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W / 1 6 E I M N A M E N D E R R E P U B L I K!

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Academic year: 2022

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1030 Wien Tel: +43 1 601 49 – 0 Fax: + 43 1 711 23-889 15 41 E-Mail: einlaufstelle@bvwg.gv.at www.bvwg.gv.at DVR: 0939579

W 1 4 2 2 1 6 3 7 8 5 - 1 / 1 6 E

I M N A M E N D E R R E P U B L I K !

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2017, Zl. 1075549310-150762680, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.09.2020, zu Recht:

A) Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Somalias, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 29.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Der BF wurde am selben Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit

eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch erstbefragt. Dabei gab der BF an: „Ich gehöre einem

Minderheitenstamm (Gabooye) an. Ende 2014 hat mich jemand aus dem unser Gebiet

beherrschenden Stamm (Marehan) attackiert und mich dabei am XXXX mit einem Messer verletzt.

(2)

Ich bin dann in ein anderes Stadtviertel gezogen, und habe dort als Taxifahrer gearbeitet. Als sie herausgefunden haben, wo ich bin, wollten sie von mir Schutzgeld erpressen. Der Stamm Hawiye und der Stamm Majeerten, die den Bereich, wo ich Taxi fuhr, beherrschen, wollten auch Schutzgeld von mir. Weil ich mir das nicht leisten konnte, habe ich mich zur Flucht entschlossen. Sonst habe ich keinen Grund. […]. Auf die Frage, was er bei einer Rückkehr befürchte, gab er wie folgt an: „Ich fürchte mich vor den Stämmen, die Schutzgeld von mir wollten. Sie haben mir auch gedroht, dass sie der Terrormiliz Alshabaab erzählen, dass ich Frauen und Alkohol verkaufe und sie mich dann umbringen würden. Weiters führte er aus, von der Polizei oder Regierung nichts zu befürchten.“

3. In der Folge wurde der BF am 18.04.2017 vom BFA einvernommen, wobei er entscheidungsrelevant wie folgt angab (Schreibfehler korrigiert):

[…]

LA: Ist Ihr Name auf der Verfahrenskarte richtig geschrieben?

VP: Ja.

LA: Haben Sie gegen die hier anwesenden Personen irgendwelche Vorbehalte oder fühlen Sie sich durch eine anwesende Person befangen bzw. eingeschränkt in Ihrer Schilderung?

VP: Nein.

LA: Der anwesende Dolmetscher ist (vom Leiter der Amtshandlung) als Dolmetscher für die Sprache Somali bestellt worden. Sind Sie dieser Sprache mächtig und damit einverstanden, in dieser Sprache einvernommen zu werden?

VP: Ja.

LA: Was ist Ihre Muttersprache?

VP: Somali.

LA: Beherrschen Sie Somali in Wort und Schrift?

VP: Ja.

LA: Welche Sprachen sprechen Sie sonst noch?

VP: Deutsch (A1 abgeschlossen) […]

LA: Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?

VP: Ja.

LA: Sind Sie gesund?

VP: Ja.

LA: Müssen Sie Medikamente nehmen?

VP: Ja, eine verschriebene Salbe für eine Geschlechtskrankheit.

(3)

LA: Nehmen Sie Drogen oder Drogenersatzstoffe?

VP: Nein.

LA: Stimmen die Angaben, die Sie bisher im Verfahren getätigt haben und wurde alles richtig protokolliert?

VP: Ja, aber es gibt 2 Ergänzungen:

Meine Mutter ist nicht 1999 verstorben, sondern 2010 an einem natürlichen Tod. Ich war 20 Tage in der Türkei und nicht 10.

LA: Zur Bestätigung Ihrer Identität legten Sie bislang nichts vor. Haben Sie heute derartige Dokumente mit, die Sie vorlegen wollen?

VP: Nein.

LA: Verfügten Sie jemals über Reisepass oder Personalausweis?

VP: Es gab nur einen Gefälschten.

LA: Haben Sie etwas anderes mit, dass Sie vorlegen wollen?

VP: Nein.

LA: Welchem Clan gehören Sie an?

VP: Gabooye – Tumal – Magan Mohammed

LA: Nennen Sie bitte Ihre Daten zu Familienstand, Staatsbürgerschaft, Religionszugehörigkeit.

VP: Verheiratet, Somalia; Islam

LA: Nennen Sie mir bitte die Namen Ihrer Familienangehörigen in Somalia?

VP: Zurzeit habe ich keine Familienangehörigen in Somalia. Sie sind geflüchtet als ich in der Türkei war. Das war im April 2015. Erfahren habe ich davon am 15.07.2015. Da hatte ich das erste Mal wieder Kontakt mit meiner Familie.

LA: Warum können Sie sich genau an diesen Tag erinnern?

VP: Weil ich dort mit meiner Familie wieder Kontakt aufgenommen habe.

LA: Was war das für ein Wochentag?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Sie wissen das Datum, aber nicht den Wochentag?

VP: Ja.

LA: Wie hat dieser Kontakt ausgesehen?

VP: Ich habe meine Schwester angerufen. Ich habe die Nummer dabei gehabt.

LA: Warum erst einen Monat nachdem Sie in Österreich waren?

VP: Ich war vorher unterwegs.

LA: Sie hatten die komplette Fluchtroute keinen Kontakt zu Ihrer Familie? Kein Lebenszeichen?

VP: Nein.

LA: Wo ist Ihre Familie derzeit?

(4)

VP: In Äthiopien, in

XXXX

. Das ist ein Dorf.

Anmerkung: Abgleich mit der EB bezüglich der Daten der Familie – alle Daten korrekt.

LA: Genau die aufgezählten Familienmitglieder sind zusammen in Äthiopien und kein anderer ist außerdem dabei?

VP: Genau.

LA: Haben Sie Kinder?

VP: Nein, aber sie war einmal schwanger und sie haben meine Frau so lange geschlagen bis sie Ihr Kind verloren hat.

LA: Wer?

VP: Ihre Familie.

LA: Warum?

VP: Wegen mir. Weil ich von einem anderen Clan bin.

LA: Ist das Ihr Fluchtgrund?

VP: Ja.

LA: Wann und wie haben Sie Ihre Frau kennen gelernt?

VP: Kennen gelernt habe ich Sie in Luuq in der Schule. Sie gehört zu Marehan. Fast alle Einwohner sind dort Marehan. Sie war die Einzige die mich nicht beschimpft hat. Das war 2009.

LA: Ist Sie mit Ihnen in die gleiche Klasse gegangen?

VP: Ja.

LA: Das bedeutet, dass Sie gleich alt ist wie Sie?

VP: Nein, ich bin älter. Ich habe mit 7 Jahren (2003) mit der Schule angefangen.

LA: Wann haben Sie wo geheiratet?

VP: August 2014. Wir haben in

XXXX

geheiratet. Es war eine geheime Hochzeit.

LA: Wie alt Ist Ihre Ehefrau jetzt?

VP: Sie war bei der Erstbefragung 17 Jahre alt, jetzt ist Sie 19 Jahre alt.

LA: Haben Sie mit Ihrer Frau zusammengelebt?

VP: Nein, aber wir hatten mehrmals etwas miteinander.

LA: Wie alt war Ihre Ehefrau bei der Hochzeit?

VP: Sie war 16 Jahre alt.

LA: Von welchem Subclan ist Ihre Frau?

VP: Marehan – Ahmed

LA: Sie wissen, dass Mischehen mitunter den Tod in Somalia bedeuten können?

VP: Ja.

LA: Warum haben Sie dann Ihr Leben und das Leben Ihrer Familie in Gefahr gebracht?

(5)

VP: Ich wusste das, mein Vater hat mir alles erzählt. Sie wusste alles über meine Familie. Aber Sie hat trotzdem vorgeschlagen, dass wir heiraten.

LA: Aber warum haben Sie das getan? Ihre Familie hätte wegen Ihnen sterben können, war Ihnen das egal?

VP: Wir waren verliebt. Sie wollte unbedingt, dass wir heiraten.

LA: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie, wenn ja, wie?

VP: Über Whatsapp.

LA: Können Sie mir die Telefonnummer sagen?

VP:

XXXX

LA: Mit wem haben Sie in Somalia zusammengewohnt?

VP: Mit meiner Familie in einer 3 Zimmer Wohnung.

LA: Wo war das, nennen Sie bitte die genaue Adresse.

VP: Luuq, Somalia.

LA: Haben Sie einen Beruf erlernt oder Ausbildung gemacht in Somalia?

VP: Grundschule von 2003 bis 2011 in Luuq (

XXXX

) und ich habe von meinem Vater eine Mechaniker Ausbildung gemacht.

LA: Wovon bestritten Sie Ihren Lebensunterhalt im Heimatland?

VP: Ich war Mechaniker.

LA: Waren Sie auch einmal Taxifahrer?

VP: Ja.

LA: Hatten Sie jemals Probleme aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit?

VP: Ja, das ist mein Fluchtgrund.

LA: Hatten Sie Probleme aufgrund Ihrer Religion?

VP: Nein.

LA: Sind Sie vorbestraft im Herkunftsland oder in einem anderen Land?

VP: Nein.

LA: Hatten Sie persönliche Probleme mit staatlichen Behörden, Gerichten oder der Polizei in Ihrem Heimatland?

VP: Nein.

LA: Waren Sie jemals politisch tätig?

VP: Nein.

LA: Sind die Angaben zu Ihrer Flucht richtig?

VP: Ja.

LA: Wer hat Ihre Reise nach Europa bezahlt?

(6)

VP: Ich habe mein Taxi verkauft. Von meinem Freund 2000 Dollar und der Vater hat 1500 Dollar nachgeschickt.

LA: Wann wurde der Schlepper bezahlt?

VP: 28.03.2015. Da war ich in Mogadischu.

LA: Alles wurde im Vorhinein bezahlt?

