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Archiv "Vocal Cord Dysfunction" (10.10.2008)

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D

ie Bezeichnung „vocal cord dysfunction“ (VCD) ist wenig präzise. Es finden sich Synonyme wie zum Beispiel „Larynx-Asthma“, „hysterischer Croup“,

„psychogener Stridor“ und weitere. Laryngologen ge- hen bei diesem Begriff spontan eher von einer Stimm- störung aus, wodurch sich häufig sprachliche Verwir- rungen ergeben.

VCD ist definiert als intermittierende, funktionelle, Atemnot-induzierende laryngeale Obstruktion während In- oder Exspiration (1 – 3). Die VCD kann alleine oder begleitend zu einem Asthma bronchiale als komplizie- rende Atemnotursache bestehen und ist für den medika- mentös nicht behandelbaren Teil der Dyspnoe verant- wortlich. Es handelt sich daher nicht um eine Aus- schlussdiagnose zum Asthma bronchiale.

Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf eine selekti- ve Literaturrecherche, die mit den Begriffen „vocal cord dysfunction“, „Dyspnoe“ und „schwieriges Asth- ma“ durchgeführt wurde. Das Evidenzlevel von Krank- heitsdefinition, Diagnostik und Therapie bewegt sich auf der Ebene von Expertenmeinungen, da prospektiv- randomisierte beziehungsweise große epidemiologi- sche Arbeiten fehlen. Die VCD ist noch wenig bekannt und die Therapien sind ausschließlich nicht medika- mentös. Oft werden sogar große Medikamentenmen- gen abgesetzt. Dadurch fehlen bisher Forschungsgelder zur exakten Aufarbeitung der Krankheitsursachen und zur Etablierung von evidenzbasierten Therapieempfeh- lungen.

Das Krankheitsbild fand bereits 1842 als „hysteric croup“ Erwähnung (4). 1977 wurde für therapierefrak- täres Asthma der Begriff „brittle asthma“ mit zwei klini- schen Manifestationsformen geprägt. Typ B umschreibt als intraktables, persistierendes Asthma, Atemnot von einem Moment zum anderen, ungerechtfertigte Unter- stellung eines emotionalen Asthmas sowie chaotische Peak-Flow-Variabilität treffend das klinische Bild einer VCD (5, 6). 1983 wurde der Begriff „vocal cord dys- function“ etabliert (1, 2).

Epidemiologie

Exakte Angaben zur Prävalenz der VCD im Erwachse- nenalter liegen nicht vor. Bei intensivmedizinischer Notfallversorgung von akuter Atemnot scheint die VCD in 2,5 bis 22 % ursächlich zu sein (7). In einem vom Autor prospektiv untersuchten Kollektiv stationärer pneumologischer Rehabilitationspatienten fand er eine VCD-Prävalenz von 3 bis 5 % als einzige oder als zu- sätzlich komplizierende Atemnotursache (8).

ÜBERSICHTSARBEIT

Vocal Cord Dysfunction

Eine wichtige Differenzialdiagnose zum Asthma bronchiale Klaus Kenn, Markus M. Hess

ZUSAMMENFASSUNG

Einleitung: Intermittierende, paradoxe Schließungsbewe- gungen der Stimmlippen können massive Atemnotzustän- de hervorrufen. Sie spielen unter dem Begriff „vocal cord dysfunction“ (VCD) eine wichtige Rolle in der Differenzial- diagnose nicht behandelbarer Asthmaverläufe.

Methode: Übersichtsarbeit auf der Basis einer selektiven Literaturaufarbeitung.

