sobczyk folgt damit einem Programmtext seines Künstlerkollegen Jaroslaw MODZE- L E W S K I (1983), der den Topos „Wir und sie" auf ihre Situation zu Beginn der 1980er Jahre ummünzt, als den jungen Künstlern eine Abkehr vom selbstbezüglichen Modernismus ihrer Lehrer notwendig erschien.

17 Zur Frage westlicher Einflüsse auf die polnische Kunst der Tauwetterzeit vgl. etwa C Z A R T O R Y S K A (1987), 124. - Siehe auch LISIEWICZ (1995), 55-56.

18 Zur Differenzierung der künstlerischen Tendenzen in der polnischen Tauwetterphase, insbesondere der Polemik um die konstruktivistische Tradition als „eigene Kunst" und das Informel als „das Fremde" siehe PIOTROWSKI (1996), 247-248.

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vorherrschende Paradigma wurde in Polen nicht zuletzt deshalb so bereitwillig übernommen, weil sich damit eine Weltanschauung verband.

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Nachdem die Erfahrung des Sozialistischen Realismus gelehrt hatte, figurative Malerei mit Unfreiheit und Abhängigkeit gleichzusetzen, verschrieb man sich nur zu gern der Ideologie einer Freiheit und Unabhängigkeit versprechenden ab­

strakten, selbstbezüglichen Kunst.

Diese Tendenzen wurden im Westen wiederum mit Interesse registriert.

Man erkannte in den abstrakt malenden Polen Brüder im Geiste. Als 1961 das Museum of Modern Art, New York, Tadeusz Kantor und vierzehn weitere abstrakte Maler ausstellte, wurde dies als Triumph für die westliche Kunstwelt gefeiert.

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Dabei brauchte dem polnischen Informel gar nicht abgesprochen zu werden, sich in eigener Weise formal ausgeprägt zu haben. Ausschlagge­

bend war, dass sich die dortige Entwicklung der eigenen subsumieren ließ.

Wenn etwa Karl Ruhrberg in seiner Geschichte der „Malerei in Europa und Amerika 1945-1960" Tadeusz Kantor für seinen malerischen Beitrag zum europäischen Informel würdigt, so ist dieser kurze Abschnitt überschrieben mit „Streiflicht gen Osten".

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Das Licht scheint von Westen nach Osten. Diese Wahrnehmung beschränkt sich nicht nur auf den Blick von außen; sie ist auch auf polnischer Seite anzutreffen. Wenn polnische Kritiker versuchten, die Kunst des eigenen Landes mit derjenigen anderer Länder in eine Beziehung zu setzen, so liest sich dies meist ähnlich wie Ruhrbergs „Streif­

licht gen Osten": Das westliche Kunstsystem wäre demnach der Maßstab, an dem auch polnische Kunst zu messen ist.

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Dieser Lesart zufolge stellt sich das polnische Informel trotz seiner formalen Eigenheiten als kompatibel zur Kunst des Westens dar. Entscheidend dafür war, dass es dem westlichen Vorbild in der zugrunde liegenden Haltung - der Ideologie einer autonomen und damit vermeintlich unabhängigen Kunst - folgte.

Äußerst pointiert und stark verkürzt lässt sich so jenes Rezeptionsmodell beschreiben, das nach Ende des Sozialistischen Realismus in Polen zu beobachten war. Selbstverständlich kann nicht die gesamte Geschichte der polnischen Nachkriegskunst auf diesen einfachen Nenner gebracht werden.

Eine entscheidende Veränderung in der Haltung der Künstler trat jedoch erst in den 1980er Jahren ein. Sie verweigerten sich der Zuordnung zu einem ohnehin nicht mehr vorhandenen Zentrum der Kunstwelt. Junge Künstler dieser Dekade blickten zwar auch nach Westen, doch zumindest einige von

19 P I O T R O W S K I (1996), 255. - Die „politische Apolitik", die G U I L B A U T (1997), 24, für den amerikanischen Abstrakten Expressionismus nachweist, gilt auch für die abstrakte Kunst des polnischen Tauwetters.

20 C O C K C R O F T (1985), 132.

21 R U H R B E R G (1992), 38.

22 Beispielhaft genannt sei P A W L O W S K I (1988), dessen Geschichte des „Happening" zwar auf dem Cover Tadeusz Kantors „Meer-Happening" von 1967 zeigt, der sich in seiner Argumentation jedoch weitgehend auf westeuropäische und amerikanische Künstler bezieht.