VP: Nicht alles. Einen Teil habe ich den Schlepper in Mogadischu bezahlt und den Rest habe ich in Bar mitgenommen. 1200 Dollar habe ich in Mogadischu bezahlt. 2800 Dollar habe ich dann in Bar

mitgenommen.

LA: Warum waren Sie inhaftiert in Österreich?

VP: Es war eine Vermutung. Ich war dort wo etwas passiert ist. Ich war 3 Monate in

XXXX

eingesperrt.

LA: Haben Sie irgendetwas getan?

VP: Der Richter hat gesagt, dass ich keine Probleme gemacht habe und mein Leben normal weiter führen kann in Österreich. Aber es gibt noch eine Verhandlung.

LA: Was haben Sie getan bevor Sie eingesperrt wurden?

VP: Ich habe nichts gemacht, ich wurde zu Unrecht eingesperrt.

LA: Haben Sie irgendwen angegriffen?

VP: Nein.

LA: Bitte schildern Sie, weshalb Sie Somalia verlassen haben und was die fluchtauslösenden Ereignisse waren? Anmerkung: VP beginnt mit freier Erzählung.

VP: Der Grund ist, weil mein Schwager und der Onkel meiner Frau haben mich verletzt, weil Sie drauf gekommen sind das wir verheiratet sind. Sie haben mich dann an die Al Shabaab verraten. Damals waren die meisten Leute in Luuq Al Shabaab Leute. Es gab auch Militär und Regierung 15 Km außerhalb von Luuq. Nur Al Shabaab Leute hatten das sagen. Sie haben gesagt, dass ich Alkohol transportiere und Frauen von Luuq zur AMISOM bringe. Einen Tag nach der Verletzung haben mich Leute der Al Shabaab zu Hause gesucht, aber ich war nicht zu Hause. Die Angehörigen meiner Ehefrau haben mich sicher verraten. Sie wollten, dass mich die Al Shabaab umbringt. Einen Tag nach meiner Verletzung haben Sie bei mir zu Hause gefragt ob die Anschuldigungen stimmen. Ich war in einem anderen Bezirk bei einem Freund. Er war auch mein Trauzeuge. Ein anderer Freund war auch Trauzeuge. Mein Freund hat mich gefragt, ob ich ein günstiges Auto habe. Ich habe Ihm

vorgeschlagen, dass ich Ihm mein Auto verkaufe. Dann bin ich geflüchtet.

LA: Sind Sie nach dem Unfall in dem anderen Bezirk noch Taxi gefahren?

VP: Nein, ich habe nicht mehr gearbeitet. Einen Tag nach dem Unfall habe ich das Auto verkauft.

LA: Wurde irgendwann Schutzgeld von Ihnen verlangt?

VP: Schutzgeld mussten wir bezahlen.

(7)

LA: Wie ist es dann weiter gegangen von Ihrem Freund nach Mogadischu?

VP: Ich bin mit einem LKW um 4 Uhr in der Früh nach Mogadischu gefahren. Mein Freund hat mit dem Schlepper telefoniert. Er hat in 5 Stunden den Reisepass organisiert. Ich bin am selben Tag von Mogadischu weggeflogen.

LA: Sie gaben bei der Erstbefragung an, dass Sie nach dem Unfall in einen anderen Bezirk gezogen sind und dort noch weiter als Taxi Fahrer gearbeitet haben?

VP: Da ist etwas falsch gelaufen.

LA: Sie sagten bei der Erstbefragung, dass Ihnen lediglich gedroht wurde, dass Angehörige eines Stammes der Al Shabaab erzählen würden, dass Sie Alkohol verkaufen. Heute sagen Sie dass dies bereits in Somalia passiert sei. Das passt nicht zusammen, erklären Sie mir das bitte.

VP: Da wurde etwas vertauscht.

LA: Sie sagten bei der Erstbefragung, dass Verwandte den Schlepper zu Ihnen gebracht hätten?

VP: Nein, wir haben nur miteinander telefoniert.

LA: Sie gaben bei der Erstbefragung immer wieder an, dass das Problem das Schutzgeld sei – Sie erwähnten nie, dass das Problem die Ehe gewesen sei. Warum?

VP: Ich sollte mich kurz halten. Es ist ein Fehler passiert, aber nicht bei mir.

LA: Was würden Sie jetzt im Falle einer Rückkehr nach Somalia befürchten?

VP: Ich habe Angst vor der Al Shabaab und die Marehan.

LA: Können Sie sich vorstellen, dass Sie in einer anderen Region Somalias sicher wären? Z.B.

Mogadischu?

VP: Ich habe Angst, dass sie herausfinden, dass ich von Südsomalia bin. Dann würden sie mich vielleicht einsperren.

LA: Warum ist Ihre Familie nach Äthiopien gegangen?

VP: Nachdem das passiert ist, hatte mein Vater Angst um meine Geschwister. Dann sind sie nach Äthiopien geflüchtet.

LA: Ihre Frau ist einfach mitgegangen?

VP: Nachdem meine Frau schwanger geworden ist, hat ihre Familie versteckt. Weil wir nicht offiziell geheiratet haben. Ihre Brüder haben Sie geschlagen, weil ich Gabooye bin. Deswegen ist sie

geflüchtet. Sie war eine gute Bekannte meiner Schwester.

LA: Haben Sie persönlich ein Problem mit Mogadischu?

VP: Nein.

LA: Gibt es Personen in Österreich, die Sie schon in Somalia gekannt haben?

VP: Nein.

LA: Warum wäre Ihr ursprüngliches Ziel die USA gewesen?

VP: Das war mit dem Schlepper so ausgemacht.

(8)

LA: Dann hätte Ihre Frau nicht nachkommen können?

VP: Ja das stimmt.

LA: Warum sind Sie nicht zusammen mit Ihrer Frau nach Äthiopien gegangen?

VP: Dort hätte ich nicht hingehen könne, wegen meinem Clan.

[…]

LA: Es besteht nun die Möglichkeit, weitere Angaben zu machen, die für Sie im Zusammenhang mit Ihrem Antrag wichtig sind und die Sie bekanntgeben wollen.

VP: Ich habe bei der Erstbefragung mehr gesagt, es wurde aber nicht alles niedergeschrieben. […]“

4. Mit Bescheid vom 17.06.2017 wies das Bundesamt den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte dem BF gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde im Wesentlichen entscheidungsrelevant wie folgt ausgeführt:

„[…] Fest steht, dass Ihrem gesteigerten und abgeänderten Fluchtvorbringen vom 18.04.2017 kein Glauben geschenkt wird. […]

Hervorzuheben ist hier allerdings noch einmal ausdrücklich, dass Ihnen ausschließlich auf Grund des Umstandes, der unsicheren sicherheitspolitischen Lage für Minderheiten und des fehlenden familiären Netzwerkes für einen Wiedereinstieg in Mogadischu oder Hargeysa, subsidiärer Schutz in Österreich und somit ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für die Dauer eines Jahres, zu gewähren war. […]“

5. Der BF erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und brachte im Wesentlichen vor, dass er aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Minderheitenclan der Gabooye, Tumal, Magan Mohammed, vor allem aufgrund der heimlichen Heirat mit einer Frau, dem Hauptclan Marehan zugehörig, verfolgt werde. Mit staatlichen Schutz könne er nicht rechnen. In der Ersteinvernahme habe er keine Angaben bezüglich seiner heimlichen Heirat machen können, zumal ihm dazu keine Gelegenheit geboten worden sei und er sich kurzhalten habe müssen.

6. Am 21.09.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Somalisch statt, an der das BFA entschuldigt nicht teilnahm. Es folgen die entscheidungsrelevanten Auszüge aus dieser Einvernahme (Schreibfehler korrigiert):

„R: Sind Sie gesund?

(9)

BF: Mir geht es sehr gut.

R: Können Sie mir sagen, wann Sie in Österreich eingereist sind?

BF: Das war am 29.06.2015.

R: Wann haben Sie Ihr Heimatland Somalia verlassen?

BF: Ich habe mein Heimatland am 27.03.2015 verlassen.

R: Wo haben Sie in Somalia ständig gelebt?

BF: In Luuq.

R: Was ist Luuq? Ist das eine Stadt oder ein Dorf?

BF: Es ist eine kleine Stadt.

R: In welcher Provinz liegt Luuq?

BF: In Gedo.

R: Was meinen Sie mit „kleine Stadt“?

BF: Ich meine, dass sie keine große Stadt ist, es ist kein Dorf und auch keine große Stadt.

R: Haben Sie eine Schule besucht?

BF: Ja.

R: Wie viele Jahre haben Sie eine Schule besucht?

BF: Von 2003 bis 2013 habe ich die Schule besucht.

R: Also 10 Jahre haben Sie eine Schule besucht?

BF: Ja.

R: Welche Schulen haben Sie besucht?

BF: Es war eine Volksschule und eine Mittelschule.

R: Haben Sie in Somalia auch gearbeitet?

BF: Ja, ich habe gearbeitet als Mechaniker, das hat mein Vater mir beigebracht.

R: Hatte Ihr Vater eine eigene Werkstatt?

BF: Ja.

R: Ab wann haben Sie bei Ihrem Vater als Mechaniker gearbeitet?

BF: Ich glaube das war seit 2002. Da habe ich angefangen zu lernen, wie man in der Werkstatt arbeitet.

R: Nebenbei haben Sie die Schule besucht?

BF: Ja, am Vormittag habe ich die Schule besucht und am Nachmittag habe ich mit meinem Vater gearbeitet.

R: Wie hat die Grundschule geheißen, die Sie besucht haben?

BF:

XXXX

.

R: Von wann bis wann haben Sie die Grundschule besucht? Können Sie mir die Jahreszahlen nennen?

BF: Ich habe die Grundschule von 2003 bis 2007 besucht.

R: Und die Mittelschule haben Sie von wann bis wann besucht?

