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BERÜHRUNGSPUNKTE (HOMO)SEXUALITÄT UND BEHINDERUNG

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BERÜHRUNGSPUNKTE (HOMO)SEXUALITÄT UND BEHINDERUNG

von Philipp Leeb

„Sprache erhält den Körper nicht, indem sie ihn im wörtlichen Sinn ins Dasein bringt oder ernährt. Vielmehr wird eine bestimmte gesellschaftliche Existenz des Körpers erst dadurch möglich, daß er sprachlich angerufen wird.“

Judith Butler: Hass spricht (1998)

Die Entdeckung des eigenen Körpers ist für jedes Kind wichtig. Je offener sich die Umgebung zu diesem Thema gestaltet, desto leichter fällt es Kindern, ihre Fragen zu formulieren. Ein schulischer

„Aufklärungsunterricht“ kann da unterstützend wirken, trotzdem ist es für Buben wesentlich mit einer männlichen erwachsenen Bezugspersonen zu sprechen. Das Wissen um männliche Sexualität ist gering, das Hauptaugenmerk liegt meist im Geschlechtsakt. Oft können Buben ihre körperlichen Gefühle nicht ausdrücken. Sexuelle Übergriffe unter Buben sind stark verbreitet und unter anderem ein Zeichen dieses „Unwissens“. Es gibt in Österreich einige Einrichtungen, die sich mit Sexualität und Missbrauch auseinandersetzen und unterstützend wirken können (siehe auch Adressen). Eine tolle Kampagne im Netz heißt „mach's mit“ und ist auf www.machsmit.de zu finden. Außerdem finden sich im Materialienteil einige nette Übungen zum Thema Körper.

Die Entdeckung der eigenen Sexualität ist auch von Geschlechterorientierung geprägt. Während in den USA viele Schulen eine Antidiskriminierungsstelle für Diversität (sexuelle Orientierung,

ethische Herkunft, religiöses Bekenntnis) haben, ist hierzulande ein Coming Out in der Schule noch ein großes Problemfeld.

Jüngere Kinder müssen sich nicht direkt mit diesen Themen auseinandersetzen, aber sie sollen schon früh lernen, dass unterschiedliche Lebensformen normal sind. Das Kinderbuch "König &

König" (siehe Materialien) von Linda de Haan und Stern Nijland wurde für das Theater von Barbara Loibnegger adaptiert. Es thematisiert die Suche eines Prinzen nach der Liebe. Nach zahlreichen Begegnungen mit Prinzessinnen verliebt er sich in den Bruder einer Prinzessin. Diese harmlose Geschichte ist bei meinen Volksschüler/innen gut angekommen und auch Kolleg/innen hatten durchwegs positive Erlebnisse mit dem Stück.

In der Online-Fotostory "total normal" (www.totalnormal.at) können sich Jugendliche mit der Lebensrealität homosexueller Jugendlichen auseinandersetzen. Im deutschen Bundesland

Nordrhein-Westfalen gibt es seit 2008 die Online-Aktion "Schule ohne Homophobie - Schule der Vielfalt" (www.schule-der-vielfalt.de), die Homophobie öffentlich thematisieren und

unterschiedliche Lebensweisen sichtbar machen möchte.

Wenn wir von Buben sprechen, vergessen wir ebenso oft, dass es auch Buben mit Behinderungen gibt. Generell werden behinderte Menschen als asexuell betrachtet (auch in ihrem biologischen Geschlecht), das geht selbstverständlich weit an ihren Bedürfnissen vorbei. Das Projekt "Bodyzone - Jungensichten-Körperbilder" der deutschen Initiative "Pfunzkerle - Jungen- und Männerarbeit Tübingen" wendet sich im Besonderen an Jungen mit körperlichen, geistigen und sonstigen Beeinträchtigungen. Das Leitziel ist "die Entwicklung eines innovativen jungenpädagogischen Handlungsansatzes im Umgang mit Körperlichkeit und Sexualität von Jungen mit Assistenzbedarf und seine Implementierung in der regionalen Hilfelandschaft, sowohl in der Behinderten- und Jugendhilfe, wie auch bei freien Anbietern" (www.pfunzkerle.de >Bodyzone). Ich führte an mehreren Integrationsklassen Bubenprojekte durch und machte mit der Integration von Buben mit den unterschiedlichsten Behinderungsformen durchaus gute Erfahrungen. Es war entspannend für sie, einmal als Bub und nicht als "behindert" (wenn auch gut gemeint) zu gelten. Da es in meinen Einheiten nicht um Lernfortschritte geht und das Tempo in spielerischer Form an alle der Gruppe angepasst wird, entstand die selbe eigene Atmosphäre, die in allen geschlechterhomogenen Gruppen plötzlich auftritt.

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“Behinderung wurde lange Zeit lediglich als physischer Defekt betrachtet; behinderte Menschen galten als geschlechtslos. Die Reduzierung von Behinderung auf individuelle körperliche Merkmale ohne Einbeziehung gesellschaftlicher Dimensionen wurde zunehmend – und in besonderem Maße von behinderten Menschen selbst – als „medizinisches Modell von Behinderung“ kritisiert und durch ein soziales Modell von

Behinderung ersetzt. Nach diesem wird Behinderung nun nicht mehr in der individuellen Beeinträchtigung, sondern in der gesellschaftlichen Reaktion darauf verortet. Behinderung wurde jedoch auch hier als scheinbar geschlechtsneutrales Phänomen betrachtet. Gleichzeitig wurde durch den Fokus auf die

gesellschaftlichen Dimensionen von Behinderung der Körper zunehmend „unsichtbar“. Behindert-Werden ist kein geschlechtsneutraler Prozess, vielmehr hat das Zusammenspiel von Beeinträchtigung und Geschlecht für Frauen und Männer in vielen Bereichen sehr unterschiedliche Auswirkungen. Mit dem Einbezug der Genderperspektive begann der Körper im Diskurs um Behinderung zumindest mittelbar eine Rolle zu

spielen. Direkt thematisiert wurde er kaum, da die Befürchtung bestand, dass man damit denen in die Hände spielen würde, die nach wie vor ein verkürztes, medikalisiertes Verständnis von Behinderung haben. Diese Ignoranz dem beeinträchtigten Körper gegenüber wird inzwischen von Wissenschaftler/inn/en der Disability Studies in Frage gestellt und das Zusammenspiel von Behinderung, Geschlecht und anderen

Diskriminierungskategorien zunehmend aus einer intersektionalen Perspektive untersucht.”

Swantje Köbsell (Behindertenpädagogin, Unversität Bremen)

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