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ihnen verarbeiteten ihre Eindrücke auf eine deutlich kritischere Weise als die meisten ihrer Vorgänger.

1984 fuhren die beiden Warschauer Maler Marek Sobczyk und Jaroslaw Modzelewski mit einem Stipendium nach Westdeutschland.

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In einem Brief berichten sie von ihren Eindrücken. Sie vergleichen die Werke Cy Twomblys, die sie im Museum Abteiberg in Mönchengladbach gesehen haben, mit der Malerei ihres Künstlerfreundes Ryszard Grzyb, die zu diesem Zeitpunkt zum Ankauf im Nationalmuseum in Krakau anstand.

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Lakonisch stellen sie fest, dass Twombly Genitalien auch nur „ein bisschen besser als Grzyb" male.

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Ausgehend von dieser beobachteten Parallele zwischen beiden Sammlungen und ihren Künstlern bringen die zwei Briefschreiber die Lage in Polen auf die prägnante Formel: „Krakau - das Münchengladbach (sie!) des Ostens (wenn sie kaufen)".

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Eine mittelgroße westdeutsche Industriestadt mit nur wenigen im Krieg erhalten gebliebenen Kulturdenkmälern sollte den Maßstab für den ehemaligen Königssitz, das touristische Aushängeschild Polens bilden? Tatsächlich kann Mönchengladbach wohl nur in einer Bezie­

hung Vorbild für Krakau sein, nämlich in der Präsentation zeitgenössischer Kunst. So absurd eine nur auf diesem Aspekt beruhende Rangfolge jener zwei ungleichen Städte auch klingen mag, für Künstler der Volksrepublik war sie eine bittere Wahrheit. Ihr Tun und ihre Werke wurden sogar von einheimi­

schen Kritikern in Abhängigkeit von westlicher Kunst gesehen. Sie selbst wurden bestenfalls als „Neue Wilde" des Ostens bezeichnet. Genau dagegen wehrten sich die zwei Briefschreiber. Diese Etikettierung erschien ihnen ebenso unsinnig und lächerlich wie ein Vergleich Krakaus mit Mönchengladbach.

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Die hier in Frage stehenden Künstler kämpften an zwei Fronten gleichzeitig.

Sie grenzten sich einerseits gegenüber ihren westdeutschen Malerkollegen ab und suchten andererseits einen Ausweg aus der allumfassenden Politisie­

rung des Kriegsrechtsalltags.

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In den besprochenen Motivanleihen Kowa- lewskis und Sobczyks fallen diese beiden Anliegen in eins. Während sich Kowalewski mit seinem Bild des Rotarmisten ironisch vom vorherrschenden Konflikt distanziert, verallgemeinert Sobczyk die (ungewollt) politische Aussage der Baselitz-Skulptur zu einer existentiell aufzufassenden Botschaft.

Ausgerechnet der kritische Umgang mit deutschen Vorbildern erlaubte eine Distanzierung von der Konfliktsituation im eigenen Land! In diesem Prozess entstand in Polen eine höchst spezifische Ausprägung der „Neuen Malerei".

23 Vgl. Anm. 3.

24 MODZELEWSKI/SOBCZYK(1985), unpag.

25 M O D Z E L E W S K I / S O B C Z Y K (1985), unpag. (Übersetzung des Autors).

26 M O D Z E L E W S K I / S O B C Z Y K (1985), unpag. (Übersetzung des Autors).

27 In zahlreichen Texten setzen sich die „Gruppa"-Mitglieder mit dem Problem auseinander, vom Westen aus gesehen im Osten zu sein und damit als rückständig und nachgeordnet betrachtet zu werden; vgl. etwa P A W L A K (1986), unpag.

28 P I O T R O W S K I (1996), 227.

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Thorsten Smidt

Um diese Eigenheit noch genauer gegenüber den partiell als Vorbild dienenden Deutschen herauszustellen, soll ein abschließendes Beispiel herangezogen werden. Wenn Wolfgang Max Faust die Hinwendung zu nationalen, regiona­

len und minoritären Traditionen für die deutschen Maler geltend macht und das Eigene innerhalb einer bestimmten, gleichwohl internationalen Entwick­

lung hervorhebt,

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so kann ähnliches für einige polnische Maler nachgewiesen werden. Denn nur in wenigen Fällen blickten die jungen Maler nach Westen, weitaus häufiger bezogen sie sich auf die Malereitradition ihres eigenen Kulturkreises und insbesondere auf die Avantgardetradition.