BF: Ich habe im Jahr 2008 angefangen bis 2013.

R: Wie hat die Mittelschule geheißen?

BF: Es war dieselbe Schule.

(10)

R: Leben Ihre Eltern noch in Somalia?

BF: Momentan nicht.

R: Wann hatten Sie das letzte Mal telefonischen Kontakt zu Ihren Eltern?

BF: Das letzte Mal war vor drei Wochen.

R: Mit wem haben Sie da telefoniert?

BF: Mit meiner Familie.

R: Mit wem genau?

BF: Mit meinem Vater.

R: Wo befindet sich Ihr Vater, in welchem Land?

BF: Mein Vater ist momentan in Äthiopien.

R: Wo genau in Äthiopien befindet er sich?

BF: In

XXXX

.

R: Ist

XXXX

ein Dorf oder eine Stadt?

BF: Es ist ein Dorf.

R: Wo liegt dieses Dorf in Äthiopien?

BF: In der Somaliregion in Äthiopien.

R: Seit wann lebt Ihr Vater dort, wissen Sie das?

BF: Ich glaube seit 2015.

R: Wo lebt Ihre Mutter?

BF: Meine Mutter ist verstorben.

R: Wann ist Ihre Mutter verstorben?

BF: Im Jahr 2009.

R: Ist sie eines natürlichen Todes verstorben?

BF: Ja.

R: Haben Sie Geschwister?

BF: Ja.

R: Wie viele Geschwister haben Sie?

BF: Mit mir sind wir acht Geschwister.

R: Wie viele Brüder haben Sie?

BF: Ich habe nur einen Bruder, er heißt

XXXX

. R: Wie alt ist

XXXX

derzeit?

BF: Er wird jetzt 13 Jahre alt.

R: Sie haben also sechs Schwestern?

BF: Ja.

R: Wie alt sind die Mädchen derzeit?

BF: Meine Schwester

XXXX

ist im Jahr

XXXX

geboren. Meine Schwester

XXXX

, ich weiß nicht genau, wann sie geboren ist.

R: Wissen Sie ungefähr, wie alt sie ist?

BF: Als ich nach Österreich kam, war sie 16 oder 17 Jahre alt.

(11)

R: Die Namen der anderen Schwestern lauten wie?

BF:

XXXX

. An das jeweilige Alter meiner Schwestern erinnere ich mich nicht. Bei der Ersteinvernahme habe ich ihr Alter nur geschätzt.

R: In der Erstbefragung haben Sie angegeben, dass Ihre Mutter 1999 verstorben sei. In der

Einvernahme vor dem Bundesamt haben Sie angegeben, dass sie 2010 verstorben ist. Heute haben Sie angegeben, dass Sie im Jahr 2009 verstorben ist. Warum geben Sie unterschiedliche Sterbejahre Ihrer Mutter an?

BF: Bei der Ersteinvernahme waren die Daten, die ich angegeben habe, nicht richtig. Ich bin mir nicht sicher, wann sie genau verstorben ist. Es war entweder 2009 oder 2010. Deshalb habe ich heute gesagt, dass sie 2009 verstorben ist.

R: Ihr Bruder

XXXX

, ist das sein Vorname?

BF: Ja.

R. Hat er noch einen Vornamen?

BF: Nein.

R: Das heißt Ihr Bruder heißt

XXXX

? BF: Er heißt

XXXX

.

R: Was bedeutet

XXXX

?

BF: Es ist der Name meines Vaters.

R: Ist das dann ein Teil des Nachnamens?

BF: Ja, es ist ein Teil des Familiennamens.

R: Warum haben Sie dann in der Erstbefragung angegeben, dass Ihr Bruder

XXXX

mit Vornamen heißt?

BF: Ich habe

XXXX

gesagt.

R: Wie sind Sie von Luuq nach Österreich gelangt?

BF: Ich habe Luuq am 27.03.2015 verlassen. Ich bin mit einem LKW nach Mogadischu gefahren.

R: Wie sind Sie von Mogadischu aus weitergereist?

BF: Dort habe ich mich mit einem Schlepper getroffen. Er hat einen gefälschten Reisepass für mich organisiert. Ich bin in die Türkei geflogen.

R: Wo haben Sie sich in der Türkei aufgehalten?

BF: In Istanbul.

R: Wie lange haben Sie sich in der Türkei aufgehalten?

BF: Ca. 20 Tage.

R: Von der Türkei sind Sie dann wie nach Österreich gelangt?

BF: Zuerst sind wir zu Fuß gegangen, danach sind wir mit einem Boot gefahren und in Griechenland angekommen. Von Griechenland bin ich mit dem Bus gefahren und danach mit einem Auto und dann bin ich in Österreich angekommen.

R: Wo wollten Sie hinreisen, als Sie Somalia verlassen haben? Was war Ihr Reiseziel?

BF: Ich wollte nach Amerika gehen.

R: Haben Sie Verwandte in Amerika?

(12)

BF: Nein.

R: Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF: Nein.

R: Wo leben Ihre Geschwister?

BF: Sie leben mit meinem Vater.

R: Arbeiten Sie hier in Österreich?

BF: Momentan arbeite ich nicht, aber ich habe schon gearbeitet.

R: Was haben Sie schon gearbeitet?

BF: Ich habe in einer Produktionsfirma gearbeitet, danach in einer Gießerei.

R: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

BF: Ich bin Gabooye.

R: Welchem Subclan gehören Sie an?

BF: Tumal. Der Subsubclan Magan Mahamud.

R: Was war der Grund, warum Sie Ihr Heimatland verlassen haben?

BF: Als ich in meinem Heimatland war, habe ich eine Frau geheiratet.

R: Wann haben Sie geheiratet?

BF: Im April 2014.

R: Wie heißt Ihre Ehefrau?

BF:

XXXX

.

R: Wo haben Sie sie kennengelernt?

BF: In der Schule haben wir uns kennengelernt.

R: Gehört sie demselben Clan an wie Sie?

BF: Nein.

R: Welchem Clan gehört sie an?

BF: Sie ist Marehan.

R: Sind Sie in Kontakt mit Ihrer Ehefrau?

BF: Ja.

R: Wo lebt Ihre Ehefrau?

BF: Sie lebt noch in Luuq bei ihrer Familie.

R: Telefonieren Sie regelmäßig mit Ihrer Ehefrau?

BF: Ja.

R: Haben Sie Kinder?

BF: Nein.

R: Wo haben Sie geheiratet?

BF: In

XXXX

. R: Ist das ein Dorf?

BF: Es ist ein bisschen größer als Luuq. Es war nicht weit weg von Luuq.

R: Was war der auslösende Moment, warum Sie Ihre Ehefrau verlassen haben?

BF: Ich habe meine Frau geheim geheiratet.

(13)

R: Warum?

BF: Wegen Ihrer Familie.

R: Warum wegen ihrer Familie?

BF: Ihre Familie hat erfahren, dass wir eine Beziehung haben und sie wollten nicht, dass sie mit mir eine Beziehung hat.

R: Warum durfte sie mit Ihnen keine Beziehung haben?

BF: Weil ich einer Minderheit angehöre. Ich habe in meinem Heimatort sehr oft Diskriminierung erlebt. Wenn ich mit den jungen Männern Fußball spielte oder Leute getroffen habe haben sie mir oft gesagt, dass ich ein Gabooye bin und einer Minderheit angehöre.

R: Welchem Hauptclan gehört Ihre Ehefrau an?

BF: Sie ist eine Marehan.

R: Ist das ein Hauptclan?

BF: Ja, das ist der Hauptclan.

R: Wie alt war Ihre Ehefrau, als Sie geheim geheiratet haben?

BF: Sie war ca. 17 oder 18 Jahre alt. Das habe ich nur geschätzt.

R: Wieso wissen Sie das nicht genau? Sie haben doch lange eine Schule besuch

BF: Als wir die Schule besuchten, war ich älter als sie. Als wir geheiratet haben, habe ich sie gefragt, wie alt sie sei. Sie sagte, dass sie 17 Jahre alt ist.

R: Was ist dann weiter passiert, nachdem Sie Ihre Ehefrau geheim geheiratet haben?

BF: Ihre Familie hat das erfahren.

R: Wann hat ihre Familie das erfahren?

BF: Nach Monaten.

R: Nach wie vielen Monaten?

BF: Nach fünf Monaten.

R: Wieso hat die Familie das erst nach fünf Monaten entdeckt, dass Sie geheim geheiratet haben?

BF: Am Anfang, haben wir uns nicht oft getroffen. Wenn wir uns treffen wollten, haben wir uns bei Freunden verabredet. So konnten wir unsere Ehe geheim halten.

R: Wie ist ihre Familie dann draufgekommen, dass Sie die Tochter geheim geheiratet haben?

BF: Ihre Freundinnen haben das erfahren und sie ist schwanger geworden. Die Freundinnen haben ihrer Familie das erzählt, weil sie mitbekommen haben, dass sie sich übergibt und schwanger ist.

R: Was ist dann passiert?

BF: Als ihre Familie das erfahren hat, sind ihr Onkel und ihr Bruder zu mir gekommen. Ich saß im Auto und sie kamen zu mir und haben mich am

XXXX

mit einem Messer verletzt. Die Narbe ist heute noch sichtbar.

R: Mussten Sie ins Spital?

BF: Nein.

R: Wer hat Sie verarztet?

BF: Als ich nach Hause kam, habe ich meinem Vater die Wunde gezeigt. Er hat mir

(14)

Schmerzmedikamente gegeben. Die Verletzung war nicht sehr tief.

R: Wann wurden Sie genau mit dem Messer verletzt BF: Ich weiß es nicht genau.

R: Können Sie den Monat und das Jahr angeben?

BF: Es war im Jahr 2014, ich bin mir nicht sicher, ich kann nur schätzen.

R: Was schätzen Sie?

