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Grußwort zur Eröffnung des 5. Internationalen Menschenrechtesymposiums der Bewusstseinsregion Mauthausen – Gusen – St. Georgen

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„Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden;

Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen Formen verboten."

(Art. 4 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte)

Grußwort zur Eröffnung des 5. Internationalen Menschenrechtesymposiums der Bewusstseinsregion Mauthausen – Gusen – St. Georgen

4. November 2021, Johann Gruber Pfarrheim St. Georgen an der Gusen

Die Vergangenheit der Sklaverei ist nicht abgeschlossen; die Geschichte ist nicht fertig. Europa hat Afrika meist funktional gesehen. Da ist die höchst belastende Geschichte der Sklaverei.1 Mitte des 15. Jahrhunderts begannen die Portugiesen die Küsten Westafrikas abzufahren, um nach Gold zu suchen. Einträglicher war aber der Handel mit Skla- ven. Diese wurden vom Hinterland des heutigen Nigeria an die „Sklavenküste“ (zwischen Volta und Nigerdelta) gebracht. Von dort brachte man sie an die Häfen der „Goldküste“ (heutiges Ghana) und tauschte sie dort gegen Gold ein. Zum einen wurden die Afrikaner geraubt, ande- rerseits aber auch von ihren Häuptlingen und Königen verkauft. Am transatlantischen Skla- venhandel von Westafrika in die amerikanischen Staaten vom 16. bis ins 19. Jahrhundert wa- ren viele europäische Nationen beteiligt. Vor allem waren dies die Briten, Franzosen, Spanier, Portugiesen und Niederländer. Der Sklavenhandel wurde zu einem lukrativen Handel. Der Sklavenhandel wurde mit einer wirtschaftlichen Notwendigkeit begründet und führte dazu, dass die gesamte Wirtschaft im nordamerikanischen Bereich und der Karibik von der Versor- gung mit Sklaven abhing. Wie viele Afrikaner vom 16. bis ins 19. Jahrhundert aus Westafrika versklavt wurden, ist heute nicht mehr ganz zu ermitteln. Die Schätzungen liegen bei ca. 10 Millionen Menschen, könnte aber noch höher gewesen sein. Die meisten Sklaven wurden aus den Küstenbereichen, vom heutigen Nigeria bis an die Elfenbeinküste, in die „Neue Welt“

transportiert. Dabei starb bereits auf der Überfahrt in die amerikanischen Staaten ein Großteil der versklavten Menschen. – Afrika war interessant wegen der Sklaven und wegen der Arbeitskräfte, dann wegen der Bodenschätze, in Nigeria besonders das Erdöl. Afrika wurde keine eigene Kultur, keine Philosophie, kein eigens Denken und kein eigener Wert zugestan- den. Europa hat seine Interessen mit Macht und Kolonisation durchaus mit dem Anspruch der Zivilisation, der Aufklärung und des Fortschritts durchgesetzt. Herausgekommen sind Beherr- schung und Ausbeutung. Man hat Konflikte geschürt, um die eigenen Interessen zu verschlei- ern.

Es ist ein Desiderat, den garstigen Graben zwischen der christlichen Erlösungsbotschaft und sozialethischen Problemen zu überwinden. Gerade von Afrika her drängen sich Erfahrungen des Kolonialismus, der Sklaverei, des Unrecht, der Seuchen und der Krankheiten, der Gewalt und des Krieges auf. Theologie steht in der Wahrnehmungspflicht für fremdes Leid. Theologie, die ihre Augen vor den teilweise himmelschreienden politischen, ökonomischen, sozialen und hygienischen Verhältnissen verschließt und nicht auch auf eine Verbesserung der Lebensbe- dingungen hinarbeitet, verfehlt ihre Aufgabe.

Schmerzliche Lernschritte für die Kirche waren die Frage der Menschenwürde, der Menschen- rechte zu Beginn der Neuzeit und das damit verbundene Verbot der Sklaverei. Lernprozesse im 20. Jahrhundert waren und sind etwa die ökumenische Bewegung, der interreligiöse Dialog, die Neubestimmung der Beziehung bzw. des Verhältnisses der Kirche zu Israel oder die Frage

1 Vgl. dazu westafrikaportal.de/sklavenhandel.html

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der Inkulturation, der Kampf um Gerechtigkeit, die Option für die Armen, der Friedensauftrag der Kirche.

