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rattus norvegicus: Georg Herold

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1 Dr. Gerd Mörsch

rattus norvegicus: Georg Herold

‚Welche Erwartungen hat ein Betrachter an Kunst? Das ist doch viel interessanter als irgendeine Interpretation.‘1 (Georg Herold 2009)

Die in der Ausstellung rattus norvegicus mit Arbeiten von Stange und Ross in einem Raum gezeigten Werke Georg Herolds – ‚Ohne Titel‘ (Kaviarbild, 1990), ‚Kurt und Karl‘ (2004) sowie das Backstein-Objekt (‚Ohne Titel‘, 1984) - bieten einen guten Überblick auf einen Schwerpunkt in seinem Werk. Die neo- expressionistische Sprengkraft der Jungen Wilden, zu denen Herold zählte und die sich neben der Gründung von Bands oder Vereinen auch im Duktus ihrer Bilder zeigt, findet sich hier in einer einfachen wie kunsthistorisch subtilen Geste.

Der in Düren schlicht auf dem Boden positionierte Backstein (‚Ohne Titel‘, 1984), scheint von hinten durch die Leinwand geworfen zu sein – und ist doch immer noch mit ihr verbunden. Der Stein ist, neben der Bedeutung als Zeichen rationalisierter Architektur, ein (deutsches) Symbol für Wiederaufbau, das nicht nur auf jenen der BRD zielt. Er kann allgemeiner als grundlegende Metapher für das Aufbauen, die

Werkgenese gelesen werden. Da es sich um ein Werk vom Ende des 20. Jahrhunderts handelt, ist der aggressive ‚Durchbruch‘ auch vor dem Hintergrund experimenteller, der Erweiterung des Kunstbegriffs dienender Attacken auf die Leinwand der Moderne und den 1960ern (ZERO oder Lucio Fontana) interessant.

Doch während jene mit Pfeil und Bogen oder Pistolen auf die Leinwand schossen, wurde Herolds Angriff nicht frontal ausgeführt. Hinterlistig scheint der Stein von der Rückseite her den Stoff zerrissen zu haben, wie der Betrachter aufgrund der Position der Leinwandfetzen schließen kann. Folgt man diesem Indiz, offenbart das zunächst schlicht anmutende Werk vielfältige Facetten, die über politische Aspekte hinaus auch kunsttheoretische Fragen evozieren: Ist es ein Gemälde, eine Plastik, oder eine Installation?

Entgegen seinen vermeintlichen Vorsätzen – ‚Materialien, die eine eigene Sprache sprechen, werden von mir grundsätzlich nicht benutzt. Deshalb suche ich mir ungehobeltes, dummes Material, das keine Fragen aufwirft‘2 – sorgt Herolds Werk für Kopfzerbrechen; seine Selbstdeutung erscheint als Finte.

Werke wie ‚Kurt und Karl‘ oder das häufig variierte ‚Kaviarbild‘-Motiv Herolds, ein kräftiger, mit Lack konservatorisch fragwürdig fixierter Klecks der Feinkost, das im Jahre 1990 entstanden ein zynischer Kommentar zum deutschen Einheitsrausch zu sein scheint, zeugen vom subversiven Humor des Künstlers.

Er verbindet ihn mit Büttner oder Martin Kippenberger. Trotz seiner Beteiligung an Bands und Vereinen war er stets mehr Solitär als Mitglied der Gruppen, wie er gewohnt prägnant und ironisch auf der ‚Nebenlatte‘

genannten Arbeit 1984 notiert: ‚Gemeinsam sind wir Arschlöcher.‘

Manifeste wie das ‚Facharbeiterficken‘ (1982 mit Büttner und A. Oehlen) und Ausstellungstitel wie ‚wo man kind‘ (2008) machen deutlich, dass sich hinter Provokation und Sprachwitz stets ein um Aktualität und Relevanz bemühter Geist steckt. Kennzeichen des seit Mitte der 1990er Jahre an Akademien lehrenden Herold ist seine unverkennbare (deutsche) Materialsprache, Dachlatten, Ziegelsteine, Autolack.

Seine künstlerischen Experimente sind stets ernsthafte wie selbstreferentiell-ironische Kommentare zu aktuellen Tendenzen in Kunst, Gesellschaft und Politik. Dass er sich dabei einerseits in bester Tradition und andererseits zugleich distanzierend auf verlorenem, weil hoffnungslos idealistischen Boden befindet und darum weiß, belegen humorvolle Werke und Titel wie ‚Künstlerische Medizin, Patho-Ontologie / Cabinet patho-psychologique‘ (1995). Durch seine erfrischend derbe wie feinsinnige Sprache gelingt es ihm, Klischee und Pathos zu umschiffen – trotz plakativ provokantem Gestus.

