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Archiv "Wachstumsfaktormodulation als therapeutisches Prinzip" (24.12.2001)

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D

ie kausale Beteiligung verschie- dener Wachstumsfaktoren an pa- thologischen Prozessen wie auch an funktionell bedeutsamen Regene- rationsprozessen wurde in den vergan- genen Jahren erkannt und systema- tisch charakterisiert. Zum Spektrum dieser Erkrankungsprozesse gehören proliferative Erkrankungen wie die Arteriosklerose (einschließlich ihrer verschiedenen Sonderformen wie der Restenose nach Angioplastie und der Transplantat-Vaskulopathie), chro- nisch entzündliche Erkrankungen so- wie benigne und maligne Tumorer- krankungen. Durch Wachstumsfakto- ren gesteuerte Regenerationsprozesse sind bei der Wundheilung, beim aku- ten Nierenversagen sowie bei neuro- degenerativen Prozessen beteiligt.

Wachstumsfaktoren sind eine Gruppe von löslichen Proteinen, die als zelluläres Produkt sezerniert wer- den und nach spezifischer Bindung an zellständige Wachstumsfaktorrezep- toren zur Induktion eines biologischen Signals führen. Derartige Signale kön- nen, je nach Wachstumsfaktor, Ziel- zelle und Kontext, die Proliferation

und Migration, die Expressionsmuster anderer Gene oder die Differenzie- rung der Zielzelle beeinflussen (Gra- fik 1).

Im Rahmen dieser Übersicht soll der potenzielle therapeutische Nutzen einer exogenen Applikation von Wachstumsfaktoren und damit einer verstärkten Aktivierung entsprechen- der Wachstumsfaktorrezeptoren bei akutem Nierenversagen, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen so- wie neurodegenerativen Erkrankun- gen diskutiert werden. Ferner wird der mögliche therapeutische Nutzen der Hemmung von Wachstumsfaktorre- zeptoren und assoziierten Signalwe-

gen bei der Arteriosklerose/Resteno- se und Tumorbildung diskutiert. Be- sondere Beachtung finden dabei auch mögliche Nebenwirkungen sowie Pro- bleme bei der klinischen Umsetzung dieser Strategien.

Arteriosklerose/Restenose

Die Restenose nach Angioplastie stellt auch nach Einführung implan- tierbarer Stents mit einer Inzidenz von 20 bis 50 Prozent ein ungelöstes Pro- blem dar. Verschiedene neue Strategi- en zur Prophylaxe einer Restenose einschließlich der Applikation ionisie- render Strahlen (Brachytherapie) be- finden sich derzeit in der klinischen Erprobung.

Ein viel versprechender Ansatz zur Prävention der Restenose beruht auf zellbiologischen Beobachtungen. Be- reits vor mehr als zehn Jahren fanden sich erste Hinweise für eine Rolle des

„platelet-derived growth factor“ PDGF im Prozess der Atherogenese (37).

Nachfolgend konnte die Rolle von PDGF beim Gefäßumbau anhand

Wachstumsfaktormodulation als therapeutisches Prinzip

Johannes Waltenberger

1

, Peter M. Jehle

2

,

Jürgen Engele

3

, Michael Kühl

4

, Doris Wedlich

4

, Max Reinshagen

5

Zusammenfassung

Wachstumsfaktoren vermitteln entscheidende Funktionen und Signale bei einer Vielzahl phy- siologischer und pathologischer Prozesse und sind somit kausal bei der Entstehung verschiede- ner Erkrankungen sowie an Regenerations- und Reparationsprozessen beteiligt. Therapeutisch erscheint das Konzept der Wachstumsfaktor- Modulation für eine Reihe unterschiedlicher Er- krankungen von Interesse. Tierexperimentelle Befunde legen nahe, dass die Restenose nach Stentimplantation durch lokale Hemmung von

„platelet-derived growth factor“ verhindert werden könnte. Andererseits könnte die Appli- kation von „insulin-like growth factor“ oder „he- patocyte growth factor“ möglicherweise zur be- schleunigten Regeneration bei akutem Nieren- versagen eingesetzt werden. Bei chronisch ent- zündlichen Darmerkrankungen werden Antikör-

per gegen TNF-aaaaund IL-12 sowie die Gabe von IL- 10 und IFN-bbbb erprobt. Die Wnt-Signaltrans- duktion ist unter anderem bei Colon-, Brust-, Prostata- und Lungenkrebs übermäßig aktiv, und somit bietet die Hemmung der Signalkaska- de einen potenziellen therapeutischen Ansatz.

