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Archiv "Lehrstoff: Fachsprache Medizin: Jährlich ein Kurs im Goethe-Institut in Murnau" (15.03.1990)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Lehrstoff: Fachsprache Medizin

Jährlich ein Kurs im Goethe-Institut in Murnau

Auf den Korridoren drängen sich junge Menschen mit Gesichtern, die Gescheitheit und Lerneifer aus- drücken. Zwischen vielen Türen hängen dicht bei dicht Mäntel, Jak- ken und Mützen. An freie Wandflä- chen sind Stundenpläne und Ukasse gepinnt, dazwischen Hinweise auf Kulturelles, auch Großfotos von deutschen Städten und Landschaf- ten. Das alles, eine schrille Pausen- glocke eingeschlossen, verbreitet Schulatmosphäre. Dennoch ist dies keine Schule aus den landläufigen Kategorien.

Wir befinden uns in einem Goe- the-Institut - einer von insgesamt 149 gleichartigen Einrichtungen, die in 68 Ländern aller Kontinente Kenntnisse der deutschen Sprache vermitteln. Sechzehn davon arbeiten in der Bundesrepublik und in Berlin (West). Dieses Institut hier ist in Murnau im oberbayerischen Alpen- vorland gelegen, südlich von Mün- chen, ganz nahe bei Garmisch-Par- tenkirchen und Oberammergau. Das macht - die Hautfarben seiner Ele- ven von Weiß über Gelb und Braun bis Schwarz weisen es aus - seinen Standort ebenso attraktiv wie anhei- melnd.

Wenn das Murnauer Goethe-In- stitut, über die Kompakt- und Auf- frischungskurse des Standardpro- gramms hinaus, seit sechs Jahren auch einen Fachsprachekurs Medi- zin anbietet, so hat das allerdings mit den Vorzügen des Standorts nur am Rande zu tun. Fachsprachenkur sind ja auch in anderen Instit keine Seltenheit, für HandelskO spondenz beispielsweise oder Wirt- schaftsdeutsch. Daß „Fachdeutsch Medizin" gerade in Murnau zum Zug kommen konnte, verdankt das Institut vielmehr einer ungewöhnlich glücklichen Konstellation: Nur weni- ge Schritte trennen es vom Gelände einer Institution mit Ruf und Rang, der weit über Bayern hinaus bekann- ten, dem medizinischen Fortschritt verschriebenen Berufsgenossen- schaftlichen Unfallklinik.

Bei rund 150 Sprachstudenten, die das Murnauer Haus bevölkern, täglich von frühmorgens bis 22 Uhr, schwankte die Zahl der Medizin- deutsch-Beflissenen seit 1984, dem Gründungsjahr des Fachkurses, zwi- schen acht und zehn. Zum Kurs 1989 reisten acht Teilnehmer an, die mei- sten schon mit Approbation und al- lesamt mit ansehnlichen, zum Teil guten Vorkenntnissen in Deutsch.

Drei kamen aus Polen, je einer aus der Sowjetunion, Italien, Großbri- tannien, Kanada und Brasilien. Als Aussiedler, Umsiedler oder ganz ein- fach Mitteleuropa-Schnupperer ha- ben nicht alle, aber doch einige vor, in Deutschland einen Arbeitsplatz zu finden - zwei Ärztinnen, vier Ärz- te, ein Tierarzt und Labortechniker, ein Ingenieur-Student im Fach Me- dizin-Apparaturen. Vier von ihn waren Stipendiaten, die andere zahlten den Kurs mit allem Drum und Dran aus eigener Tasche (Preis 1989: 1995 Mark, 1990: hundert Mark mehr). Ihre Lebensalter lagen zwischen 22 und 41 Jahren. Auch in- soweit durfte dieser Kurs - was kei- neswegs die Regel ist - als erfreulich homogen eingestuft werden.

Daß der Dozent und seine Me- dizindeutsch-Schüler sich von der er- sten Begegnung an duzten, erleich- terte nicht nur die persönlichen Be ziehungen. Es kam auch den Ler fortschritten zugute. Denn die u vermeidlichen Ausrutscher la sich mit Du leichter korrigieren

't Sie, und mit Du kann man unbe- gener über Sprachfehler des an- deren lachen - ohne einander auszu- lachen.

