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Naturnähe der Baumartenzusammensetzung im Staatswald Baden-Württemberg räumlich modelliert

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Academic year: 2022

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naturnähe der Baumartenzusammensetzung im

staatswald Baden-württemberg räumlich modelliert

spatial modelling of the naturalness of tree species composition within the state forest of Baden-wuerttemberg

lucia seebacH, Hans-GerHard MicHiels, Veronika brauniscH

abstract

Naturalness of forests is an important criterion for the as- sessment of a forests’ conservation value. It describes the structural, compositional and functional agreement of a forest stand with its expected natural state and is therefore an important indicator for forest conservation, in particular as a reference for close-to-nature silviculture. Naturalness can be assessed based on a variety of forest characteristics.

However, since area-wide harmonized data for most of them are missing, and reference states are largely unknown, the naturalness of the tree species composition is common- ly used as a surrogate.

In Germany, a first assessment of the naturalness of tree species composition was carried out in 2000-2002 within the framework of the 2nd national forest inventory (BWI II) and was repeated in 2012 (BWI III). Naturalness was as- sessed for the sampling plots of the inventory. For forestry or conservation planning purposes, however, area-wide, spatially explicit data instead of plot-based information is required.

Based on spatial data of forest planning and forest site mapping of Baden-Wuerttemberg, we modelled the na- turalness of tree species composition at stand level for the state forest of Baden-Wuerttemberg, Germany. In order to ensure comparability with the data of the BWI, the same evaluation criteria were used. In both assessments, the local natural forest type classification served as reference for the natural state of the forest composition. This classification is based on the model of the “potential natural vegetation”, which is expected to develop naturally under the locally prevailing site and floral conditions. For each of the 29

natural forest types (natWG) of the BWI, the dominating, co-dominating, and pioneer tree species were defined de- pending on the growth zone and elevation. The final classi- fication of naturalness of tree species composition was then derived by comparing the actual tree species composition with the listed tree species of the respective potential natu- ral forest type. Five categories were built: (1) very natural, (2) natural, (3) partially natural, (4) culturally influenced, (5) culturally dominated.

A comparison of the plot-based assessment of natural- ness of the BWI with the spatially modelled one showed no significant differences at state level. The modelled natu- ralness was only marginally higher. At the level of growth zones, differences became more obvious, particularly in the growing regions “Oberrheinisches Tiefland” and “Baar- Wutach”. Scenarios, calculated in order to evaluate the in- fluence of different (lower) thresholds for the share of ex- tra-European tree species on naturalness, resulted in only minor shifts towards the naturalness classes “cultural in- fluenced” and “cultural dominated”. However, large effects of threshold-selection on naturalness were found for forest types, in which extra-European trees species are more likely to occur.

The resulting maps allow a spatially explicit assessment of the naturalness of tree species composition in the state forest in Baden-Wuerttemberg and thus provide a valuable tool for forest conservation planning.

Keywords: Naturalness, spatial modelling, state forest, tree species composition

Zusammenfassung

Die Naturnähe des Waldes ist ein wichtiges Kriterium für dessen naturschutzfachliche Bewertung. Sie beschreibt die strukturelle, kompositionelle und funktionale Überein- stimmung eines Waldbestandes mit seinem erwarteten na- türlichen Zustand und ist daher eine wichtige Zielgröße des Naturschutzes, insbesondere als Maßstab für den naturna- hen Waldbau. Die Naturnähe wird anhand unterschiedli- cher Merkmale bewertet. Da die Datengrundlagen für viele dieser Merkmale nicht flächig einheitlich erfasst oder nur aufwendig zu erheben sind oder weil Referenzen für natur-

nahe Zustände nicht oder nur ungenügend verfügbar sind, wird meist nur die Naturnähe der Baumartenzusammen- setzung als Bewertungsgrundlage herangezogen.

In Deutschland wurde die Naturnähe der Baumarten- zusammensetzung im Rahmen der Zweiten Bundeswald- inventur in den Jahren 2001-2002 (BWI II) erstmals und 2012 (BWI III) zum zweiten Mal bestimmt. Die Bewertung lieferte Daten für die Stichprobenpunkte der Inventur. Für Bewertungen im Rahmen von Forst- und Naturschutzpla- nungen sind jedoch in der Regel flächige Daten erforderlich.

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Auf Grundlage flächiger Geodaten der Forsteinrichtung und der Standortskartierung wurde daher nun die Natur- nähe der Baumartenzusammensetzung auf Bestandesebene räumlich für den Staatswald Baden-Württembergs model- liert. Um die Vergleichbarkeit mit den Daten der BWI zu ermöglichen, wurde dabei der gleiche Bewertungsansatz verwendet. Die Referenz für den naturnah zusammenge- setzten Wald bildete bei beiden Verfahren die lokale po- tenzielle natürliche Waldgesellschaft. Sie leitet sich aus dem Modell der Potentiellen Natürlichen Vegetation (PNV) ab, die sich lokal unter den jeweiligen Standorts- und Floren- bedingungen einstellen könnte. Für 29 in der BWI definier- te Waldgesellschaftstypen wurden nach Wuchsräumen und Höhenzonen spezifizierte Baumartenlisten erstellt, in de- nen die jeweilig vorkommenden Haupt-, Neben-, Begleit- und Pionierbaumarten definiert sind. Die Einstufung der Naturnähe der Baumartenzusammensetzung ergab sich dann aus dem Vergleich der aktuellen Bestockung mit der Baumartenzusammensetzung der potenziellen natürlichen Waldgesellschaft. Für die Einstufung wurden 5 Kategorien gebildet: (1) sehr naturnah, (2) naturnah, (3) bedingt natur- nah, (4) kulturbetont und (5) kulturbestimmt.

Ein Vergleich der punktuell erfassten Naturnähe-Bewer- tung der BWI mit der räumlichen Modellierung ergab auf Landesebene ähnliche Ergebnisse, wobei die modellierte Naturnähe leicht höher ausfiel. Auf Ebene der Wuchsgebiete

ließen sich größere Unterschiede vor allem im Oberrheini- schen Tiefland und auf der Baar erkennen. Verschiedene Szenarien, in denen der Einfluss unterschiedlich niedriger Schwellenwerte für die Bestockung mit außereuropäischen Baumarten auf die Naturnähe-Bewertung untersucht wur- de, zeigten auf Landesebene nur leichte Verschiebungen in Richtung der Naturnähestufen „kulturbetont“ und „kultur- bestimmt“. Auf Ebene der Waldgesellschaften war dieser Einfluss jedoch erheblich, vor allem in Waldgesellschaften, in denen das Vorkommen von außereuropäischen Baumar- ten häufiger ist.

Die resultierenden Karten liefern die Datengrundlage für eine flächendeckende Bewertung der Naturnähe des Staats- waldes in Baden-Württemberg und damit eine wichtige Grundlage für die Naturschutzplanung.

Schlüsselworte: Baumartenzusammensetzung, Naturnähe, räumliche Modellierung, Staatswald

Kontaktdaten:

Dr. Lucia Seebach*, Dr. Hans-Gerd Michiels, Dr. Veronika Braunisch

Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württem- berg, Abteilung Waldnaturschutz

Wonnhaldestr. 4, D-79100 Freiburg

*Korrespondierende Autorin: lucia.seebach@forst.bwl.de

1 einführung

Die Naturnähe des Waldes wird als „Übereinstimmung ei- nes konkreten Waldbestandes mit seinem natürlichen Zu- stand“ definiert. Sie wird herangezogen, um den Zustand eines Waldgebietes einzuschätzen, das einer natürlichen Waldentwicklung überlassen wird, da davon ausgegangen wird, dass ein hoher Grad an Naturnähe eine schnellere Entwicklung in Richtung natürlicher Prozesse und Arten- gemeinschaften ermöglicht (Engel et al., 2016). Natur- nähe gilt daher als wichtige Zielgröße des Naturschutzes:

Naturnahe Wälder gelten als struktur- und artenreicher als die meisten Wirtschaftswälder (Winter et al., 2010) und bekommen demnach eine zentrale Rolle für die Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt zugeschrieben (BMU, 2007). Weiterhin gelten naturnahe Wälder als anpassungs- fähiger an sich verändernde Umweltbedingungen, z. B. im Hinblick auf den Klimawandel (Brang et al., 2014).