Schlüsselwörter: Molekularbiologie, Nierenver- sagen, Wachstumsfaktor, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Krebstherapie

Summary

Growth Factor Modulation as a Therapeutic Principle

Peptide growth factors can stimulate important cellular signals in a number of physiologi- cal and pathological processes and play a pivotal role in various diseases as well as in pro-

cesses of regeneration and repair. The concept of growth factor modulation is of potential interest for the treatment of different diseases.

In animal models it has been demonstrated that restenosis after stent implantation can be pre- vented by local inhibition of platelet-derived growth factor. In addition, hepatocyte growth factor might speed up the regeneration after acute renal failure. Antibodies directed against TNF-aand IL-12 as well as the application of IL-10 and IFN-bare investigated in order to combat chronic inflammatory bowel diseases. In cancers of colon, breast, prostate and lung the Wnt-signal transduction pathway is overactive pointing to the therapeutic option to inhibit the signalling cascade.

Key words: molecular biology, renal failure, gro- wth factor, Crohn´s disease, Colitis ulcerosa, can- cer therapy

1Abteilung Innere Medizin II (Ärztlicher Direktor: Prof.

Dr. med. Vinzenz Hombach), Medizinische Klinik und Po- liklinik der Universität Ulm

2Sektion Nephrologie (Leiter: Prof. Dr. med. Fieder Kel- ler), Abteilung Innere Medizin II, Medizinische Klinik und Poliklinik der Universität Ulm

3Abteilung Anatomie und Zellbiologie (Direktor: Prof. Dr.

med. Dr. h.c. Christoph Pilgrim), Universität Ulm

4Abteilung Biochemie (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. rer.

nat. Walter Knöchel) der Universität Ulm

5Abteilung Innere Medizin I (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr.

med. Guido Adler), Medizinische Klinik und Poliklinik der Universität Ulm.

(2)

zahlreicher Modelle charakterisiert werden (33, 34). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass PDGF von glatten Gefäßmuskelzellen, Mono- zyten und Thrombozyten produziert beziehungsweise freigesetzt wird und über die Aktivierung glatter Ge- fäßmuskelzellen und Fibroblasten ur- sächlich am Gefäßumbau beteiligt ist.

Mögliche therapeutische Strategien zur Hemmung des PDGF-abhängigen Gefäßumbaus basieren auf modernen Methoden der Gentechnologie und Immunologie (Textkasten). Hierzu gehört die Entwicklung blockieren- der Antikörper und die Verwendung von Antisense-Oligonukleotiden zur Blockade der Rezeptorexpression.

Die Autoren haben eine Strategie ent- wickelt, die unter Nutzung zellulärer und molekularer Tests die Identi- fikation und Charakterisierung von Wachstumsfaktorrezeptor - Blockern (Tyrphostinen) gestattet. Im Rahmen eines derartigen Screenings konnten in den vergangenen Jahren mehrere Substanzen identifiziert werden, die eine potente Hemmung der PDGF- Rezeptoren bewirken (22, 35). Für die Substanzen AG1295 und AG1296 konnte eine Wirksamkeit bereits in

verschiedenen Tiermodellen verifi- ziert werden (3, 9). Jüngste Daten be- legen auch die Machbarkeit einer lo- kalen Applikation mittels Einbettung in Nanopartikel und unter Verwen- dung spezieller Katheter (9).

