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Senioren-Zahnmedizin, 02/2018

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SZM – Zeitschrift für Senioren-Zahnmedizin 2018; 6 (2): 79–80 7979

EDITORIAL

Prof. Dr. Christoph Benz Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für AlterszahnMedizin

E-Mail: christoph.benz@dgaz.org

Fern behandeln oder fernbehandeln?

Wenn es um die Zukunft geht, scheint die deutsche Politik nur noch ein Th ema zu kennen: Digitalisierung. Die Kanzlerin will alles digitalisieren, was digitalisiert werden kann, Jens Spahn möchte die Gesundheit „ver-App-en“ und Dorothee Bär den Datenschutz „wegdigitalisieren“. Dabei ist der Grundgedanke gar nicht falsch.

Deutschland hat ein Problem mit der Digitalisierung. Wir haben unsere Weltklas- se-Pioniere – Konrad Zuse, Heinz Nixdorf – weitgehend ignoriert, niemals heroi- siert und inzwischen völlig vergessen. Damit gibt es bei uns keinen Steve Jobs, Jeff Bezos, Larry Page oder Mark Zuckerberg, die das Potenzial haben, die Welt auf den Kopf zu stellen. Unser Problem liegt sicher nicht im Glasfaserkabel, sondern sehr wahrscheinlich in unserer Mentalität: „think big“ wird hierzulande geschlagen von „German Angst“. Aber nun wird ja alles gut, denn jetzt startet Deutschland durch. Wirklich?

Wichtige Projektionsfl äche für die Digitalfantasien ist unser Bereich, die Ge- sundheit. Man gewinnt jedoch den Eindruck, dass die Panik, den Anschluss ver- loren zu haben, manche über die Maßen euphorisiert – „think too big“. Denn in der Gesundheit, sind sich viele auf einmal sicher, wird Big Data die Wissenschaft ersetzen und künstliche Intelligenz den Arzt. Apps diagnostizieren, während Ro- boter operieren. Hält die Wirklichkeit dieser Über-Euphorie tatsächlich stand?

Massendaten – Big Data – aus der Patientenversorgung, von Wearables, Apps und den sozialen Medien sind nicht repräsentativ, sind inkongruent, gern auch falsch und zeigen eher das „Was“ als das „Warum“. Gerd Antes, Mathematiker, Biometriker und Direktor des Deutschen Cochrane Zentrums, beschreibt sogar den scheinbaren Widerspruch, dass mit wachsender Datenmenge die Schärfe der Aussage abnimmt. Grund ist das zunehmende Datenrauschen. Auch die künstli- che Intelligenz scheint noch auf Vorschulniveau, steuert sie doch Tesla-PKW in kreuzende bzw. geparkte LKW und versagt in Form des IBM-Programms „Watson“

bei der Krebsdiagnostik und -therapie. Für Gesundheits-Apps ist China das gern zitierte Vorbild. Die App „Spring Rain“ hat 100 Millionen registrierte Nutzer, „Good Doctor“ sogar 160 Millionen. Aber hier wird nicht der Arzt ersetzt, sondern im Ge- genteil live auf den Smartphone-Bildschirm geholt. Grund ist, dass es in China fast keine niedergelassenen Ärzte gibt, und die Ärzte in Krankenhäusern wenig Zeit haben, inzwischen auch deswegen, weil sie lieber Geld am Bildschirm verdienen.

Also doch wieder typisch deutsch – war doch klar, der Digitalkram bringt nichts? Überlegen wir doch einmal, womit die amerikanischen Digitalpioniere ihre Revolution gestartet haben: ein Telefon, ein Online-Kaufhaus, eine Suchma- schine, eine Kommunikationsplattform, alles irgendwie klein und alltäglich, aber dann doch richtig groß gedacht. Was unsere Politik mit der Gesundheit vorhat, sieht anders aus. Riesige Th emen – elektronische Gesundheitskarte, künstliche Intelligenz statt Arzt – die geradezu zwangsläufi g klein enden müssen.

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EDITORIAL

Hoff en wir, dass unsere ärztlichen Kollegen nicht auch gerade „überdigitalisie- ren“. Auf dem Ärztetag in Erfurt wurde beschlossen, das Fernbehandlungsverbot aufzuheben. Nach Umsetzung durch die Länderkammern dürfen Ärzte Patienten am Bildschirm behandeln, die sie vorher noch nie gesehen, geschweige denn un- tersucht haben. Auch das E-Rezept steht dicht vor der Erprobung. Wichtiger Hin- tergrund ist, dass die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum auf chinesische Verhältnisse zusteuern könnte. Ist es nur „German Angst“, wenn man fragt, ob die Fernbehandlung zum „Spring Rain“ für Gerichte und Gutachter werden könnte?

Wir Zahnärzte sind da entspannter. Unsere Digitalpioniere – Werner Mörmann, Wolfram Greifenberg, Francis Mouyen – haben gehandelt wie die USA- Pioniere, sie haben kleine Dinge groß gedacht: Die digitale Abformung, die maschinenge- fräste Einlage, die digitale Patientenkarte, das digitale Röntgenbild.

Zumindest für die Zahnmedizin ist auch die Fernbehandlung „too big“. Selbst einfache Fragen – Mein Zahnfl eisch blutet, was soll ich tun? Da ist so ein weißer Belag innen auf meiner Wange? – lassen sich ohne klinische Untersuchung nicht abschließend klären. Bei konkreten Schmerzen – von der Prothesendruckstelle bis zur Pulpitis – könnte man ohnehin nur digitalen Trost spenden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vieles darf digital werden, aber nicht alles! Wir tun gut daran, unsere pfl egebedürftigen Patienten immer wenn es nötig ist, fern unserer Praxis zu behandeln, aber wir müssen sie nicht fernbehandeln.

Ihr

Prof. Dr. Christoph Benz

Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für AlterszahnMedizin

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