Die Naturnähe wird anhand unterschiedlicher Faktoren bewertet: strukturell (z. B. horizontale und vertikale Bestan- desstruktur, Totholzanreicherung, Mikrohabitate), kompo- sitionell (Zusammensetzung der Vegetation, Baumarten, etc.) und funktional (Vernetzung und Dynamik) (Noss, 1990). Eine solche Bewertung der Naturnähe ist eine an- spruchsvolle und komplexe Aufgabe. Zum einen gibt es in Mitteleuropa keine vom Menschen unbeeinflussten Wald- bestände mit Urwaldcharakter (Leibundgut, 1982; Par- viainen, 2005; Sabatini et al., 2018), die unsere standört- lich häufigsten Waldgesellschaften repräsentieren und die als geeignete Referenz für Naturnähe-Faktoren und deren

Messgrößen dienen könnten (Winter et al., 2010; Winter, 2012). Von marginalen Ausnahmen abgesehen, unterlagen alle Wälder in der Vergangenheit menschlichen Einflüssen und Nutzungen, die gestaltend auf Standort und Vegetati- on einwirkten. Zum anderen sind für viele Parameter (z. B.

Bodenzustand, Epiphytenflora, Fauna) die Aufnahmever- fahren für größere Gebiete mit großem Aufwand verbun- den und zur korrekten Erfassung mancher Merkmale sind zumindest mehrjährige Zeitreihen notwendig, z. B. um die Populationsschwankungen von Arten zu erkennen und zu bewerten.

Daher wird als Indikator für die Naturnähe oft die Baumartenzusammensetzung herangezogen, zu der viele weitere Parameter in Beziehung stehen (Grabherr et al., 1995). Eine bundesweite Naturnähe-Bewertung der deut- schen Wälder anhand der Baumartenzusammensetzung wurde erstmals mit der zweiten Bundeswaldinventur (BWI II) in den Jahren 2001 und 2002 (Schmitz, 2000) durch- geführt. Die Naturnähe-Bewertung der BWI erfolgte an Stichprobenpunkten, die in einem systematischen terres- trischen Netz eingehängt sind. Während die Stichproben- dichte der BWI eine gute Übersicht der Naturnähe der Bau- martenzusammensetzung bundes- und landesweit erlaubt, ist die Stichprobenzahl zu gering, um regionale bzw. lokale Abschätzungen statistisch abgesichert vorzunehmen (Reif et al., 2005).

Lokale und regionale Informationen zur Naturnähe sind aber ein wichtiges Kriterium für naturschutzfachliche Be-

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wertungen von Wäldern. Im Rahmen der Ökokontoverord- nung in Baden-Württemberg zum Beispiel ist die Betrach- tung der Naturnähe der Baumartenzusammensetzung als separater Bewertungsschritt der Waldbiotope für eine Ver- gabe der Punkte obligatorisch (Ökokonto-Verordnung vom 19.12.2010, Tab. 1). Auch für Beurteilungen von Suchräu- men, beispielsweise für die Ausweisung von Großschutzge- bieten, ist die Angabe der Naturnähe gewinnbringend, da erwartet werden kann, dass ein hoher Grad an Naturnähe eine schnellere Entwicklung hin zu natürlichen Lebensge- meinschaften und Prozessen ermöglicht (Winter, 2012).

Für solch eine Erstellung von Suchräumen ist aber eine flächenhafte Darstellung der Naturnähe entscheidend, die bisher für Baden-Württemberg nur in wenigen Einzelflä- chen vorhanden ist, z. B. (PricewaterhouseCoopers u.

ö:konzept, 2013). Für eine landesweite Auswertung sind bisher keine ausreichenden Daten vorhanden.

Ziel dieser Studie war daher eine flächendeckende Grundlage für die Abschätzung der Naturnähe im baden- württembergischen Staatswald herzuleiten – methodisch analog zur Vorgehensweise der BWI. Da die Naturschutz- verbände das Verfahren der Naturnähe-Bewertung der BWI kritisierten (Reif et al., 2005; Weiger, 2005), sollte in einem zweiten Schritt der Einfluss der außereuropäischen Baumarten als ein Aspekt in der Bewertung untersucht werden. Insbesondere wurden in einer Sensibilitätsstudie unterschiedliche Szenarien zur Bewertung der Douglasie betrachtet, deren Einbürgerung in die heimischen Waldge- sellschaften und damit ihre Einstufung im Bewertungsver- fahren unterschiedlich eingeschätzt wird (Reif et al., 2005).

2 Methode und datengrundlage

2.1 Bewertung der naturnähe in der Bundeswald- inventur

die natürliche waldgesellschaft als referenz für die naturnähe-Bewertung

Die Bewertung der Naturnähe in der Bundeswaldinventur (BWI) beschränkt sich aus oben genannten Gründen auf das Merkmal der Baumartenzusammensetzung. Andere Merkmale sind in das Inventurverfahren ohne großen zu- sätzlichen Aufwand nicht integrierbar (z. B. Bodenzustand, Epiphytenflora, Fauna).

Für die Bundeswaldinventur musste für die Bewertung der Naturnähe der Baumartenzusammensetzung zunächst ein gemeinsamer Referenzmaßstab auf Bundesebene ge- funden werden. Als Annäherung wurde die lokale natür- liche Waldgesellschaft gewählt, die in der BWI II wie folgt definiert ist: „Die natürliche Waldgesellschaft ist die Wald- gesellschaft der heutigen Potentiellen Natürlichen Vegetati- on (PNV) eines Standortes. Diese ist eine modellhafte Vor- stellung der höchstentwickelten Vegetation, die sich unter den gegenwärtigen Standortbedingungen und Florenver- hältnissen – unter Ausschluss bestehender und zukünftiger unmittelbarer menschlicher Einflüsse – an einem Standort befinden kann. Zur natürlichen Waldgesellschaft gehören

auch Lichtbaumarten, die zeitlich und räumlich begrenzt in Pionierphasen der natürlichen Waldentwicklung auftre- ten.“ (BMJ, 2000).

Für das Bundesgebiet einigten sich die Bundesländer auf einen Katalog von 40 natürlichen Waldgesellschaften (natWG) (Michiels, 2005), die jeweils standortsspezifisch Schlusswaldcharakter besitzen. 29 davon kommen in Ba- den-Württemberg vor (Tab. 1).

Definition der Baumarten der natürlichen waldgesell schaften

Eine wesentliche Verfahrensgrundlage war die Definition der Haupt-, Neben-, Begleit- und Pionierbaumarten der natWG. Hierzu wurden für die BWI zunächst verbindliche Begriffsdefinitionen erarbeitet (BMJ, 2000):

• Hauptbaumarten sind die Baumarten, die im oberen Kronenraum dominieren.

• Nebenbaumarten sind obligate Begleiter, die im oberen Kronenraum nicht dominieren.

• Begleitbaumarten sind akzessorische Begleiter, jedoch keine Pionierbaumarten.

• Pionierbaumarten sind die Baumarten, die den Standort in frühen Stadien der Sukzession nach einer Störung be- siedeln.

Für jede der in der BWI definierten Waldgesellschafts- typen wurden dann spezifizierte Baumartenlisten erstellt, in denen die jeweils vorkommenden Haupt-, Neben-, Be- gleit- und Pionierbaumarten definiert sind. Die Listen der Baumarten der natürlichen Waldgesellschaftstypen muss- ten regional und höhenzonal auf der Basis der Höhenstufen und forstlichen Wuchsgebiete und -bezirke ausgearbeitet werden, weil das natürliche Arteninventar weit verbreite- ter Waldgesellschaften regional und höhenzonal sehr ver- schieden sein kann. Dies gilt insbesondere auch für Baden- Württemberg, auf dessen Landesfläche die Tanne und die Fichte natürliche Verbreitungsgrenzen haben. Diese Aus- arbeitung erfolgte schrittweise basierend auf der regiona- len Gliederung der waldökologischen Standortskartierung Baden-Württembergs (Michiels, 2014) nach dem Prinzip zunehmender naturräumlicher Spezifizierung (Abb. 1). Für auf Landesebene einheitlich zusammengesetzte Waldge- sellschaften konnte ein landesweit gültiges Baumartenin- ventar definiert werden. Für diese meist azonal auf Sonder- standorten vorkommenden Waldgesellschaften, z. B. dem Silberweidenwald der Weichholzaue (natWG Nr. 40), war eine regional-zonale Differenzierung nicht erforderlich.