„Bl^kitny kwadrat na blekitnym tle. W holdzie obrohcom Palacu Zimowego"

[Blaues Quadrat auf blauem Grund. Den Verteidigern des Winterpalastes zu Ehren], nennt Pawel Kowalewski, ein weiteres „Gruppa"-Mitglied, sein 1983 entstandenes Bild (Abb. 5). Hinter einem Busch, der am linken unteren Bildrand zu grünen Sichelformen abstrahiert ist, teilt sich die Szene horizon­

tal in eine untere dunkelblaue Zone - das Meer — und eine obere hellblaue Zone - den Himmel - , die ungefähr in der Mitte von einem Quadrat überschnitten werden, in dem ein kleines Schiff vor umgekehrter Hell-Dunkel- -Verteilung auszumachen ist. Ins Dunkelblau ragt von rechts ein roter Keil, der durch einen weiteren kleinen Busch als Landzunge gekennzeichnet ist.

Unter dem Bild hat der Künstler die erste Hälfte des Bildtitels mit schwarzem Pinsel auf einen Leinwandstreifen geschrieben, der von hinten aus dem Keilrahmen heraushängt.

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Mit diesem Teil des Titels - „blaues Quadrat auf blauem Grund" - spielt Kowalewski auf Kasimir Malewitschs (1878-1935) berühmtes „Weißes Quadrat auf weißem Grund" von 1918 an und bereichert die an Malewitsch erinnernde monochrom-konstruktivistische Bildstruktur um gegenständliche Assoziationen. Das Werk des Jüngeren changiert zwischen der anschaulichen Darstellung einer Landschaft und geometrischer Abstraktion, in der ein Quadrat über dem anderen sitzt. In diesem Spiel ist auch der rote Keil als Aufgreifen einer eben solchen Ambivalenz zu verstehen, nämlich El Lissitzkys (1890-1941) Lithographie „Schlagt die Weißen mit dem Roten Keil" von 1920 (Abb. 6).

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Bei Lissitzky zielt dieser Keil mit seinem spitzesten Winkel in den Mittelpunkt eines weißen Kreisausschnitts, welcher aus dem zur Hälfte schwarzen Hintergrund ausgespart ist - gemeint als symbolisch-abstra- hierende Darstellung der Oktoberrevolution: die Bolschewiken wie ein zuste­

chender roter Keil gegen das zaristische Reich als aufgebrochenes weißes Vakuum.

29 F A U S T (1982), 9-10.

30 K O W A L E W S K I (1985), unpag., bescheinigt sich selbst in einer unter Pseudonym veröffent­

lichten Kritik, mit diesem Kunstgriff die literarischen Qualitäten des Werks betont zu haben.

31 Ab Mitte der 1980er Jahre beginnt auch der Warschauer Künstler Pawel Susid (*1952), Werke der russischen Avantgarde ironisch zu zitieren, darunter Lissitzkys Lithographie. Malewitschs

„Schwarzes Kreuz" nennt er auf einem Bild von 1986 „Projekt eines Tisches für vier Personen".

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„Krakau — das Mönchengladbach des Ostens"

157 Auf Kowalewskis Gemälde lässt sich aufgrund der bildlichen Anspielungen sowie eines Titels, der das Werk den Verteidigern des Winterpalastes widmet, schließlich das dargestellte Schiff mit der Aurora identifizieren, dem Kanonen­

boot mit seinen charakteristischen drei Schornsteinen, das mit einem Schuss das Startsignal für den Sturm auf eben jenen Winterpalast und damit für die bolschewistische Revolution gab. Hier ist die Aurora jedoch allein auf hoher See dargestellt, weit entfernt vom Ziel ihrer folgenschweren Mission. Entgegen der Botschaften kommunistischer Jubelfeiern in seinem Land scheint Pawel Kowalewski die historische Gegenseite, die den Herrschersitz verteidigenden zaristischen Truppen, zu ehren.

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Mit dieser künstlerischen Huldigung wider­

setzt er sich den revolutionären Überzeugungen Malewitschs und Lissitzkys.