Ergebnisse: Die Genese der VCD ist unklar. Der Anfalls- charakter der Dyspnoe lässt zunächst an ein Asthma bron- chiale denken. Wegen fehlender Therapieeffekte einer Asth- mamedikation bei lebensbedrohlich erlebter, VCD-beding- ter Atemnot kann es zur erheblichen Eskalation der Medika- tion inklusive hochdosierter Steroide mit gravierendem Nebenwirkungspotenzial kommen. Prospektive Studien liegen noch nicht vor. Experten gehen von einer Prävalenz von drei bis fünf Prozent innerhalb der Asthmatikerpopu- lation aus. Die Diagnosesicherung ist bei meist kurzer Symptomdauer von ein bis zwei Minuten schwierig. Evi- denzbasierte Therapieansätze existieren noch nicht, jedoch werden die Atemnotanfälle durch spezielle Atemtechniken für die meisten Patienten beherrschbar.

Diskussion: Die Kenntnis der VCD und eine gezielte Atem- notanamnese sind in der Regel wegweisend. Nur die früh- zeitige Diagnose verhindert Patientenkarrieren mit teils er- heblichen negativen gesundheitlichen wie auch wirtschaft- lichen Folgen durch frustrane, nebenwirkungsreiche The- rapien. Dtsch Arztebl 2008; 105(41): 699–704

DOI: 10.3238/arztebl.2008.0699 Schlüsselwörter: Asthma bronchiale, Atemwegserkran- kung, Dyspnoe, Asthmatherapie, Diagnosestellung

Klinikum Berchtesgadener Land, Abteilung für Pneumologie, Allergologie, Schlafmedizin, Schönau am Königssee: Dr. med. Kenn

Poliklinik für Hör-, Stimm- und Sprachheilkunde (Phoniatrie und Pädaudiologie), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg: Prof. Dr. med. Hess

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Bei 167 prospektiv evaluierten intraktablen Asthma- tikern fanden Newman und Mitarbeiter in 30 % eine VCD als Grund für das Therapieversagen. Circa ein Drittel der Patienten zeigte ausschließlich eine VCD;

bei zwei Dritteln bestand eine VCD neben einem Asth- ma (3).

In Studien zeigten 15 % amerikanischer Rekruten ei- ne VCD als Ursache für belastungsinduzierte Atemnot (9). Circa 5 % von US-Olympiaathleten, insbesondere solche mit Kaltluftexposition, entwickelten Atemnot wegen einer laryngealen Dysfunktion im Sinne einer VCD (10).

Für Kinder und Jugendliche, die wegen Asthma bronchiale hospitalisiert waren, wird eine bis zu 14 %ige VCD-Prävalenz angenommen (11). In circa 75 % der Fälle fand sich eine Koinzidenz von Asthma und VCD (12).

Bei einer angenommenen Prävalenz von 3 bis 5 % unter Asthmatikern ergeben sich hochgerechnet für Deutschland mehr als 250 000 VCD-Patienten, sodass solche Patienten in jeder Hausarztpraxis zu finden sein müssten (8).

Kehlkopffehlfunktionen und Pathophysiologie

Wesentliche Aufgaben des Pharynx sind Phonation, thorakoabdominale Stabilisierung sowie Schutz der unte- ren Atemwege (zum Beispiel beim Hustenstoß). Der Kehlkopf stellt aufgrund seiner komplexen neuromus- kulären Struktur und verschiedener Bewegungsmuster den funktionell anfälligsten Teil des Atemtrakts dar.

Laryngeale Fehlfunktionen können daher durch eine Viel- zahl von Störeinflüssen bedingt sein.

Die Entstehung der VCD ist nicht exakt aufgeklärt.

Experten gehen von keinem einheitlichen pathophysiolo- gischen Konzept der VCD aus, sondern sehen sie als ge- meinsames Resultat unterschiedlicher Faktoren. Anfäng- lich wurden ausschließlich psychosomatische Ursachen angenommen (13).