Für die Mehrzahl der Waldgesellschaften mussten jedoch höhenzonale Spezifikationen eingeführt werden, z. B. in hochmontanen Hainsimsen-Buchenwäldern, wo die Fichte zusätzlich als Hauptbaumart vorkommt und die Traubenei- che fehlt. Da Tanne und Fichte in Baden-Württemberg nicht nur höhenzonale, sondern auch regionale Verbrei- tungsgrenzen besitzen, wurde im zweiten Schritt durch die Definition wuchsgebietsspezifischer Spezifikationen noch eine regionale Differenzierung von Waldgesellschaf- ten notwendig, etwa aufgrund des Fehlens der Tanne und der Fichte in montanen Buchenwäldern des Odenwaldes.

Der letzte Schritt bezog, falls erforderlich, auch noch die Wuchsbezirks-Ebene mit ein. Zum Beispiel erforderte das

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tab. 1: die natürlichen waldgesellschaften (natwg) der Bwi in Baden-württemberg mit ihren prozentualen anteilen am staatswald.

nr. deutsche Bezeichnung Pflanzensoziologische

Bezeichnung einbezogene waldgesellschaften nach oberdorfer 1992

anteil am staats-

wald [%] gruppe 1 Hainsimsen-Buchenwald, z.t. mit tanne luzulo-Fagetum luzulo-Fagetum, ilici-Fagetum 42,89 Bu

2 drahtschmielen-Buchenwald deschampsio-Fagetum 0,29 Bu

3 waldmeister-Buchenwald, z.t. mit tanne galio-Fagetum

galio-Fagetum, dentario enneaphylli- Fagetum, dentario heptaphylli- Fagetum

21,86 Bu

4 waldgersten-Buchenwald, z.t. mit tanne Hordelymo-Fagetum 13,31 Bu

5 Buchen-traubeneichenwald Fago-Quercetum 1,70 Bu

6 alpenheckenkirschen-tannen-

Buchenwald lonicero-Fagetum

lonicero-Fagetum, cardamino- trifoliae-Fagetum (syn. aposerido- Fagetum)

0,14 Bu

7 seggen-Buchenwald/Blaugras-

Buchenwald carici-Fagetum/seslerio-Fagetum carici-Fagetum, seslerio-Fagetum 1,61 Bu

9 Bergahorn-Buchenwald aceri-Fagetum 0,30 Bu

10 Hainsimsen-Fichten-tannenwald luzulo-abietetum 4,20 Fi/ta

11 labkraut-Fichten-tannenwald galio-abietetum 1,39 Fi/ta

12 Preiselbeer-Fichten-tannenwald vaccinio-abietetum 4,35 Fi/ta

13 wintergrün-Fichten-tannenwald Pyrolo-abietetum 0,00 Fi/ta

14 Birken-stieleichenwald Betulo-Quercetum genisto-Quercetum 0,08 ei

15 Birken-traubeneichenwald luzulo-Quercetum 0,06 ei

17 sternmieren-Hainbuchen-stieleichenwald stellario-carpinetum 2,28 ei

18 waldlabkraut-Hainbuchen-

traubeneichenwald galio-carpinetum 0,22 ei

20 Xerotherme eichen-Mischwälder Quercion pubescentis, carpinion

acerio monspessulani-Quercetum, Quercetum pubescenti-petraeae, cytiso-Quercetum, Potentillo- Quercetum, genista-Quercus-ges., carici-tilietum

0,13 ei

23 ahorn-eschenwald adoxo-aceretum 1,99 edel/

Block

24 edellaubbaum-steinschutt- und Blockhangwälder

lunario-acerenion tilienion platyphylli, deschampsio-acerenion

Faxino-aceretum, sorbo-aceretum, ulmo-aceretum, Querco-tilietum, Deschampsia flexuosa-Acer-Ges., aceri-tilietum

0,46 edel/

Block

26 karpatenbirken-ebereschen-Blockwald Betula-sorbus aucuparia-ges. Betula carpatica-sorbus aucuparia-

ges. 0,05 edel/

Block

28 Peitschenmoos-Fichtenwald Bazzanio-Piceetum 0,08 Moor

33 rauschbeeren-Moorwälder Piceo-vaccinienion

vaccinio uliginosi-Piceetum, vaccinio uliginosi-Pinetum sylvestris, vaccinio uliginosi-Pinetum rotundatae, vacci- nio uliginosi-Betuletum

0,65 Moor

34 schwarzerlen-Bruch- und sumpfwälder alnion glutinosae carici elongatae-alnetum, sphagno-

alnetum, caltha-alnus-ges. 0,13 aue

35 traubenkirschen-erlen-eschenwälder Pruno-Fraxinetum Pruno-Fraxinetum, ribeso-Fraxinetum 0,58 aue

36 Bach-eschenwälder carici remotae-Fraxinetum

carici remotae-Fraxinetum, equiseto- Fraxinetum, carex remota-alnus incana-ges.

0,61 aue

37 Hainmieren-schwarzerlenauwald stellario-alnetum 0,09 aue

38 grauerlenauwald alnetum incanae 0,00 aue

39 stieleichen-ulmen-Hartholzauwald Querco-ulmetum 0,36 aue

40 silberweiden-weichholzauwald salicetum albae salicetum fragilis 0,18 aue

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natürliche Vorkommen der Fichte im Einzelwuchsbezirk (EWB) 4/25 Virngrund eine Differenzierung des submon- tanen Hainsimsen-Buchenwalds (natWG Nr. 1) auf Wuchs- bezirksebene, da die Fichte im Wuchsgebiet Neckar land in der submontanen Höhenstufe sonst nicht natürlich vor- kommt.

Weil die Beurteilung der natürlichen Baumartenzu- sammensetzung der natWG wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis der Naturnähe-Einstufung hat, wurde die Klassi- fizierung von Baumarten außerhalb ihres ursprünglichen natürlichen Areals besonders intensiv diskutiert. Gemäß der Definition der PNV müssen auch ursprünglich nicht gebietsheimische Baumarten, die als dauerhaft eingebür- gert gelten, als Bestandteil der Waldgesellschaften berück- sichtigt werden. Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG vom 25.03.2002, BGBl I Nr. 22, S. 1193, §10 (2) Nr. 5) defi- niert eine heimische Art als „eine wild lebende Tier- oder Pflanzenart, die ihr Verbreitungsgebiet oder regelmäßiges Wanderungsgebiet ganz oder teilweise a) im Inland hat oder in geschichtlicher Zeit hatte oder b) auf natürliche Weise in das Inland ausdehnt.“ Allerdings werden auch wildlebende Tier- und Pflanzenarten als heimisch bezeich- net, wenn „verwilderte oder durch menschlichen Einfluss eingebürgerte Tiere oder Pflanzen der betreffenden Art sich im Inland in freier Natur und ohne menschliche Hilfe über mehrere Generationen als Population erhalten.“

Voraussetzung für die Ansprache der gesicherten Ein- bürgerung einer Baumart sollten waldökologische und waldbauliche Erfahrungen über zumindest 2-3 Baumge- nerationen hinweg sein, um die langen Generationszeit- räume der Waldbäume zu berücksichtigen. Als wesentliche Kriterien wurden die Fähigkeit zur natürlichen generativen Verjüngung, Konkurrenzstärke der Sämlinge in der Bo- denvegetation sowie der Stangen- und Baumhölzer in allen

weiteren Waldentwicklungsphasen bis zur erneuten Rege- neration sowie Unempfindlichkeit gegenüber abiotischen und biotischen Schadeinflüssen definiert (Aldinger u.

Michiels, 1997). So wurden für den Bereich der west- und süddeutschen Mittelgebirge und für das Alpenvorland vor allem die Fichte und die Douglasie als Begleitbaumart bo- densaurer Buchenwälder eingeschätzt. Diese Einschätzung erfolgte auf der Grundlage einheitlicher standortskundli- cher Kriterien, die auf das Standortsspektrum der Arten in ihrem ursprünglichen natürlichen Verbreitungsgebiet Be- zug nehmen und auf den Standortsfaktoren mittlere jähr- liche Lufttemperatur, mittlere jährliche Niederschlagshöhe und Bodensäurestatus basieren.

erfassung der datengrundlagen am Bwi-stichprobenpunkt Die Naturnähe-Bewertung der BWI erfolgte an terrest- rischen Stichprobenpunkten. Basis ist ein systematisches Netz von 4 mal 4 km, wobei jeder Kreuzungspunkt den Mittelpunkt eines Quadrates mit 150 m Seitenlänge (Trakt) bildet, an dessen Ecken jeweils 4 Stichprobenpunkte liegen.

Baden-Württemberg hat dieses Netz auf 2 mal 2 km ver- dichtet (BMJ, 2000).

Als Grundlage der Einstufung der Naturnähe an den BWI-Stichprobenpunkten wurde im ersten Schritt die loka- le natürliche Waldgesellschaft am Inventurpunkt bestimmt.