‚Keine Religion‘, schrieb ein französischer Gelehrter (Jacques Jomier), ‚darf in Sachen Skla- verei den ersten Stein werfen.‘ Dem ließe sich hinzufügen: Und keine Tradition des säkularen Humanismus ist gegen diese oder ähnliche Verfehlungen gefeit.“2 Man lese den Rassismus von Voltaire oder Immanuel Kant zu den „Negern“. Aber auch die jüdische und die christliche Tradition sind nicht einfach die „Erzeuger“ der Menschenrechte. Es gab massive Kritik von Pius VI. angesichts der Französischen Revolution an der Menschenrechtserklärung (1791) oder von Pius IX. gegen Religionsfreiheit, gegen Meinungsfreiheit und Gedankenfreiheit (Enzyklika Quanta Cura: Der Syllabus Errorum 1864)3

Das katholische Lehramt hat mit Johannes XXIII. Die „Allgemeine Erklärung der Menschen- rechte vom 10. Dezember 1948 positiv als einen Akt von höchster Bedeutung gewürdigt (Enzyklika Pacem in Terris 1961): „In der Präambel dieser Erklärung wird eingeschärft, alle Völker und Nationen mussten in erster Linie danach trachten, dass alle Rechte und Formen der Freiheit, die in der Erklärung beschrieben sind, tatsächlich anerkannt und unverletzt ge- wahrt werden. … Nichtsdestoweniger ist diese Erklärung gleichsam als Stufe und als Zugang zu der zu schaffenden rechtlichen und politischen Ordnung aller Völker auf der Welt zu be- trachten. Denn durch sie wird die Würde der Person für alle Menschen feierlich anerkannt, und es werden jedem Menschen die Rechte zugesprochen, die Wahrheit frei zu suchen, den Nor- men der Sittlichkeit zu folgen, die Pflichten der Gerechtigkeit auszuüben, ein menschenwürdi- ges Dasein zu führen. … Rechte, die deswegen allgemein, unverletzlich und unveränderlich sind, weil sie unmittelbar aus der Würde der menschlichen Person entspringen.“4

Menschenhandel

Nach Jahrhunderten, in denen die Sklaverei offiziell abgeschafft wurde, begegnen heute noch vielfach Formen von missbräuchlichen und ausbeuterischen Abhängigkeitsverhältnissen. Da- runter fallen zahlreiche Frauen und Mädchen, die als Prostituierte sexuell ausgebeutet werden.

Es handelt sich hier in vielen Fällen um Frauen aus dem nahen oder fernen Ausland, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen an Bordelle regelrecht verkauft werden und unter ausbeu- terischen Bedingungen angestellt sind. Die Würde des Menschen wird hier durch Fremdbe- stimmung, Machtmissbrauch und Erniedrigung massiv in Frage gestellt.

Dem Menschenhandel liegt ein Verständnis vom Menschen zugrunde, „das die Möglichkeit zulässt, ihn wie einen Gegenstand zu behandeln. Der Mensch, der als Abbild Gottes und ihm ähnlich erschaffen ist, wird mit Gewalt, mit List oder durch physischen bzw. psychologischen Zwang seiner Freiheit beraubt, kommerzialisiert und zum Eigentum eines anderen herabge- mindert; er wird als Mittel und nicht als Zweck behandelt.“ (Papst Franziskus, Botschaft zum Weltfriedenstag 2015)

Die Kirche muss sich permanent als Anwältin für Menschenwürde einbringen: Es geht um politische und rechtliche Arbeit, es geht um Fragen der wirtschaftlichen Gerechtigkeit. Es geht

2 Joas, Menschenrechte westlich?, 53f mit Anm. 26.

3 Übersetzung zit. nach: Tamara Bloch, Die Stellungnahmen der römisch-katholischen Amtskirche zur Frage der Menschenrechte seit 1215. Eine historische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Gewährleis- tungen im CIC/1983, Frankfurt/M. 2008, 212-220.

4 http://w2.vatican.va/content/john-xxiii/de/encyclicals/documents/hf_j-xxiii_enc_11041963_pacem.pdf

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aber auch um Bewusstseinsbildung auf vielen Ebenen. Und es geht um menschliche Bezie- hungen mit jenen, deren Würde getreten wird, von der Kontaktaufnahme durch heißen Tee in der kalten Jahreszeit auf dem Straßenstrich über die Bereitstellung von Wohnungen für Aus- stiegswillige bis hin zur finanziellen, existentiellen und therapeutischen Begleitung. Was ver- wandelt, was heilt, was ruft die vergessene Würde wach? Es gibt Frauen und Männer, die sich offensiv gegen Menschenhandel einsetzen und hier wesentliche Pionierarbeit leisten. Allen voran ist hier die Initiative SOLWODI der Salvatorianerinnen zu nennen, die in Oberösterreich von Sr. Maria Schlackl SDS koordiniert wird.