Deren hochgradig symbolische Bildformeln degradiert er obendrein vom agita­

torischen Werkzeug zu dekorativen Elementen eines Landschaftsbildes. Die Doppeldeutigkeit eines roten Dreiecks zwischen geometrischer Form und narrativer Betitelung treibt Kowalewski auf die Spitze. Er rührt damit am immanenten Widerspruch avantgardistischen Sendungsbewusstseins, der Frage nach dessen tatsächlicher Aussagekraft, die Wassilij Rakitin angesichts der formalen Mittel bezweifelt: „Die einen fesselte die Leuchtkraft der Farben, die anderen schreckten vor der seltsamen Kombination von Formen aus dem Geometriebereich zurück. Blieben sie etwa beim Anblick von El Lissitzkys Plakat 'Schlagt die Weißen mit dem roten Keil' stehen, um die Symbolik zu entziffern? Was wirkte war doch einfach die Dynamik der Komposition."

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Rakitin, der Lissitzkys Agitationskunst unter diesem „'bürgerlichen' Ge­

brauchsaspekt" betrachtet, verweist auf die „ästhetische Schere" zwischen dem Interesse des Künstlers an der Arbeit im städtischen Raum und seiner offensichtlichen Gleichgültigkeit gegenüber den Aufgaben einer abstrakten Agitation.

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Demnach haben Lissitzky die geometrischen Formen nicht zum Zweck gesellschaftspolitischen Engagements gereicht. Ab 1932 kollaborierte er uneingeschränkt und gab seinen Arbeiten eine verständlichere und politischere Form, ein Schwenk, der in der Forschung kontroverse Einschätzun­

gen erfahren hat.

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Malewitsch dagegen, dessen gegenstandslose Welt des

32 Kowalewski kehrt in ähnlicher Weise das offizielle kommunistische Geschichtsbild um, wie dies auch die Strategie der „Orangen Alternative" in ihren zwischen 1986 und 1989 ausgeführten Straßenaktionen war, wenn sie etwa die Erstürmung des Winterpalastes durch Soldaten der Roten Armee nachspielte - wie dies im übrigen in der frühen Sowjetunion gängiges Thema von Masseninszenierungen war - und die unvermeidlich eingreifende Miliz in die Rolle von Konter-Revolutionären drängte, welche nicht nur diesen Sturm verhinderten, sondern auch das Modell der Aurora zerstörten; vgl. dazu J A W L O W S K A (1992), 201-202.

33 R A K I T I N (1992), 26.

34 R A K I T I N (1992), 26.

35 NISBET (1988), 36, argumentiert im Gegensatz etwa zu Benjamin Buchloh, dass Lissitzky seine früheren künstlerischen Experimente aus politischem Opportunismus aufgab: „So gesehen hat Lissitzky etwas von einem Chamäleon, er paßt sich seiner Umgebung an, ohne ihr eine starke, ausgleichende Individualität entgegenzusetzen, die die Umstände beharrlich negieren und herausfordernde Alternativen vorschlagen könnte. "

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158 Thorsten Sraidt

S u p r e m a t i s m u s nicht den erhofften Zuspruch von k o m m u n i s t i s c h e r Seite erfuhr,36 schuf in seinem Spätwerk „eine neue Formel, in der er die Gegen­

ständlichkeit mit Elementen des transformierten Suprematismus vereinigte",

37

die aber auch Ratlosigkeit auslöste, welche K r ä f t e i h n z u dieser R ü c k k e h r zu figurativer Malerei veranlasst h a b e n mochten.

3 8

I n der F r a g e der B e w e r t u n g zweier Künstlerbiographien bezieht K o w a - l e w s k i k e i n e Position. Sein Bild leistet v i e l m e h r einen Anstoß, die den V o r b i l d e r n i n n e w o h n e n d e n Widersprüche w a h r z u n e h m e n . Nicht n u r stellt er ihre f r ü h e n avantgardistischen F o r m e n entgegen ihrer Intention in den Dienst der Gegenseite, er kompensiert auch ihr größtes Manko, die mangelnde V e r s t ä n d l i c h k e i t f ü r die Massen, m i t einer insgesamt gegenständlicheren B i l d k o m p o s i t i o n . K o w a l e w s k i s B i l d ist zu verstehen als E x p e r i m e n t , das auf j e n e E m o t i o n e n abzielt, welche Q u a d r a t u n d Keil als elementare Zeichen der A v a n t g a r d e - B e w e g u n g bald 70 J a h r e nach i h r e m ersten E i n s a t z noch auszu­

lösen i m s t a n d e sind. Spielerisch bedient sich der K ü n s t l e r zweier geomet­

rischer E l e m e n t e aus d e m F o r m e n k a n o n des S u p r e m a t i s m u s , u m sie in ihrer W i r k u n g s m a c h t erneut z u befragen, n u r dass sich sein A n l i e g e n v o n einer U n t e r s t ü t z u n g der B o l s c h e w i k e n weit entfernt hat.

