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Schreiner, Zur Geschichte der Polemiic zwischen Juden etc

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591

Zur Geschichte der Polemik zwischen Juden und

Muhammedanern.

Von

Babb. Dl-. Martin Schreiner.

Den grossen Erschemungen der muhammedanischen Welt in

den ersten Jahrhunderten des Isläms stand das Judenthum mit

seiner Lehre, seinen schon abgeschlossenen religiösen ürkunden,

seinen ('religiösen Gesetzen und Gebräuchen gegenüber. Die enge

Berührung der Juden mit der muhammedanischen Cultur hatte

aber einen Eeichthum an mannigfaltigen Erscheinungen des ge¬

sammten Geisteslebens zur Polge , welcher der Geschichte jener

Zeit immer einen besonderen Reiz verleihen wird. Sie schuf eine

sehr fortgeschrittene Sprachgelehrsamkeit, eine wissenschaftliche Exe¬

gese , sie hatte einen grossen Einfluss auf die Behandlung der tal¬

mudisch - midraschischen Literatur , regte an zum Schafifen einer

poetischen Literatur , ja sie führte eine stufenweise Umgestaltung

des rehgiösen Denkens herbei. In der Bearbeitung aller Zweige

der profanen Wissenschaften halfen die Juden eifrig mit und waren

in den sonstigen Culturarbeiten der Muhammedaner nicht unbedeutende Factoren.

Bei diesem regen Verkehre musste natürlich häufig ein Meinungs¬

austausch über die Religion stattfinden, und in der That ist die

grosse bibliographische Zusammenstellung Steinschneiders ein

beredtes Zeugniss für die enge Berührung der Muhammedaner und

Juden. Welchen Werth die Geschichte dieser Polemik auch für

die jüdische Religionsgeschichte hat, braucht nicht besonders hervor-

1) Polemische und apologetische Literatur zwischen Muslimen , Christen und Judeu.

38*

(2)

0\)2 Schreiner, Zur Geschichte der Polemiic zwischen Juden etc.

gehoben zu werden. Es handelt sich hier nicht um die unbewusste

Aufnahme manchmal gleichgültiger fremder Elemente, sondem um

die Hervorhebung und Zurückweisung des eigenthümlich Jüdischen,

beziehungsweise Muhammedanischen.

Als die hervorragendsten Controverspuncte in der Polemik

zwischen Juden und Muhammedanern drängen sich uns auf : die Frage

der Bibelfälschung, die Prophetenlehre oder vielmehr die Prophetie

Muhammeds und ihre Anhaltspunkte in der heiligen Schrift und die

Abrogation des Gesetzes. Sie treten schon im Koran auf, denn sie

sind eine nothwendige Folge des Verhältnisses, in dem die Lehre

Muhammeds zum Judenthume und Christenthume stand und des

Verhaltens der Juden ihr gegenüber. Die Propheten und Religions¬

stifter, auf die sich die Juden und Christen stützten, wurden von

Muhammed anerkannt, daher musste ihre Lehre als abrogirt

betrachtet werden; aus demselben Grunde sollte sein Erscheinen in

ihren Schriften angekündigt sein, da aber solches von den „Schrift¬

besitzern' geleugnet wurde, mussten diese natürlich jene Schriften

gefälscht haben. Zur Geschichte dieser Puncte wollen wir im

Nachfolgenden einige Beiträge liefem, indem wir zum Theil auf

das von Steinschneider gebotene Material näher eingehen und aus

den uns zugänglichen Quellen Einiges mittheilen. Da die meisten

unserer muhammedanischen Hülfsquellen , die bisher Unbeachtetes

enthalten, nur bis auf die Zeit Maimüni's hinabreichen, beschränken

wir uns auf diesen Zeitraum, dessen Grenze auch durch die Natur

der Sache bestimmt wird.

L Traditionen.

Bei der Natur der muhammedanischen Traditionen ist voraus¬

zusetzen, dass wenn sich unter ihnen auch solche mit polemischer

Tendenz vorfinden, diese zumeist als nachmuhammedanische Polemik

in der Form von Traditionen zu betrachten sind. Wir wollen einige

hervorheben , die sich auf die erwähnten Punkte beziehen ; solche,

die das Verhältniss zwischen den „Schriftbesitzern' und Muhamme¬

danern regeln sollen oder historischen Inhaltes sind, indem sie sich

auf die Kämpfe Muhammeds beziehen, lassen wir hier ausser Acht.

In Bezug auf Sure II v. 130 theilt al-Buchärl an zwei Stellen')

im Namen des Abü Hurejra mit, dass der Prophet jene Worte bei

der Gelegenheit gesagt haben soll, da die Juden die Thora im

Hebräischen gelesen und ins Arabische übersetzt hätten. Die Juden,

welche zur Zeit Muhammeds die arabische Halbinsel bewohnten,

haben wohl kaum die Bibel auch nur mündlich übersetzt, es ist

daher wahrscheinlich, dass derjenige, der diese Tradition in Umlauf

1) Kitäb al-tafsir Nr. 11. Kitäb al-i'tisäm Nr. 25. Die Stelle hat nach al- Bagawi schon Geiger, Was hat Muhammed aus dem Judenthume anfgenommen?

!>. 21 A. 4.

(3)

Schreiner, Zur Geschielile der Polemik zwischen Juden etc. 593

setzte, die Verhiiltnisse seiner Zeit in diejenige Muhammeds zurück¬

verlegte.

An derselben Stelle ') finden wir bei al-Buchäri noch folgende

Tradition im Namen des Ibn 'Abbäs mitgetheilt: ,Wie könnt ihr

die Schriftbesitzer über irgend etwas befragen, da doch eure Schrift

später geoffenbart wurde, ihr könnet sie ausschliesslich (rein) lesen,

sie wurde nicht gefälscht, und es wurde ja euch kundgethan, dass

die Schriftbesitzer ihre Schrift gefälscht und verändert haben, diese

wurde von ihren Händen geschrieben , damit sie hierdurch einen

kleinen Gewinn erlangen können. Die Erkenntniss, welcher ihr

theilhaftig geworden seid , verbietet euch , dass ihr sie befraget ;

wahrlich , wir haben noch keinen von ihnen gesehen , der euch

darüber, was euch geoffenbart worden, befragt hätte". Die Tendenz der Tradition ist klar. Sie will den Muslimen verbieten das Porschen in den gefälschten Urkunden der Ahl-al-Kitäb. Nichtsdestoweniger

findeu wir mehrere Traditionen^), welche dafür angeführt werden,

dass das Uebersetzen der Thora und anderer geoffenbarter Schriften

in das Arabische erlaubt sei. In einer derselben wird erzählt, dass

der Prophet einst, als ein jüdischer Ehebrecher und eine Ehe¬

brecherin vor ihn geführt wurden, die Juden fragte, welche Strafe

sie über diese verhängen würden. Die Juden antworteten: sie

würden ihre Gesichter einschwärzen und sie zum Spotte auf einem

Esel iu den Strassen herumführen lassen. Hierauf liess der Prophet

die Thora bringen und die betreffeude Stelle , in der über Ehe¬

brecher die Steinigung verhängt wird , vorlesen , welche Strafe er

dann auch vollziehen liess. —■ Durch solche Traditionen wurde es

dann dera Muhammedaner erlaubt, sich mit der Bibel zu beschäftigen,

was durch eine ira Namen des Ibu 'Abbäs hiiufig angeführte

Tradition '') noch mehr ermöglicht wurde, da diese näralich die Worte

des Koräns vou der Fälschung der Schrift dahin erklärte, dass uur

die Erklärung, aber nicht der Text derselbeu gefälscht wurde.

Aus den angeführteu Traditionen ist ersichtlich, dass eiu jeder

Standpunkt deu religiösen Urkunden der „Schriftbesitzer' gegenüber

durch sie gar leicht gerechtfertigt werden konnte, wie wir denn in

dieser Beziehung die verschiedensten Urawaudlungeu beobachten

werden können.

Ein sehr helles Licht werfen auf die Natur der muhamme¬

danischen Tradition die Ueberlieferungen über die Wunder des

Propheten. Dieser verwahrte sich bekanntlich gegen die Zumuthung

solche zu vollführen , nichtsdestoweniger hat auch al-Buchäri eiue

ganze Reihe „gesunder" Ueberlieferungen *), welche von ihneu be¬

richteten. Das religiöse Bewusstsein des Mittelalters sah nur in

1) Kitäb al-i'tisSm Nr. 2.5.

2) Kitftb al-taul.iid Nr. 48.

3) Kitäb al-tauiiid Nr. 52.

4) Kitäb al-Manäl<ib Nr. 25.