Hier mehr über Theorie und Praxis des Unterrichts im Goethe-In- stitut auszubreiten, verbietet sich aus Raumgründen. Daher nur so viel:

Beide gehen von soliden Grund- kenntnissen der deutschen Sprache aus, beide zielen auf die Fähigkei

t

sich auf Deutsch in Wort und Schri richtig und verläßlich auszudrücken Beide sind methodisch ausgefeilt und haben sich in fünf Erdteilen be-

ährt. In den Standardprogrammen atten ja auch einschlägige philologi- sche und sprachpädagogische Erfah- rungen vorgelegen. Nur in den Fach- kursen und ganz besonders im Fach- kurs „Medizindeutsch" mußte, von einigen universitären Vorbildern ab- gesehen, viel Neuland erschlossen werden.

Es hat einige Zeit gedauert, bis die Tricks gefunden waren, mit de- nen sich der korrekte Allgemeinge- brauch der deutschen Sprache und

ie exakte deutschsprachige Hand- abung medizinischer Sachverhalte erbinden ließen.

Wie in jedem Kurs eines Goe- the-Instituts wird im Murnauer Fachkurs „Medizindeutsch" von der ersten Stunde an ausschließlich Deutsch gesprochen. Niemand kann sich herausmogeln. Das wirkt sich bis in den oft späten Feierabend aus.

Man spricht Deutsch auch bei Bier und Semmelknödeln. Das Ziel des Kurses - „die Teilnehmer in die für die ärztliche Praxis nötigen Lese- und Sprechfähigkeiten einzuführen"

- wird mit anregenden, oft sogar müsanten Methoden angesteuert.

In der „Klasse" nicht anders als vor Bildschirmen und an ärztlichen Ar- beitsplätzen.

A-828 (32) bl. 87, Heft 11, 15. März 1990

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Zwei „Deutsch-Aspiranten" (links und rechts) aus dem Lehrgang Medizindeutsch des Goe- the-Instituts in Murnau bei einem Nachsorgegespräch in der Unfallklinik mit Patienten und betreuendem Arzt. An Lernwilligen fehlt es hier kaum . . . Foto: Goethe-Institut Da werden zum Beispiel in zwei

Listen Gesprächsformen und Ge- sprächsinhalte einander gegenüber- gestellt. Liste 1: Dialog; Diskussion;

Disput; Exploration. Liste 2: Streit- gespräch; genaue Befragung des Pa- tienten, wobei den Arzt vor allem die Vorgeschichte der Krankheit inter- essiert; Selbstgespräch; Wechselge- spräch zwischen zwei Gesprächs- partnern. Es ist herauszufinden:

Welcher Inhalt gehört zu welcher Form? Danach ist die getroffene Zu- ordnung zu begründen. Fußnote im Arbeitsbogen: "Achten Sie darauf, daß alles, was Sie schreiben, auch grammatisch richtig ist."

Wie der Kursteilnehmer ange- halten wird, beim Lernen das Medi- zinische und das Sprachliche gleich- zeitig im Blickfeld zu halten, zeigen Beispiele für die ständige Kombina- tion beider Wissens- beziehungswei- se Lerngebiete. Am Thema „Akute Virushepatitis" werden Hauptsatz, Wortstellung und Nomen auf -ung erläutert, am Thema „Degenerative Koronarerkrankungen und Arterio- sklerose" der Gebrauch des Relativ- pronomens und die erweiterte Parti- zipialkonstruktion, am Thema

„Odemtherapie und Terminale Nie- reninsuffizienz" die Wortstellung in Nebensätzen, der trennbare Verbzu- satz und das Passiv.