BF: Im Juli 2014.

R: Wo ist das passiert, als Sie mit dem Messer verletzt wurden?

BF: Ich war in Luuq.

R: Sind Sie zur Polizei gegangen und haben Sie gemeldet, dass Sie verletzt wurden?

BF: Ja. Mein Vater ist zur Polizei gegangen, aber die Polizei hat uns nicht geholfen.

R: Waren Sie mit bei der Polizei?

BF: Nein.

R: Warum hat die Polizei nicht geholfen?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Hat Ihr Vater Ihnen nicht erzählt, warum die Polizei nicht geholfen hat?

BF: Ich glaube, wegen der Diskriminierung.

R: Was ist dann weiter passiert?

BF: Als meine Frau schwanger wurde hat sie sich oft übergeben müssen. Ihre Familie hat mich verletzt. Dann habe ich die Geschichte meinem Vater erzählt. Mein Vater war mit meiner Geschichte nicht zufrieden. Mein Vater hat mich gefragt, warum ich diese Frau geheiratet habe. Er hat gesagt, dass ich sie nicht heiraten hätte sollen. Ich weiß nicht, was ihre Familie mit meiner Frau gemacht haben, aber sie hat das Kind verloren.

R: Woher wissen Sie, dass sie das Kind verloren hat?

BF: Meine Frau hat mir das erzählt und gesagt, dass ihre Familie sie ins Spital gebracht hat. Ihre Familie hat meine Frau auch geschlagen.

R: Wie konnten Sie mit Ihrer Frau Kontakt aufnehmen, zumal die Familie Ihrer Frau gegen die Heirat war?

BF: Sie hat mich angerufen.

R: Wo hat sie sich befunden, als sie Sie angerufen hat?

BF: Ich war in Luuq.

R: Wo war Ihre Frau?

BF: Bei sich zu Hause.

R: Hatte Ihre Frau ein eigenes Telefon?

BF: Nein, aber sie konnte, wenn sie draußen war, mich anrufen.

R: Nachdem Sie mit dem Messer verletzt wurden, Ihre Frau das Kind verloren hat, haben Sie Somalia dann sofort verlassen?

BF: Ja, aber ich habe mich nicht in diesem Moment entschlossen, mein Heimatland zu verlassen. Ihr Onkel oder ihr Bruder sind zu Al Shabaab gegangen. Sie haben zu den Al Shabaab gesagt, dass ich die

(15)

somalische Frau zu AMISOM bringe und sie haben gesagt, dass ich ein Taxifahrer bin und dass ich auch Alkohol zu den AMISOM bringe und Alkohol verkaufe.

R: Woher wissen Sie, dass das der Onkel oder der Bruder Ihrer Frau das zu den Al Shabaab gesagt haben?

BF: Mein Vater war zu Hause. Männer sind zu meinem Vater gekommen und haben ihm das erzählt.

R: Wann sind diese Männer zu Ihrem Vater gekommen?

BF: Das war eines Tages.

R: Wie viele Tage oder Wochen sind vergangen in Bezug auf den Vorfall mit der Verletzung mit dem Messer?

BF: Ca. zwei Monate sind vergangen.

R: Als diese Männer zu Ihrem Vater gekommen sind, waren Sie da zu Hause?

BF: Nein, ich war nicht zu Hause.

R: Wo waren Sie?

BF: Ich war draußen.

R: Wo draußen?

BF: In dem Moment habe ich ein kleines Auto repariert.

R: Wo haben Sie das kleine Auto repariert?

BF: Es war nicht weit weg, es war ca. drei km weit von meinem Zuhause entfernt.

R: Was haben nun diese Männer, die zu Ihrem Vater gekommen sind, genau gesagt?

BF: Die Männer haben meinem Vater erzählt, dass sie gehört haben, dass ich somalische Frauen zu den AMISOM bringe, dass ich Alkohol verkaufe und auch Alkohol zu den AMISOM bringe.

R: Was hat Ihr Vater darauf erwidert?

BF: Mein Vater hat sie gefragt, wer sie sind und sie haben gesagt, dass sie Al Shabaab-Männer sind und sie fragten nach mir. Mein Vater hat gesagt, dass ich nicht zu Hause bin, dass ich draußen bin.

R: Was haben die Al Shabaab-Männer gesagt?

BF: Sie haben in der Wohnung nach mir gesucht. Sie haben nichts gefunden und sind weggegangen.

R: Was ist dann passiert, als Sie nach Hause gekommen sind?

BF: Mein Vater hat mich angerufen und hat mir gesagt, dass die Al Shabaab-Männer nach mir suchen.

Er hat mir empfohlen, dass ich nicht nach Hause komme, denn es könnte sein, dass die Al Shabaab- Männer in der Nacht wiederkommen könnten. Ich bin zu einem Freund von mir gegangen.

R: Wie hat der Freund geheißen?

BF:

XXXX

.

R: Ist das der Vorname?

BF: Ja.

R: Wissen Sie auch seinen Nachnamen?

BF: Sein Nachname war

XXXX

. R: Wo hat dieser Freund gewohnt?

BF: Er hat am Rand von Luuq gelebt.

R: Wie lange haben Sie sich bei Ihrem Freund

XXXX

aufgehalten?

(16)

BF: Ca. zwei Wochen.

R: Haben Sie innerhalb dieser zwei Wochen Kontakt zu Ihrer Familie bzw. zu Ihrem Vater gehabt?

BF: Ja, ich habe mit meinem Vater telefoniert. Er hat mir auch erzählt, dass die Al Shabaab-Männer noch immer nach mir suchen.

R: Haben Sie in diesen zwei Wochen, wo Sie sich bei Ihrem Freund aufgehalten haben, auch mit Ihrer Ehefrau telefoniert?

BF: Nein.

R: Wieso haben Sie dann Ihren Freund verlassen und sind aus Somalia ausgereist?

BF: Wegen den Al Shabaab habe ich mein Heimatland verlassen, weil sie nach mir gesucht haben. R:

Wieso sind Sie zwei Wochen bei Ihrem Freund geblieben? Warum sind Sie nicht länger geblieben?

BF: Ich konnte mich nicht mehr bei meinem Freund verstecken, weil mich die Al Shabaab sonst gefunden hätte.

R: Dann haben Sie sich einen Schlepper organisiert?

BF: Ich habe meine Geschichte meinem Freund erzählt und er hat gesagt, dass, wenn ich länger bleiben würde, könnten mich die Al Shabaab töten.

R: Haben Sie den Schlepper organisiert?

BF: Nein, mein Freund hat ihn organisiert. Er kannte den Schlepper und der Schlepper war in Mogadischu.

R: Wie viel haben Sie dem Schlepper bezahlt, um aus Somalia ausreisen zu können?

BF: Am Anfang habe ich dem Schlepper 1.500 USD bezahlt. Danach 2.800 USD.

R: Woher hatten Sie das viele Geld?

BF: Ich habe mein Auto verkauft.

R: Welches Auto hatten Sie?

BF: Es war ein Marq2. Es war ein Toyota.

R: Was würde Ihnen passieren, wenn Sie nach Somalia zurückkehren müssten?

BF: Erstens ist die Familie meiner Frau noch immer dort. Ich kann nicht in meinen Heimatort zurückkehren. Im Rest des Landes kann ich nicht leben, das ist schwer für mich.

R: Sie haben Ihre Ausreise ausschließlich selbst durch den Verkauf Ihres Autos finanziert? Sie haben das Geld für den Schlepper alleine aufgebracht?

BF: Ja.

R: Sie haben gesagt, Sie haben geheim geheiratet. Wie funktioniert so eine geheime Eheschließung?

Wie kann ich mir das vorstellen?

BF: Wir sind zu einem Sheikh gegangen, um eine Ehe schließen zu können. Das nennt man auf Somali Qurbo Sire.

R: Was passiert dann weiter?

BF: Diese Eheschließung funktioniert so: es muss ein Sheikh anwesend sein und die Eheschließung stattfinden und zwei Zeugen müssen anwesend sein. Dann gilt es als Ehe.

R: Sind Sie zuvor zu dem Sheikh gegangen und haben Sie mit ihm alles besprochen und sind Sie dann ein zweites Mal mit Ihrer zukünftigen Ehefrau und den beiden Zeugen zum Sheikh gekommen, um

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die Ehe zu schließen?

BF: Zuerst haben wir den Sheikh angerufen und haben ihn gefragt, ob er Zeit hat. Wir haben bereits gewusst, dass er solche Eheschließungen macht.

R: Welche Zeugen waren bei Ihnen anwesend bei der Eheschließung?

BF: Es waren zwei Freunde von mir.

R: Wie haben die zwei Freunde geheißen?

BF: Einen habe ich schon genannt:

XXXX

und der andere heißt

XXXX

.

R: Sie haben gesagt, Sie sind nach wie vor in telefonischem Kontakt mit Ihrer Ehefrau. Wie ist Ihrer Ehefrau dies möglich, wenn ihre Familie gegen die Verbindung ist?

BF: Ich rufe sie nicht an, aber sie ruft mich an. Niemand weiß, dass wir immer noch Kontakt haben.

R: Wieso konnten Sie nicht in einem anderen Teil von Somalia leben mit Ihrer Ehefrau, zB in Mogadischu?

BF: In Mogadischu war es unmöglich, dass wir uns dort ein Leben aufbauen. Erstens wegen der Diskriminierung, zweitens finde ich keinen Job dort und drittens ist die Al Shabaab auch in Mogadischu. Überall in Somalia bin ich nur ein Tumal.

R: Aber Sie sind nicht der einzige Angehörige von Tumal, sondern es gibt sehr viele Angehörige dieses Clans.

BF: Ja, aber die meisten haben das Land verlassen.

R: Wann haben Sie Ihr Auto verkauft?

BF: Im Februar 2015 habe ich mein Auto verkauft.