(4)

594 Schreiner, Zur Gesehiclite der PoleniiJc zvnselien Juden etc.

dem Wunder einen Beweis für die Wahrheit der prophetischen

Verkündigung, der Muhammedaner konnte sich daher nicht begnügen

mit dem Wunder des Korans, es musste auch um andere „Durch¬

brechungen des Gewöhnlichen" (chawärik al - 'ädät) , wie sie die

muhammedanische Dogmatik nannte , gesorgt werden, um den Ein¬

würfen der luden und Christen, die sich auf die Wunder der

Propheten beriefen, entgegnen zu können. Der Zwang der Polemik

und ihr Einfluss auf die Erdichtung solcher Traditionen zeigt sich

klar in der /iidXiiiq Saoaxr^vov des Johannes Damascenus, deren

anzuführende Worte ') nur in einer polemischen Schrift des Theodorus

Abucara auf uns gekommen sind. In diesen Fragmenten will der

Saracene beweisen, dass, so wie es recht war, mit der Erscheinung

des Moses den Götzendienst, mit dem Erscheinen Christus' die

Lehre Mose's zu verlassen, so sei es auch recht, mit dem Erscheinen

des Mou/afiiif xr/gvTToiv tov ^ayagiafiöv das Christenthum zu

verlassen und sich der Lehre Muhammeds anzuschliessen. Wogegen

Abucara {6iä (f wvr,q 1. /I.) einwendet, dass Mose vmd Christus sich

durch Wunder als glaubenswürdig erwiesen hätten, was bei Muham¬

med nicht der Fall war. Er beraft sich darauf, dass Christus

in der „Prophetie Mose's" vorausverkündet worden sei, zählt auf

die Wunder, welche Christus vollführt hätte, und schliesst seine

Worte: „Wo ist nun euer Prophet? Es ist nicht unklar!" Die

Traditionen von den Wundern des Propheten scheinen also damals

nicht so verbreitet gewesen zu sein, denn sonst würden die Muham¬

medaner sich auf diese berufen haben. Dies wollen wir aber nur

für die Zeit des Johannes Damascenus gelten lassen, denn für die

des ein Jahrhundert später lebenden Theodorus Abucara ist es

unwahrscheinheh. Für unsere Annahme zeugt noch eine andere

Aeusserung des Joh. Dam. *). In dem Capitel , das er in seinem

Werke: De Haeresibus den Ismaeliten (Muhammedanern) widmet,

heisst es : „Wenn wir nun fragen , wie es komme , dass obwohl er

selbst (Muhammed) in eurer Schrift verbietet, irgend Etwas ohne

Beweis zu thun oder anzunehmen, ihr es dennoch unterlassen habet

von ihm zu verlangen , dass er erst selbst es beweisen möge , dass

er ein Prophet sei , dass er von Gott gesendet wurde , ferner dass

ihr es unterlassen habet ihn zu fragen, welche Schrift für ihu zeuge,

da werden sie beschämt schweigen". Es wurde also deu pole¬

misirenden Christen ursprünghch Nichts vou den Wundern Muham¬

meds erzählt.

So erscheinen ims die Ueberlieferungen von den Wundern Mu¬

hammed's, welche zumeist den Wundern der Evangelien nachgebildet

sind, als ein Product der Reflexion über die Prophetie Muhammed's,

welche durch die Polemik erweckt wurde. Trotzdem aber, dass

1) Joannis Damasceni Opera, ed. Lequion I p. 470.

2) Das. p. 11-'.

(5)

Schreiner, Zur Gesehiclite der Polemik zwischen Juden etc. 595

diese Ueberlieferungen in allen Biographien des Propheten wieder¬

kehren ') und auf die Beglaubigung durch Wunder von allen

muhammedanischen Dogmatikern das grösste Gewicht gelegt wird,

werden sie dennoch häufig als nicht genug glaubwürdig bezeichnet ^).

Das einzige Wunder , das in den Augen aller als durch die ununter¬

brochene Ueberiieferung gesichert erschien, war dasjenige des Koräns,

dessen Geschichte wir im Anhang geben.

Wir hielten es für nöthig, die Ursprünge der muhammedanischen

Propheteulehre zu zeigeu, denn die Beweise des Saracenen, welche

von Johannes Damascenus und Theodorus Abucara bekämpft werden,

kehren auch in der Polemik gegen die Juden immer wieder.

Ueber die Verkündiguug Muhammed's in der Bibel mag es

schon in der ältesten Zeit nach dem Vorgange des Koräns an Er¬

zählungen nicht gefehlt haben ^). Die Polemik in Betrelf der Abro¬

gation scheint in der Traditiou noch keinen Ausdruck gefunden

zu haben.

1) z. B. al-Nawawi, Talirtib p. ff ff.

2) So z. B. von al-6uwojni, Kit&b al-ir,säcl fi 'nsül al-i'tiUäd, Loidene Hs. (Golius 146) Bl. 77 v. o!j.^..ir,.»Jt »>ÄS> 0L5>I ÜAic

L*Li ^Jl*J! iX^flJ Lj£j.*:Ä* Q.J'^^ 'ü'-y-' ^ o^er von den bei

al-Gazali angeführten, Jhjä II p. ("fv ^ jj'läjJ! sjk^ .3^5»! ^.j!

^.j!JiJi ^y^\y J-ÄÄÄJ Sa'd b. Mansür sagt in seinem g.ASÄJ

CjLs^ubil , von dem ich mehrere Mittheilungen der Güte des Herrn Dr. Stein¬

schneider verdanke, Bl. 118 v. jAotyO CjL"*^' ^ '^■5 ^

|._jiji*J! ^/>. »Jji |J>ix oLj ^ xi! äjMiS

vXi ^^iJÜ ä3A»o 3'-^" »jW ^ ^ J>iL= ^

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U5 jjjij ^ Lej Lgj (S:Ui\ oLj^! ^ ^^^jjJUvö ^ ^Ls

L^j ^.,! bi! oL^b

3) So heisst os z. B. 'Agäni XIII p. Ifl , dass zwei jUdische Gelehrlo (j.j!jj.s») Tobba' mit folgenden Worten von der Verwüstung Medina's zurück¬

hielten: Lit^ 'i^yi^S^ LpLs BkXJuJ! »lA^ Q.C v_3>aj! üJJl^J! L.g.j!

JoA*«! ^.ö ^ r^'-f* k^'i Lijl.xi' ^5 Lry^-^ Lj-k-w!

i5^>-!! o-^Jl r./'^' CT* ^/"^ iA*s-!

! L^l jij'! ^}''^-

(6)

596 Schreiner, Zur Geschichte der Polemik zwischen Juden etc.

Hingegen finden wir üeberlieferungen ') darüber, dass die Juden,

welche beim Erscheinen des Daggäl dessen Anhänger sein werden,

von den Muslimen derart bekämpft werden , dass wenn ein Jude

sich hinter einen Stein versteckt, so wird er vom Steine verrathen

werden. Ueberhaupt werden die Juden als die Helfershelfer des

Daggäl am Ende der Tage betrachtet und daher mag auch die

viele jüdische Einwohner zählende Stadt Ispähän als der Ausgangs¬

punkt des Daggäl betrachtet ') worden sein. Es ist eine eigen¬

thümliche Erscheinung des Undankes in der Geschichte , dass die

Juden, deren einzigen Beruf man in neuerer Zeit in der treuen

Aufbewahrung ihrer heihgen Schriften erblicken wollte, der Fälschung derselben bezichtigt, und dass sie, die Schöpfer der Messiasidee, als

die geborenen Verbündeten des Daggäl betrachtet wurden.

II. Geschichtschreiber.

Es wird nicht ganz ohne Interesse sein, hier die polemischen

Bemerkungen zweier Geschichtschreiber des zehnten Jahrhunderts

vorzuführen , welche mit Recht als „Koryphäen" jener Epoche der

arabischen Literatur betrachtet worden sind '), es sind dies : der

Mu'tazihte al-Mas'üdi und al-Berüni.

Der Erstere hat mehrere Schriften, die sich mit den Ansichten

verschiedener Religionen und Secten beschäftigen *) und die späteren

Schriften ähnlichen Inhaltes als Quellen gedient haben mögen. Zur

Abfassung solcher Schriften bot der rege Verkehr zwischen Mu¬

hammedanern und den Bekennern der verschiedensten Religionen

Gelegenheit, und sie waren für ihre Zeit etwa dasselbe, was für

unsere Zeit die vergleichende Religionswissenschaft ist. Und in

der That, wenn behauptet wird^), dass es im Alterthum und im

1) (5ihäd Nr. 91.

2) Hierüber, wie auch über die Gründung der Stadt Ispähän durch die jüd. Gefangenen Nebukadnezars s. meine Bemerkungen in der R. d. E. J. XII p. 259.

Vgl. auch .Täk ü t s. v. j^jL^Aai . Hier finden wir folgende Verse des Mansftr b. Bäilän: ,,Ich bin nicht von der Stadt der Leute von Gejj, auch von keiner Judenstadt, ich habe nicht gerne ihre Männer und mag auch nicht ihre Weiher".

3) v. Kremer, Culturgeschichte des Orients unter den Chalifen II p. 422.

4) Ueber al-Mas'fldi ist das Bibliographische bei Steinschneider, Pol.

Lit. 72 {. zusammengestellt. Zu den Werken, welche über Religionen und

Secten handeln, gehören die Prairies d'or IX p. 352 erwähnten: LjLxT

iTj^i j-^i-jj ^3.^J! v'J-Äj xjljaJi ^3 iüu^t

OÜLjJ! lij-Aot (3 O^Lä_«J! , das das. p. 365 N. 6 erwähnte V-jUlT

JJiJlj i JJLnJt^ JJLU!.

5) Rcvillo, l'rolegomcnes do l'histoire des religions p. 1 ff.

