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I Ein quantenmechanischer Trichter

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B R E N N P U N K T

26 Physik Journal 13 (2014) Nr. 3 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

I

n der Natur vorkommende Pho- tosysteme sind ein eindrucks- volles Beispiel biologischer Ingeni- eurskunst. Trotz der sowohl feuch- ten als auch warmen Bedingungen sind Aggregate aus Pigmenten und Proteinen darin zu biologischen Transportnetzwerken angeordnet.

Deren Aufgabe besteht darin, die bei der Absorption von Licht in einer „Antenne“ entstandene An- regung (Exziton) zu einem Reak- tionszentrum zu leiten. Dort baut sich mithilfe der Energie dieser Anregungen ein transmembranes elektrisches Potential auf, das die für Stoffwechselvorgänge von Bakterien und höherentwickelten Pflanzen notwendige Photochemie auslöst [1]. Die Quanten-Ausbeute eines solchen, typischerweise we- nige Piko sekunden dauernden Prozesses ist nahezu perfekt, insbe- sondere bei sehr schwachem Licht.

Wie die Natur diese beachtliche Leistung vollbringt, fasziniert Bio- logen und chemische Physiker seit Jahrzehnten.

Die Entwicklung mehrdimen- sionaler laserspektroskopischer Methoden im sichtbaren Spektrum ermöglicht es heutzutage, die Dy- namik innerhalb der Aggre gate auf einer Femtosekunden-Zeitskala zu untersuchen. Kürzlich durchge- führte Experimente haben gezeigt, dass die Anregungsenergie kohä- rent zum Reaktionszentrum geleitet wird, wobei in der Dynamik mar- kante langlebige Oszillationen auf- treten [2, 3]: Anstatt thermisch akti- viert durch den Komplex zu „hüp- fen“, propagiert die Anregung über mehrere Pigmente delokalisiert und wellenartig zum Reaktionszentrum.

Diese Ergebnisse sind bei Theoreti- kern auf großes Interesse gestoßen.

Einerseits ist nicht offensichtlich, warum Kohärenzeffekte langlebig und bei Raumtemperatur beobacht- bar sein sollen. Falls sie andererseits wirklich auf für den Transport rele- vanten Zeitskalen existieren, stellt sich die Frage, ob die Kohärenz quantitativ mit der Effizienz der bio logischen Funktion verknüpft

ist. Oder anders: Existieren über- haupt nichttriviale Quanteneffekte in der Biologie?

Die Beobachtung einer kohä- renten Dynamik in Pigment-Prote- in-Komplexen wurde gründlichen theoretischen Analysen unterzogen.

Sie stellen die bisherige Vorstellung in Frage, nach der die exzitonische Energie wie in einem Trichter mit- tels rein inkohärenter (thermischer) Relaxation zum Reaktionszentrum geleitet wird. An diese Stelle ist ein komplexes Wechselspiel zwi- schen der für die Exzitonbildung verantwortlichen elektronischen Dipolkopplung und der Phononen- umgebung getreten [4, 5]. Dem- nach führen Schwingungsmoden der Proteinbewegung zu einem breitbandigen Rauschen und einer daraus resultierenden schnellen Relaxation kohärenter exzitonischer Super positionen. Molekulare Schwingungsmoden, die quasi-re- sonant mit exzitonischen Übergän- gen sind, sorgen dagegen für einen intrinsischen Pumpmechanismus, der die Kohärenz regeneriert [5].

Darüberhinaus scheint die nichttri-

viale exzitonische Struktur überaus geeignet dafür zu sein, Umgebungs- fluktuationen für den effizienten ge- richteten Energietransport an eine bestimmte Stelle auszunutzen. Hier- bei fungieren photosynthetische Komplexe als Phononenantennen, welche Um gebungsfluktuationen aktiv aus nutzen [6].

Kürzlich sind Edward O’Reilly und Alexandra Olaya-Castro vom University College London noch einen bedeutenden Schritt weiter gegangen und haben gezeigt, dass der nichtklassische Charakter der Phononenfluktuationen mit der Transporteffizienz verknüpft sein kann [7]. Dies ist ein erster Indi- kator dafür, dass Verbindungen zwischen einem spezifischen Quan- tenverhalten und der für die bio- logische Funktion entscheidenden Prozesseffizienz existieren.

O’Reilly und Olaya-Castro be- trachten ein prototypisches Dimer, welcher repräsentativ ist für Inter- band-Transportpfade in verschie- denen Lichtsammelkomplexen wie den Antennen von Cyanobakterien, Kryptophyten oder dem LHCII-

Lichtanregung

a b

Exzitonzustände

Reaktionszentrum Reaktionszentrum

Bei der Photosynthese absorbiert die

„Antenne“ des Lichtsammelkomplexes Photonen, wodurch Exzitonen entste­

hen. Ein Netzwerk aus gekoppelten Pig­

menten (a, gelb) in einer Proteinmatrix leitet die Anregungen zum Reaktions­

zentrum. Fluktuationen aufgrund der Proteinbewegung und der intramoleku­

laren Schwingungen koppeln an jedes Pigment (blaue „Federn“). Im Exzitonen­

bild vermitteln resonante Schwingungs­

moden (b, Federn) den Energietransfer von einer Stufe der Exzitonenzustände zur nächs ten. Diese Federn verhalten sich offenbar quantenmechanisch.

n Ein quantenmechanischer Trichter

Spielen nicht-klassische Schwingungen eine zentrale Rolle bei der Photosynthese?