In Baden-Württemberg wurde diese aus den lagereferen- zierten Standortsdaten der Standortsdatenbank der Forst- lichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) abgeleitet.

Im südwestdeutschen standortskundlichen Verfahren wird grundsätzlich die lokale natürliche Waldgesellschaft für die kartierten Standortseinheiten ermittelt (Michiels, 1998).

Hilfsmittel ist ein an der FVA entwickelter Schlüssel, der dafür leicht im Gelände ansprechbare Standorts- und Vege- tationsmerkmale heranzieht.

natWG29

Höhen‐1. 

zonal Ba‐Wü

2

5

9

20

26

28

33

34

35

38

39

40

Landes‐

einheitlich natWG

Wuchs‐2. 

gebiet NEIN

6

7

10

11

13

14

15

17

18

36

37

Höhen‐

zonale natWG

Wuchs‐3. 

bezirk NEIN

JA

JA

12

23

24

Wuchs‐

gebiet natWG NEIN

1

3

4

Wuchs‐

bezirk natWG JA

abb. 1: schrittweise höhenzonale (1.) und regionale, auf wuchsgebiete (2.) und wuchsbezirke (3.) bezogene differenzierung der natürlichen wald- gesellschaften (natwg) Baden-würt- tembergs (Ba-wü) bezüglich deren Zusammensetzung nach Haupt-, ne- ben-, Begleit- und Pionierbaumarten (nummern der natwg siehe tab. 1).

(6)

Die Erfassung der aktuellen Bestockung erfolgte durch den Inventurtrupp bei der Traktaufnahme im Gelände. Dazu wurde die Winkelzählprobe mit Zählfaktor 1 (bzw. 2) zu- sätzlich neu in das Aufnahmeprogramm eingeführt. Dies war notwendig, weil die Winkelzählprobe mit Zählfaktor 4, die der Bestimmung der Holzmasse und -sorten der Be- stände dient, einen im Mittel zu kleinen Kreisradius erfasst, der die oft trupp- bis horstweisen Mischungsformen der Wälder nicht befriedigend wiedergibt. Der Ansprache der Artenzusammensetzung einer eventuell vorhandenen Ver- jüngung (< 4 m Höhe) diente ein Probekreis mit dem fixen Radius r = 10 m (BMJ, 2000).

einstufung der naturnähe pro stichprobenpunkt

Die Einstufung der Naturnähe der aktuellen Bestockung wurde durch einen Vergleich mit der Baumartenzusam- mensetzung der PNV erzielt. Dafür wurde ein bundes- weites Klassifizierungsverfahren angewandt, das auf einer Vorlage des Arbeitskreises Standortskartierung der Ar- beitsgemeinschaft Forsteinrichtung basiert (AK Stand- ortskartierung, 1996). Die Einstufung der Naturnähe ergibt sich dabei unmittelbar aus dem Vergleich der aktuel- len Bestockung im Probekreis (Winkelzählprobe 1 oder 2) mit den Baumarten der natürlichen Waldgesellschaft. Für die Einstufung wurden fünf Kategorien gebildet: (1) „sehr naturnah“, (2) „naturnah“, (3) „bedingt naturnah“, (4) „kul- turbetont“ und (5) „kulturbestimmt“.

Das Kriterium für die Zuordnung zu einer der fünf Ka- tegorien ist der aktuelle Bestockungsanteil der Haupt- und der sonstigen Baumarten der natürlichen Waldgesellschaft im Probekreis. Voraussetzung für die Einstufung in eine bestimmte Naturnähe-Stufe ist das Erreichen bundesweit einheitlich definierter Schwellenwerte für Baumartenan- teile von Haupt- und sonstigen Baumarten (Tab. 2). Wald- baulich sind diese Schwellenwerte durch das vorhandene Regenerationspotenzial für den naturnahen Schlusswald begründet; vegetationskundlich leiten sie sich vom Grad der Veränderung der gesamten Phytozönose vom Zustand der natürlichen Waldgesellschaft ab. Ihre ziffernscharfe Fixie- rung ist Ergebnis einer Übereinkunft unter den beteiligten Fachkollegen der Bundesländer (BMVEL, 2002, 2003). Für

naturnähestufe alle Hauptbaumarten vorhanden

anteil der Hauptbaumarten

anteil der Baumarten der natürlichen waldgesellschaft

anteil der außereuropäischen Baumarten

1 sehr naturnah ja ≥ 50 % ≥ 90 % ≤ 10 %

2 naturnah - ≥ 10 % ≥ 75 % ≤ 30 %

3 bedingt naturnah - - ≥ 50 % -

4 kulturbetont - - ≥ 25 % -

5 kulturbestimmt - - - -

tab. 2: naturnähestufen der Bundeswaldinventur, basierend auf dem anteil der Baumarten der natürlichen waldgesell- schaft an der aktuellen Bestockung.

tab. 3: liste der außereuropäischen Baumarten für die naturnähe-Bewertung der Bwi.

Botanischer name deutscher name

abies grandis küstentanne

abies nordmanniana nordmannstanne

abies spec. sonstige tannenart

acer spec. sonstige ahornart

Juglans nigra schwarznuss

larix kaempferi Japanische lärche

Picea omorika Omorikafichte

Picea sitchensis Sitkafichte

Pinus strobus weymouthkiefer

Populus balsamifera Balsampappel

Prunus serotina spätblühende traubenkirsche Pseudotsuga menziesii douglasie

Quercus rubra roteiche

robinia pseudoacacia robinie

thuja spec. thuja

tsuga spec. tsuga

die Qualifizierung in die Naturnähe-Stufen 1 und 2 wurden quantitative Obergrenzen für die Anteile der ursprünglich außereuropäisch verbreiteten Arten (Tab. 3) vereinbart. Ein wichtiger Vorteil dieses Klassifikationsverfahrens liegt in seiner relativen Einfachheit und Transparenz, die die Ein- stufung leicht nachvollziehbar machen.

2.2 räumliche Modellierung der naturnähe datengrundlagen

Analog zu der stichprobenbasierten Bewertung der Na- turnähe der Baumartenzusammensetzung in der Bundes-

(7)

erstellt, bei dem der jeweilige aktuelle Flächenanteil der Baumart in einem Bestand allen Rasterzellen des Bestandes zugewiesen wurde.

Flächendeckende räumliche Modellierung

Die flächendeckende Modellierung beruht auf dem glei- chen Prinzip wie die Naturnähe-Bewertung der BWI. An- statt einer Einstufung der Naturnähe an einem einzelnen Stichprobenpunkt wurden die Werte der einzelnen Raster- pixel abgeglichen. Basierend auf den standortskundlichen Daten der natWG- und RZE-Raster, wurden anhand der oben genannten Definition der regional-höhenzonalen Baumartenzusammensetzungen die natürlichen Haupt-, Neben-, Begleit- und Pionierbaumarten definiert und jeder Rasterzelle zugewiesen. Aus den Rasterdaten der aktuel- len Bestockung wurden die Layer mit den entsprechenden Baumarten ausgewählt (Abb. 2) und deren Flächenanteile addiert. Die Klassifizierung in die insgesamt fünf Natur- nähestufen der BWI erfolgte dann nach den gegebenen Schwellenwerten (Tab. 2), unter Berücksichtigung der Flächenanteile der außereuropäischen Baum artenanteile (Tab. 3) in den ersten beiden Naturnähestufen.

Einfluss der Bewertung der Douglasie und anderen außer- europäischen Baumarten auf die naturnähe

In der standortskundlichen regionalen Gliederung Baden- Württembergs wird in einigen Gebieten die aus Nordame- rika stammende Douglasie (Pseudotsuga menziesii) als eingebürgerter Bestandteil der natWG genannt. Im West- teil des Schwarzwaldes (z. B. WBgr 3/03, EWB 3/04, 3/07

Abb. 2: Fließschema der räumlichen Modellierung. Basierend auf der flächendeckenden Information zur regionalzonalen einheit (rZe) und zur natürlichen waldgesellschaft (natwg) wurden die Haupt, neben-, Begleit- und Pionierbaumarten bestimmt, und deren Anteile aus den Forsteinrichtungsdaten extrahiert. Die finale Bewertung pro Pixel in fünf Stufen wurde dann anhand der naturnähe-Bewertung der Bwi (tab. 2) durchgeführt.