1 Herold in: Monopol 2/2009

2 Herold in: Wolkenkratzer Art Journal, 1/1988

Originalveröffentlichung in: Rattus norvegicus : Sammlung Dahlmann [Katalog zur Ausstellung 18.6. - 13.8.2006 Leopold-Hoesch-Museum Düren], herausgegeben vom Leopold-Hoesch-Museum, Düren 2009, S. 34-35 ()hier Text des Katalogbeitrags ohne Abbildungen

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2 .GEORG HEROLD

*1947 in Jena

1969-1973 Studium der Malerei, Halle 1974-1976 Studium der Malerei, München 1977-1978 Studium der Malerei, Hamburg

Seit 1993 Professur, Hochschule für Bildende Kunst, Frankfurt Seit 2000 Professur, Akademie, Düsseldorf

AUSSTELLUNGEN (AUSWAHL)

2009 Art of Two Germanys/Cold War Cultures, Deutsches Historisches Museum, Berlin 2008 Archeology of Mind, Konstmuseum, Malmö

Vertrautes Terrain - Aktuelle Kunst in und über Deutschland, ZKM, Karlsruhe Kavalierstart, Museum Morsbroich, Leverkusen

The Hamsterwheel, Konsthall, Malmö

...und immer fehlt mir was, und das quält mich, Werkstadt, Graz 2007 Im Wort, Kunsthalle, Göppingen

Georg Herold, Stedelijk Museum voor Actuele Kunst, Gent wo man kind, Museum Ludwig, Köln

The Lath Picture Show, Friedrich Petzel Gallery, New York 2006 Kunst als Kommentar, Neues Museum, Nürnberg

rattus norvegicus, Leopold-Hoesch-Museum, Düren Transformation, Kunstmuseum Liechtenstein Faster! Bigger! Better!, ZKM, Karlsruhe

2005 Georg Herold, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden & Kunstverein, Hannover What a life!, Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt

Flashback - eine Revision der Kunst der 80er Jahre, Kunstmuseum, Basel Goetz meets Falckenberg, Sammlung Falckenberg, Hamburg

2004 Bollinger War’s, Anthony Reynolds Gallery, London

Für die Konstruktion des Unmöglichen - European Kunsthalle, Köln Das große Fressen. Von Pop-Art bis heute, Kunsthalle, Bielefeld Rhinegold - Art from Cologne, Tate Liverpool

2003 son of mom, Gabriele Senn Galerie, Wien 4 old works, Studio Fairhurst/Lucas, London

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3 Blinde wehrt Euch!..., K21, Düsseldorf

Phantom der Lust - Visionen des Masochismus in der Kunst, Neue Galerie, Graz 2002 OM, Galerie Bärbel Grässlin, Frankfurt

Sand in der Vaseline..., Kaiser Wilhelm Museum, Krefeld

Klopfzeichen, Kunst und Kultur der 80er Jahre..., Museum Folkwang, Essen Georg Herold, Kunstecke in der Tiroler Sparkasse, Innsbruck

2001 Big Nothing - Höhere Wesen..., Staatliche Kunsthalle, Baden-Baden Mutter-Kind-Vater, Goethe Institut, Palermo

Auktion‚ Genussgutscheine, Portikus, Frankfurt

WertWechsel. Zum Wert des Kunstwerks, Museum für Angewandte Kunst, Köln 2000 Dein Wille geschehe ..., Haus am Waldsee, Berlin

I believe in Dürer, Kunsthalle, Nürnberg

First Biennale Buenos Aires, Museo Nacional de Bellas Artes, Buenos Aires Dinge in der Kunst des XX. Jahrhunderts, Haus der Kunst, München

LITERATUR (AUSWAHL)

2006 Kunst als Kommentar, Neues Museum, Nürnberg

2005 What a life!, Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt

2003 Private - Corporate II, Sammlung Daimler/Chrysler Haus Huth, Berlin

Der Text ist Teil des rattus norvergicus genannten Ausstellungskataloges (S. 34 - 35), herausgegeben vom Leopold-Hoesch-Museum, Düren 2009, ISBN 978-3-925955-01-3.

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