Eine psychosomatisch bedingte VCD-Symptomatik wird als Fehlalarm der zentralen Atemsteuerung verstan- den. Bei Angst- und Panikneigung bestehen häufig fließende Übergänge zu Hyperventilationsymptomen (11). Eine monokausale Sichtweise wird aber der Kom- plexität der Erkrankung nicht gerecht. Es finden sich zu- dem rein organische Pathomechanismen wie „post nasal drip“ (PND), gastroösophagealer Reflux (GER) (14) und vor allem der laryngopharyngeale Reflux (LPR) (15) mit Mikroaspirationen, Schluckstörungen und dauerhaft irri- tierenden Inhalationsreizen. Der endoskopische Nachweis einer posterioren Laryngitis ist hinweisgebend, aber nicht als pathognomonischer Befund anzusehen (Abbildung 1).

VCD als laryngeale Hyperreagibilität

Bei überschwelligem irritativem laryngopharyngealem Reiz mit Aspirationsgefahr, zum Beispiel durch Reflux, ist die plötzliche Adduktion der Stimmlippen ein sinnvoller Schutzmechanismus für die Lunge. Als Vollbild eines Schutzreflexes gilt der Laryngospasmus, ein vom Atem- zyklus unabhängiger vollständiger Verschluss des Larynx ohne Stridor. Dieser hält höchstens Sekunden an und un- terscheidet sich somit von der typischen VCD-Sympto- matik.

Offenbar führen rezidivierende Irritationen der laryn- gopharyngealen Schleimhaut dazu, dass die Auslösungs- schwelle für Schutzreflexe, im Falle eines Laryngospas- mus wären es abortive, sinkt. Geringe Stimuli reichen dann aus, um eine VCD-Attacke zu induzieren (16).

Neurologische Erkrankungen werden ebenso wie Hals- wirbelsäulentraumata als Auslöser diskutiert. Durch akute Laryngitiden oder Recurrensschädigungen kann die Erst- manifestation begünstigt oder eine vorbestehende Sym- ptomatik verstärkt werden (15). Patienten mit uni- und bi- lateralen Stimmlippenparesen erleben neben typischen VCD-Anfällen oft eine inspiratorische Belastungsdys- pnoe, bedingt durch eine relative laryngeale Enge wegen unzureichender Öffnungsbewegung der Stimmlippen.

Nach Ende der Anstrengung sistiert diese Dyspnoeform sofort (17).

Die „vocal cord dysfunction“ ist kein homogenes Krankheitsbild, sondern eine komplexe, multifaktorielle Erkrankung, für die die ursächlichen Pathomechanismen noch nicht sicher geklärt sind.

Abbildung 1:

Posteriore Laryngitis (Pfeile) aufgrund von Reflux-bedingter Irritation (laryngopharyn- gealer Reflux, LPR)

TABELLE

Typische klinische Manifestationen und mögliche auslösende Faktoren von Asthma und VCD

Asthma VCD

Entwicklung oft rasch (in Minuten) meist perakut (in Sekunden) Dauer individuell variabel Sekunden bis wenige

Minuten Atemnot in Exspiration Inspiration

(selten Exspiration) Lokalisation Thorax/untere Atem- Hals/obere Atemwege

wege

Medikamente hochwirksam ineffektiv

Auslöser Irritantien, Allergene, Irritantien, Stress, An- Stress, Anstrengung strengung, (Allergene?) Husten auslösend, begleitend auslösend, begleitend

(3)

Klinik

Weil sehr unterschiedliche Auslösemechanismen eine Rolle spielen und die Intensität der VCD-beding- ten Atemnot stark wechseln kann, präsentiert sich oft eine klinische Symptomatik in verwirrender Variabi- lität.

Mehrheitlich tritt die Atemnot anfallsartig während der Inspiration auf und zeichnet sich durch einen ra- schen, in der Regel perakuten Beginn aus. Die Dyspnoe manifestiert sich dabei von einem Atemzug zum ande- ren. Die Symptomatik ist selbstlimitierend und hält meist von 30 Sekunden bis zu wenigen Minuten und nur vereinzelt länger an (18). Die Atemwegseinengung wird meist im Hals- oder oberen Trachealbereich erlebt. Häu- fige, individuell unterschiedliche Trigger sind:

inhalative Irritantien (Parfüm, Reinigungsmittel) Verschlucken

körperliche Anstrengung psychische Erregung.