Regionalzonale Einheit (RZE)

Natürliche Waldgesellschaft  (natWG)

RZE_F NWG FOKUS_ID H N P

2 1 410 0 0 1

2 1 710 1 0 0

2 1 610 0 1 0

2 1 620 0 1 0

2 1 810 0 1 0

2 1 821 0 1 0

2 1 883 0 1 0

2 1 930 0 0 1

2 1 943 0 0 1

2 1 874 0 0 1

RZE_F NWG FOKUS_ID H N P

2 1 410 0 0 1

2 1 710 1 0 0

2 1 610 0 1 0

2 1 620 0 1 0

2 1 810 0 1 0

2 1 821 0 1 0

2 1 883 0 1 0

2 1 930 0 0 1

2 1 943 0 0 1

2 1 874 0 0 1

Baumarten‐Tabelle

HauptbaumartNebenbaumart

TS_710 TS_710

TS_710 TS_710

Forsteinrichtung Baumarten Oberschicht  Vorkommen [%]

Pionierart

Na turnähe Be w er tu ng   in   5   St uf en

waldinventur (BWI) waren auch für die flächendeckende Modellierung für den Staatswald Datengrundlagen für die aktuelle Baumartenzusammensetzung und die potenzielle natürliche Baumartenzusammensetzung notwendig. Wäh- rend für die BWI die Baumart der Probebäume mit einem Brusthöhendurchmesser von mehr als 7 cm direkt am Stichprobenpunkt erhoben wird, standen für die Raumana- lyse nur bestandesscharfe Schätzwerte aus dem Waldeintei- lungsdatensatz der Forsteinrichtung (FORSTBW, 2016) zur Verfügung. Angegeben sind hier für jeden Einzelbestand die Baumarten und ihre Flächenanteile an der Überschir- mung, falls sie einen Flächenanteil von mindestens 5 % ha- ben (MLR, 2002).

Um die Vergleichbarkeit zwischen flächiger Naturnähe- Bewertung und der BWI-Bewertung zu gewährleisten, wurden als Referenz der Naturnähe der Baumartenzusam- mensetzung ebenfalls die natürlichen Waldgesellschaften (natWG) der forstlichen Standortskarte Baden-Württem- bergs (FVA, 2016) in die räumliche Modellierung inte- griert. Weiterhin wurden die regionalzonalen Einheiten (RZE) der Standortkartierung miteinbezogen, um das potenzielle regionale und höhenzonale Vorkommen hei- mischer Baum arten als Haupt-, Neben-, Begleit- oder Pio- nierbaumart wie auch in der BWI (siehe oben) abschätzen zu können.

Alle Datensätze (Waldeinteilungskarte, natWG sowie RZE) wurden für die räumliche Modellierung vom Vektor- format in ein Rasterformat mit einer Auflösung von 25 m transformiert. Aus dem Waldeinteilungsdatensatz wurde für jede Baumart in der Oberschicht ein Rasterdatensatz

(8)

und 3/09-3/11) und des Odenwaldes (EWB 2/01-2/03, TB 2/03α) herrschen für sie optimale Wuchsbedingungen (MI- chiels, 2014), wodurch sich eine überlebensfähige Popu- lation gebildet hat. Daher wird die Douglasie vor allem in diesen Gebieten als Nebenbaumart der natürlichen Waldge- sellschaften „Hainsimsen-Buchenwald“ (natWG Nr. 1) und

„Hainsimsen-Birken-Traubeneichenwald“ (NatWG Nr. 15) geführt, was auch in die Naturnähe-Bewertung einfließt.

Um den Einfluss dieser Eingliederung der Douglasie auf die Naturnähe-Bewertung zu analysieren, wurden neben der BWI-Naturnäheeinstufung (Szenario 1) weitere Einstu- fungs-Szenarien berechnet (Tab. 4). In Szenario 2 wurde die Douglasie in allen Gebieten ohne Ausnahmen als außer- europäische Baumart behandelt, ebenso in Szenario 3, wo- bei hier zusätzlich die Schwellenwerte für die Flächenan- teile der außereuropäischen Baumarten für die Einstufung strenger bewertet wurden.

Vergleich der flächig modellierten Naturnähe mit den ergebnissen der Bwi

Die Ergebnisse der flächig modellierten Naturnähe wurden sowohl landesweit als auch auf Wuchsgebietsebene mit den Ergebnissen der BWI verglichen.

Ein Vergleich direkt am Stichprobenpunkt war aufgrund der unterschiedlichen Maßstabsebenen der Aufnahmeflä- chen sowie von Unterschieden in den Aufnahmeverfahren der Grundlagendaten, insbesondere der aktuellen Besto- ckung, nicht zielführend: Während für die BWI die Winkel- zählprobe für die Baumartenzusammensetzung verwendet wurde, wurden die Baumartenanteile aus der Forsteinrich- tung lediglich in 5 %-Schritten pro Bestand geschätzt. Bei heterogenen bzw. artenreichen Beständen wäre auch bei zeit- gleichen Aufnahmen der Unterschied sehr groß. Hier ist auch die genaue Positionierung der BWI-Punkte im flächigen Da- tensatz sehr schwierig, da die Genauigkeit der Einmessung teilweise nicht ausreichend ist. Es ist daher nicht möglich festzustellen, ob Unterschiede in den Ergebnissen auf metho- dischen Gegebenheiten oder auf standörtlicher Variabilität beruhen (McRoberts et al., 2012). Der Effekt der standört- lichen Variabilität wird zunehmend kleiner, wenn größere räumliche Betrachtungseinheiten, wie zum Beispiel Wuchs- gebiete, herangezogen werden (Winter, 2012).

Beschreibung

szenario 1 analog zu Bwi – Bewertung (siehe tabelle 2) inkl. douglasie z.t. als nebenbaumart akzeptiert szenario 2 analog zu Bwi – Bewertung

Änderung: douglasie wird überall als außereuropäische Baumart behandelt szenario 3 analog zu Bwi – Bewertung

Änderung: douglasie wird überall als außereuropäische Baumart behandelt anteile von außereuropäischer arten werden strenger bewertet:

- naturnähe-stufe 1: keine außereuropäischen arten zugelassen - naturnähe-stufe 2: Anteil der außereuropäischen Arten ≤ 10 % - naturnähe-stufe 3: Anteil der außereuropäischen Arten ≤ 30 %

tab. 4: unterschiedliche szenarien der Bewertung der douglasie und anderen außereuro- päischen Baumarten bei der naturnäheeinstufung.

3 ergebnis

3.1 räumlich modellierte naturnähe-Bewertung Bei der räumlichen Modellierung der Naturnähe der Baum - arten zusammensetzung fallen mehr als 60  % des baden- württembergischen Staatswaldes in die Naturnähe-Stufen

„sehr naturnah“ und „naturnah“ (Abb. 3b). Lediglich 8 % werden als „kulturbestimmt“ klassifiziert.

Abbildung 3a zeigt die räumliche Verteilung der unter- schiedlichen Naturnähestufen. Hohe Naturnähe-Werte finden sich vor allem in den höheren Lagen des Schwarz- walds und in der Traufzone der Schwäbischen Alb. Kultur- bestimmte Wälder sind vermehrt in den Rheinauen, auf der südwestlichen Donaualb, am Odenwaldrand und auch vereinzelt im Neckarland zu finden.

Das Vorkommen der Naturnähestufen in den unter- schiedlichen Wuchsgebieten bestätigt diese Verteilung (Abb. 4). Mit mehr als 70  % Flächenanteil an naturna- hen und sehr naturnahen Wäldern ist das Wuchsgebiet Schwarzwald Vorreiter, dicht gefolgt von den Wuchsgebie- ten Baar (71 %) und Schwäbische Alb (68 %), wobei der höchste Flächenanteil von sehr naturnahen Wäldern (38 %) auf der Schwäbischen Alb zu finden ist. Die Wuchsgebiete Odenwald und Südwestliches Alpenvorland weisen ver- gleichsweise hohe Anteile an kulturbestimmten und kul- turbetonten Wäldern auf.

