B E R U F
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 16⏐⏐17. April 2009 [87]
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einhard K. versteht die Welt nicht mehr: Trotz langjähriger und meist angenehmer Geschäfts- verbindung mit seiner Hausbank wird ihm überraschend die „Kün- digung seines Überziehungskredits auf dem Praxiskonto mit einer Kün- digungsfrist von vier Wochen“ ange- droht. So steht es in einem Schreiben von seinem Kreditgeber. Zur Be- gründung wird ausgeführt, dass K.„aufgrund irreführender und im Er- gebnis falscher Angaben“ auf Bank- formularen bankintern für „erhebli- che Irritationen“ gesorgt habe.
Nachlässigkeiten können teuer werden
Bei den erwähnten Bankformularen handelt es sich – dies hat K. inzwi- schen in Erfahrung bringen können – um die „Selbstauskünfte“, die ihm von seiner Bank einmal im Jahr aus- gehändigt werden und die er jeweils vervollständigt. Dabei geht es im Wesentlichen um eine aktuelle Dar- stellung sowohl seines Vermögens und seiner Schulden als auch seiner Einnahmen und seiner Ausgaben. In seiner Erinnerung hatte er sich stets bemüht, die geforderten Informatio- nen vollständig zu übermitteln. In einem in der Zwischenzeit erfolgten Gespräch mit seinem Steuerberater musste K. allerdings einräumen, dass er in den vergangenen Jahren – der Bequemlichkeit wegen – mehr oder weniger die Zahlen aus den Vorjah- ren fortgeschrieben hat. Ein sorgfäl- tiges Auseinandersetzen mit den konkreten Anforderungen an das Zahlenmaterial, die aus dem Formu- lar deutlich hervorgehen, gab es bei K. bisher so gut wie nicht.
Diese offensichtliche Nachläs- sigkeit kann K. teuer zu stehen kom- men. Immerhin hat sein Steuerbe- rater den Grund für die deutliche Reaktion der Bank nun herausge- funden. Konkret geht es nicht um
das erwähnte Fortschreiben der Vor- jahreszahlen, sondern um einen Pri- vatkredit, den K. bei einer Direkt- bank vor rund drei Jahren aufge- nommen hat. Diesen Privatkredit, für den er noch vier Jahre monatli- che Raten von fast 400 Euro auf- bringen muss, hatte er nur im ersten Jahr in der Selbstauskunft aufge- führt. In den beiden folgenden Jah- ren nicht mehr. Der Arzt ist nach wie vor der Meinung, dass diese private Verbindlichkeit nichts mit seiner Praxis zu tun hat. Allerdings hielt er es nicht für erforderlich, darüber mit seinem für ihn zuständigen Bank- mitarbeiter zu reden. Da dieser sich ebenfalls nicht meldete, war für K. die Angelegenheit also nicht der Rede wert und somit erledigt.
Wie K. nun mitgeteilt wurde, hat dieser Bankmitarbeiter, der das Kreditengagement von K. immerhin mehr als acht Jahre betreute, zwi- schenzeitlich eine andere Aufgabe übernommen. Dem Nachfolger ist bei der Einarbeitung in die Kre- ditakte von K. aufgefallen, dass die Selbstauskünfte der letzten drei Jah- re widersprüchliche Angaben ent- halten. Warum trotz der langjähri- gen Geschäftsverbindung nun so- fort mit einer Kreditkündigung ge- droht wird, kann K. aber immer noch nicht nachvollziehen. Er hat deshalb ein Gespräch mit seinem neuen Kundenberater vereinbart, das kurzfristig stattfinden soll.
K. sollte sich auf dieses Ge- spräch sorgfältig vorbereiten. So ungeschickt die Vorgehensweise des Bankmitarbeiters vor dem Hin- tergrund der bewährten Bankver- bindung auch gewesen sein mag, in der Sache ist sie nachvollziehbar.
Selbstauskünfte dokumentieren nicht zuletzt das gegenseitige Vertrauen zwischen Arzt und Kreditnehmer.
Das Bankinstitut sollte sich daher auf die dort angeführten Zahlen ver-
lassen können. Immerhin lassen sie unter anderem wertvolle Rückschlüs- se auf die Kapitaldienstfähigkeit des Arztes als wesentlichen Maßstab seiner finanziellen Leistungsfähig- keit zu. Es ist wegen der Bedeutung dieser Zahlen daher durchaus üblich, die Kundendaten der Selbstauskunft mit den Informationen einer Schufa- oder Wirtschaftsauskunft abzuglei- chen. Im beschriebenen Fall liegt die Vermutung nahe, dass der Pri- vatkredit in der aktuellen Schufa- auskunft nach wie vor vermerkt ist, während die Selbstauskunft diese Informationen wie erwähnt nur im Jahr der Kreditaufnahme enthielt. Je nach Einschätzung des zuständigen Bankmitarbeiters kann es sich bei solchen Informationsdefiziten, wie das Beispiel zeigt, also durchaus um ein ernst zu nehmendes Problem handeln.
Kreditkrise erfordert einen offenen Umgang miteinander
Hinzu kommt, dass sich das Ge- schäftsklima zwischen mancher Bank und ihren Kunden wegen der welt- weiten Kreditkrise zu verändern droht. Hier sollte von beiden Seiten frühzeitig mit offenen Karten ge- spielt werden. Da die grundsätzliche Problematik ohnehin nicht mehr zu leugnen ist, sollten Banken und Arzt die gegenseitigen Ansprüche an eine auch weiterhin möglichst vertrauens- volle Zusammenarbeit formulieren.Der dargestellte Fall ist leider kein Paradebeispiel für eine solche Zu- sammenarbeit. Hier haben beide Ver- tragspartner, allerdings vor allem verursacht durch K., diesbezüglichen Nachholbedarf. Bankseitig sollte vor allem bei bewährten Verbindungen überlegt werden, zunächst den sprich- wörtlich „kurzen Dienstweg“ zu wählen, bevor mit heftigen Konse- quenzen gedroht wird. I Michael Vetter