R: Wie viele Tage oder Wochen vor der Ausreise aus Somalia haben Sie Ihr Auto verkauft?

BF: Es ist nicht viel Zeit vergangen. Ich habe es drei Wochen vor meiner Ausreise verkauft. Ich möchte korrigieren, ich habe mein Auto im März 2015 verkauft.

R: Wann sind Sie dann ausgereist?

BF: Ich habe mein Heimatland am 27.03.2015 verlassen. Ich habe drei Wochen vor meiner Ausreise das Auto verkauft.

R: Wie lange sind Sie in Mogadischu geblieben?

BF: In Mogadischu war ich nur einen Tag.

R: Wie, wo und wann haben Sie den Schlepper bezahlt?

BF: Ich habe den ersten Teil in Mogadischu bezahlt, das waren 1.500 USD. Den zweiten Teil habe ich bezahlt, als ich in der Türkei war, das waren 2.800 USD.

R: Und das war Ihr eigenes Geld aus dem Verkauf Ihres Autos, nämlich 4.300 USD?

BF: Ja.

R: Diese 2.800 USD hatten Sie in bar auf den Flug mitgenommen?

BF: Nein. Ich habe das per Geldtransfer erhalten.

R: Wer hat den Geldtransfer organisiert? Haben Sie das selbst vor Ihrer Ausreise organisiert?

BF: Als ich in Mogadischu war, war ich nicht allein. Der Schlepper hatte jemanden mitgebracht, der ein „Geldtransferer“ ist. Wir haben ihm das Geld gegeben und er hat uns versprochen, wenn wir es

(18)

brauchen würden, würde er es uns schicken. Als ich in der Türkei war, hat er mir das Geld geschickt.

R: Was heißt „wir haben ihm das Geld gegeben“? Meinen Sie, Sie und Ihr Schlepper?

BF: Nein, es gab auch andere Flüchtlinge.

R: Wie heißt der Subclan Ihrer Frau?

BF: Mahamed.

R: Wie haben Sie Ihre Ehefrau kennengelernt?

BF: Wir haben uns in der Schule kennengelernt?

R: Waren Sie in der gleichen Klasse?

BF: Ja.

R: Wie viele Jahre hat Ihre Ehefrau die Schule besucht?

BF: Sie hat die Schule besucht bis 2012.

R: Wie viele Jahre sind Sie gemeinsam mit ihr in die Klasse gegangen?

BF: Ca. neun Jahre.

R: Waren Sie älter als Ihre Ehefrau?

BF: Ja.

R: Wieso sind Sie dann in die gleiche Klasse gegangen, wenn Sie ein unterschiedliches Alter hatten?

BF: Ich habe später mit der Schule begonnen Davor habe ich eine Koranschule besucht. Mein Vater konnte am Anfang auch nicht die Schule finanzieren.

R: Wie alt waren Sie, als Sie mit der normalen Schule begonnen habe und nicht mit der Koranschule?

BF: Ich war sieben Jahre alt.

R: Wann haben Sie die Koranschule besucht?

BF: Ich habe die Koranschule ca. zwei Jahre besucht.

R: Wie alt waren Sie, als Sie die Koranschule besucht haben?

BF: Ca. fünf Jahre war ich alt.

R: Wie sind Sie von Luuq nach Mogadischu gelangt? Können Sie mir Dörfer und Städte nennen, die Sie passiert haben?

BF: Ich bin mit einem großen LKW gefahren. Wir sind ca. um 04:00 Uhr in der Früh losgefahren.

R: Welche Städte und Dörfer haben Sie passiert, um Mogadischu zu erreichen?

BF: Ich saß im oberen Bereich und habe geschlafen.

R: Wie lange sind Sie mit dem LKW gefahren, um mit dem LKW von Luuq nach Mogadischu zu gelangen?

BF: Von 04:00 Uhr in der Früh bis 16:00 Uhr am Nachmittag.

R: Waren Sie zuvor schon jemals in Mogadischu?

BF: Nein, ich war immer in Luuq.

R: Können Sie mir die Hauptstadt der Provinz Gedo nennen?

BF: Ich kenne sie nicht.

R: Was sind die Nachbarprovinzen von Gedo?

BF: Ich kenne die Nachbarprovinzen nicht, ich war nur in Luuq.

R: Zeichnen Sie mir bitte eine Landkarte von Somalia und zeichnen Sie mir ungefähr ein, wo Luuq

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liegt. Bezeichnen Sie auch die Nachbarländer und die Lage des Meeres. Es muss keine genaue Skizze sein, sondern nur, dass man sich ungefähr auskennt.

BF zeichnet etwas auf ein Blatt Papier. Dieses wird als Beilage ./A zum Akt genommen.

R: Luuq liegt also an der Grenze zu Kenia?

BF: Ja

R: Wieso sind Sie nicht über Kenia nach Europa gereist, sondern über Mogadischu?

BF: Der Schlepper war in Mogadischu.

R: Gibt es etwas Besonderes über Luuq zu erzählen? Wissen Sie etwas Besonderes? Wie schaut es dort aus in Luuq?

BF: Es ist ein landwirtschaftliches Gebiet. Ich weiß nur, dass es ein landwirtschaftliches Gebiet ist.

R: Gibt es Gewässer im Umfeld von Luuq?

BF: Es gibt Bäche.

R: Können Sie diese nennen?

BF: Es gibt den Bach Balayga Cidhiidhega (siehe Beilage ./B). Dieser Bach liegt in Luuq.

R: Kennen Sie sonst noch Bäche oder Flüsse?

BF: Nein, ich kenne sonst keine.

R: Mogadischu liegt laut Ihrer Zeichnung in der Mitte von Somalia?

BF: Ich habe es nur geschätzt.

R: Was meinen Sie mit „Somalian“ laut Ihrer Skizze?

BF: Damit meine ich Somaliland.

Erörtert werden folgende Berichte:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, Stand 20.11.2019, Landkarte von Somalia

Auszüge aus Wikipedia und Google Maps betreffend Luuq Sicherheitslage in Somalia, ECOI-Net 14.08.2020

Ausdruck betreffend Anzahl der Coronafälle in Somalia, Stand 05.08.2020

US Department of State, Country Report Human Rights Practices 2019, Somalia, 11.03.2020 R:

Möchten Sie zur Situation in Ihrem Heimatland etwas angeben?

BF: Nein, danke.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Die Identität des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Somalia.

Der BF bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Er ist Angehöriger der Minderheit

der Tumaal, Magan Mohammed. Er besuchte 10 Jahre die Schule.

(20)

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aus der Stadt Luuq stammt und dort bis kurz vor seiner Ausreise aus Somalia gelebt hat.

Der BF hat am XXXX eine Narbe.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten. Er lebt als subsidiär Schutzberechtigter in Österreich.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Zu dem vom BF vorgebrachten Fluchtgrund ist festzustellen, dass eine Verfolgung des BF in Somalia aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung nicht glaubhaft gemacht werden konnte

Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass er eine Frau eines anderen Clans, nämlich der Marehan, geheim geheiratet hat und die Familie seiner Ehefrau gegen diese Heirat gewesen ist und ihn mit einem Messer am XXXX verletzt hat, weil der BF Angehöriger der Tumaal ist.

Es ist nicht glaubhaft, dass der Onkel und der Bruder seiner Ehefrau zu den Al-Shabaab- Mitgliedern gegangen sind, um diesen zu sagen, dass der BF ein Taxifahrer ist, Alkohol verkauft und somalische Frauen sowie Alkohol zu AMISOM bringt. Der BF konnte keine konkret und individuell gegen ihn gerichteten Probleme aufgrund seiner Minderheitenzugehörigkeit glaubhaft machen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Aus den ins Verfahren eingeführten und im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand 20.11.2019) zitierten Länderberichten zur Lage in Somalia sowie ECOI-Net 28.08.2020, Sicherheitslage in Somalia und dem Bericht des US Department of State, Somalia, 11.03.2020, sowie dem Ausdruck betreffend Anzahl der Coronafälle in Somalia, OCHA, Stand 21.08.2020, der Landkarte von Somalia und Auszüge aus Wikipedia und Google Maps betreffend Luuq ergibt sich Folgendes:

Die Sicherheitslage bleibt instabil und unvorhersagbar (AMISOM 7.8.2019, S.2). Zwar ist es im Jahr 2018 im Vergleich zu 2017 zu weniger sicherheitsrelevanten Zwischenfällen und auch zu einer geringeren Zahl an Todesopfern gekommen, doch ist die Sicherheitslage weiterhin schlecht. Sie ist vom bewaffneten Konflikt zwischen AMISOM (African Union Mission in Somalia), somalischer Armee und alliierten Kräften auf der einen und al Shabaab auf der anderen Seite geprägt. Zusätzlich kommt es in

(21)

ländlichen Gebieten zu Luftschlägen (NLMBZ 3.2019, S.17). Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (USDOS 13.3.2019, S.1). Wer sich in Somalia aufhält, muss sich der Gefährdung durch Terroranschläge, Kampfhandlungen, Piraterie sowie kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein (AA 17.9.2019). Auch der Konflikt um Ressourcen (Land, Wasser etc.) führt regelmäßig zu Gewalt (BS 2018, S.31).

Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das „urban island scenario“ besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017, S.21; vgl. BMLV 3.9.2019).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden – etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017, S.21/91f; vgl. BMLV 3.9.2019).

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2019). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und – in noch stärkerem Ausmaß – in Süd-/Zentralsomalia komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (LIFOS 9.4.2019, S.6).

Süd-/Zentralsomalia

Die Sicherheitslage bleibt volatil (UNSC 15.8.2019, Abs.13; vgl. AA 17.9.2019). Al Shabaab bleibt auch weiterhin die größte Quelle von Unsicherheit in Somalia (SRSG 3.1.2019, S.3; vgl. SEMG 9.11.2018, S.4;

UNSC 21.12.2018, S.3).