(7)

Schreiner, Zur Geschichte der Polemik zwischen Juden etc. 597

Mittelalter keine An&ige einer geschichtlichen Betrachtung der

Religion gab, so muss dies in Bezug auf den Isläm dahin beschränkt

werden, dass hier zu einer Vergleichung der Religionen sich reich¬

lich Gelegenheit bot, was auch zu einer unbefangenen Betrachtung

der Religionen führte und ganz eigenthümliche Erscheinungen zu

Tage förderte. Trotzdem finden wir, dass al-Mas'üdl, der Verfasser

solcher Schriften, in seinen polemischen Bemerkungen eine nicht

eben genaue Kenntniss der Bibel zu Tage legt. Er erzählt dass

ein jüdischer Arzt, der einer Disputation in der Gegenwart des

Ibn Tiilün beiwohnte, sich erbot einem disputirenden Kopten zu

antworten. Der Kopte fragte nach seiner Religion, und als er

erfuhr, dass dieser ein Jude sei, bemerkte er, dass dieser also Magier

sei. Ueber den Sinn seiner Bemerkung befragt, erzählte er, dass

die Juden unter gewissen Umständen das Heirathen der eigenen

Tochier als erlaubt erachteten. Denn sie müssten nach dem Tode

des Bruders dessen Prau heirathen , und wenn diese zufUUig die

Tochter des am Leben gebliebenen Bruders ist, so ist er gezwungen

diese zu ehelichen. Der letztere Pall kann aber eintreten, weil bei

den Juden das Heirathen der Nichte nicht verboten ist. ,Dies

gehört aber, meinte der Kopte, zu ihren Geheimnissen, die sie ver¬

bergen und nicht verrathen. Ist nun das Magierthum hässlicber

als dies"? Der Jude leugnete es, dass solches in seiner Religion

vorkäme, oder dass nur einer seiner Glaubensgenossen davon wüsste.

Al-Mas'üdi weiss indess zu erzählen, dass Ibn fulün sich erkundigt

und erfahren habe , dass eben jener jüdische Arzt die gewesene

Prau seines Bruders, seine eigene Tochter, zur Prau hatte. Des

Weiteren erfahren wir alle Einwürfe, welche der Kopte erhoben

hat. Er sprach nämlich zu Ibn Tülün: „0 Pürst, diese da glauben,

und hier zeigte er auf den Juden, dass Gott den Adam nach seiner

Gestalt geschaffen habe*), im Buche eines ihrer Propheten heisst

es , dass er an einem Tage Gott gesehen habe , er hatte weisses

Haupthaar und einen weissen Bart '), ferner dass Gott gesagt hätte :

Ich bin verbrennendes Peuer und verzehrender Zom *), ich bin es,

der die Kinder wegen der Sünden der Väter verantwortlich macht.

Auch heisst es in ihrer Taurät, dass die Töchter Lots ihm Wein

zu trinken gaben , bis er berauscht wurde und mit ihnen Umgang

pflog, dass sie dann von ihm schwanger wurden und Kinder geboren

haben dass Müsä den Auftrag Gottes zweimal zurückgewiesen

hätte , bis der Zom Gottes gegen ihn entbrannte *). Nach ihrer

Ansicht hat Härün das Kalb verfertigt, welches die Kinder Isrälls

1) Prairies d'or, trad, par Barbier de Meynard et P. de Courteille II p. 388 ff.

2) Gen. 1, 27.

3) Daniel 7, 9.

4) Deut. 4, 24.

5) Gen. 19, 32 ff.

6) Exod. 4, 14.

(8)

598 Schreiner, Zur Geschichte der Polemik zwischen Juden etc.

anbeteten '), haben die Zauberer die Wunder , welche Müsä dem

Fir'aun gezeigt hat, nachgeahmt *), sie sprechen von den Opfern und

von dem sich Näheren zu Gott durch deren Blut und Fleisch \

sie zwingen der Vemunft ein Urtheil auf und verbieten das Denken

ohne Beweis, indem sie behaupten, dass ihre Religion nicht abrogirt

werden wird und dass kein Prophet angehört werden darf, der das,

was Müsä verkündete, verändem will, obwohl es doch nach dem

UrtheUe der Vemunft keinen Unterschied gibt zwischen Müsä und

einem anderen Propheten, wenn dieser einen Beweis für seine Wahr¬

haftigkeit beibringt Aber ihre grösste Ketzerei ist die, welche sie

mit Bezug auf den Versöhnungstag behaupten, das ist aber der

zehnte Tag des ersten Teschrin. An diesem Tage soll nämlich der

„kleine Gott', den sie Ml^atrün nennen, sich aufstellen, sein Haupt¬

haar raufen und sagen : „Wehe mir , ich habe zerstört mein Haus,

habe zur Waise gemacht meine Tochter, es ist zerstört mein Auf¬

enthaltsort, der nicht hergestellt sein^wird, bis ich nicht wieder auf¬

baue mein Haus'

Anthropomorphismus, verunglimpfende Erzählungen über bib¬

lische Personen und „die widervernünftige Leugnung' der Abrogation

sind es also, die der Kopte den Juden zum Vorwurfe macht. Dieser

soU nach al-Mas'üdl in der Gegenwart des Ahmed b. Tülün noch

vieles angeführt haben. Er disputirte auch mit Philosophen, Magiern,

Anhängem des Bardesanes, §äbiern, muhammedanischen Dogmatikem.

Nach der Ansicht unseres Autors soll er Skeptiker gewesen sein

und allen Ansichten einen gleichen Werth oder Unwerth beigemessen

haben Der Reichthum an Erscheinungen des religiösen Denkens

und Lebens, welcher in manchen Ländem des Isläms beobachtet

werden konnte, führte also manche zur Verzweiflung an der Möglich¬

keit der wahren Erkenntniss. Es ist dies eine der interessantesten

Erscheinungen, die uns in den religiösen Bewegungen dor Länder

des Isläms entgegentreten, und über die wir durch Ibn Hazm

ausführlicher unterrichtet werden. Jetzt aber wenden wir uns zu

al-Berüni, der trotz seiner nüchternen und objectiven Manier

1) Exod. 32, 4.

2) Exod. 7. 11 u. 8. m.

3) Vgl. die Verse Abu-l-'Alä al-Ma'arri's bei v. Kremer, Die berrscbenden Ideen des Islams p. 279.

4) Vgl. oben p. 594. Der Einwurf wird immer wiederholt.

5) Berächöth 3 a. Ueber Metatrou in der muhammedanischen Polemik s.

Pol. Lit. p. 353. Vielleicht gehen Ibn Hazms Angaben auf Nachrichten von al- Mas'ädi zurück. Dieser hatte während seines Aufenthaltes in Palästina mit einem Abft Katir viele Disputationen über die Abrogation der Gesetze und ühnliche Fragen. Prairies d'or IX p. 369.

6) ÜJuLc gvAaj UaJ! bo ^J)^ ^^}^s

>_^ÄJt 'yi'd^ j-^! Jl-*» >-r^>>H o*-

(9)

Schreiner, Zur Geschichte der Polemiic zunschen Juden etc. 599

nebenbei doch manche harte polemische Bemerlningen hat, die wir

vorführen wollen.

Wir finden bei ihm Aeusserungen über die Bibelf&lschung,

welcher Controverspunkt sich schon früh entwickelt hatEine

hauptsächliche Stütze der muhammedanischen Polemiker bilden hierin

die Ahweichungen der alten Bibelübersetzungen. Mit grossem

Triumphe wird immer auf sie hingewiesen, obwohl man sich jüdischer-

seits auch auf die grosse Uebereinstimmung derselben mit dem

hebräischen Texte berief. So beruft sich auch al-B6rünl den

Gematria's syrischer Christen gegenüber darauf, dass ihr Bibeltext

nicht authentisch sei, wobei er die Bemerkung macht, dass die

Stellen, welche er als Beweise fiir die Prophetie Muhammeds angeführt

hat, bezeugen können, dass in der Schrift Vieles verändert worden

sei. Die Vertheidigung der Juden und Christen mit Hülfe solcher

Berechnungen sei der schlagendste Beweis für den Irrthum derjenigen.

1) Pol. Lit. p. 320 u. f. Goldzilier in ZDMG. XXXII p. 344. 363 u. f.

Ueber die Bibelkcnntniss der Mubammedaner s. das. p. 357 u. f. Als Quellen derselben erwähnt Ibn al-Nedim Sa'adjä's und Ahmed b. Abdallah b. Saläm's Bibelübersetzungen. S. Pol. Lit. p. 413 u. f. In älterer Zeit waren es bekannt¬

lich die Berichte des Kleeblattes Abdallah b. al-Saläm (Pol. Lit. p. 110 u. f.), Wahb b. Munabbih (Tahdib p. 009. 619) und Ka'b al-Ahbär (das. p. 522 f.),

die Ibn Chaldün, Mukaddima, ed. Büläk p. Himjariten nennt, welche die

jüdische Keligion angenommen hätten , was mit der Nachricht vom Uehertritte arabischer Stämme zum Judenthume zusammenhängt. Ueber diese Tgl. Stein¬

schneider, Hebr. Bibliogr. VIII p. 17 u. ff. p. 17 Anm. 4 heisst es in einer

Stelle aus dem Adab-buche des Moses b. Esra iLc-O OJÜ

'xiliS jj^^ j^S"y^ J>ji-*ä L>j4-Jt ^^jjO. S. auch ZDMG.

XLI p. 720. Ka'b al-Ahbär wird auch von al-Nawaw! als Kurejzit erwähnt.