Prof. Dr. Susana F.

Huelga, Dipl.-Phys.

Robert Rosenbach, Institut für Theo­

retische Physik, Universität Ulm, Albert­Einstein­Allee 11, 89069 Ulm

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B R E N N P U N K T

© 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 13 (2014) Nr. 3 27 Komplex höherentwickelter Pflan-

zen, dem wohl häufigsten Sammel- komplex. Die Struktur dieser Sys- teme ist typischerweise so, dass die exzitonische Aufspaltung aufgrund der langreichweitigen elektrosta- tischen Wechselwirkung quasi- resonant ist mit einer hochenerge- tischen intramolekularen Schwin- gungsmode. Einfallendes Licht lenkt die zunächst thermische Ver- teilung der molekularen Bewegung aus dem Gleichgewicht aus. Den resultierenden, durch Vibrationen unterstützten Energietransfer ana- lysieren O’Reilly und Olaya-Castro, um nicht-klassische Merkmale in der sich ergebenden Schwingungs- bewegung zu identifizieren. Hierzu verwenden sie quantenoptische Methoden zur Bewertung der Strahlungsfeldcharakteristika und Analyse der Fluktuationsstatistik.

Das bemerkenswerteste Resultat be- steht jedoch in dem Nachweis, dass nichtklassische Merkmale und der Transport der Exzitonenbesetzung auf Zeitskalen unter einer Piko- sekunde und bei Raumtemperatur korreliert sind. Dieses Ergebnis gilt auch bei inkohärenter Bestrahlung wie durch die Sonne und liefert eine quantitative Verbindung zwischen dem Auftreten von Quantenmerk- malen und effizientem Energie- transport in einem prototypischen System. Aktuelle Messtechniken kombiniert mit transienter, kohä- renter, ultraschneller Phononen- spektroskopie sollte es erlauben, dieses Phänomen experimentell zu

verifizieren, eventuell unter Ver- wendung künstlicher Dimere. Die zu Grunde liegende Annahme, dass Nichtgleichgewichts-Schwingungen eine Vielzahl von Prozessen ver- stärken, von der Ladungstrennung bis hin zu Detektionsvorgängen, erweitert das Anwendungsspek- trum der Resultate aus [7] über den Energietransport in Lichtsam- melkomplexen hinaus. Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer positiven Antwort auf die Frage, ob Quanteneffekte in biologischen Sys- temen eine Rolle spielen. Von einem theoretischen Standpunkt aus be- steht die große Herausforderung jedoch darin, die identifizierten fundamentalen Mechanismen zur Aufrechterhaltung kohärenter Dy- namik bei Umgebungstemperatur auf deutlich größere Netzwerke zu erweitern, welche der Dynamik der tatsächlichen biologischen Kom- plexe entsprechen.

Robert Rosenbach und Susana F. Huelga [1] R. E. Blankenship, Molecular Mecha-

nisms of Photosynthesis, Wiley-Black- well (2001)

[2] G. S. Engel et al., Nature 446, 782 (2007) [3] E. Collini et al., Nature 463, 644 (2010) [4] N. Christensson, H. F. Kauffmann,

T. Pullerits und T. Mančal, J. Phys.

Chem. B 116, 7449 (2012) [5] A. W. Chin et al., Nature Phys. 9, 113

(2013)

[6] M. del Rey, A. W. Chin, S. F. Huelga und M. B. Plenio, J. Phys. Chem. Lett. 4, 903 (2013)

[7] E. J. O’Reilly and A. Olaya-Castro, Nature Comm. 5, 3012 (2014)

n Tarnkappe für Wärme

Zwei Forschergruppen von Universi­

täten aus Singapur haben einfache dreidimensionale Tarnkappen für den diffusiven Wärmefluss entwickelt. Die­

se können ein Hindernis – einen kugel­

förmigen Hohlraum in Stahl bzw.

wärmeleitendem Silikon – verbergen.

Dazu kleideten sie die Innenwand des Hohlraums mit Kupfer bzw. einer Doppellage aus einer Legierung und Polystyrol aus. In beiden Fällen war dadurch ein Objekt im Hohlraum wärme isoliert und somit für den flie­

ßenden Wärmestrom unsichtbar.

H. Xu et al., Phys. Rev. Lett. 112, 054301 (2014) und T. Han et al., Phys. Rev. Lett.

112, 054302 (2014)

n Obere Grenze des Dipolmoments Erweiterungen des Standardmodells der Teilchenphysik postulieren eine winzige Asymmetrie in der Ladungs­

verteilung des Elektrons, d. h. ein end­

liches elektrisches Dipolmoment. For­

scher der ACME­Kollaboration aus den USA und Kanada haben mit Messun­

gen am polaren Molekül Thorium­

monoxid gezeigt, dass die obere Gren­

ze für das elektrische Dipolmoment des Elektrons |de| mit 90 % Sicherheit kleiner als 8,7 × 10–29 e · cm ist. In bishe­

rigen Experimenten lag diese Grenze noch um eine Größenordnung höher.

The ACME Collaboration, J. Baron et al., Science 343, 269 (2014)

K U R Z G E FA S S T

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