Wie ernst im Fachkurs die Präzi- sion des Ausdrucks genommen wird, zeigt eine Aufgabe im Anschluß an dieses Textzitat: „Wird vielleicht Forschungs- und Finanzaufwand an der falschen Stelle betrieben, etwa für Herztransplantationen . . .?" Die Frage: Was bedeutet in diesem Text das Wort „etwa"? Ist „beispielswei- se" gemeint oder „fast nur", „unge- zielt", „wenigstens"? Nahezu beiläu- fig nehmen sich praxisorientierte Unterweisungen aus dem Berufsall- tag aus. Zwei Beispiele: Der Patient sagt nicht, er sei mit dem Auto ver- unglückt, sondern „Ich hatte einen Autounfall". Der Arzt spricht nicht von fortdauernden und plötzlich auf- tretenden, sondern von „chronischen und akuten" Krankheiten...

Richard Künzel, der „Fachleh- rer" für Medizindeutsch in Murnau, hat es nicht damit bewenden lassen, aus Lehrbüchern, Fachzeitschriften und Filmen eingängige Lehrstoffe

herauszufiltern. Er hat ganze Ge- spräche und Interviews mit Ärzten hinzuerfunden, um so anschaulich und wirklichkeitsnah wie möglich zu sein.

Was im Lehrsaal an Anschau- lichkeit und Wirklichkeitsnähe nicht vermittelt werden kann, wird im Lehrplan auf Außenstationen verla- gert. An dieser praktischen Kompo- nente sind in erster Linie die Ärzte der Unfallklinik, dann aber auch ei- nige niedergelassene Ärzte beteiligt.

Hier wie dort gewinnen die Kursteil- nehmer unmittelbaren Einblick in das ärztliche Handeln, können sie im Gespräch mit Kollegen, Patienten und Pflegekräften den Stand ihrer Deutsch-Kenntnisse überprüfen.

Dabei sind sie beileibe keine Zaungäste. Von einem Arzt oder ei- ner Ärztin mit speziellem Auftrag im Krankenhaus regelmäßig betreut, er- halten sie die Chance, Operationen beizuwohnen, an Visiten teilzuneh- men, Fragen zur Anamnese zu stel- len und sich in großer Zwanglosig- keit das Vokabular des Klinikbe- triebs anzueignen. In den Einzelpra- xen sind sie vor allem deshalb will- kommene Gäste, weil deren Inha- bern daran liegt, ihnen das Arbeits- feld des Einzelkämpfers Arzt vorzu- führen. Fast ein Nebenprodukt ist bei alledem das Kennenlernen der Strukturen unseres Gesundheitswe- sens, aber auch der Arbeitsabläufe in seinen verschiedenen Zweigen und

Bestandteilen. Und wohlgemerkt:

das alles und in jeder Phase auf Deutsch.

Bildet der relativ kleine, jährlich nur einmal ausgeschriebene Kurs

„Medizindeutsch" im Rahmen aller anderen Sprachkurse — 5948 in aller Welt! — eine Ausnahme? Gelten für ihn Sonderbedingungen? Der Be- richterstatter glaubt Nein. Auch

„Deutsch für Mediziner" orientiert sich an der Devise, die Klaus von Bismarck allen Goethe-Instituten gegeben hat: Menschen aus und in aller Welt „Deutsch als Fremdspra- che" beizubringen, ohne sich im Trainieren von Grammatik und Vo- kabeln zu erschöpfen. In diesem Sonderfall zählt zusätzlich allerdings das Ergebnis, über einen berufsge- bundenen und für andere Menschen unzugänglichen Sprachfundus verfü- gen zu können. Diesen Status er- reicht zu haben, bescheinigt das Zer- tifikat, das die Teilnehmer erwerben.

Der in 25jähriger „Goethe-Ar- beit" weltweit herumgekommene Murnauer Instituts-Chef Dr. Ri- chard Schmied hat sicher gut daran getan, den Fachkurs „Medizin- deutsch" in sein Lehrprogramm ein- zubauen und auch für die nächsten Jahre schon Spätherbst-Termine an- zukündigen. An lernwilligen fertigen und angehenden, aber in ihrer Be- rufssprache „auf Deutsch" noch nicht sattelfesten Medizinern fehlt es hier kaum. Kurt Gelsner Dt. Ärztebl. 87, Heft 11, 15. März 1990 (35) A-831

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