Bei Betrachtung der Naturnähestufen auf den Standorten der einzelnen natürlichen Waldgesellschaften wird deut- lich, dass von Fichte und Tanne dominierte Waldgesell- schaften wie z. B. natWG Nr. 10 „Hainsimsen-Fichten-Tan- nenwald“, natWG Nr. 11 „Labkraut-Fichten-Tannenwald“

und natWG Nr. 12 „Preiselbeer-Fichten-Tannenwald“ bei der Bewertung sehr gut abschneiden (Abb. 5). Bis zu 68 % der Fläche (natWG Nr. 10) wird als „sehr naturnah“ einge- stuft, zusammen mit der Stufe „naturnah“ beträgt der Flä- chenanteil sogar 97 %. Auch für Waldflächen buchendomi- nierter Waldgesellschaften, die im Staatswald den größten Flächenanteil (ca. 80  %) ausmachen, fällt die Bewertung weitgehend positiv aus. In den meisten Buchen-Waldgesell- schaften werden 50 % der Flächen als „naturnah“ bzw. „sehr naturnah“ klassifiziert. Die Flächen der eichendominierte Waldgesellschaften (natWG Nr 15-20) sind eher „kultur-

(9)

abb. 3b: verteilung der Flächenanteile der naturnähe- stufen in Flächenprozenten für den staatswald naturnä- hestufen 1 sehr naturnah, 2 naturnah, 3 bedingt natur- nah, 4 kulturbetont, 5 kulturbestimmt.

abb. 4: vergleich der Flächenanteile der naturnähestufen in den unterschiedlichen wuchsgebieten für szenario 1.

Wuchsgebiete: 1 Oberrheinisches Tiefland, 2 Odenwald, 3 schwarzwald, 4 neckarland, 5 Baar-wutach, 6 schwäbi- sche alb, 7 südwestliches alpenvorland.

0 25 50 75 100

1 Wuchsgebiete

Flächenanteil [%]

2 3 4 5 6 7

Naturnähestufen kulturbestimmt kulturbetont bedingt naturnah naturnah sehr naturnah 24

37

21

7 8

1 2 3 4 5

Naturnähestufe 0

10 20 30

Flächenanteil [%]

abb. 3a: räumliche verteilung der natur- nähestufen für den staatswald in Baden- württemberg.

(10)

abb. 5: vergleich der Flächenanteile der naturnähestufen auf den standorten von unterschiedlichen natürlichen wald- gesellschaften (natwg 1 bis 40, siehe tab. 1).

0 25 50 75 100

1 2 3 4 5 6 7 9

natWG

Flächenanteil [%]

Buchenwälder

0 25 50 75 100

10 11 12 13

natWG

Flächenanteil [%]

Fichten-T annenwälder

0 25 50 75 100

23 24 26 natWG

Flächenanteil [%]

Block- und Edellaubwald

0 25 50 75 100

34 35 36 37 38 39 40

natWG

Flächenanteil [%]

Auenwälder

0 25 50 75 100

14 15 17 18 20

natWG

Flächenanteil [%]

Eichenwälder

0 25 50 75 100

28 33 natWG

Flächenanteil [%]

Moorwälder

Naturnähestufen kulturbestimmt kulturbetont bedingt naturnah naturnah

sehr naturnah

(11)

betont“ oder „kulturbestimmt“ eingestuft, haben aber nur einen kleinen Flächenanteil von knapp 3 % am Staatswald.

Auffallend ist die Bewertung im Falle des Silberweiden- Weichholzauewaldes (natWG Nr. 40) mit über 73 % ihrer Fläche in der Stufe „kulturbestimmt“, diese hat aber im Staatswald lediglich einen Flächenanteil von 0,18 %.

Einfluss der Bewertung der Douglasie auf die Naturnähe Zur Analyse des Einflusses der Eingliederung der Dou- glasie auf die Naturnähe-Bewertung wurden verschiedene Szenarien verglichen: Während Szenario 1 analog zur BWI Naturnähe-Bewertung zu betrachten ist, wurde die Dou- glasie in Szenario 2 und 3 überall als außereuropäische Bau- mart betrachtet; in Szenario 3 wurden zusätzlich die An- teile der außereuropäischen Baumarten strenger bewertet.

In der resultierenden Naturnähe-Bewertung des gesamten Staatswaldes lassen sich allerdings nur geringe Unterschie- de zwischen den drei Szenarien erkennen (Abb. 6). Die Flä- chenanteile der Stufen „naturnah“ und „sehr naturnah“ in Szenario 1 und 2 unterscheiden sich um weniger als 1 %, und auch zwischen Szenario 2 und 3 beträgt die Differenz lediglich 3 %.

Wenn allerdings die Wuchsgebiete gesondert betrachtet werden, werden die Unterschiede deutlicher. Vor allem im Odenwald kommt es bei Anwendung der Szenarien 2 und 3 zu einer Verschiebung der Naturnähestufen von „bedingt naturnah“ zu „kulturbestimmt“, wobei letztere um 13 % zu- nimmt (Tab. 5). Im Wuchsgebiet Schwarzwald, in dem auch im Szenario 1 die Eingliederung der Douglasie erfolgte, er- gibt sich unter den Szenarien 2 und 3 nur eine leichte Ver- schiebung (1 und 3 %) der Naturnähe in Richtung der Stufe

„kulturbetont“, allerdings nimmt im Szenario 3 die Stufe

„sehr naturnah“ um 5 % ab. In den anderen Wuchsgebieten ist in Szenario 2 und 3 nur eine marginale Abnahme (< 1 %) der Stufe „sehr naturnah“ zu verzeichnen.

Beim Vergleich der Szenarien auf Ebene der natürlichen Waldgesellschaften zeigen sich Differenzen vor allem in Waldgesellschaften, in denen das Vorkommen von außer- europäischen Baumarten häufig ist und damit entscheidend für die Einstufung der Naturnähe. Bezeichnend ist sowohl die Herunterstufung von ca. 18 % der höchsten Naturnä- hestufe in der natürlichen Waldgesellschaft „Stieleichen- Ulmen-Hartholzauewald“ (natWG Nr. 39, siehe Tab. 1), in die häufig Schwarzpappel-Hybride eingebracht wurden, als auch die generelle Herunterstufung in den Waldgesellschaf- ten der Bergmischwälder aufgrund der dortigen Douglasi- envorkommen (z. B. natWG Nr. 10, 12 und 15).

3.2 vergleich zur naturnähe-Bewertung der Bwi Der landesweite Vergleich der modellierten, flächende- ckenden Naturnähe-Bewertung mit den Naturnähe-Stufen der BWI basiert auf den im Staatswald liegenden Stichpro- benpunkten der BWI III. Abbildung 7a zeigt die räumliche Verteilung der Naturnähe-Bewertung an den Stichproben- punkten. Wie auch in der flächigen Modellierung (Abb. 3a) sind hier die Naturnähe-Stufen ähnlich verteilt. Das Wuchs- gebiet Schwarzwald sowie der Albtrauf sind ebenso vorwie- gend mit den beiden höchsten Naturnähestufen bewertet.

Ebenso wie die räumliche Verteilung ist auch die statis- tische Verteilung der Anteile der verschiedenen Naturnä- hestufen bei beiden Bewertungen im Staatswald ähnlich (Abb.  7b). Unterschiede in den Stufen „kulturbestimmt“

und „kulturbetont“ betragen weniger als 1  %. Allerdings

oberrheinisches

Tiefland odenwald schwarzwald neckarland Baar-wutach schwäbische alb südwestdeutsches alpenvorland

naturnähestufe s1 s2 s3 s1 s2 s3 s1 s2 s3 s1 s2 s3 s1 s2 s3 s1 s2 s3 s1 s2 s3

sehr naturnah 9 5 4 16 15 14 32 32 27 18 17 16 34 34 31 39 39 38 6 6 5

naturnah 39 43 41 22 21 22 44 43 44 38 38 39 37 37 39 30 30 30 33 33 32

bedingt naturnah 34 34 35 28 20 20 17 16 18 22 23 23 20 20 20 15 15 15 34 34 36

kulturbetont 5 5 6 15 12 13 4 5 7 10 11 11 5 5 5 6 6 7 14 14 15

kulturbestimmt 13 13 13 19 32 32 3 4 4 11 11 11 5 5 5 10 10 10 13 13 13

tab. 5: Flächenprozente der naturnähestufen pro wuchsgebiet für unterschiedliche szenarien der Bewertung außereu- ropäischer Baumarten (s1 szenario 1, s2 szenario 2, s3 szenario 3, Beschreibung der szenarien in tab. 4).

abb. 6: vergleich der Flächenanteile [%] der naturnähe- stufen in den unterschiedlichen szenarien zur Bewertung der außereuropäischen Baumarten (vgl. tab. 3).

0 25 50 75 100

1 2 3

Szenarien

Flächenanteil [%]

Naturnähestufen kulturbestimmt kulturbetont bedingt naturnah naturnah sehr naturnah

(12)

fällt die modellierte Bewertung positiver aus; so ist der Anteil der beiden höchsten Naturnähe-Stufen um ca. 4 % höher, während der Anteil der Stufe „bedingt naturnah“

entsprechend niedriger liegt.