Bibelübersetzungen erwähnt auch al-Mas'üdi IX p 369. N. 42 besonders die des Hunejn b. Isliak nach der LXX, die des Jahjä b. Zakarjä aus Tiherias. Ueber Spuren nachsa'adjanischer Bibelübersetzungen bei Abülwalid s. Bacher, Leben und Werke des Abulwalid Merwän b. Ganäli p. 96 u. f. Ueber spätere Quellen der Bibelkenntniss der Muhammedaner werden wir noch zu sprechen kommen.

Wir fuhren noch an die Bemerkung al-Sujüti's, Muzhir I p. 153 ^LiLi

^Jlääj j^j! ^Jlc ^».>j>LxJi lVs-I jiAäj ^ liSiji^j (LuUlc (ja*?) iLkii-KAvJ! J>^i;GNS! JJii l*f KX^Jbii ^ ^(_^ ^j^y Qjl"*^' c?**^) nJU! jJU~5 jyiji\^ iitj_yjül c>~*->y5 Ä-yOjJ!j iC^Xis.*;^!

iwjjtit jL5^*J! J J-*^ Vy-^' ^ i^-)^ *^/^W

ifj\ Hä^;i Chalfa II p. 402 erwähnt dio Uebersetzungen der Samaritaner: Abft c

Sa'id und Sadaka b. Mungä.

(10)

(300 Schreiner, Zur Geschichte der Polemik zwischen Jaden etc.

die solches vorbringen und welche, „wenn wir ihnen eine Pforte

am Himmel öffneten , wo sie zu wiederholten Malen hinaufsteigen

könnten, sagen würden : „Unsere Augen sind trunken, wir sind ver¬

hext' nicht aber: „Wir sind blind der Wahrheit gegenüber')'. Er

erzählt umständlich die Sage von der Entstehung der alexandrinischen

Bibelübersetzung, welche nach der Ansicht der Christen nicht

gefälscht sein soll, während die Juden das Gegentheil behaupten

und sich einer jeden Uebersetzung der Bibel enthalten aus Furcht

vor Angriffen (in Betreff der Fälschung), was aber die Zweifel mcht

nur nicht hebt , sondem noch vermehrt. k\ - Börüni kannte also

Sa'adjä's Bibelübersetzung nicht, die, wie schon hervorgehoben wurde, durch das religiöse Bedürfniss, durch die religiösen Umwandlungen

im Judenthume , aber wie wir hier sehen auch durch polemische

Rücksichten geschaffen wurde. Al-B6rünt erwähnt noch die syrische

Bibelübersetzung und die Bibel der Samaritaner ^).

Den Messiasglauben der Juden führt er neben den Ansichten

syrischer Christen an '). Wir erfahren durch ihn , wie die Juden

die Zeit der Ankunft des Messias berechneten und wie sie sich in

mancher Streitfrage verhielten. Diese sollen die Ankunft des Messias

auf das Jahr 1335 Ae. Sei. gesetzt haben, welche Zeitrechnung

mit dem Aufhören der Opfer und der Prophetie beginnt. Sie

stützen sich hierin auf die Worte der Tnurät (Deut. 31, 18), wo

die Worte ITON iron den Zahlenwerth 1335 haben sollen *). Als

Beweis wird von ihnen noch Dan. 12, 11. 13 angeführt, wo Manche

die Differenz zwischen beiden Zeitangaben so ausgleichen wollen,

dass die erste Zeitbestimmung sich auf den Anfang des Tempel¬

baues , die zweite auf die Beendigung desselben bezöge ^). Ein

Anderer glaubte die Schwierigkeit so lösen zu können, dass die

erste Zeitangabe sich auf die Geburt des Messias, die zweite auf

seine Erscheinung bezieht.

Diese Argumente , meint al-B6rüni *), beweisen gar Nichts , da

sie sich nur auf den Zahlenwerth der Buchstaben stützen, mit dem

man ohne schwere Mühe andere Behauptungen, auch den aufgestellten

( schnurstracks widersprechende, mit gleichem Rechte beweisen kann.

So können z. B. die Worte "iTiOt* inon die Dauer der Gültigkeit

des mosaischen Gesetzes bedeuten, welche mit dem Erscheinen isä

b. Marjam's zu Ende sein sollte. Was aber die anderen zwei

1) Chronologie orientalischer Völker von al-Berftni, ed. Sachau p. 1*..

2) Ueber die Bibelüberss. in der Polemik s. Pol. Lit. p. 392.

3) p. lö.

4) Uebor T'nDN InDfl s. Pol. Lit. p. 350, ZDMG. XXXII p. 394.

Uebrigens hat der Zahlenwerth 1336.

5) In ähnlicher Weise will auch Sa'adjä eine Differenz der Jahreszahlen ausgleichen, Kitäb al-amänät ed. Landauer, p. föf .

6) p. Iv.

(11)

Schreiner, Zur Geschichte der Polemiic zwischen Juden etc. 60 1

Verse im Buche Daniel anbetrifft, so hätte ihre Zeitbestimmung

einige Beweiskraft, wenn ein Zeitpunkt, von dem aus zu rechnen

wäre, gegeben- sein würde (gleichviel ob dieser Zeitpunkt in Bezug

auf die Zeit der Verkündung ein vergangener, gegenwärtiger oder

zukünftiger ist). Dies ist aber nicht der Fall, daher muss diese

Zeitangabe durch einen neuen Beweis erst näher bestimmt werden,

um als vollgültiger Beweis gelten zu können.

Wir begegnen bei al-Berünt auch Erklärungen gewisser Schrift¬

stellen, die auf Muhammed bezogen wurden. An erster Stelle wird

von ihm angeführt Jes. 21, 7 a f '), welche Stelle aber nur dem

Inhalt nach citirt wird. ^Us» «-^^ ("nun a3"i) ist nach al-B6rünl's

Auffassung der Masih, ^^ou Muhammed und trotzdem, so

bemerkt er, dass sich im Buche Jesaia beinahe ganz klare Stellen,

die sich auf Muhammed beziehen, finden, bezöge sich nach der An¬

sicht der Juden der angeführte Ausdruck auf Moses und nicht auf

Muhammed, als hätten Moses und die ihm folgten je mit Babylonien

zu thun gehabt. Ebenso bezieht sich auf Muhammed Deut. 18, 18 ^)

„Ich werde ihnen von unter ihren Brüdern einen Propheten erstehen

lassen u. s. w.", weil unter den Brüdem der Kinder Ishäks nur

die Ismaeliten verstanden sein können, da unter den Kindem Esau's

gewiss kein dem Mose ähnlicher Prophet erstanden ist. Endlich

wird auch Deut. 33, 2') ins Treffen geführt , dessen Erklärung

durch die Muhammedaner wir schon bei Sa'adjä begegnen. — Die

Berufung der Juden auf das Gesetz über die falschen Propheten,

welche sich gegen die Annahme einer Abrogation richtete, wird

kurz abgefertigt ^).

III. Gaonen und Karäer.

Die auf uns gekommenen Nachrichten und Werke aus den

ersten Jahrhunderten des Isläms bieten uns nur ein schwaches

Bild von der Theilnahme der Juden an den wissenschaftlichen

Bestrebungen der muhammedanischen Welt. Wir hören nicht nur

von Aerzten-''), Astrologen und Astronomen 8) in sehr früher Zeit,

1) Pol. Lit. p. 329.

2) jCoUJLj '^j*^. L?»^' (j»../<iL^t j_ft.«Jt ^ alio

i-imn riDioj poi. Lit. p. 326.

3) Das. p. 318.

4) p. v..

5) S. Ibn 'Abi 'U.sejbi'a, ed. MuUer I p. Ill u. ff.

C) Fihrist I, fv!" wird der bekannte jdÜ! *Lil Le erwähnt, iüJl tLi Lo

LjJ»._j_j 3;-^ »Loooj ■'"^ ^ L^r*' CT^

Sabal b. Hisr b. Hän: oder Häjä al-Jahüdi, dessen mathematisches Werk von 4 2

(12)

602 Schreiner, Zur Geschichte der Polemiic zioischen Juden etc.

al-Mas'üdl ') hat uns die Namen mehrerer jüdischer Dogmatiker

erhalten , von denen aher Nichts auf uns gekommen ist. Diese

Nachrichten al-Mas'üdl's zusammengehalten mit anderen ^) und mit

den uns erhalten gebliebenen Werken jener Epoche zeigen uns,

dass es keiner langen Zeit bedurfte, dass die Juden die Ansichten,

welche sie durch die Geistesarbeit der muhammedanischen Welt

gewonnen, in ihrem religiösen Denken verwerthen können. Eine

ganze Reihe jüdischer, rabbanitischer , wie karäischer Mutakallimün

treten uns in den Ländern des östlichen Isläms entgegen. Dass sie

sich den damals herrschenden Ansichten der Mu'taziliten ansehliessen, ist eine leicht erweisbare und zum Theil schon erwiesene Thatsache, Sa'adjä, Josef al-BasIr sind als solche schon früher erkannt worden,

David b. Merwän b. al-Mikmäs erscheint besonders als solcher in

einem unlängst herausgegebenen Pragmente seines Kalämwerkes

in Bezug auf Samuel b. Chofin versuchte ich es nachzuweisen'').