Für dieses Konzept liegen viel ver- sprechende tierexperimentelle Befun- de vor. Der Ansatz belegt, dass durch die selektive Blockade des für den Ge- fäßumbau funktionell bedeutsamen Wachstumsfaktors PDGF eine Hem- mung des Gefäßumbaus erreicht wer- den kann. Die weitere Entwicklung dieses Projektes wird die Suche nach noch potenteren Substanzen sowie die Anwendung beim Menschen betref- fen.

Akutes Nierenversagen

In der Nephrologie ist das akute und chronische Nierenversagen trotz bahnbrechender Fortschritte in der Nierenersatztherapie auch heute noch mit einer erheblichen Morbidität und Mortalität behaftet. Daher wird inten- siv nach neuen Strategien zur Nephro- protektion geforscht und der klinische Einsatz von Wachstumsfaktoren er-

wogen (17). Innerhalb des Nephrons besitzt der proximale Tubulus auf- grund seiner vielfältigen ATP-abhän- gigen physiologischen Funktionen die geringste Ischämietoleranz und spielt bei der Entwicklung des akuten Nie- renversagens neben den Zellen des distalen Tubulus eine zentrale Rolle.

Neben anderen Wachstumsfaktoren ist „insulin-like growth factor“ (IGF-I) sowohl für die Nephrogenese als auch die Regeneration geschädigten Nie- rengewebes von essenzieller Bedeu- tung (7). An proximalen Tubuluszel- len wirkt IGF-I vor allem von luminal über in der apikalen Zellmembran lo- kalisierte Rezeptoren (19). Drei Tage nach ischämischem Nierenversagen konnten bei der Ratte in regenerieren- den Tubuluszellen erhöhte IGF-I- Spiegel nachgewiesen werden (1). Bei Patienten mit gefäßchirurgischen Ein- griffen an der Bauchaorta und den Nierenarterien konnte in einer dop- pelblinden und randomisierten Studie gezeigt werden, dass die perioperative Gabe von IGF-I (100 µg/kg s.c., alle 12 h über 6 Tage) bei 33 Prozent der behandelten Patienten zwar eine Ver- schlechterung der Nierenfunktion ver- hinderte, nicht jedoch die Inzidenz der Dialyse oder das Gesamtüberleben signifikant positiv beeinflusste (10).

In einer kürzlich veröffentlichten mul-

Strategien zur Hemmung der Wirkung von Wachstumsfaktoren

Hemmung der Bindung eines Wachstumsfaktors an seinen Rezeptor

Neutralisierende Antikörper

Niedermolekulare Substanzen (zum Beispiel Su- ramin)

Dominant negative Wachstumsfaktormutanten

Lösliche Wachstumsfaktorrezeptoren Hemmung der Signaltransduktion

Dominant negative Wachstumsfaktorrezepto-

renHemmung der Signalentstehung/Tyrosinkinase- Inhibitoren (Tyrphostine)

Inhibitoren der nachgeschalteten Signaltrans- duktion (zum Beispiel MAP-Kinase-Inhibitoren) Andere Mechanismen

Blockade der Wachstumsfaktorproduktion (An- tisense-Oligodesoxynukleotide)

Blockade der Expression von Wachstumsfaktor- rezeptoren (Antisense-Oligodesoxynukleotide)

Toxin-konjugierte Wachstumsfaktoren Textkasten

Darstellung möglicher modulatorischer Eingriffe in den Signaltransduktionsweg von Wachstums- faktoren bei unterschiedlichen Erkrankungen. Wachstumsfaktoren binden überwiegend an spezifi- sche Rezeptoren. Diese Bindung führt zur Aktivierung spezifischer Signaltransduktionskaskaden, die unter Vermittlung des Zellkerns verschiedene zelluläre Funktionen wie Proliferation, Differenzierung und Überleben beeinflussen. Weiterhin kann von diesen aktivierten Signalkaskaden aber auch ein di- rekter Einfluss auf spezifische zelluläre Proteine, wie zum Beispiel Zytoskelettproteine und damit auf die Zellmigration ausgehen. In einigen Fällen wird die Bindung und damit die Verfügbarkeit von Wachstumsfaktoren durch Bindung an Wachstumsfaktorbindungsproteine gesteuert. WF, Wachs- tumsfaktor; WF-BP; Wachstumsfaktorbindungsprotein; WF-R, Wachstumsfaktorrezeptor; ✬- Thera- pieansatz durch Wachstumsfaktorhemmung; +Therapieansatz durch Wachstumsfaktorstimulation.