Al Shabaab führt nach wie vor eine effektive Rebellion (LWJ 8.1.2019). Al Shabaab hat sich ihre operative Stärke und ihre Fähigkeiten bewahrt (UNSC 21.12.2018, S.3; vgl. NLMBZ 3.2019, S.20), führt weiterhin Angriffe auf Regierungseinrichtungen, Behördenmitarbeiter, Sicherheitskräfte, internationale Partner und öffentliche Plätze – z.B. Restaurants und Hotels – durch (UNSC 15.8.2019, Abs.13; vgl. AA 17.9.2019).

Dabei hat sich die Gruppe in erster Linie auf die Durchführung von Sprengstoffanschlägen und gezielten Attentaten verlegt (SRSG 3.1.2019, S.3) und kann sowohl gegen harte (militärische) als auch weiche Ziele vorgehen (NLMBZ 3.2019, S.10). Al Shabaab bleibt zudem weiterhin in der Lage, komplexe

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asymmetrische Angriffe durchzuführen (SEMG 9.11.2018, S.4). Neben Angriffen auf militärische Einrichtungen und strategischen Selbstmordanschlägen auf Regierungsgebäude und städtische Gebiete wendet al Shabaab auch Mörser- und Handgranatenangriffe an, legt Hinterhalte und führt gezielte Attentate durch (NLMBZ 3.2019, S.10). Al Shabaab verfügt auch weiterhin über Kapazitäten, um konventionelle Angriffe und größere Attentate (u.a. Selbstmordanschläge, Mörserangriffe) durchzuführen (LWJ 15.10.2018). Al Shabaab ist auch in der Lage, fallweise konventionelle Angriffe gegen somalische Kräfte und AMISOM durchzuführen, z.B. am 1.4.2018 gegen sogenannte Forward Operational Bases der AMISOM in Buulo Mareer, Golweyn und Qoryooley (Lower Shabelle) (SEMG 9.11.2018, S.22). Nach anderen Angaben kann al Shabaab keine konventionellen Angriffe mehr durchführen. Die Gruppe hat sich v.a. auf Sprengstoffanschläge und gezielte Attentate verlegt (SRSG 3.1.2019, S.3).

Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg an Angriffen in Mogadischu. Es kommt weiterhin zu Anschlägen mit improvisierten Sprengsätzen, Mörserangriffen und gezielten Attentaten.

Alleine im März 2019 wurden 77 Anschläge mit Sprengsätzen verzeichnet – die höchste Zahl seit 2016.

Der Großteil dieser Anschläge betraf Mogadischu, Lower Shabelle, Lower Juba und Gedo (UNSC 15.5.2019, Abs.12f). Ähnliches gilt für den Monat Ramadan (5.5.-3.6.); danach ging die Zahl an Vorfällen zurück (UNSC 15.8.2019, Abs.14). Von Gewalt durch al Shabaab am meisten betroffen sind Mogadischu, Lower und Middle Shabelle; Jubaland, Bay und Hiiraan sind zu einem geringeren Ausmaß betroffen (UNSC 21.12.2018, S.4).

Al Shabaab hat auch die Angriffe mit Mörsern verstärkt. Dabei ist eine zunehmende Treffsicherheit zu verzeichnen. Außerdem führt die Gruppe weiterhin (sporadisch) komplexe Angriffe durch (UNSC 15.5.2019, Abs.14f).

Kampfhandlungen: In Teilen Süd-/Zentralsomalias (südlich von Puntland) kommt es zu örtlich begrenzten Kampfhandlungen zwischen somalischen Sicherheitskräften/Milizen bzw. AMISOM (African Union Mission in Somalia) und al Shabaab (AA 4.3.2019, S.16; vgl. AA 17.9.2019). Die Gruppe führt täglich kleinere Angriffe auf AMISOM, Armee und Regierung durch, alle paar Wochen kommt es zu einem größeren Angriff (BS 2018, S.7). Dies betrifft insbesondere die Regionen Lower Juba, Gedo, Bay, Bakool sowie Lower und Middle Shabelle. Die Region Middle Juba steht in weiten Teilen unter Kontrolle von al Shabaab (AA 4.3.2019, S.16). Zivilisten sind insbesondere in Frontbereichen, wo Gebietswechsel vollzogen werden, einem Risiko von Racheaktionen durch al Shabaab oder aber von Regierungskräften ausgesetzt (LIFOS 3.7.2019, S.22). Die Bezirke Merka, Qoryooley und Afgooye sind nach wie vor stark von Gewalt betroffen, das Gebiet zwischen diesen Städten liegt im Fokus von al Shabaab (ME 27.6.2019). In Süd-/Zentralsomalia bleibt al Shabaab auch für Stützpunkte von Armee und AMISOM eine Bedrohung. Sie behält die Fähigkeit, selbst in schwer befestigte Anlagen in Mogadischu einzudringen (LWJ 3.9.2018).

Ferner kommt es immer wieder auch zu Auseinandersetzungen somalischer Milizen untereinander (AA 17.9.2019). Auch somalische und regionale Sicherheitskräfte töteten Zivilisten und begingen sexuelle

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Gewalttaten – v.a. in und um die Region Lower Shabelle (USDOS 13.3.2019, S.11). Zusätzlich wird die Sicherheitslage durch die große Anzahl lokaler und sogar föderaler Milizen verkompliziert (BS 2018, S.8). Es gibt immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Milizen einzelner Sub-Clans bzw. religiöser Gruppierungen wie Ahlu Sunna Wal Jama’a (AA 4.3.2019, S.16; vgl. HRW 17.1.2019).

Seit dem Jahr 1991 gibt es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden (AA 4.3.2019, S.16).

Bei Kampfhandlungen gegen al Shabaab, aber auch zwischen Clans oder Sicherheitskräften kommt es zur Vertreibung, Verletzung oder Tötung von Zivilisten (HRW 17.1.2019).

Gebietskontrolle: Die Gebiete Süd-/Zentralsomalias sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen. Allerdings ist die Kontrolle der somalischen Bundesregierung im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkt; die Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete liegt bei den Regierungen der Bundesstaaten, welche der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen (AA 4.3.2019, S.5). Die Regierung war nicht immer in der Lage, gewonnene Gebiete abzusichern, manche wurden von al Shabaab wieder übernommen (BS 2018, S.7). Mittlerweile wird zumindest versucht, nach der Einnahme neuer Ortschaften rasch eine Zivilverwaltung einzusetzen, wie im Zuge der Operation Badbaado 2019 in Lower Shabelle zu erkennen war. Trotzdem beherrschen die neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr als die größeren Städte.

Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt meist auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert. Teils kommt es zu weiteren (militärischen) Exkursionen (ME 27.6.2019). Die meisten von Regierung/AMISOM gehaltenen Städte sind aber Inseln im Gebiet der al Shabaab (LI 21.5.2019a, S.3; vgl. BFA 8.2017, S.26). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft oder über See versorgt werden, da Überlandrouten nur eingeschränkt nutzbar sind (UNSC 21.12.2018, S.9).

In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (ME 27.6.2019). Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände von al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor.

Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure von al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017, S.26; vgl. BMLV 3.9.2019). Andererseits führen ausstehende Soldzahlungen zu Meutereien bzw. zur Aufgabe gewonnener Gebiete durch Teile der Armee (z.B. in Middle Shabelle im März 2019) (BAMF 1.4.2019).

Al Shabaab kontrolliert große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia und bedroht dort die Städte (LWJ 8.1.2019). Außerdem kontrolliert al Shabaab wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Regierungskontrolle Blockaden aufrecht (HRW 17.1.2019).

AMISOM/Operationen: Die Truppensteller von AMISOM glauben nicht daran, dass Regierungskräfte über die notwendigen Kapazitäten verfügen, um wichtige Sicherheitsaufgaben zu übernehmen (HRW

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17.1.2019). Die Regierung ist selbst bei der Sicherheit von SchlüsselEinrichtungen auf AMISOM angewiesen (BS 2018, S.7). Vor desaströsen Auswirkungen eines voreiligen Abzugs von AMISOM wird gewarnt (SRSG 13.9.2018, S.5). Bereits ein Teilabzug im Rahmen einer „Rekonfiguration“ könnte zur Aufgabe sogenannter Forward Operating Bases (FOBs) führen (UNSC 15.5.2019, Abs.72). Die Kräfte von AMISOM sind ohnehin überdehnt (ME 27.6.2019), und schon in den Jahren 2016 und 2017 fielen manche Städte aufgrund des Abzugs von AMISOM zurück an al Shabaab (LI 21.5.2019a, S.1). Auch im Rahmen der Truppenreduzierung im Jahr 2019 hat AMISOM FOBs räumen müssen – etwa Faafax Dhuun (Gedo); andere wurden an die somalische Armee übergeben (ME 14.3.2019).

Nach 2015 hat AMISOM keine großen Offensiven gegen die al Shabaab mehr geführt (ISS 28.2.2019;

vgl. SEMG 9.11.2018, S.22), der Konflikt befindet sich in einer Art „Warteschleife“ (ICG 27.6.2019, S.1).

Im aktuellen Operationsplan von AMISOM sind ausschließlich kleinere offensive Operationen vorgesehen, welche insbesondere der Absicherung relevanter Versorgungsrouten dienen.

Tatsächliche Vorstöße auf das Gebiet der al Shabaab sind so gut wie keine vorgesehen. Das heißt, dass AMISOM lediglich auf die Absicherung wesentlicher gesicherter Räume (v.a. Städte) und wichtiger Versorgungsrouten abzielt (ME 14.3.2019). In diesem Sinne ist auch die Operation Badbaado (Lower Shabelle) zu sehen, bei welcher v.a. somalische Truppen herangezogen wurden (ME 27.6.2019). Ein weiteres Zurückdrängen von al Shabaab durch AMISOM kann auf dieser Grundlage nicht erwartet werden (ME 14.3.2019).