Typisch ist die Auslösung einer VCD durch Husten- reiz. Wenn Patienten über plötzliche Dyspnoe aus dem Schlaf heraus berichten, ist eine Refluxsymptomatik, vor allem ein laryngopharyngealer Reflux (LPR), zu eruieren. Auch eine Kombination der genannten Fakto- ren kommt ursächlich in Betracht.

Die Erstmanifestation wird oft lebensbedrohlich er- lebt (19). Die VCD kann jedoch auch submaximal als

„nicht richtig durchatmen können“ auftreten. Der fließende Übergang von aktiver Inspiration in passive Exspiration gelingt dabei nicht. Die Symptomatik ist nicht willkürlich auslösbar. Stridor ist ebenso typisch wie eine Dys- oder Aphonie während der Dys- pnoeattacke. Plötzlich einsetzende Atemnot ohne vor- angehende irritative Schleimhautreizungen sind selten.

Wegen der oft bedrohlichen Symptomatik kann be- gleitend eine massive Angst- und Panikkomponente entstehen, die mitunter das klinische Bild dominiert.

VCD-Anfälle imponieren klinisch als akute Notfall- situationen mit agitierten, wenig kooperationsfähigen Patienten, die bei stridoröser Atmung maximal um Luft ringen.

Auskultatorische Phänomene sind nur bedingt ver- lässlich, da laryngeale Geräusche thorakal fortgeleitet und als Giemen fehlinterpretiert werden können.

Während solcher Atemnotzustände findet sich eher eine Hyperventilation als eine Sauerstoff-Entsättigung (18).

Immer wieder führen notärztliche Interventionen zu Intubation und Beatmung (19). Vereinzelt wurden we- gen rezidivierender VCD-Attacken sogar Tracheotomi- en durchgeführt (2).

VCD und Asthma

Die Abgrenzung der VCD vom Asthma bronchiale ist schwierig. Hinter dem Begriff Atemnot können sich ei- ne Vielzahl unterschiedlicher pathophysiologischer Ur- sachen verbergen. Ob die Atembehinderung in der In- oder Exspiration erlebt wird, kann von vielen Patienten nicht beantwortet werden. Dies weist entweder auf eine eingeschränkte Atemwahrnehmung hin, oder zeigt, dass diese Frage zuvor noch nicht gestellt wurde.

Das klinische Bild wird kompliziert, wenn Patienten gleichzeitig an Asthma bronchiale und einer VCD lei- den. Die Auslösemechanismen für beide Erkrankungen sind ähnlich. Die diagnostische Abgrenzung wird da- durch erschwert, dass Anfallscharakter und Heftigkeit der VCD-Atemnot sowie die Variabilität der Befunde formal die Asthmakriterien erfüllen, wie sie beispiels- weise die American Thoracic Society vorgibt (20, 21) (Tabelle).

Beide Erkrankungen sind durch gastroösophagealen Reflux und Reizhusten auslösbar. Beim „gastric asth- ma“ können nachweisbare Refluxsymptome in 20 bis 60 % fehlen (14).

Bei Patienten mit Asthma und VCD kann ein Asth- maanfall in eine VCD-Attacke übergehen oder umge- kehrt. Eine klinische Zuordnung der Beschwerden ist dann selbst in Kenntnis beider Diagnosen schwierig (22).

Die geschilderten bedrohlichen Atembeschwerden schrecken oft von kritischem Hinterfragen beziehungs- weise von der Deeskalation der medikamentösen Thera- pie ab (15).

KASTEN 1

Wichtige Fragen bei scheinbar therapieresistentem Asthmaverlauf

Asthmatypische Erkrankung in der Longitudinalbetrach- tung?