Neuroprotektion NGF, GDNF

Akutes Nierenversagen IGF-1, EGF, HGF

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen NGF, NT-3, GDNF

Arteriosklerose/Restenose Migration PDGF

mRNA DNA Onkologie

Wnt Grafik 1

(3)

tizentrischen randomisierten Studie konnte dagegen kein Vorteil für die mit IGF-I behandelten Patienten nachgewiesen werden (15). Das im Vergleich zu den experimentellen Stu- dien an Zell- und Tiermodellen ent- täuschende Ergebnis könnte nicht zu- letzt durch Speziesunterschiede er- klärbar sein, da beim Menschen im Gegensatz zur Ratte postnatal hohe IGF-II-Spiegel persistieren, denen ei- ne wesentliche Bedeutung bei der Mo- dulation der „insulin-like growth fac- tor binding proteins“ (IGFBPs) und damit der Aktivität des freien IGF-I zukommt (38). Durch rasche Bindung des applizierten IGF-I an zirkulieren- de IGFBPs ist auch lokal in der Niere nur eine marginale Erhöhung der frei- en IGF-I-Spiegel zu erwarten.

Es bleibt zu überprüfen, ob durch Modifikation bessere Erfolge zu erzie- len sind. Derartige Abwandlungen könnten beispielsweise in einer konti- nuierlichen subkutanen Applikation von IGF-I bestehen. Es wäre auch denkbar, IGF-I in Kombination mit IGF-Bindungsproteinen zu verwen- den oder aber auf IGF-Analoga (zum Beispiel 1-3-IGF-I) mit reduzierter beziehungsweise fehlender Bindung an IGFBPs zurückzugreifen. Schließ- lich stellt die Verwendung anderer Wachstumsfaktoren wie zum Beispiel hepatocyte growth factor (HGF) eine interessante Perspektive dar.

Im Rahmen des Forschungschwer- punkts konnten die Autoren nachwei- sen, dass HGF im Gegensatz zu IGF-I nicht nur die Proliferation und Rege- neration von Nierentubuluszellen sti- muliert, sondern auch deren Differen- zierung induziert (Abbildung)und so- mit für den Erhalt der tubulären Dif- ferenzierung eine wichtige Rolle spie- len könnte (20). Ferner wurde gezeigt, dass HGF die durch Ciclosporin A oder Tacrolimus stimulierte Freiset- zung von Endothelin-1 aus proxima- len Tubuluszellen potent hemmt und über diesen Mechanismus zusätzlich nephroprotektiv wirken könnte (13).

Intravenös verabreichtes HGF stimu- liert in der Maus nach akutem Nieren- versagen nicht nur die Regeneration geschädigter Nierentubuluszellen, son- dern verhindert bei rechtzeitiger Gabe sogar dessen Entstehung (21). Nach

unilateraler Nephrektomie bewirkt HGF ein kompensatorisches Wachs- tum der verbleibenden Niere, indem es, von interstitiellen Endothelzellen vermehrt gebildet, über parakrine Mechanismen das Wachstum und die Differenzierung benachbarter Tubu- luszellen stimuliert (26). Ob und in- wieweit sich auf der Basis dieser Be- funde ein für Patienten nutzbarer The- rapieansatz etablieren lassen wird, ist zum heutigen Zeitpunkt noch unklar.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Eine dysregulierte Antwort des enter- alen Immunsystems auf unbekannte Antigene aus dem Darmlumen gilt, ohne eindeutigen Beweis, als Krank- heitsauslöser bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Eine gesteigerte T- Zellaktivierung in der Lamina propria führt bei Morbus Crohn zu einer vor- wiegend Th1-dominierten Zytokinse- kretion der T-Zellen (IFN-g, TNF-a, IL-2, IL-6), während im entzündeten