Eine Ausnahme bildet R. Häjä Gaon, den wir aber nur durch

Moses b. Esra als Mutakallim bezeichnet linden *).

Es ist selbstverständlich, dass in den Schriften dieser jüdischen

Mutakalümün auch die Polemik gegen andere Religionen, besonders

aber gegen den Isläm Platz gefunden hat. So begegnen wir in

der That zuerst bei Sa'adjä ^) einer systematischen Polemik. Ausser

den Griechen sehr hochgehalten worden sein soll, p. fvo Sind b. 'Ali al- Jahödi , der Hofastrolog al-Ua'mün's , der dann zum Isläm übertrat. Ibn al-

Nedim fügt noch hinzu V—j'^j ^ S ^S^' ii-w-jv«^' ^j;-^ LS*-^'

Ä.JjlXJ! ^Lfi (^■y' '^r *^V>~L»-wJ! . üeber Sind b. 'Ali s. noch Ibn 'Abi 'Usejbi'ä I p. f.i , p. fvA wird von Ibn al-Nedim noch ein Jude erwähnt:

Ibn Simawejhi.

1) An der oben p. 599 A. 1 angeführten Stelle.

2) Wie z. B. die von Münk, Guide I, 462 mitgetheilte Nachricht und die von Steinschneider aus dem Kitäb al-muhädara wa-l-mudäkara gemachten Mittheilungen.

3) Im Commentar zum Sepher Jezira von R. Jehuda b. Barzilai p. 151 und ff.

4) Graetz-Frankl, Monatsschrift 1886 p. 314. Im Kitäb al-muhädara des Moses b. Esra, dessen Durchzeichnung ich durch die Güte des Herrn Dr. Stein¬

schneider benützen durfte, heisst es Bl. 102 r. pNJ bsHiO '~\ «Jii ».J.

k 2

(13)

Schreiner, Zur Geschichte der Polemik zurischen Juden etc. 603

den polemischen Stellen seiner Commentare und den Anspielungen

in seiner Bibelübersetzung ist es besonders sein Kalämwerk , das

uns seinen Standpunkt dem Isläm gegenüber zeigt. Wenn er auch

in Aeusserungen über die herrschende Religion nicht ohne Rücksicht

gewesen sein mag, so setzt er sich doch in diesem Werke mit dem

Isläm in einer Weise auseinander, die sogar auf den frühem Stand

der Polemik sehliessen lässt. Nach der Zusammenstellung Stein¬

schneider's ist aus der Zeit vor Sa'adjä nicht einmal der Titel einer

direet gegen die Juden gerichteten polemischen Schrift auf uns

gekommen. Dass es überhaupt keine gegeben habe, ist bei der

regen schriftstellerischen Thätigkeit jener Zeit, bei dem grossen

Interesse, welches die rehgiösen Controversen beanspruchten, schon

an sich unwahrscheinlich, dass es aber solche gegeben hat und

welcher Art ihr Inhalt war, zeigt uns die Darstellung Sa'adjä's,

die wir , insofern sie von Guttmann •) nicht vollständig wieder¬

gegeben wurde, vorführen, da sie durch die Angaben eines späteren

muhammedanischen Polemikers sehr wohl beleuchtet wird. Die

polemischen Stellen gibt er selbst an am Ende des achten Ab¬

schnittes : „Dies sind die Widerlegungen gegen sie , ausser dem,

was wir in Betreff der Abrogation des Gesetzes und im Capitel

über die Einheit gesagt haben, und ausser anderen Dingen die in

dieses Buch nicht gut aufgenommen werden konnten". Nun richtet

sich zwar der achte Abschnitt, wie auch Manches in seinen Auseinander-

setzimgen über die Abrogation und die betreffenden SteUen im

zweiten Capitel zuvörderst gegen das Christenthum, dass es sich

aber auch um Polemik gegen den Isläm handelt, sagt er ausdrück¬

lich *). üebrigens bedürften wir einer solchen Angabe nicht , die

Polemik ist klar imd deutUch genug. —

Auf den Controverspunkt des tasrif und tabdü stossen wir

bei ihm noch nicht, wenigstens nicht in bestimmter Weise, obwohl

die Muhammedaner im Anschluss an die betreffenden KoransteUen

diese Anklage damals schon oft erhoben haben müssen. Wahr¬

scheinUch ist die Auseinandersetzung über die „heüigen Bücher" *)

1) Guttmann, Die Religionspliilosophie des Sa'adja.

2) Kitäb al amänät wa-l-i'tiqädät, ed. Landauer p. fof.

3) Amänät p. II. iJÜt JoJ3- frf^^ji^ jj-^**

v'-*^' i3 w k*jij 8-^=»^' äjäSI

j s.J'ö! U g./*^' '^'^ ioJLiJt xJUi*Jl ^ »jSJ>\ U

s.

.^j^i Jl ^ o *.*^oJ| Ä_!l_ft_»-Jt . Im Vorhergehenden war von dan

Christen die IJodi'.

i) p. Ifo f. Guttmann, p. 146 f.

(14)

604 Schreiner, Zur Geschichte der Polemiic zwischen Juden etc.

gegen Zweifel gerichtet, die sich gegen die üeberlieferung dieser

Bücher erhoben. Klarer ist seine Polemik gegen die Prophetie

Muhammed's '), die wir aber ebenso wie den von Guttmann dar¬

gestellten ^) Theil seiner gegen die Abrogation gerichteten Beweis¬

führung hier übergehen, ünter Anderen führt uns hier Sa'adja

zehn Schriftstellen vor ^) , die von den Polemikern als Beweise für

die Möglichkeit einer Abrogation herangezogen wurden. Der erste

dieser Beweise ist, dass den Söhnen Adam's die Ehelichung ihrer

Schwestern erlaubt war*), was später verboten wurde. Sa'adjä

widerlegt diesen Beweis mit der Bemerkung, dass das Eingehen

einer Ehe mit der Schwester nie erlaubt gewesen sei und nur durch

die Noth geboten wurde. Durch das Aufhören dieses Zwanges war

auch der Grund der Erlaubniss geschwunden. Den zweiten Be¬

weis bildet die Strafe Kain's , der doch dem Gesetze gemäss den

Tod hätte erleiden sollen. Dieser sei wieder kein Beweis , lautet

die Entgegnung Sa'adjä's, weil die Todesstrafe nur durch einen

Richter der Aussage zweier Zeugen zufolge stattfinden kann, da

dies aber bei Kain nicht der Fall war, musste auch die Strafe eine

andere sein. Der dritte Beweis lautet: Mit dem Opfern wurde

Anfangs Jedermann betraut , während später dies nur Ahron und

seinen Söhnen erlaubt war, was auf eine Abrogation des früheren

Gesetzes hinweist. Dies beweist Nichts, meint S., denn zum Opfern

war nicht Jedermann bestellt, sondem das Recht dies zu thun, be¬

schränkte sich nur auf Einzelne, die dann durch Ahron und seine

Söhne ersetzt wurden. Als vierter Beweis gilt das Opfern am

Sabbat, das nicht stattfinden dürfte. Auch dies wäre, sagt S., keine

Abrogation, da die Gebote des Opfems und der Beschneidung noch

vor dem Gebote des Sabbat's vorhanden waren, vielmehr sei letzterer

ümstand geeignet die ünmöglichkeit der Abrogation zu beweisen,

da das spätere Gebot die früheren nicht abrogirt hat. Als Beweis

für die Abrogation dient auch der Befehl Gottes an Abraham seinen

Sohn zu opfern (Gen. 22, 2), der dann (V. 12) wideiTufen wurde.

Dies ist aber nicht einmal vom Standpunkte der '.^cgner ein Be¬

weis, denn Gott hat Abraham nur die Vorbereitungen zum Opfer

befohlen, und als dieser sie beendigte, sagte er zu ihm: „Genug!

Ich wollte von dir nicht mehr 1"^) Sechstens soll das Verbot

1) p. iff u. f. Guttmann p. 153 u. f.

2) p. 148 u. f.

3) p. ll"o u. f.

4) Nach Bereiith rabbä, cap. 22 fTOnb ibs nnip p yiBWi '"1 b"N

%T':p iiism Tim7:iNn in\2Ji bam in73iNm T'p nraa ^n"T^T ü^iv

'm 'i ns ttJ-'N.

5) Ob Abulwalid diese polemische Auslegung der Stelle durch Sa'adjä gekannt hat, mag dahingestellt sein. Ueber die Anführung derselben s. Bacher, Leben und Werke des Abulwalid Merwän b. (janäli (R. Jona) und die Quellen

(15)

Schreiner, Zur Geschichte der Polemile zwischen Juden etc. 605

Gottes an Bile'äm (Num. 22, 12) mit den Boten Bäläk's zu gehen,

welches dann (V. 20) widerrufen wurde, ebenfalls das Stattfinden

der Abrogation beweisen. Dagegen macht Sa'adjä geltend, dass

dies darum geschehen sei, dass Bäläk an ihn seine vornehmsten

Diener schicke und dass die Rettung von dem so zu grossem Rufe

gelangten Bile'äm um so glänzender erscheinen soll. Der siebente

Beweis der Anhänger der Abrogation, das Beispiel Hizkfjä's (Jes. 38,

II Kön. 20) ist nach der Ansicht S.'s darum nichtig, weil ihn Gott

nur ermahnen liess und da er ihm gehorchte und auf seine Er¬

mahnung hörte, begnadigte er ihn, wie wir dies auch bei den Ein¬

wohnern von Ninive sehen. Achtens beweistauch die Erwählung

der Leviten (Num. 18, 18) Nichts, da diese nur als Auszeichnung

erfolgte '), wie Gott den Menscben zum Lohne und zur Strafe er¬

hebt oder erniedrigt. So liess er Adam im Paradiese wohnen, von

wo er ihn dann wegen seiner Sünde vertrieb; so hatte er unsere

Väter in das Land Kana'an gebracht und als sie sündigten, vertrieb

und zerstreute er sie. Als neunter Beweis wird das Beispiel

Josua's angeführt (Jos. 6), der am Sabbat gekämpft haben soll.