Auf Ebene der Wuchsgebiete lassen sich größere Unter- schiede zwischen den flächig modellierten und den stich- probenbasierten Flächenanteilen erkennen (Tab. 6). Auf- fallend sind die großen Unterschiede in den ersten beiden Naturnähestufen im Wuchsgebiet Oberrheinisches Tief- land, wo die flächige Modellierung eine kleinere Fläche der Stufe „sehr naturnah“ zugunsten der Stufe „naturnah“ aus- weist (ca. 10  %). Ein umgekehrter Trend lässt sich auf der Baar feststellen, wo im modellierten Fall der Flächenanteil der Stufe „sehr naturnah“ um ca. 15 % höher ist. In den an- deren Wuchsgebieten lassen sich keine klaren Unterschiede feststellen, sie liegen hier zwischen +/- 7 %.

abb. 7b: Flächenteile [%] der naturnähestufen an den BWI III-Stichprobenpunkten (links) und nach der Modellie- rung (rechts), jeweils im staatswald. Farblegende s. abb. 6.

0 10 20 30

BWI Modell

Naturnähestufe

Flächenanteil [%]

abb. 7a: naturnähestufen der Bwi: räumliche vertei- lung der naturnähestufen an den stichprobenpunk- ten der Bwi iii im staats- wald Baden-württembergs.

(13)

tab. 6: Flächenprozente der naturnähestufen pro wuchsgebiet für jeweils Bundeswaldinventur (Bwi) und modellierte Bewertung (Modell).

oberrheinisches

Tiefland odenwald schwarzwald neckarland Baar-wutach schwäbische alb südwestdeutsches alpenvorland naturnähestufe Bwi Modell Bwi Modell Bwi Modell Bwi Modell Bwi Modell Bwi Modell Bwi Modell

sehr naturnah 15 9 13 16 26 32 18 18 18 34 35 39 9 6

naturnah 32 39 15 22 45 44 33 38 47 37 22 30 30 33

bedingt naturnah 40 34 35 28 24 17 28 22 24 20 22 15 38 34

kulturbetont 6 5 23 15 4 4 11 10 2 5 5 6 9 14

kulturbestimmt 7 13 14 19 2 3 10 11 9 5 16 10 14 13

chen der Kalkbuchenwälder (natWG Nr. 4, 6 und 7). Die Kalkbuchenwaldstandorte sind weniger geeignet für die künstliche Einbringung von Nadelbaumarten wie Fich- te und Douglasie und die Buche ist hier besonders vital, weshalb naturnahe Buchenbestände häufig sind. Eichen- bestände auf Buchenwaldstandorten sind als nur bedingt naturnah oder kulturbetont eingestuft worden. Sie sind in diesen Fällen Ergebnisse forstlicher Kulturtätigkeit oder Relikte einer historischen Waldbewirtschaftung. Die hohe naturschutzfachliche Wertigkeit vieler Bestände mit älte- ren Eichen ergibt sich demnach nicht aus der Naturnähe ihrer Baumartenzusammensetzung nach den hier gewähl- ten Kriterien, sondern aus dem Artenreichtum dieser Le- bensgemeinschaft, ihrer Seltenheit und aus der Tatsache, dass bei einer Unterbrechung der Habitattradition ein lan- ger Zeitraum zu ihrer Wiederherstellung benötigt werden würde.

Primäre Standorte von Eichenwaldgesellschaften (nat- WG Nr. 14-20) sind hingegen in historischer Zeit oft nach vorheriger landwirtschaftlicher Nutzung mit Nadelbäumen aufgeforstet worden. Daraus entstanden bedingt naturnahe bis kulturbestimmte Kiefern- und Fichtenbestände.

Ähnliche Einstufungen entstehen bei der Bewertung der Kiefer, die als Pionierbaumart bodensaurer Buchen- waldgesellschaften auf deren Standorten im Reinbestand im günstigsten Fall die Stufe „bedingt naturnah“ erreichen kann. Die niedrige Bewertung solcher Bestockungen aus Pioniergehölzarten wie Kiefer, Birke, Vogelbeere oder Aspe wurde schon im Vorfeld der BWI II kontrovers diskutiert (BMVEL, 2003), da diese Pionierwälder nach Brand oder Sturmwurf auf natürliche Weise entstehen können. Dem ist entgegenzuhalten, dass in der heutigen Ausgangslage un- serer Wälder die Pionierbaumbestockungen, von unbedeu- tenden Ausnahmen abgesehen, als Resultat der Kulturland- schaft zu sehen sind. Alle bedeutsamen mitteleuropäischen Schlusswaldgesellschaften besitzen die Fähigkeit zur inter- nen Erneuerung, und nach den waldgeschichtlichen Befun- den war im nemoralen Waldgürtel Mitteleuropas nach Ein- wanderung von Buche und Tanne der Schlusswald zeitlich und räumlich vorherrschend (Tinner u. Lotter 2006). Es finden sich, anders als im borealen Wald, ab dieser Zeit bis zum Beginn intensivierter menschlicher Landnutzung, kei- ne Hinweise auf lang anhaltende Zeiträume mit ausgedehn-

4 diskussion und ausblick

Die räumliche Modellierung der Naturnähe der Baumar- tenzusammensetzung ermöglichte eine bestandesscharfe Bewertung im Staatswald Baden-Württembergs. Dadurch konnte nun auch eine Auswertung bezogen auf die Wald- gesellschaft oder auf kleinere Raumeinheiten durchgeführt und dargestellt werden. Vor allem wurde die Einbindung oder Verschneidung mit anderen Geodaten ermöglicht.

4.1 naturnähe-Bewertung

Entscheidend für die Ergebnisse der Klassifizierung nach Naturnähestufen entsprechend des Verfahrens der BWI sind die Ansprache und die Definition der Baumartenzu- sammensetzung der lokalen natürlichen Waldgesellschaft.

Die früher oft künstlich begründeten Fichtenbestände erfahren in den naturräumlichen Zentren der natürlichen Verbreitung der Fichte, also in den Hochlagen des Schwarz- waldes mit verbreitet bis zerstreut vorkommenden nassen Missen und Mooren, eine Einstufung als sehr naturnahe Bestockung. Dies, obwohl sie strukturell naturfern sein kön- nen, da sie nicht selten als einschichtige Bestände aus Auf- forstungen ehemaliger Weideflächen hervorgegangen sind.

Auch auf den Standorten bodensaurer Buchenwälder wer- den reine Fichtenbestände als bedingt naturnah bewertet, da die Fichte in diesen Wuchsräumen eine Begleitbaum art ist. Außerhalb ihrer natürlichen Verbreitung, also z. B. im Wuchsgebiet Odenwald, werden entsprechende Bestände hingegen als kulturbestimmt eingestuft. Die Waldflächen der natürlichen Waldgesellschaften mit Fichte und Tanne als Hauptbaumarten (natWG Nr. 10-13), und unter diesen vor allem der Hainsimsen-Fichten-Tannenwald (natWG Nr. 10) und der Preiselbeer-Fichten-Tannenwald (natWG Nr. 12) im Wuchsgebiet Schwarzwald, sind entsprechend nahezu immer als sehr naturnah oder naturnah bewertet, da auf diesen Waldflächen Fichte und Tanne in den Bestän- den waldbaugeschichtlich bedingt vorherrschen.

Auch auf den Standorten buchendominierter Wald- gesellschaften liegt die Naturnähe insgesamt auf hohem Niveau. Im Bereich der im Oberboden sauren Buchenwäl- der (natWG Nr. 1-3, 5) sind die Stufen sehr naturnah und naturnah jedoch deutlich weniger vertreten als auf Flä-

(14)

ten Pionierbaumbestockungen. Mit dieser Argumentation wurde in der BWI II entschieden, die standortsheimischen Schlusswaldbaumarten in der Naturnähe höher einzustu- fen als die Pioniergehölze der Waldentwicklung.

Die günstige Bewertung der Edellaubwälder der Schluch- ten und Blockhänge (natWG Nr. 23, 24, 26) erklärt sich durch die eingeschränkte Nutzbarkeit dieser Waldflächen für die Nadelbaumeinbringung. Der geringe Anteil sehr na- turnaher Bestände ist mehr methodisch bedingt, da deren Baumartenanteile zu gering waren, um in den Forsteinrich- tungsdaten aufgelistet zu werden. Sehr viele sehr naturnah bestockte Flächen finden sich auf den Standorten der Moor- wälder aus Kiefer und Fichte (natWG Nr. 28, 33), die zwar häufig hydrologisch degradiert wurden, auf denen aber kei- ne standortsfremden Gehölze zur Dominanz kamen.