Darm von Colitis-ulcerosa- Patienten ein so genannter Th2-Phänotyp der aktivier- ten T-Zellen überwiegt (Il-4, IL-5, IL-10) (Grafik 2). Die aktuellen therapeutischen Zielrichtungen der „biologi- schen Therapien“ bei chro- nisch entzündlichen Darmer- krankungen gehen dahin, diese Zytokinverschiebun- gen therapeutisch zu korri- gieren (zum Beispiel Thera- pie des Morbus Crohn mit TNF-a-Antikörpern, IL-12 Antikörpern oder dem Zyto- kin IL-10 beziehungsweise Therapie der Colitis ulcerosa mit IFN-b).

Neurotrophine sind Wachs- tumsfaktoren, die bisher vor- wiegend in Hinblick auf ihre Funktion bei Proliferation und Erhaltung von Nerven- zellen im zentralen und peri- pheren Nervensystem unter- sucht wurden (23). Die Auto- ren konnten zeigen, dass die Ausschaltung der Neurotro- phine „nerve growth factor“

(NGF) und „neurotrophin-3“ (NT-3) im Tierexperiment den Schweregrad der experimentellen Colitis signifikant er- höhte (28), und dass Neurotrophine wie NGF, „brain-derived neurotrophic fac- tor“ (BDNF) und NT-3 sowie ihre spe- zifischen Tyrosinkinaserezeptoren im entzündeten Darm bei chronisch ent- zündlichen Darmerkrankungen diffe- renziell hochreguliert sind (29). Es ist seit einigen Jahren bekannt, dass akti- vierte T-Zellen NGF produzieren kön- nen und auch den NGF-Rezeptor TrkA exprimieren (4). Kürzlich wurde ge- zeigt, dass CD4+-T-Zellen klonal einge- schränkt sowohl NGF als auch BDNF und NT-3 produzieren können und dass die genannten Tyrosinkinase-Neuro- trophin-Rezeptoren Th1 beziehungs- weise Th2 polarisiert in CD4+-Zellen exprimiert werden (4).

Vorläufige Daten der Autoren wei- sen darauf hin, dass NGF die Apopto- serate krankheitsauslösender CD4+- Zellen im Tierexperiment modulieren kann. Das Ziel der Untersuchungen in dem Projekt ist es, den Einfluss von Neurotrophinen auf den Phänotyp

a

b

Abbildung: Morphologie von proximalen Nierentubuluszel- len a) in serumfreier Kultivierung und b) nach Zugabe von 1 nM „hepatocyte growth factor“ (HGF) für 2 Tage. HGF be- wirkt nicht nur eine Wanderung der Zellen (scattering), son- dern induziert auch eine Tubuluszell-spezifische Differenzie- rung (Tubulogenese).

(4)

und damit die Zytokinsekretion von CD4+-Zellen in immunologisch defi- nierten Tiermodellen (heterologe Transplantation von CD4+-Zellen in immuninkompetente SCID-Maus so- wie Mäuse, die kein IL-2 exprimieren [IL-2-Knockout-Maus]) zu untersu- chen, um als langfristiges Ziel den Phänotyp von CD4+-Zellen im ent- zündeten Darm von Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa therapeutisch zu beeinflussen. Dies könnte einen neuen und kausalen Therapieansatz darstellen.

Hämatologie/Onkologie

Eine Familie von Wachstumsfaktoren, die in jüngster Zeit mit der Tumorent- stehung beim Menschen in Verbin- dung gebracht werden konnte, ist die Wnt-Familie. Es handelt sich dabei um sezernierte Signalproteine, deren Wirkung über einen membranständi- gen Rezeptor bis in den Zellkern ver- mittelt wird (Grafik 3). In einer Reihe von Tumoren ist die Störung dieser Signalkaskade, als Auslöser für un- kontrolliertes Wachstum anzusehen.