V o r d e m H i n t e r g r u n d des Kriegsrechts greift K o w a l e w s k i die Frage nach den k ü n s t l e r i s c h e n Möglichkeiten gesellschaftlicher W i r k s a m k e i t auf, wie sie von M a l e w i t s c h u n d L i s s i t z k y angesichts der politischen Machtverhältnisse letztlich nicht (mehr) beantwortet werden konnte. Doch auch sein Bild v e r m a g k e i n e n e u e L ö s u n g anzubieten. K o w a l e w s k i thematisiert lediglich, sich dieses P r o b l e m s bewusst zu sein. K ü n s t l e r der n e u e n Generation begegneten d e m E r w a r t u n g s d r u c k der Gesellschaft nach politisch eindeuti­

gen Botschaften m i t V e r w e i s e n a u f die historischen D i m e n s i o n e n des proble­

m a t i s c h e n V e r h ä l t n i s s e s von K u n s t u n d Politik. D a z u unterzogen sie die russisch-polnische K u n s t t r a d i t i o n einer kritischen Revision, insbesondere im H i n b l i c k a u f deren „große Utopie". D i e j u n g e n Polen w a r e n weder Epigonen der deutschen „Neuen W i l d e n " noch deren kämpferische V a r i a n t e . V i e l m e h r diente die A b g r e n z u n g von den gewollten oder ungewollten politischen A u s s a g e n der deutschen M a l e r dazu, ihre eigene H a l t u n g i n n e r h a l b der Kriegsrechtsgesellschaft zu profilieren. Sie erweiterten den Protest, der ganz Polen u n d die gesamte K u n s t s z e n e dieser Zeit kennzeichnete, u m eine reflexive D i m e n s i o n . A n die Stelle direkten W i d e r s t a n d s trat die A u s e i n a n ­ d e r s e t z u n g m i t der Frage, mittels K u n s t überhaupt gesellschaftlich w i r k s a m sein z u k ö n n e n . D a z u rezipierten die j u n g e n Polen auch deutsche Vorbilder, insbesondere die kritischen T e n d e n z e n des K i p p e n b e r g e r - U m k r e i s e s . Sie

36 S T A C H E L H A U S (1989), 8, beschreibt dies als „tragischen Konflikt", da Malewitsch „mit seiner Botschaft [...] am praktischen, gegenständlichen Realismus, wie ihn Lenin durchgesetzt hat", gescheitert sei.

37 P E T R O W A (2000), 9.

38 Vgl. S A R A B I A N O V (1989), 72, der dieses Problem thematisiert.

(11)

„Krakau - das Mönchengladbach des Ostens" 159 entlehnten vereinzelt formale Elemente, grenzten sich inhaltlich und von der Intention her jedoch von den deutschen Künstlern ab. Damit haben wir ein Rezeptionsmodell vor Augen, das emanzipatorisch genannt werden kann, ein Rezeptionsmodell, das in der polnischen Nachkriegskunst keinen Vorläufer hat.

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Abbildungsnachweis

Abb. 1, 4: APS Foto; Abb. 2, 3, 5: Archiv des Verfassers; Abb. 6: Archiv Morissow.

(13)

„Krakau - das Mönchengladbach des Ostens" 1 6 1

Streszczenie: „Krakow - Mönchengladbach Wschodu." „Nowi Dzicy" w Polsce i w Niemczech

W l a t a c h 8 0 . X X w . n i e m a l w c a l e j E u r o p i e i U S A p o j a w i l si§ f e n o m e n t z w .

„ n o w e g o m a l a r s t w a " . K i e d y w e w s z y s t k i c h k r a j a c h o b j e t y c h t y m z j a w i s k i e m u k u t o d l a n i e g o o r y g i n a l n e o k r e s l e n i a , k r y t y c y p o l s c y - c h c a c o k r e s l i c d z i a l a n i a p o l s k i c h a r t y s t ö w - p r z e j e j i niemiecka^ nazwe^ „ N e u e W i l d e " - „ N o w i D z i c y " . N a s u w a siq w t y m m i e j s c u p y t a n i e o m o d e l r e c e p c j i s z t u k i w o k r e s i e o d 1 9 8 0 d o 1 9 8 9 r . , z a s a d n i c z o j e d n o s t r o n n e j , d o t y c z a c e j t y l k o P o l s k i . M o z n a j e d n a k z a o b s e r w o w a c w s z t u c e p o l s k i e j p r z e k s z t a l c a n i e m o t y w ö w i i n t e n c j i ,

z m i e r z a j a c e k u w y r a z n e j e m a n c y p a c j i w s t o s u n k u d o w z o r o w z a c h o d n i c h . T r z e j m l o d z i m a l a r z e p r z e b y w a j a c y w N i e m c z e c h Z a c h o d n i c h n a s t y p e n - d i u m „ S o l i d a r n o s c i " w y r a z i l i s w o j e w r a z e n i a w d o s e l a k o n i c z n e j f o r m u l e :