Dem ist aber nicht so, bemerkt S., denn es wird nirgends erwähnt,

dass er an einem jeden Tage gekämpft habe, sondern die Israeliten

umgingen nur die Stadt mit der Bundeslade und stiessen in die

Posaune, der Tag der Schlacht war aber nicht am Sabbat. Als

die zehnte Einwendung wird der Umstand erwähnt, dass man sich

ursprünglich gegen die Stiftshütte richten musste, später aber gegen

Jerusalem. Dem sei aber nicht so , denn die Kibla hing nur von

der Bundeslade ab und hierin fand keine Abrogation statt.

Auf diese Aufzählung der Beweise lässt Sa'adjä ein Argument

der Gegner folgen , das diese den Brahmanen in den Mund legen.

Wenu diese sagen würden , bemerkt Sa'adjä , dass ihnen ein dem

Unserigen entgegengesetztes Gebot zu Theil geworden ist, so können

wir uns auf unsere Ueberlieferung berufen uud bei dieser verharren.

Deu Grund, warum die Ansicht den Barähima ^) iu den Mund ge¬

legt wird , gibt schon Guttmann an ^), weil diese nämlich Leugner

einer jeden Prophetie sind *).

seiner SehrifterltlärunB p. 29 und Nachtrag p. 107. Ueber die Anführung dieser und anderer Stellen bei muhammedanischen Autoren werden wir noch zu sprechen kommen.

1) Die Abrogation bestünde darin, dass den Erstgeborenen das Recht zu opfern genommen wurde.

2) Guttmann, a. a. O. p. 156 schreibt „ein Barahima".

3) Das.

4) Vgl. auch das. p. 140. S. besonders Steinschneider, Zur pseud¬

epigrapbischen Literatur, p. 42. Zu den von St. und G. angeführten Belegen

lässt sich noch Einiges hinzufügen. Ibn Hazm widmet den Brahmanen in

seinem Kitäb al-milal wa-I-nil.ial, cod. Warner 480. I Bl. 27 v. ein be¬

sonderes Capitel, dessen Anfang wir hier mittheilen. ^^^A ^^J^^ |»blXJt

Bd. XLH. 39

* 2 *

(16)

606 Schreiner, Zur Getchiehte der Polemiic zwischen Juden etc.

Derartig wareu die Beweise, derer sich Polemiker dem Juden¬

thume gegenüber bedienten und die Widerlegungen Sa'adjä's zeigen

uns, dass er ein principieller Gegner der Abrogation war ').

Im achten Capitel wendet sich Sa'adjä gegen das Christenthum.

Die exegetischen Bemerkungen, deren Spitze sich gegen den Isläm

richtet, sind schon in genügender Weise hervorgehoben worden.

Hier wollen wir noch bemerken, dass der Aberglaube über die Be-

i-X^ü |*ä>5 iUS>LJt ciy^'i >A.*j«bo yi\ jlä iJÜbUt. ■«j.uJ!

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j»iÄ*.Jt v_JlJ jl JwwwJt . Al-6uwejnt a. a. O. Bl. C7r.' J-jiaj

bUc LS>jA;s\>} otj.xJt iUPt_Jt oJo! ^5 '»J-^Jt j\js>- oLot

^^-«j 1;—**^ 0_ji_<._jt t^L5»-!^ . Der Hauptbeweis der Brahmanen besteht nach ihm darin , dass die Verkündigung des Propheten entweder auch durch die Vernunft geboten wird, in welchem Falle sie überflüssig ist, im entgegen¬

gesetzten Falle braucht sie nicht angenommen zu werden. Wir sehen , dass dor Beweis bei ihm viel bestimmter ausgedrückt wird , als bei Ibn Hazm.

Ueber Leugner der Prophetie spricht Fachr al-Din al-Rftzi, Mafätih al-gejh IV, 18 und 128. Eine etwas abweichende Beweisführung hat al-Nasaf

»AjJic ed. Cureton p. 15. S. auch al-'igi p. 182 fl.

1) Die von Sa'adjä erwähnte Ansicht (Amänät p. Ifl , Guttmann p. 149 ff.), dass jede Erklärung eines Gesetzes dieses genau bestimme und dass also beim Mangel an einer jeden Bestimmung das Gesetz ewig sei , finden wir wieder in einem wahrscheinlich einem Werke des Jeschu'a b. Jebuda entnommenen Citate bei Ahron ben Elia, Ez Chajim p. 17^.

t, 2 *

(17)

Schreiner, Zur Geschichte der Polemiic zwischen Juden etc. 607

deutung des am Grabe eines Verstorbenen geschlachteten Kameeies,

den er erwähnt '), sich auf die Todtenopfer der Araber bezieht '^).

Die Bemerkungen Sa'adjä's zeigten uns die Polemik des rabba¬

nitischen Dogmatikers. Nun mögen hier folgen einige Bemerkungen

eines karäischen Schriftstellers, dessen Schriften, trotzdem dass sein

Zeitalter mit einem Jahrhundert herabgedrückt wurde '), zu den

ältesten Quellen der Geschichte des Kaläms gehören, Josef al-Baslr's Wir gehen nur auf einige Aeusserungen ein, die auf sein Verhältniss

zum Isläm Licht zu werfen geeignet sind. Eine solche enthält das

erste Stück , das wir in den Textbeilagen mittheilen ^) und das

auch in anderer Hinsicht interessant ist. Nachdem er bewiesen,

dass das Nachdenken über die Beweise der Propheten eine Pflicht

sei, und sich auf Num. 16, 28. 30. als auf eine Aufforderung zu

solchem Nachdenken berufen hat, fUhrt er fort: ,Wir haben schon

an einer anderen Stelle erklärt den Weg zur nothwendigen Er¬

kenntniss ") der Wunder Mose's und dessen, dass die Schrift, welche

wir besitzen, von ihm herrühre, femer dass die Erkenntniss seiner

Auserwählung in der Erkenntniss überhaupt inbegiiffen und dass

das Festhalten an dem, was seine Religion enthält, nothwendig

sei, da er sie für ewig erklärte, ja wir wissen durch seinen Zweck

1) P. n.

2) S. Goldziher, Le culte des ancetres et le culte des morts chez les Arabes, in der Revue de l'histoire de religions 1884, II p. 343 ff. Vgl. auch al-äarastfini, ed. Cnreton II p. 439.

3) Harkavy, Studien und Mittheilungen III p. 46.

4) Pol. Lit. p. 346, vgl. bes. p. 103. S. auch Frankl, Beiträge zur Litteraturgescbichte der Karäer, im 5. Bericht der Lehranst. f. d. Wiss. d.

Judenthums in Berlin.

5) Die in Beilage I mitgetheilten Stücke sind aus meiner Abschrift der im Besitze des Herrn Prof Kaufmann befindlichen Handschrift des Kitäb al- muhtawi, Uber die Frankl in der erwähnten Schrift Bericht erstattet hat Die erste Stelle ist in der hebräischen Uebersetzung von Steinschneider, Catal. Lugd.

p. 172 und von Frankl in der Monatsschrift für Gesch. und Wiss, d. J 1871 p. 118 mitgetheilt worden.

6) Der ältere Kaläm kennt folgende Eintheilung : ^ .L.w-i! ,

^ij^Jl jjljiit und ^ ■ vr ^ 'I jJLjJi nothwendige, Vemunft —, und erworbene Erkenntniss. Die ersten zwei Arten der Erkenntniss unterscheiden sich darin von einander , dass hei der ersten derselben die Sicherheit der Erkenntniss auch durch die zwingende Kraft der Sinneseindrücke gestärkt wird, was bei der letzteren nicht der Fall ist. Zur dritten Art der Erkenntniss gelangen wir durch Nachdenken. Aber auch diese Eintheilung zeigt schon eine spätere Ent¬

wickelungsstufe der Erkenntnisslehre (wenn wir sie so nennen können) der Mutakallimün. Ibn Hazm II Bl. 222 r. erwähnt zwei Ansichten. Nach der Einen entsteht alle Erkenntniss durch ^l^.tl in\ , nach der Anderen durch

\_>w>MÄj't.