Ausreichende Patientencompliance, insbesondere be- züglich der Kortikosteroide?

Persistierende und/oder destabilisierende Triggerfakto- ren (zum Beispiel Allergeneinflüsse)?

Hinweise für eine extrem seltene Steroidresistenz?

Gesicherte Asthmadiagnose, Asthma alleinige Ursache der Atemnot?

Diagnostische Einschätzung eher Ausdruck therapeuti- scher Verzweiflung?

KASTEN 2

Diagnostisches Prozedere bei Verdacht auf VCD

gezielte, differenzierte Anamnese

Lungenfunktion:

im symptomfreien Intervall: Normalbefunde?

MIF50 < MEF50?

bei akuter Dyspnoe: in- oder exspiratorische Flusslimitierung?

Provokationslaryngoskopie (Endospirometrie)

Hals-Nasen-Ohren-Untersuchung: PND-Hinweis?

Refluxdiagnostik: GER-/LPR-Hinweis?

(4)

Bei unbefriedigendem oder fehlendem Effekt einer leit- linienkonformen Asthmatherapie über sechs Monate ist die Asthmadiagnose durch einen ausgewiesenen Experten kritisch zu überprüfen. Ist das Bild asthmauntypisch, muss die Vordiagnose in Frage gestellt und das Haupt- symptom Atemnot neu beleuchtet werden (Kasten 1).

Diagnostik Anamnese

Auch eine aufwändige, differenzialdiagnostische Aufar- beitung führt nicht immer zur Diagnosesicherung (Kasten 2). Wesentlicher Baustein ist die Anamnese mit exaktem Hinterfragen des Hauptsymptoms Atemnot. Diese ist als subjektives Gefühl weder exakt definierbar noch messbar.

Korrelationen von Atemnotintensität und Lungenfunk- tionsbefunden sind oft schwach. Eine Graduierung des Dyspnoeschweregrads verbessert selten die klinische Einschätzung (18).

Die Atemnotqualität ist bedeutsam. Wird diese durch schwer überwindbaren Widerstand, Brustenge oder durch Lufthunger geprägt? Wo wird die Einschränkung wahr- genommen? Tritt Atemnot in Ruhe, bei Belastung oder lageabhängig auf? Tritt sie in- oder exspiratorisch auf?

Welche Rolle spielen Irritantien oder Husten? Bei koinzi- dentem Asthma bronchiale muss geklärt werden, ob sich die Dyspnoequalität im Verlauf verändert hat, also zwei unterschiedliche Atemnotformen existieren. Ebenso sind Lage- und Situationsabhängigkeit sowie eine eventuell tageszeitliche Zuordnung zu erfragen. Die Facetten der Atemnot müssen also ähnlich differenziert betrachtet werden, wie es bei einer Schmerzanamnese üblich ist (Kasten 3).

Die meisten Patienten sind in der Lage, ihre Problema- tik so zu schildern, dass ein VCD-Verdacht nahe liegt. Bei der Atemnotbeschreibung kann der Patient durch Gesten in Richtung Halsbereich Hinweise liefern. Erfahrungen der Autoren zeigen, dass bei gezielten Informationen zur VCD die Verdachtsdiagnose durch die Betroffenen selbst zu stellen ist. In zahlreichen Laienpublikationen, beson- ders in TV-Sendungen zum Thema, konnten sich VCD- Patienten selbst so deutlich wiederfinden, dass dadurch letztlich die Diagnosesicherung angestoßen wurde.

Lungenfunktion

Lungenfunktionsmessungen sind zwar unverzichtbar, in der Regel findet man jedoch wenig Übereinstimmung von Befunden und Befinden, weil Messwerte nicht zur ge- schilderten Atemnotintensität passen. Typischerweise zei- gen Spirometrien/Bodyplethysmografien im symptom- freien Intervall keine oder nur geringe Auffälligkeiten.