„ K r a k o w - M ö n c h e n g l a d b a c h W s c h o d u " . A r t y s c i ci z a u w a z y l i , z e i c h m a l a r - s t w o f o r m a l n i e j e s t p o d o b n e d o t w ö r e z o s e i i c h z a c h o d n i c h k o l e g ö w . P o w i n o - w a e t w o d u c h o w e d o s t r z e g a l i z w l a s z c z a w d z i a l a n i a c h f o r m a e j i M a r t i n a K i p p e n b e r g e r a . F a k t y c z n i e j e d n a k p o d e z a s p r z e n o s z e n i a n i e m i e c k i c h w z o r o w n a g r ü n t p o l s k i e g o m a l a r s t w a z m i e n i o n o i c h p i e r w o t n e i n t e n e j e . Z o s t a l y o n e c a l k o w i c i e o d p o l i t y c z n i o n e ! W k o n f r o n t a e j i f o r m a l n i e p o d o b n y c h n i e m i e c k i c h i p o l s k i c h d o k o n a n m a l a r s t w o K i p p e n b e r g e r a w y d a j e s i § b y c o w i e l e b a r d z i e j u p o l i t y c z n i o n e n i z t o , k t ö r e p o w s t a l o w r e a l i a c h s t a n u w o j e n n e g o w P o l s c e .

T a k r o z u m i a n a m o z e b y c p r z y k l a d o w a w ^ d r ö w k a m o t y w u , jaka^ m o z n a z a o b s e r w o w a c w o d n i e s i e n i u d o d r e w n i a n e j r z e z b y G e o r g a B a s e l i t z a . M a r e k S o b c z y k p r z e n i ö s l n a p l ö t n o j e g o prace^ „ W z o r z e c r z e z b y " ( 1 9 8 0 ) . J e d n a k w t r a k e i e t e g o a r t y s t y c z n e g o z a b i e g u p r z e w a r t o s c i o w a l c a l k o w i c i e s e n s t e j o s l a w i o n e j f i g u r y , k t ö r a n a r a z i l a B a s e l i t z a n a z a r z u t n e o f a s z y z m u . ( N i e - z a m i e r z o n a ) p o l i t y c z n a w y m o w a n a b r a l a w n o w y m k o n t e k s c i e z n a e z e n i a e g z y s t e n c j a l n e g o o r ^ d z i a .

P a r a d o k s e m j e s t , z e p o d e z a s o k r e s u p e w n e j i z o l a c j i , j a k i m b y l s t a n w o j e n n y , m i a l o w P o l s c e m i e j s e e b a r d z o i n t e n s y w n e p r z e j m o w a n i e a r t y - s t y c z n y c h w z o r o w z N i e m i e c . J e d n a k r e e e p e j a s z t u k i z a c h o d n i e j , i n a e z e j n i z p o d k o n i e c l a t 5 0 . i w l a t a c h 6 0 . , n i e b y l a j u z t a k c a l k o w i c i e b e z k r y t y c z n a . K i e d y j u z w 1 9 8 2 r. W o l f g a n g M a x F a u s t p o d k r e s l a l z n a e z e n i e r e g i o n a l n y c h w a r t o s c i w o d n i e s i e n i u d o w s p ö l e z e s n e g o n i e m i e c k i e g o m a l a r s t w a , p o z o s t a j ^ - c e g o w o b r e h i e u j e d n o l i c o n e g o , m i ^ d z y n a r o d o w e g o n u r t u , n i e m o g l o t o p o z o s - t a c b e z w p l y w u n a p o l s k i e m a l a r s t w o l a t 8 0 . W P o l s c e w k o n f r o n t a e j i z n i e m i e c k i m i w z o r a m i r o z w i n e ^ a sie^ o w a k o n e e p e j a p o w r o t u d o w l a s n e j t r a d y c j i .

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Abb. 6: El Lissitzky, Schlagt die Weißen mit dem Roten Keil. 1920

Referenzen

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