Menschenhandel ist eine moderne Form der Sklaverei. Durch ihn werden vor allem Frauen, Kinder und Jugendliche, aber auch Männer zur Ware degradiert, entwürdigt und missbraucht.

Der Blick auf die meist verdeckte und umso erschreckendere Realität auch in Österreich macht deutlich: Menschenhandel ist eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte, eines der schlimmsten Verbrechen und ein schmutziges Geschäft ungeheurer Größe. Mit einem Vo- lumen von rund 150 bis 200 Milliarden Euro jährlich ist der Handel mit Menschen nach dem Drogenhandel das einträglichste Verbrechen.

Mit dem von Papst Franziskus 2015 eingeführten „Internationalen Tag des Gebets und der Reflexion gegen Menschenhandel“ will die Kirche das Bewusstsein für diese himmelschrei- ende Sünde schärfen und gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Kräften dagegen vorge- hen. Die österreichischen Bischöfe haben sich bei ihrer vorletzten Vollversammlung im März 2021 gemeinsam mit Expertinnen und Aktivisten mit den Ursachen von und möglichen Maß- nahmen gegen Menschenhandel befasst. Dabei wurde deutlich, dass Österreich durch seine geographische Lage ein Transit- und Zielland für Menschenhandel ist. Er geschieht vor allem durch sexuelle Ausbeutung von Frauen, ausbeuterische Arbeitsverhältnisse und Kinderhan- del. Hauptbetroffene sind Frauen aus Osteuropa, Nigeria und China.

Der Kampf dagegen muss auf vielen Ebenen geführt werden. Das betrifft die damit verbunde- nen kriminellen Netzwerke genauso wie die persönlichen, sozialen und gesellschaftlichen Ur- sachen für den Menschenhandel. Verschiedene Formen der Armut, gefährliche familiäre Ver- hältnisse, ökologische Desaster oder der Traum von einem besseren Leben drängen Men- schen in den Herkunftsländern in die Hände Krimineller. Gleichzeitig werden diese Menschen angezogen, weil es an ihnen einen Bedarf hier bei uns in ungeliebten Arbeitsfeldern wie bei- spielsweise im Haushalt, bei der Ernte oder auch am Bau gibt.

Den vielfältigen Ursachen für Menschenhandel müssen umfassende Maßnahmen entgegen- gesetzt werden. So braucht es auf der gesetzlichen Ebene vor allem einen starken Schutz der Opfer und hohe Strafen für Menschenhändler. Mehr als bisher sollte sich Österreich an Mo- dellen und Ländern orientieren, die diejenigen kriminalisiert, die aus Prostitution oder anderen Formen sexueller Ausbeutung der Opfer von Menschenhandel Vorteile ziehen. Außerdem braucht es Verschärfungen der Geldwäsche-Normen, damit Geld aus dem Menschenhandel nicht „weißgewaschen“ werden kann – schon gar nicht in Österreich.

Neben der Bewusstseinsbildung braucht es konkrete – auch finanzielle – Unterstützung von Projekten. Sie reichen von Streetwork (aufsuchendem Dienst) über Schutzwohnungen, bis zu Therapieangeboten und Berufsausbildung für diejenigen, die den Ausstieg geschafft haben.

Gelungene Beispiele dafür sind der Verein „Solwodi“ (Solidarity with women in distress), wo sich seit 2010 Ordensfrauen verschiedener Gemeinschaften für weibliche Opfer von sexueller Gewalt und Prostitution einsetzen. Weitere beispielhafte Initiativen sind die Vereine „Kavod“

(„Würde“) und „Hope for the future“.

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Menschenhandel ist eine „Schande für die Menschheit“, die nicht zu tolerieren ist, wie der Papst zuletzt in seiner Enzyklika „Fratelli tutti“ unterstrichen hat. Daher gilt es die Zusammen- arbeit aller guten Kräfte dagegen zu stärken, Überlebende des Menschenhandels konkret zu unterstützen, ihre Wiedereingliederung in ein selbstbestimmtes Leben zu fördern und die strukturellen Ursachen von Menschenhandel zu beseitigen.

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

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