Eine Messung zum Zeitpunkt einer akuten Symptoma- tik ist fast nie möglich. Daher sollte in den Lungenfunkti- onsergebnissen nach VCD-Hinweisen gefahndet werden.

Funktionelle Stimmlippenbewegungsstörungen können ungewöhnliche Lungenfunktionsveränderungen produzie- ren. Deshalb ist die Fluss-Volumen-Kurve sowohl exspira- torisch als auch inspiratorisch zu analysieren (Grafik).

Wegweisende Lungenfunktionsbefunde zeigen sich vor allem im Rahmen von unspezifischen inhalativen Provokationstesten, zum Beispiel mit Metacholin. Provo- kationsuntersuchungen können dabei eine bronchiale wie auch laryngeale Hyperreagibilität auslösen. Daher ist genau zu klären, was zum Abfall der Ein-Sekunden- Kapazität (FEV1, „forced expiratory volume in the first second“) geführt hat. Kurvenverläufe sind dabei genauso wichtig wie Zahlenwerte. Der durch eine VCD bedingte FEV1-Abfall kommt meist nicht durch eine exspiratori- sche, sondern durch eine inspiratorische Limitation zustande. Ein numerisch positiver Provokationstest darf also ohne Bewertung der Kurvenverläufe nicht als bewei- send für ein bestehendes Asthma bronchiale angesehen werden.

Eine exspiratorische VCD ist selten und ihr Nachweis schwierig, weil eine physiologische Adduktion der Stimmlippen während der Ausatmung – insbesondere beim Asthmatiker – endoskopisch nicht von einer exspi- ratorischen Stimmlippendysfunktion zu unterscheiden ist (16).

KASTEN 3

Wichtige Fragen der VCD-Anamnese

Perakute Atemnot von einem Moment zum anderen?

Dyspnoe inspiratorisch?

Lokalisation des Engegefühls (obere Atemwege/Halsbereich)?

Kurz dauernde, selbst limitierende Beschwerden (unter 2 Minuten)?

Atemnotqualität?

Asthmamedikation wirksam, inklusive systemischer Steroide?

Auslösende irritative Reize?

Hustenattacken als Atemnotauslöser?

Lungenfunktionen wiederholt normal?

GRAFIK Fluss-Volumen-Kur-

ve einer 24-jährigen Patientin mit unklaren, unbehan-

delbaren Atem- notattacken;

Inspirationskurve abgeflacht;

zusätzlich ist der maximale inspirato- rische Fluss bei 50 % der forcierten Vitalkapazität (MIF 50) kleiner als der exspiratorische Fluss (MEF 50)

(5)

Endoskopie

Die laryngoskopische Darstellung eines VCD-Anfalls gilt als diagnostischer Goldstandard. Indikationen für eine Laryngoskopie sind inplausible, asthmauntypische oder durch ein Asthma nicht ausreichend erklärte Krankheits- verläufe. Die Untersuchung wird nach nasaler Schleim- hautanästhesie transnasal ohne Prämedikation durchge- führt. Dies schließt eine pharmakologische Beeinflussung der Larynxfunktion aus.

Zur Atemnotauslösung werden während der Endosko- pie individuell angegebene Reize eingesetzt, unter ande- rem Geruchsirritantien, taktile Reize, Ergometerbelastung (18). Ein iatrogener Laryngospasmus darf aber keinesfalls als VCD fehlinterpretiert werden. Vielmehr muss die aus- gelöste Atemnot mit der dem Patienten bekannten Dys- pnoequalität übereinstimmen.

Als spezielles Verfahren zur Diagnosesicherung wurde die Endospirometrie entwickelt (23), bei der endoskopi- sches Bild und Spirometriekurven synchron auf einen Monitor (Abbildung 2) projiziert werden.

Eine unauffällige Laryngoskopie schließt eine VCD niemals aus, denn trotz intensiver Provokationsversuche sind VCD-Attacken nicht beliebig auslösbar.