Einzelne Vertreter dieser Molekül- klasse sind in der Lage, Epithelzellen zu transformieren. In der Tat findet man auch eine erhöhte Expression von Wnt-2 in Colonkarzinomen (32), von Wnt-2, 4, und -7B im humanen Mammakarzinom (16) sowie eine er- höhte Expression von Wnt-5A bei Lungen-, Brust- und Prostatakrebs (18). Schlüsselmolekül der Wnt-in- duzierten Signaltransduktion ist das zytoplasmatische Molekül b-Catenin, dessen intrazelluläre, zytoplasmati- sche Konzentration durch ein einge- hendes Wnt-Signal erhöht wird. Nach Translokation in den Zellkern kann es dort im Zusammenspiel mit Trans- kriptionsfaktoren der TCF/LEF-Fa- milie (TCF, „T cell receptor“; LEF, „lym- phoid enhancer factor“) die Expression ausgewählter Zielgene induzieren. Zu Letzteren gehören Proteine wie c-myc, Cyclin D1 oder die Metalloprotea- se Matrilysin (6, 14, 31). Diese genann- ten Proteine beeinflussen bekann- termaßen die Zellproliferation, den Zellzyklus oder erleichtern über den Abbau von extrazellulären Struktur-

proteinen die Migration von Zellen.

Ein weithin bekanntes Regulatormo- lekül der Wnt-Signalkaskade ist das adenomatöse Polyposis-Coli-Protein (APC). Mutationen dieses Proteins, die zu einer Erhöhung des zytoplas- matischen b-Catenin-Spiegels führen, sind die Ursache familiärer Formen des Colonkarzinoms (25, 27). Interes- santerweise können auch Mutationen von b-Catenin selbst beobachtet wer- den, die dessen Stabilität erhöhen und so eine onkogene Wirkung entfalten.

Ausführliche Untersuchungen von mutiertem b-Catenin wurden beim malignen Melanom durchgeführt (30).

Um eine gezielte Modulation der Wnt-induzierten Signalkaskade für therapeutische Zwecke zu nutzen, muss in jedem Einzelfall zunächst ge- klärt werden, auf welcher Ebene der Signalkaskade die konstitutive Akti- vierung erfolgt. Da jedoch eine Inter- aktion von b-Catenin mit Transkripti- onsfaktoren der TCF/Lef-Familie er-

folgen muss, um relevante Zielgene zu aktivieren, scheint das Unterbinden dieser Interaktion die beste Möglich- keit zur Therapie darzustellen. Hier lassen sich verschiedene Möglichkei- ten verfolgen, beispielsweise der Ein- satz synthetischer Peptide, neuer Phar- maka oder auch der gewebespezifische Einsatz von Ribozymen oder Antisen- se-Oligonukleotiden. Die Entwicklung einsatzfähiger Pharmaka, deren Wirk- samkeit nicht nur in vitro, sondern auch im Tiermodell bewiesen ist, wird jedoch mit Sicherheit noch mehrere Jahre benötigen.

Neurologie

Im Gegensatz zu den meisten Organen hat das Nervensystem nur ein sehr ge- ringes Regenerationspotenzial. Dieses Defizit versucht die Natur durch be- sondere neuronale Schutzmechanis- men auszugleichen. Bei dem bis heute am besten charakterisierten Schutzmechanismus fördern Wachstumsfaktoren das neu- ronale Überleben, indem sie auf eine noch nicht vollstän- dig aufgeklärte Weise die neuronale Genaktivität mo- dulieren und damit eine Art

„molekularem Schutzschild“

bilden. Bereits seit einigen Jahren gibt es intensive Be- strebungen, diesen neuropro- tektiven Wirkungsmechanis- mus von Wachstumsfaktoren für die Therapie neurodege- nerativer Erkrankungen so- wie den traumatisch induzier- ten neuronalen Zelltod nutz- bar zu machen (24). Ein er- ster Durchbruch konnte kürzlich bei der diabetischen Neuropathie erzielt werden.