In der Gruppe der Au- und Bruchwälder (natWG Nr.

34-40) ist vorrangig der Anteil standortsfremder Nadelbäu- me für die Naturnähe-Bewertung bestimmend. Montane Waldlebensräume (natWG Nr. 36-38) sind davon stärker betroffen als die Waldflächen der Tieflagen (natWG Nr. 35, 39). Die im Vergleich negativste Bewertung aller Waldflä- chen erfahren die Standorte der Silberweidenwälder der Weichholzaue (Abb. 5, natWG 40). Diese Einstufung liegt in den verbreiteten Beständen der künstlich eingebrachten Hybridpappeln begründet, die in der Weichholzaue heute dominieren.

4.2 Bewertung nicht-heimischer Baumarten Ein weiterer, häufig diskutierter Aspekt bei der Naturnähe- Bewertung ist die Einstufung nicht-heimischer Baumarten.

Insbesondere die nach der letzten Eiszeit in Europa nicht heimischen, ab dem 16. Jahrhundert aber vom Menschen eingeführten und dabei heute eingebürgerten Baumarten werden in ihrer Einstufung kontrovers diskutiert. Misst man die Naturnähe am Kriterium der potenziellen nicht vom Menschen gesteuerten Waldentwicklung, wäre es rich- tig, diese Baumarten gleich den ursprünglich heimischen Baum arten zu bewerten. Dem stehen allerdings Bedenken aus dem Bereich des Naturschutzes entgegen, der vor allem die Ursprünglichkeit und Habitattradition von Lebensge- meinschaften als wertvoll betrachtet und vorbringt, dass für eine vollständige Eingliederung der eingeführten Baumar- ten in die heimischen Waldökosysteme die Anpassungszeit noch zu kurz gewesen sei (Reif et al., 2005). Um diesen Be- denken Rechnung zu tragen, wurden für die Einordnung in die Naturnähe-Stufen 1 und 2 quantitative Obergrenzen für die Anteile der ursprünglich außereuropäisch verbreiteten Arten vereinbart (Tab. 3).

Um die quantitative Auswirkung dieses Verfahrens auf die Naturnähe-Bewertung zu beurteilen, wurden für die Bewertung der häufigsten, nicht-heimischen Baumart Baden-Württembergs, der Douglasie, unterschiedliche Bewertungsszenarien angenommen. Der Vergleich der Szenarien zeigte keine signifikanten Unterschiede der Er- gebnisse auf Landesebene; somit sind die Schwellenwert- setzungen der außereuropäischen Arten bzw. die Einbin- dung der Douglasie als Nebenbaumart in die Berechnung auf der Maßstabsebene Baden-Württembergs als weniger

relevant anzusehen. Auf Wuchsgebietsebene wird dies al- lerdings wichtiger. Das Wuchsgebiet Odenwald, mit seinen erheblichen Douglasienanteilen auf Standorten bodensau- rer Buchenwälder, profitiert bei der Naturnähe-Bewertung von der Einbindung der Douglasie als Nebenbaumart und wurde somit positiver bewertet. Die strengere Bewertung der außereuropäischen Baumarten in der Einstufung ohne Berücksichtigung der Douglasie als Nebenbaumart hat da- gegen kaum Einfluss auf die finale Bewertung.

Auf Ebene der Waldgesellschaften ist die Naturnähe-Be- wertung immer dort niedriger, wo hohe Douglasienanteile zu erwarten sind, wie in den Bergmischwäldern. Der glei- che Effekt tritt bei hohen Anteilen von Schwarzpappelhyb- riden in den Auen auf (v.a. in natWG Nr. 39).

4.3 Unterschiede zwischen flächiger Modellierung und stichprobenbasierter erhebung

Der Vergleich zwischen der stichprobenbasierten BWI- Bewertung mit der flächigen Modellierung zeigte auf Landesebene das gleiche Muster – trotz unterschiedlicher Datengrundlagen. Allerdings sind durch die begrenzte An- zahl der Stichprobenpunkte Aussagen auf Wuchsgebietse- bene für die BWI weniger aussagekräftig. Das Wuchsgebiet Baar-Wutach wird z. B. nur mit wenigen Stichprobenpunk- ten im Staatswald abgedeckt. Dies kann ein Grund für die unterschiedlichen Ergebnisse der beiden Verfahren sein.

Im modellierten Verfahren wurden die vielen Fichten- Tannen-dominierten Wälder dort eher als sehr naturnah eingestuft. Eine vergleichsweise geringe Anzahl an Stich- probenpunkten könnte auch die abweichenden Bewer- tungen im kleinstrukturierten Oberrheinischen Tiefland erklären.

Die unterschiedlichen Datengrundlagen sollte auch bei der Interpretation der Ergebnisse beachtet werden.

Das gesamte Baumartenspektrum ist in beiden Verfahren nicht gesichert abbildbar. Zudem wurden in der Modellie- rung hauptsächlich die Baumarten der Oberschicht für die Einstufung berücksichtigt. Baumarten in der Verjüngung flossen nur dann in die Auswertung ein, wenn der Jung- wuchs die Hauptbestockung bildete. Entwicklungsstadien der Bestände in Richtung naturnaher Bestockung könnten somit mit einer zu niedrigen Naturnähe klassifiziert wor- den sein.

4.4 Fazit

Die Bewertung der Naturnähe der räumlichen Modellie- rung beruht, ebenso wie die der BWI, auf einem einzigen strukturellen Teilaspekt der Naturnähe, i.e. der Baumarten- zusammensetzung. Die Naturnähe der Wälder ist wesent- lich umfassender definiert (Bartha, 2004; Winter, 2012).

Eine hohe Naturnähe der Baumartenzusammensetzung gibt nicht notwendigerweise Hinweise auf die ökologische Stabilität (Reif et al., 2005), was das Verfahren und die In- terpretation der Ergebnisse einschränkt. Auch die Dynamik des Bestandes, insbesondere die Verjüngung, konnte bei dem modellierten Verfahren aufgrund mangelnder Daten- grundlage nicht abgebildet werden. Andere Bewertungen

(15)

der Naturnähe, basierend auf der Bestockung, versuchen durch Berücksichtigung von Waldentwicklungsphasen, die Verjüngung mit zu integrieren (Stark et al., 2019), jedoch ist dieses Verfahren komplexer und erfordert eine wesent- lich detailliertere Datengrundlage, als landesweit für den Staatswald flächig vorhanden ist. Weiterführende Bewer- tungen der Naturnähe, die neben kompositionellen Fakto- ren auch funktionelle und strukturelle Faktoren wie z.  B.

Totholzvorkommen (Kunnttu et al., 2015) und Mikroha- bitate (Larrieu et al., 2018) berücksichtigen, würden die In- terpretation der Naturnähe wesentlich verbessern, sind aber für großräumige Berechnungen aufgrund der mangelnden Daten bisher nicht möglich. Somit wäre eine zukünftige Integration struktureller Parameter in landes- oder bundes- weite Inventuren sehr wünschenswert (Winter, 2012).

Die resultierenden Karten der Modellierung liefern eine flächendeckende Bewertung der Naturnähe des Staatswal- des in Baden-Württemberg und damit trotz der oben ge- nannten Einschränkungen eine wichtige Grundlage für die Naturschutzplanung. Es ist allerdings für die Zukunft sehr

wahrscheinlich, dass der Klimawandel zu einer deutlichen Verschiebung der Areal- und Höhengrenzen von Waldge- sellschaften führen wird. Diese Tatsache stellt eine Einstu- fung der Naturnähe vor neue Herausforderungen, weil die erforderlichen Referenzen, also die jeweiligen Baumarten der lokalen natürlichen Waldgesellschaften, bei veränder- ten Standortsbedingungen neu definiert werden müssen.

Für die Rolle der Naturnähe in naturschutzfachlichen Ziel- systemen, in denen eine hohe Naturnähe bisher als Aus- druck für die Wertigkeit naturhistorisch tradierter Lebens- räume interpretiert wurde, könnte diese Entwicklung einen merklichen Bedeutungsverlust mitbringen.

danksagung

Für die fachliche Unterstützung bei der räumlichen Model- lierung möchten wir Arno Röder (FVA) und Jürgen Kayser (Idama GmbH) danken. Vielen Dank auch an Dominik Cullmann (FVA) für die Bereitstellung der BWI-Daten.

literaturverzeichnis

AK Standortskartierung (1996): Forstliche Standorts- aufnahme, 5. Aufl. (Eching: IHW-Verlag).

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Referenzen

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