Differenzialdiagnosen

Differenzialdiagnostisch sind kongenitale, allergische, nervale, neuromuskuläre, tumoröse, posttraumatische und akut entzündliche Veränderungen im Larynx und in der Trachea zu beachten (15).

Assoziationen zwischen VCD und obstruktivem Schlaf-Apnoe-Syndrom wurden bereits 1988 beschrieben (24).

Eine willkürlich ausgelöste stridoröse Atmung mit ein- deutig ostentativem Charakter ist abzugrenzen.

Therapie

Eine leitlinienkonforme Asthmatherapie – inklusive hoch- dosierter Kortikosteroidgaben – ist bei VCD-Beschwer- den wirkungslos (18). Die heute verfügbaren VCD-Thera- piekonzepte stellen Expertenempfehlungen dar. Akut bringt Heliox-Inhalation (20 % Sauerstoff + 80 % Heli- um) eine sofortige Atemerleichterung (25). Intravenös ap- pliziertes Midazolam kann vereinzelt eine Sofortwirkung zeigen (19). Die früher in den USA eingesetzte Botuli- numtoxininjektion in die Larynxmuskulatur unter Inkauf- nahme von Dys- oder Aphonie und gegebenenfalls Dys- phagie spielt bei guten Therapiealternativen keine Rolle mehr (26).

Bei vorbestehender systemischer Steroidtherapie ist es wesentlich, dass nach VCD-Diagnose die Dosis konse- quent und kontrolliert reduziert wird. Eine verbleibende Asthmasymptomatik ist leitlinienkonform zu behandeln.

Wie viele antiobstruktive Medikamente benötigt werden, zeigt sich im Verlauf unter Überwachung der Lungen- funktion (20).

Die Aufklärung der Patienten, möglichst anhand der ei- genen Videoaufzeichnung, stellt den effektivsten Thera- pieansatz dar. Das Verständnis für die Symptomatik löst dabei den scheinbaren Widerspruch von lebensbedrohlich erlebter Atemnot und vergleichsweise harmloser Störung

auf. Durch das Verständnis kann der Patient seine Ängste ablegen, was seinen Gesamtzustand meist erheblich ver- bessert. Das ermöglicht den Einstieg in die problemlösen- de Atemtherapie. Diese hat zum Ziel, den funktionell pa- radoxen Atemwegsverschluss durch eine entgegengerich- tete, öffnende Atemtechnik zu ersetzen. Hierzu gehören zwerchfellbetonte Atemstrategien und spezielle Techni- ken im Sinne von halsentspannendem Atmen („throat re- laxed breathing“).

Entspannende Maßnahmen bis hin zur Psychotherapie können ergänzend sinnvoll sein. Die Gabe von Psycho- pharmaka ist meist verzichtbar (18).

Bei Irritationen durch „post nasal drip“ (PND) kann eine Infektsanierung, bei Zeichen eines LPR eine hochdosierte Protonen-Pumpen-Inhibitoren(PPI)-Gabe für zehn bis zwölf Wochen zur Beschwerdereduktion beitragen (14).

Fazit

Die VCD ist eine unterschätzte Erkrankung, die vereinzelt zu tragischen Verläufen führen kann. Die gezielte Anam- nese ermöglicht meist rasch eine zielführende Diagnostik.

Mag die Verdachtsdiagnose noch relativ einfach zu stellen sein, so kann der diagnostische Beweis mitunter schwierig werden. Vor allem nach jahrelangen VCD-Be- schwerden bei gleichzeitigem Asthma bronchiale kann die Aufarbeitung selbst für den Experten aufwändig sein.

Die Symptomatik ist selten elektiv auslösbar und auf- grund der nur kurzen Anfälle diagnostisch kaum zu fas- sen. Typische Lungenfunktionsbefunde sind schwer zu erkennen beziehungsweise zu interpretieren. Die Diagno- se muss mitunter aus der Bewertung des Gesamtverlaufs unter besonderer Berücksichtigung der Vorgeschichte ge- stellt werden.