Islamischer Staat (IS): Neben al Shabaab existieren in Süd-/Zentralsomalia auch kleinere Zellen des sog.

IS (LWJ 16.11.2018). Deren Aktivitäten haben sich ausgedehnt, der IS verübt Mordanschläge in – v.a. – Mogadischu, Afgooye und Baidoa (SEMG 9.11.2018, S.4/28f; vgl. LWJ 4.1.2019; NLMBZ 3.2019, S.15).

Dort verfügt der IS über ein Netzwerk. Unklar bleibt, ob dieses mit der IS-Fraktion in Puntland in Kontakt steht (SEMG 9.11.2018, S.4/28f; vgl. NLMBZ 3.2019, S.16). Insgesamt hat sich der IS im Zeitraum Oktober 2017 bis August 2018 zu 50 Attentaten bekannt, tatsächlich konnten nur 13 verifiziert werden (SEMG 9.11.2018, S.4/28f). Die Fähigkeiten des IS in und um Mogadischu sind auf gezielte Attentate beschränkt (UNSC 21.12.2018, S.3).

Zivile Opfer: Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur durch al Shabaab führten 2018 zu hunderten zivilen Todesopfern und Verletzten (HRW 17.1.2019). Allerdings sind Zivilisten nicht das Primärziel (NLMBZ 3.2019, S.12; vgl. LWJ 9.11.2018), wiewohl sie als Kollateralschaden in Kauf genommen werden (NLMBZ 3.2019, S.12; vgl. LI 28.6.2019, S.8). So wurde z.B. als Grund für einen Angriff auf das Sahafi Hotel in Mogadischu am 9.11.2018 von al Shabaab angegeben, dass dort Offiziere und Regierungsvertreter wohnen würden (LWJ 9.11.2018). Der Umstand, dass bei al Shabaab willkürliche Angriffe gegen Zivilisten nicht vorgesehen sind, unterscheidet die Methoden der Gruppe von jenen anderer Terroristen (z.B. Boko Haram) (NLMBZ 3.2019, S.12).

Im Zeitraum Jänner-September 2018 sind in Somalia bei Sprengstoffanschlägen mindestens 280 Menschen ums Leben gekommen, 220 wurden verletzt. 43% der Opfer waren Zivilisten; hauptsächlich betroffen waren die Regionen Lower Shabelle und Benadir/Mogadischu (USDOS 13.3.2019, S.13).

(25)

Bei durch das Clansystem hervorgerufener (teils politischer) Gewalt kommt es zu Rachemorden und Angriffen auf Zivilisten. Im Jahr 2018 kam es bei Zusammenstößen zwischen Clanmilizen sowie zwischen diesen und al Shabaab in Puntland, Galmudug, Lower und Middle Shabelle, Lower Juba, Hiiraan und Bay zu Todesopfern. Zusätzlich kommt es zu Kämpfen zwischen Clans und Sub-Clans, v.a.

im Streit um Wasser und Land. Im Jahr 2018 waren davon v.a. die Regionen Hiiraan, Galmudug, Lower und Middle Shabelle betroffen (USDOS 13.3.2019, S.2/11f). Derartige Kämpfe sind üblicherweise lokal begrenzt und dauern nur kurze Zeit, können aber mit großer – generell gegen feindliche Kämpfer gerichteter – Gewalt verbunden sein (LI 28.6.2019, S.8).

[…]

Bei einer geschätzten Bevölkerung von rund 12,3 Millionen Einwohnern (UNFPA 1.2014, S.31f) – wobei andere Quellen von mindestens 14,7 Millionen ausgehen (USDOS 21.6.2019, S.2) – lag die Quote getöteter oder verletzter Zivilisten in Relation zur Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia zuletzt bei 1:8163.

Luftangriffe: Es kommt vermehrt zu US-Luftangriffen. Die Zahl stieg von 15 im Jahr 2016 auf 35 im Jahr 2017 und weiter auf 47 im Jahr 2018 (LWJ 8.1.2019). Dabei wurden 2018 von der USLuftwaffe 326 Personen getötet. Alleine im Jänner und Feber 2019 meldete AFRICOM weitere 24 Luftschläge mit 225 Getöteten – nach Angaben von AFRICOM ausschließlich Kämpfer der al Shabaab (TNYT 10.3.2019).

Danach ging die Frequenz zurück. Bis Ende April waren es 28 Luftschläge (UNSC 30.4.2019). Angriffe finden in mehreren Regionen statt, in jüngerer Zeit, z.B. am 23.2.2019 auf Stützpunkte von al Shabaab in der Ortschaft Qunyow Barrow (Middle Juba), nahe Aw Dheegle (Lower Shabelle) und in Janaale (Lower Shabelle); am 24.2.2019 nahe Belet Weyne (Hiiraan) und am 25.2.2019 nahe Shebeeley (Hiiraan) (BAMF 4.3.2019, S.6). Auch die äthiopische und die kenianische Luftwaffe führen Angriffe durch (LIFOS 3.7.2019, S.28).

Die Luftangriffe auf Ausbildungs- und Sammelpunkte von al Shabaab zielen darauf ab, Einsatzfähigkeit und Bewegungsfreiheit der Gruppe einzuschränken. Allerdings führten sie auch dazu, dass mehr al Shabaab-Kämpfer in Städte – und hier v.a. Mogadischu – drängen, wo sie kaum Luftschläge zu fürchten brauchen (UNSC 15.5.2019, Abs.16).

Bundesstaat Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba)

Nominell gehören zum Machtbereich von Jubaland die Regionen Lower und Middle Juba sowie Gedo.

Die Regierung von Jubaland verfügt aber nicht über die entsprechenden Kapazitäten, um ganz Jubaland kontrollieren zu können (BFA 8.2017, S.57ff). Viele der ländlichen Teile von Jubaland werden von al Shabaab kontrolliert (NLMBZ 3.2019, S.22). Angriffe der al Shabaab richten sich vor allem gegen Regierungskräfte und deren Alliierte (LIFOS 3.7.2019, S.27).

Lower Juba: Die Städte Kismayo, Afmadow und Dhobley sowie die Orte Bilis Qooqaani und Kolbiyow werden von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert. Die Situation in Dif und Badhaade ist

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hingegen ungewiss (PGN 8.2019; vgl. LI 21.5.2019a, S.2). Jamaame steht unter Kontrolle von al Shabaab; dies gilt auch für den nördlichen Teil Lower Jubas (PGN 8.2019). Dhobley ist relativ frei von al Shabaab (BFA 8.2017, S.64; vgl. PGN 8.2019) und wird als sicher erachtet (LIFOS 3.7.2019, S.27). Die Städte Kismayo, Afmadow und Dhobley sowie die Orte Bilis Qooqaani und Tabta können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019).

Die Bevölkerung von Kismayo ist in kurzer Zeit um 30% auf ca. 300.000 gewachsen. Viele der Zuzügler stammen aus dem Umland oder kamen aus Kenia oder der weltweiten Diaspora nach Kismayo zurück (FIS 5.10.2018, S.20f). Der Aufbau von Polizei und Justiz wurde und wird international unterstützt. Es gibt eine klare Trennung zwischen Polizei und anderen bewaffneten Kräften (BFA 8.2017, S.59). Das verhängte Waffentrageverbot in der Stadt wird umgesetzt, die Kriminalität ist auf niedrigem Niveau, es gibt kaum Meldungen über Morde (ME 27.6.2019). Folglich lässt sich sagen, dass die Polizei in Kismayo entsprechend gut funktioniert. Die al Shabaab ist in Kismayo nur eingeschränkt aktiv, es kommt nur selten zu Anschlägen oder Angriffen (BFA 8.2017, S.59; vgl. BMLV 3.9.2019). Die Stadt gilt als ruhig und sicher (ME 27.6.2019), auch wenn die Unsicherheit wächst (LIFOS 3.7.2019, S.27f).

Zivilisten können sich in Kismayo frei und relativ sicher bewegen. Aufgrund der gegebenen Sicherheit ist Kismayo das Hauptziel für Rückkehrer aus Kenia. Der Stadt Kismayo – und damit der Regierung von Jubaland – wird ein gewisses Maß an Rechtsstaatlichkeit attestiert. Der Regierung ist es gelungen, eine Verwaltung zu etablieren (BFA 8.2017, S.58f; vgl. BMLV 3.9.2019). Regierungskräfte kontrollieren die Stadt, diese ist aber von al Shabaab umgeben (LIFOS 3.7.2019, S.27f); allerdings hat Jubaland die Front bis in das Vorfeld von Jamaame verschieben können. So ist al Shabaab zumindest nicht mehr in der Lage, entlang des Juba in Richtung Kismayo vorzustoßen. Trotzdem ist es der Gruppe möglich, punktuell auch in Kismayo Anschläge zu verüben (BMLV 3.9.2019).

Middle Juba: Die ganze Region und alle Bezirkshauptstädte (Buale, Jilib, Saakow) stehen unter Kontrolle der al Shabaab (PGN 8.2019; vgl. LI 21.5.2019a, S.2; BS 2018, S.15). Die Region gilt als Bastion der Gruppe (BFA 8.2017, S.62).

Gedo: Die Städte Baardheere, Belet Xaawo, Doolow, Luuq und Garbahaarey sowie die Orte Ceel Waaq und Buurdhuubo werden von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert (PGN 8.2019). Faafax Dhuun und Buusaar wurden im März 2019 von kenianischen Truppen geräumt (BMLV 3.9.2019) und von al Shabaab übernommen (PGN 8.2019). Die Städte Luuq, Garbahaarey, Doolow und Baardheere können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019).