Mithilfe geeigneter Tiermo- delle konnte nachgewiesen werden, dass unter anderem der Nervenwachstumsfaktor eine äußerst potente neuro- protektive Wirkung auf die durch die diabetische Neuro- pathie betroffenen periphe- ren Neurone ausübt. Ausge- hend von diesen Befunden wurde NGF in klinischen Stu- Modell der neuroimmunen Interaktion im Darm am Beispiel

des Morbus Crohn. Ein unbekanntes Antigen aus dem Darm- lumen wird von Antigen präsentierenden Zellen (APC), den T- Zellen (T), präsentiert. Unter dem Einfluss von IL-12 wird ei- ne prädominante Th1-Antwort induziert, welche durch die Produktion von proentzündlichen Zytokinen verstärkt wird.

Darmepithelzellen als auch aktivierte CD4-Zellen produzie- ren NGF und exprimieren NGF-Rezeptoren (Trk A / p75). Fer- ner werden Neurotrophine (z. B. Nervenwachstumsfaktor, NGF; „glial cell-line derived neurotrophic factor“, GDNF) über sensorische Nervenfasern retrograd in die Spinal- ganglien (DRG) und anterograd in die Peripherie transpor- tiert (Epithel, Mucosa). Somit können Neurotrophine sowohl parakrin als auch autokrin Epithelzellen (Barrierefunktion, Antigenpräsentation, Apoptoseschutz) und aktivierte T-Zel- len (Apoptose, Zytokinsekretion) beeinflussen. Das enterale Nervensystem interagiert mit beiden Kompartimenten, in- dem es über sensorische Nervenfasern Mediatoren (Neu- rotrophine, Neuropeptide) freisetzen kann.

Antigen

NGF NGF

NGF NGF

NGF

GDNF GDNF

NGF

Neurotrophinrezeptor Epithel-

zellen Darmlumen

IFN-g TNF-a

IL-12 T

T

DRG APC

Makrophage T NGF Grafik 2

(5)

dien der Phase 2 an Diabeti- kern getestet und führte hier ebenfalls zu äußerst ermu- tigenden Ergebnissen (2).

Ähnliche viel versprechende Ergebnisse liegen auch für den Einsatz verschiedener Wachstumsfaktoren in Tier- modellen neurodegenerati- ver Erkrankungen des ZNS, wie beispielsweise M. Parkin- son, vor (11). Da Wachstums- faktoren in der Regel nicht die Blut-Hirn-Schranke pas- sieren, hängt hier ein klini- scher Einsatz augenblicklich vor allem noch von der Erar- beitung optimaler und prakti- kabler Applikationsmetho- den, aber auch von einer Re- duzierung der zu erwarten- den Nebenwirkungen, ab.

Bislang wenig beachtet wurde, dass neben der direk- ten Protektion von Neuro- nen durch extrazelluläre Faktoren im Nervensystem auch Schutzmechanismen realisiert sind, die an der Be- seitigung neurotoxischer Be-

dingungen mitwirken. Das Interesse der Autoren richtet sich augenblick- lich auf die Wiederaufnahme von synaptisch freigesetztem Glutamat.

Bei Glutamat handelt es sich um den wichtigsten exzitatorischen Neuro- transmitter des ZNS, der in hohen ex- trazellulären Konzentrationen als ein äußerst potentes Neurotoxin wirkt und in der Pathogenese der amyotro- phen Lateralsklerose, vermutlich aber auch anderer neurodegenerativer Er- krankungen beteiligt ist (5, 36). Die Akkumulation von toxischen Gluta- matkonzentrationen im Extrazellulär- raum wird vor allem von Gliazellen (Astrozyten) verhindert. In der Zell- membran von Astrozyten befinden sich zwei als EAAT-1 und EAAT-2 (EAAT, „excitatory amino-acid trans- porter“) bezeichnete hochaffine, natri- umabhängige Typen von Glutamat- transportern, die Glutamat aus dem Extrazellulärraum ins Zellinnere schaffen (12). Im Hinblick auf Neuro- protektion ergibt sich die Frage, ob man diese gliale Funktion positiv be- einflussen kann. In kürzlich durchge-