S9*

(18)

608 Schreiner, Zur Geschichte der Polemik zwischen Juden etc.

nothwendigerweise dessen Fortdauer ^) und dass er sich mit ihr

nicht nur an die Gegenwärtigen wandte, sondern das Verhältniss der

Späteren ist hierin dasselbe , wie das seiner Zeitgenossen , was wir

schon in einer besonderen Abhandlung dargethan haben. Wenn

ein Anderer die Eeligion Mose's abrogirt hätte, müssten wir noth¬

wendigerweise zur Erkenntniss seiner Zeichen gezwungen werden,

da aber uun dieser Zwang nicht vorhanden ist, scbliessen wir, dass

sie für uns noch immer nothwendig und verpflichtend sei ''). Was

dieses unser Buch bttrifft, obwohl es den Titel des „Umfassenden

der Wurzeln der Rehgion" führt, zu welchen auch die Wurzeln

des Fikh ^) iu deu Gesetzen und die Eintheilung der Gebote ge¬

hört, haben wir uus dennoch auf die erwähnte allgemeine Bemerkung

beschränkt aus Furcht vor Langwierigkeit und dass wir das Ziel

aus den Augen verlieren könnten. Wir haben übrigens in unserem

„Sefer ha-misw6th", das wir zu beendigen hoffen, darüber gehandelt.

Das Buch ist aber eine Detaüirung desseu, was wir hier im All¬

gemeinen erwähnt haben, weshalb wir also iu diesem Buche die

Art und Weise der 'Usülbücher nicht verlassen. Was die Wunder

Mose's anbetrifft, haben wir sie im „Buche der Hülfe" und auch

anderswo behandelt". Aus dieser Stelle geht hervor, dass der Ver¬

fasser auch gegen die Anklage der BibelfUlschung polemisirt hat (denn dies sollen die Worte ;^J| IwJlXSÜI \ö>^ ^^yiu^ bedeuten), nicht nur

gegen die Abrogation des Gesetzes. Seiu Hauptbeweis in letzterem

Punkte scheint geweseu zu sein, dass der Glaube an die Prophetie

Mose's, der auch den spätesten Geschlechtern zur Pflicht ward , in

deu von ihm vollführten Wundem zwingende Gründe hatte , die

nur durch ähnliche Grüude aufgehoben werden können. Dass er

nur von Mose spricht, und zwar ohne seinen Namen zu erwähnen

(er thut dies im ganzen Buche), so dass er bei ihm zum „Propheten"

schlechthin geworden ist, können wir mubammedanischem Einflüsse

zuschreiben *). Man wollte eben dem „ausgezeichnetsten" Propheten

der Muhammedaner eine hervoiTagende Gestalt entgegenstellen uud

mau that dies unbewusst dem den Isläm schaffenden Propheten

1) Wir lesen mit dem Uebersetzer 8^!..*Ä«I, trotzdem dass die HS. deutlich

I hat.

2) Mach dieser Stelle geurtbeilt scheint Ahron b. Klia auch unter dem Einttusse unseres Autors zu stehen in seiner polemischen Auseinandersetzung Ez Chajim p. 174 ff.

.S) Die Uebersetzung ^T^bm ^*py scheint auf einer schlechten Losart

zu beruhen Wahrscheinlich las der Uebersetzer anstatt npD3N das Wort

npbrri .

4) Diesem Einflüsse begegnen wir häufig in don Dezoichnungen Mose's.

S. Steinschneider, Ma'iimar ha-jichud p. 2.5. Bei Sa'.idja ÄÄjJL^^I vgl. dieso Zfitsehr. XXXV p. 775.

(19)

Schreiner, Zur Gescliiehte der Polemik zwischen Juden etc, 609

den eigenen Gesetzgeber entgegenstellend. Unser Dogmatiker ging

hierin so weit, dass er über seine Wunder in einem Buche beson¬

ders handelte, welches auch die übrigen polemischen Abhandlungen

enthielt , im „Kitäb al-isti'äna' , das wir nun in die Reihe der

Schriften unseres Autors ') fügen können. Eigenthümlich scheint

uns die Bemerkung, dass die „Wurzeln der Religion" die „Wurzeln

der Gesetzeskunde und die Eintheilung der Pflichten" in sich

scbliessen, wenn dies nicht der Ausdruck einer freien, individuellen Auffassung ist, ohne dass ihr eine übliche bei den Muhammedanern

geläufige Eintheilung oder Abgrenzung der Wissenschaften zu Grunde

läge. Pür das Letztere spricht die Bemerkung, dass der Verf sich

nicht von der Art der 'Usülbücher entfernen will. Bemerkeuswerth

ist noch, was er von seinem S. ha-misw6th sagt, das er noch nicht

beendet hatte uud wie wahrscheinlich auch seine übrigeu Werke

Abschreibern dictirte.

Die zweite von uns mitgetheilte Stelle bietet vielleicht noch

mehr Interesse. Wir sehen hier, wie die Lehre der Mu'taziliten

von den Begehern der Hauptsünden vom karäischen Dogmatiker

im Judenthume angewandt wird. Aber sie zeigt uns auch sejne

Stellung Andersgläubigen und Ketzern gegenüber. Es würde uns

hier zu weit führen , wenu wir die Geschichte jenes wichtigen

Capitels im I'tizäl behandelten ; wir beschränken uns daher nur auf

einige Angaben. Schon von Wäsil b. 'Atä' wird berichtet^, dass

er diejenigen, welche eine grosse Sünde begingen, weder als Gläu¬

bige, noch als Ungläubige betrachtet wissen wollte, wodurch er sich

ebeu von seinem Lehrer entfernte uud worin ihm 'Amr b. 'Ubejd

beistimmte. Die Lehre erbte sich fort und wurde später als die

Ansicht der Mu'taziliten schlechthin betrachtet. Gauz bestimmt

erkennen wir den Standpunkt der Parteien durch die Auseinander¬

setzung Ibn Hazm's ^) , der wir entnehmen , dass Mu'taziliten und

1") Frankel, Kin mu'tazilitischer KalAm (Sitzungsberichte der Kais. Akad.

in Wien LXXI) p. 175 u. f. Dass das Buch von Josef al-Basir abgefasst wurdo, zeigt deutlich unser Text. Bei Steinschneider, Cat. Lugd. p. 172 heisst es

IpiJiT tos: nn-'wo yinTi •'Va -^Eon nx ni£p72 ti-idt nas ■'ini

nrixynoNbN iNnpn ncsa -iN-'a (»^) bs. Das stück von iprm

ab scheint eine spätere Verbesserung sein zu wollen.

2) Ibn Challikan IV p lt"!* . Ausführlicher wird dio Frage besprochen Mafätih I p. O.t" u. ff. II p. I.a III p. Iva und r.O VII p. vll . S. auch al-Na¬

saf i a. a. O. p. 24.

3) II Bl. 20 b |,^X>-. |^v.*JLw.*J! iU*«wJ j. j.^lxJ!

^\ ^A ._ÜlXJI j ^J.\^\ ^L;i>t lX.«j^ yi\ 'j^i ' !).i>^i! j

P

t.*i> |J>**J |*J q'» qUj^II J-slJ ^y^yA yS" i;._L:>-^..*J! ci^Jjü ^^Aa

(20)

610 Sehreiner, Zur Geschichte der Polemik zwischen Juden etc.

Sunniten den Hauptsünden Begehenden als Ou^li betrachten und

die Abweichung besteht nur darin, dass jene ihn weder als Gläu¬

bigen, noch als Ungläubigen überhaupt bezeichnet wissen wollen,

während diese ihn als unvoUkommenen Gläubigen betrachten.

Nun ist Josef al-Basir der Ansicht, dass das Gebot der Schrift

(Lev. 19, 18): „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst', wie auch

das Gebot der Zurückerstattung verlorener Gegenstände (Deut 22, 1

u. f.) nur orthodoxen Bekennern der Lehre Moses gegenüber Geltung

habe '), wobei es auch öffentlich erkennbar sein muss , dass sie

Rechtgläubige seien, denn nur solche führen den Namen eines

„Bruders". Einem solchen gegenüber, von dem es bekannt ist, dass

er grosse Sünden begeht, durch die er Pluch und Ausweichen

(si-!.>.JIj verdient, sei nur das Wort des Psalmdichters anzuwenden (Ps. 139, 21): „Deine Hasser, o Ewiger, hasse ich u. s. w.". Dies

beweist auch der Umstand, dass das Gesetz von dem Hüten des

fremden Eigenthums nicht von der Vemunft geboten wird Daher

muss es auch nur einem Solchen gegenüber gehalten werden, der

sich öffentlich als Rechtgläubiger bekundet, nicht aber den grossen

Söndem gegenüber. In Betreff der Ashäb al-Kabä'ir „unter den

Völkem' haben die Dogmatiker behauptet, dass sie eine dritte

Stelle einnehmen, weder die Stelle des Gläubigen , dem Hülfe und

Rettung zu bringen eine Pflicht ist, noch die Stelle eines Ungläu¬

bigen, der nicht zum Ahl al-Kitäb gehört, den man fliehen muss,

sondern er wird verflucht und man entfernt sich von ihm, aber er

wird im gemeinsamen Begräbnissorte bestattet. Anders verhält es

sich natürlich in Betreff der Ahl al-Kitäb , von denen die Gizja

(Kopfsteuer) genommen wird, die aber im Uebrigen in den Verhält¬

nissen gelassen werden, die von ihrem Buche bestimmt werden, wie

z. B. die Christen und Andere *). Die an der dritten Stelle stehenden

werden nun genannt, die weder Gläubige noch Ungläubige

^ i^jlXJ! ^.,1/ 'iJjXx*l\ oJüsj ... Jas j« ij^m*^ JaJi-s

£

xÄjsvi'Lk» W-^'l:>-\^ UsUy« bij \S\S U^oy..« jj^aJ Ui^Ls j^^-^^

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y e^J^^ cri?'" y^ jjLsbaJ! ^ ^jf:*^ '„oÄJ! ^^.,15

tL^Jl. V-jLsUa! Jw?f w*.^3} woJJl aJÜJ

.gJt i^.jUjbi! (^S'J i^AyA ä-»>XII >_Jt5>-LO 1) Eine karäisctie Farm des Gesetzes de baeretico comburendo.