Die Dyspnoeanamnese spielt die zentrale Rolle, kann doch nur der Patient selbst seine Atemnot in allen Facetten exakt beschreiben. Das Krankheitsverständnis ermöglicht den Betroffenen, die Angst vor dem Ersticken zu verlieren und symptomlösende Atemtechniken zu erlernen. Beglei- tende Erkrankungen wie „post nasal drip“ (PND) oder ein laryngopharyngealer Reflux (LPR) sollten fachärztlich therapiert werden.

Abbildung 2:

Endospirometrie des Larynx mit synchroner Darstellung von endoskopischem Bild und Lungen- funktionskurve mit sicherer Interpretation von Atemflusslimitation und Stimmlippen- bewegungen im Zusammenhang mit Atemnot

(6)

Asthmamedikamente können unter Verlaufskontrolle bis zum Auftreten asthmatypischer Symptome schrittwei- se reduziert und bei fehlenden Asthmahinweisen komplett abgesetzt werden.

Bei hohem Leidensdruck nehmen Patienten alle Wege zur Klärung auf sich. Die gravierenden gesundheitlichen und ökonomischen Konsequenzen rechtfertigen den oft hohen diagnostischen Aufwand. In jedem Fall aber müs- sen Patienten mit VCD mit ihrer Symptomatik ernst ge- nommen und nicht vorschnell eine psychosomatische Ur- sache angenommen werden.

Das noch limitierte pathophysiologische Verständnis der VCD macht eine forschende Kooperation verschiede- ner Disziplinen notwendig, um mehr Wissen über diese Erkrankung zu erlangen.

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Inter- national Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 27. 12. 2007, revidierte Fassung angenommen: 24. 5. 2008

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Anschrift für die Verfasser Dr. med. Klaus Kenn Klinikum Berchtesgadener Land Abteilung Pneumologie, Malterhöh 1 83471 Schönau am Königssee E-Mail: KKenn@schoen-kliniken.de

SUMMARY V

Vooccaall CCoorrdd DDyyssffuunnccttiioonn:: AAnn IImmppoorrttaanntt DDiiffffeerreennttiiaall D

Diiaaggnnoossiiss ooff BBrroonncchhiiaall AAsstthhmmaa

Introduction: Intermittent paradoxical closure of the vocal cords can in- duce major attacks of dyspnea. Such attacks, called "vocal cord dysfunc- tion" (VCD), are an important element in the differential diagnosis of in- tractable bronchial asthma. Methods: Selective review of the literature.

Results: The etiology of VCD is unclear. Its clinical manifestations can mimic those of bronchial asthma. Standard asthma medication fails to improve the dyspnea of VCD, which is subjectively perceived as life- threatening. Consequently, patients with unrecognized VCD may be treat- ed with very high doses of anti-asthmatic medication, including systemic corticosteroids, leading to major iatrogenic morbidity. No prospective studies are available on this subject to date. Experts estimate that 3%

to 5% of persons treated diagnosed as having bronchial asthma actually suffer from VCD. Because of the brevity of the attacks, which usually last only 1–2 minutes, VCD is difficult to diagnose with the methods generally used to diagnose asthma. Evidence-based therapeutic approaches are still lacking, but speech therapy, including special breathing techniques with relaxation of the throat, seems to control the attacks of dyspnea in most patients. Discussion: An improved knowledge of the clinical manifestations of VCD can help physicians diagnose it correctly. Early diagnosis can prevent prolonged erroneous treatment based on a false diagnosis of bronchial asthma and thereby obviate the iatrogenic side effects of long-term corticosteroid therapy, as well as the resulting economic losses.

Dtsch Arztebl 2008; 105(41): 699–704 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0699 Key words: bronchial asthma, respiratory disease, dyspnea, asthma therapy, diagnosis

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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