Die Grenzstadt Doolow sowie Luuq und das direkte Grenzgebiet zu Äthiopien sind relativ frei von al Shabaab (BFA 8.2017, S.64; vgl. PGN 8.2019). Die beiden genannten Städte werden als sicher erachtet (LIFOS 3.7.2019, S.27f). Bilateral eingesetzte kenianische Truppen finden sich im Bereich zur Grenze, in Gherille und Bura Hacha (BMLV 3.9.2019). Trotzdem befinden sich weite Teile von Gedo im Bereich von al Shabaab. Dabei gilt Gedo als sicherer als Lower und Middle Juba. Dies kann mitunter auf die

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homogenere Bevölkerung und auf die starke Präsenz von Äthiopien und Kenia zurückgeführt werden (NLMBZ 3.2019, S.22). Der Konflikt in Gedo besteht v.a. zwischen jenen Marehan, die für oder gegen al Shabaab eingestellt sind. Klare Trennlinien lassen sich hier nicht erkennen – auch nicht entlang der Clans. Dies sorgt insbesondere entlang der Grenze zu Kenia für Probleme, wo die Sicherheitslage zusätzlich durch Schmuggler verschlechtert wird (ME 27.6.2019).

In Gedo verfügt die nominell für die Region zuständige Regierung Jubalands nur über schwachen Einfluss. Die dort stehenden Teile der somalischen Armee (teils ehemalige Kämpfer der Ahlu Sunna Wal Jama’a, teils von Marehan-Milizen rekrutiert) kooperieren aber zunehmend mit Jubaland. Luuq und Garbahaarey werden als stabil beschrieben, auch Doolow floriert. Neben Kismayo werden insbesondere Dhobley und Doolow als sicher bezeichnet (BFA 8.2017, S.63f; vgl. BMLV 3.9.2019). Die ASWJ ist in Gedo nicht mehr vorhanden (ME 27.6.2019). Im Dezember 2018 kam es im Grenzgebiet zu Kenia zu Kämpfen zwischen al Shabaab und IS (LWJ 14.1.2019).

Vorfälle: In den Regionen Lower Juba, Middle Juba und Gedo lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,36 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014, S.31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED- Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 41 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie „violence against civilians“). Bei 24 dieser 41 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 28 derartige Vorfälle (davon 20 mit je einem Toten).

[…]

Benadir / Mogadischu

Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (PGN 8.2019; vgl. BMLV 3.9.2019). Die vormals für Verbesserungen in der Sicherheitslage verantwortliche Mogadishu Stabilization Mission (MSM) (UNSC 5.9.2017, Abs.11) wurde nunmehr deaktiviert. Ihre Aufgaben wurden erst an die 14th October Brigade übertragen, mittlerweile aber von der wesentlich verstärkten Polizei übernommen. Letztere wird von Armee, AMISOM und Polizeikontingenten von AMISOM unterstützt (BMLV 3.9.2019). Nach wie vor reicht die in Mogadischu gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte aber nicht aus, um eine flächendeckende Präsenz sicherzustellen (BMLV 3.9.2019).

Für al Shabaab bietet die Stadt schon alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele (NLMBZ 3.2019, S.23). Diesbezüglich ist es der Regierung nicht gelungen, eine erfolgreiche Strategie zur Bekämpfung von al Shabaab in der Stadt umzusetzen. Die Gruppe ist in der Lage, in weiten Teilen des Stadtgebiets Anschläge durchzuführen (LIFOS 3.7.2019, S.42).

Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab die Kontrolle über Mogadischu zurück erlangt (BMLV 3.9.2019). In Mogadischu besteht kein Risiko, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden

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(BMLV 3.9.2019; vgl. BFA 8.2017, S.51). Bei einem Abzug von AMISOM aus Mogadischu droht hingegen die Rückkehr von al Shabaab (ICG 27.6.2019, S.5).

Sprengstoffanschläge: Im September und Oktober 2018 ging die Anzahl an Anschlägen vorübergehend zurück; dahingegen nahm in diesem Zeitraum die allgemeine Kriminalität zu (UNSC 21.12.2018, S.3f).

Danach hat die Zahl an größeren Anschlägen in und um Mogadischu zugenommen (UNSC 15.8.2019, Abs.16). Es kommt regelmäßig zu Sprengstoffanschlägen oder aber zu gezielten Tötungen.

Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Offizielle, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und –Gebäude sowie Soldaten von Armee und AMISOM (LIFOS 3.7.2019, S.23f). Betroffen sind Regierungseinrichtungen, Restaurants und Hotels, die von nationalen und internationalen Offiziellen frequentiert werden (BS 2018, S.9; UNSC 15.5.2019, Abs.12). Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg der Aktivitäten, fast täglich war ein Anschlag mit einem improvisierten Sprengsatz zu verzeichnen (UNSC 15.5.2019, Abs.12). Vereinzelt kommt es zu großangelegten komplexen Angriffen durch al Shabaab, so etwa am 9.11.2018 auf das Sahafi Hotel (50 Tote, darunter sieben Angreifer) (UNSC 21.12.2018, S.3f). Bei einem Selbstmordanschlag im Juli 2019 kamen u.a. der Bürgermeister von Mogadischu und drei District Commissioners ums Leben (Mohamed 17.8.2019; vgl. AJ 25.7.2019).

Zivilisten: Generell unterstützt die Zivilbevölkerung von Mogadischu nicht die Ideologie von al Shabaab. Andererseits fühlen sich die Menschen von der Regierung nicht adäquat geschützt (LIFOS 3.7.2019, S.25). Al Shabaab greift Zivilisten nicht spezifisch an (NLMBZ 3.2019, S.23; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.25). Diese leiden auf zwei Arten an der Gewalt durch al Shabaab: Einerseits sind jene einem erhöhten Risiko ausgesetzt, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von al Shabaab als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden (LIFOS 3.7.2019, S.42). Andererseits besteht für Zivilisten das Risiko, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (LIFOS 3.7.2019, S.25/42; vgl. NLMBZ 3.2019, S.23) und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (LIFOS 3.7.2019, S.25).

Auch wenn Mogadischu von Sicherheitskräften und AMISOM geschützt wird, kann al Shabaab indirekt Kontrolle ausüben. Dadurch wird die Mobilität der Stadtbewohner im Alltag eingeschränkt (LIFOS 3.7.2019, S.21).

Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (SEM 31.5.2017, S.35).

Geographische Situation: Al Shabaab ist im gesamten Stadtgebiet präsent, das Ausmaß ist aber sehr unterschiedlich (LIFOS 3.7.2019, S.25f). Dabei handelt es sich um eine verdeckte Präsenz und nicht um eine offen militärische (BMLV 3.9.2019). Nicht alle Teile von Mogadischu sind bezüglich Übergriffen von al Shabaab gleich unsicher. So sind z.B. jene Teile, in welche Rückkehrer siedeln (u.a. IDP-Lager) besser vor al Shabaab geschützt. IDP-Lager stellen für die Gruppe kein Ziel dar (NLMBZ 3.2019, S.24).

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Jedenfalls ist al Shabaab nahezu im gesamten Stadtgebiet in der Lage, verdeckte Operationen durchzuführen bzw. Steuern und Abgaben einzuheben (BMLV 3.9.2019).

Die meisten Anschläge richten sich gegen Villa Somalia, Mukarama Road, Bakara-Markt, die Flughafenstraße und Regierungseinrichtungen. Auch Dayniile ist stärker betroffen. Gebiete, die weiter als 10 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegen, werden teilweise von al Shabaab kontrolliert. Vor allem Dayniile, Yaqshiid und Heliwaa werden als unsichere Gebiete erachtet (LIFOS 3.7.2019, S.25f).

2018 waren die Bezirke Dayniile, Dharkenley, Hawl Wadaag und Hodan, in geringerem Ausmaß die Bezirke Heliwaa und Yaqshiid von Gewalt betroffen. Zivilisten waren 2018 v.a. in den Bezirken Dharkenley, Hawl Wadaag, Hodan, in geringerem Ausmaß in Dayniile, Heliwaa, Waaberi und Yaqshiid von gegen sie gerichteter Gewalt betroffen (ACLED - siehe Tabelle weiter unten).

Auch der sogenannte Islamische Staat (IS) hat in Mogadischu Anschläge und Attentate verübt, die eigene Präsenz ausgebaut (LIFOS 3.7.2019, S.25).

Vorfälle: In Benadir/Mogadischu lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,65 Millionen Menschen (UNFPA 10.2014, S.31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 217 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie „violence against civilians“). Bei 186 dieser 217 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 207 derartige Vorfälle (davon 177 mit je einem Toten).

Al Shabaab (AS)

Al Shabaab ist eine radikalislamistische, mit der al Kaida affiliierte Miliz (AA 4.3.2019, S.5). Ziel von al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß- Somalia ein islamisches Regime zu installieren (EASO 2.2016, S.19).

Durch das geschaffene Klima der Angst kontrolliert al Shabaab die Bevölkerung, kann sie rekrutieren, Gebiete kontrollieren, Steuern eintreiben und ihre Gesetze durchsetzen. Damit erfüllt die Gruppe alle Rahmenbedingungen eines Staates. Gleichzeitig erlangt al Shabaab aufgrund ihres funktionierenden Justizwesens auch ein Maß an Unterstützung durch die Bevölkerung (Mohamed 17.8.2019).

Al Shabaab betreibt einen Staat im Staat (VOA 3.12.2018) und ist eine entwickelte, bürokratische Organisation (Maruf 14.11.2018). Die Menschen auf dem Gebiet von al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen (BS 2018, S.15). Die Gruppe versucht, alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen zu kontrollieren (BS 2018, S.15; vgl. Maruf 14.11.2018). Auch Namen von Nachbarn und sogar die Namen der Verwandten der Nachbarn werden in Datenbanken geführt (Maruf 14.11.2018). Die mit der Nichtbefolgung strenger Vorschriften verbundenen harten Bestrafungen haben ein generelles Klima der Angst geschaffen (BS 2018, S.15).

Referenzen

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