führten Arbeiten gelang es mit dem Wachstumsfaktor „transforming growth factor-a“ (TGF-a) sowie dem Neuro- peptid „pituitary adenylate cyclase- activating polypeptide“ (PACAP) erst- mals Botenstoffe zu identifizieren, die die Expression glialer Glutamattrans- porter stimulieren (8). Diese Befunde könnten in Zukunft erlauben, durch die Wahl geeigneter (Wachstums)fak- torkombinationen, Behandlungspro- tokolle zu formulieren, die bei neuro- degenerativen Erkrankungen bezie- hungsweise traumatischen Ereignis- sen eine optimale Neuroprotektion gewährleisten. Es muss allerdings nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die klinische Realisie- rung dieses Therapiekonzepts keine Heilung neurodegenerativer Prozesse im eigentlichen Sinne ermöglicht, also zu keinem Ersatz bereits untergegan- gener Neurone führt. Im Idealfall wür- de dieser Therapieansatz die degene- rativen Prozesse anhalten oder verzö- gern und damit primär die Lebensqua- lität der betroffenen Patienten verbes- sern.

Ausblick

Wachstumsfaktoren wurden als wichti- ge Regulatoren verschiedener zellulä- rer Funktionen erkannt. Eine ganz we- sentliche Rolle spielen sie im Rahmen von Umbauprozessen bei proliferativen Erkrankungen, aber auch bei verschie- denen natürlicherweise vorkommen- den und erwünschten Reparaturprozes- sen. Die genaue Charakterisierung und Definition der exakten Rolle einzelner Wachstumsfaktoren in den verschiede- nen Prozessen ist die Voraussetzung für die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien. In einzelnen Situationen, wie hier dargestellt, sind die Vorausset- zungen so gut definiert und charakteri- siert, dass mit der klinischen Erpro- bungsphase bereits begonnen werden konnte. In den meisten Fällen ist die künftige Entwicklung, vor allem aber die Umsetzbarkeit in die klinische Si- tuation ganz wesentlich von zwei Vor- aussetzungen beziehungsweise Rah- menbedingungen abhängig: Erstens muss es gelingen, ausreichende Konzen- trationen der Faktoren oder ihrer An- tagonisten an den gewünschten Wirkort zu bringen (local drug delivery). Zwei- tens müssen toxikologische Unter- suchungen durchgeführt werden, um mögliche lokale oder systemische Ne- benwirkungen auszuschließen oder zu erkennen. Sollten beide Voraussetzun- gen gegeben sein und eine Anwendung der entsprechenden Strategie mit ver- tretbarem Risiko durchführbar erschei- nen lassen, könnte mit der klinischen Umsetzung begonnen werden.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 3452–3456 [Heft 51–52]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Johannes Waltenberger Medizinische Klinik und Poliklinik der Universität Ulm Abteilung Innere Medizin II

Robert-Koch-Straße 8, 89081 Ulm

E-Mail: johannes.waltenberger@medizin.uni-ulm.de Schematische Darstellung des Wnt-Signalweges. Der extra-

zelluläre Ligand der Wnt-Familie bindet an einen transmem- branären Rezeptor der Frizzled-Familie. Dies führt zu einer Inhibition der Serin/Threoninkinase GSK-3bbbb(Glykogen-Synt- hase-Kinase-3bbbb) und damit zu einer Stabilisierung zytoplas- matischen bbbb-Catenins. In diesen Prozess ist auch das Protein Dishevelled involviert, dessen Funktion bei der Inhibition der GSK-3bbbbnoch nicht genau verstanden ist. APC ist unter nor- malen Umständen in den Abbau von bbbb-Catenin involviert.

Mutationen, die diese Funktion beeinträchtigen, führen da- her auch zu einem Anstieg der zytoplasmatischen bbbb-Catenin- Konzentration. Dieses kann mit Transkriptionsfaktoren der TCF/Lef-Familie dann Zielgene anschalten, die unter ande- rem in die Regulation der Zellproliferation eingreifen.

Wnt

GSK-3b

APC dsh

Frizzled

LEF/Tc

Zellkern

c-myc, matrilysin, cyclin D1 b-Catenin

b b Grafik 3

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