2) CjL^jl»« sollen nämlich nur solcheu gegenüber gehalten werden , die ihnen anhängen.

3) Das SchamgelUhl zwingt ihn, nicht seiner Glaubensgenossen zu erwähnen.

(21)

Schreiner, Zur Geschichte der Polemiic «wischen Juden etc. Q\\

sind. Es ist nun nicbt unmöglich, fährt Josef al-Basir fort, dass

sich die Sache auch bei uns so verhält, so dass das Gesetz der

Nächstenhebe durch das Gebot des Fluches des grossen Sünders

aufgehoben wird, trotzdem dass dieser in den Wurzeln mit uns

vollkommen übereinstimmt Wenn dies Letztere nicht der FaU

ist, so wird derselbe als Ungläubiger betrachtet, was insofern nicht gleichgültig ist, da wir finden, dass man im Schlachten der Thiere,

in der Bestattung der Leichen u. a. m. mit den Ungläubigen nicht

gemeinschaftliche Sachen haben darf. Indess begräbt das Volk einen

Glaubensgenossen und folgt seiner Bahre, wenn man auch nicht

weiss, ob er von seinen Sünden zurückgekehrt ist, aber man ent¬

femt sich ganz von denen, die ihre Ketzerei offen zur Schau tragen.

Den Götzendienern gegenüber geziemt es sich, sich zu hüten ihnen

irgendwelche Hülfe zu leisten oder gar bei ihren Opfern ihnen

behülflich zu, sein. Wir finden das hierauf bezügliche Gebot in der

Schrift auf die „sieben Völker" angewandt und in einer Weise be¬

gründet ^) , welche uns zu herbeiziehenden und ausscbliessenden

Schlüssen zwingt*). Es ist die Stelle (Deut. 7, 4): „Denn er wird

verführen deinen Sohn von hinter mir". Und da das Schriftwort

nicht fordert, dass man auch mit anderen Völkem im Kriege in

ähnlicher Weise verfahre, befiehlt es, ihnen Frieden anzubieten und

wenn dieser nicht angenommen wird, sie zu bekriegen, alles Männ¬

liche zu tödten, die Frauen und Kinder gefangen zu nehmen.

Femer sagt uns das Wort der Schrift, dass wenn wir von den

Gefangenen ein Mädchen schön finden, so können vnr sie nur unter

den Deut. 21, 10 fif. erwähnten Bedingungen zur Frau nehmen.

Man halte uns nicht entgegen das Beispiel Salomo's, der die

Tochter Pharao's ehelichte, denn hiervon heisst es ja (Nehem. 13, 26):

1) Ibn Hazm II Bl. 28 a JoL^ j vJLsÜ! ^ (>^^ ^■f? l^Lä}

U*i jil^ f- xJÜS oU>o j vjtlii ^1^ obLäOc^t

.iJt ^JfuJjs O*^' ^' ^^"^^ Gazäli, Ihjä' 'ulüm al-din, ed. Büläk

II p. lof u. f., p. lov hat er fulgende Aeusserung: bl JoLs ^^^amS L«!^

ö^iil! vJL;^! j^J! JiÄ^b J j-Jij^ü!^ tS£. (jaLcbSU bS! bjI^j! -^y^,

^J^blt» uJbJLc^ uiL^ic ^bLJl ^5Li löLi |.bL.«JLj iL*^"Lä*J! '^y^i

.gJ! iJli\yA^ xäUümj \ÄLJLi^ ^ ._sXJt

2) Ueber J.,«)l>j als Terminus in der Gesetzeskunde s. Goldziher, Die Zähiriten p. II. .

3) Er will also das Gebot in gewissem Sinne auch zu seiner Zeit An¬

gewandt wissen.

(22)

612 Schreiner, Zur Gesehiclite der Polemik zwischen Juden etc.

„Dieserwegen sündigte Salomo u. s. w." Dass aber Esra nicht nur

das Heirathen von Samaritanerinnen *) verbot, sondern auch die

Entlassung der schon geheiratheten forderte , kann nur für die

Wahrheit unserer Behauptung zeugen. Auch das kann uns nicht

entgegengehalten werden , dass Bö'az die Rüth zur Frau nahm, da

dies schon nach ihrer Bekehrung geschehen ist ^). Was aber das

von einem grossen Sünder geschlachtete Vieh anbetrifft, so ist es

zu essen erlaubt , wenn er an Gott und an seine Attribute glaubt.

Wir haben aber, setzt noch hinzu Josef al-Basir, in der „Abhand¬

lung über das Fleisch" ^) auseinandergesetzt , dass es nicht erlaubt

sei von dem durch einen Einheitsbekenner unter den Völkern (ab¬

gesehen von den Gottesleugnern) oder durch einen Gottes- und

Prophetenleugner geschlachteten Viehe zu essen, sondern es ist als

Verbotenes zu betrachten

Josef al-Basir unterscheidet also folgende Kategorien; die der

Gottesleugner und Ketzer, die man fliehen muss, deren Bahre man

nicht begleiten darf und deren geschlachtetes Vieh zu essen nicht

erlaubt ist; die der Ashäb al-Kabä'ir, von welchen, wenn das Vieh

geschlachtet wird *), dies zu essen erlaubt ist, denen gegenüber aber

das Gebot der Nächstenliebe keine Geltung hat. Diese sind weder

als Rechtgläubige , noch als Ungläubige zu betrachten. Die dritte

Klasse endlich bilden diejenigen, welche rechtgläubig sind und hier¬

von auch öffentlich Zeugniss ablegen. Bei den Muhammedanern

stehen zwischen den Ungläubigen und den Ashäb al al-Kabä'ir die

Ahl al-Kitäb. Aus Seinen Bemerkungen über das Verbot der Ehe

mit Frauen anderen Glaubens, wie über das von Muhammedanern

geschlachtete Vieh geht hervor, dass Beide von manchen Karäern

seiner Zeit als erlaubt betrachtet wurden "), wie auch dass er hierin eine ziemlich schroffe Stellung nahm.

IV. Ibn Hazm.

Die ältesten Berichte über das jüdische religiöse Denken iu

Spanien"), insofern es sich in der Polemik offenbarte, findeu wir

1) Nach Nehem. 13, 28.

2) Er scheint also auch liierin auf thatsächlich vorhandeno Verhältnisso seiner Zeit anzuspielen , was solche Angaben , wie die des gaonai.-iclieii Kespon- sums p"i£ ^"lyü ed. Saloniki Ul. 24 a sehr wahrscheinlich inachon.

.0 Vielleicht ein Capitel .seines Soplior ha-mi>wöth.

4) A'gl. Pol. Lit. p. 333. Den Schluss unsoror Stelle lülirt an Frankl a. a. 0. p. 8.

5) Eine Abweichung von den Rabbaniten. Es ist auch nicht ausser Acht zu lassen, dass die Mu'taziliten in ilirem Kreise ebenso urtheilten.

I'O Vpl. l'insker, Likkute Kadinrniijöth p. 32 Anm.

71 Ik'i Ibn Ahdi Kabbilii, Kitäb al-'ikd ed. lJiiläl< I p. finden wir eine Aeusserung des Mälik b. Mu'äwija, in der or zwischen dou .Juden iiiiiI lion Kawäliri einen Vergleich anstellt. Das. III p, llv werden einige Verse

(23)

Schreiner, Zur Geschichte der Polemiic zwischen Jvden etc. 613

im Buche Ihn Hazm's *) über die „Religionen und Secten'. ■ Das

Werk ist für die Geschichte der muhammedanischen Dogmatik von

höchster Wichtigkeit und so bietet es auch Vieles, wodurch manche

Ansichten und Aeusserungen jüdischer Denker in das gehörige Licht

gesetzt werden. Hierzu dürfen eben die ParaUelen nicht aus dem

ersten besten, vielleicht aus secundären oder tertiären Quellen

schöpfenden Buche über „die Religionen und Secten" oder Kaläm-

werke herbeigezogen werden, sondern die betreflFende Frage muss

auf Grund aUer uns zugänglichen Quellen in ihrem dogmengeschicht¬

lichen Zusammenhange betrachtet werden, nur dann dürfen wir die

Zeit und Art des Einflusses genauer bestimmen. So können die

Auseinandersetzungen Ibn Hazm's über die Prophetie einiges Licht

auf Aeusserungen jüdischer Religionsphilosophen werfen. Er geht

davon aus, dass nur Wunder für die Wahrheit des Propheten zeugen

können. Es seien aber hierbei zwei Momente zu beachten, nämlich

dass die Wunder, welche in der Veränderung der Substanz und

Art einer Sache bestehen müssen, in Wahrheit geschehen und die

Berichte über sie in glaubwürdiger Weise überliefert worden seien

Dies wird nun auf die Prophetie Muhammeds angewandt und er¬

gänzt mit der Beweisführung dessen, dass er der letzte der Pro¬

pheten sei. Die Wahrheit seiner Verkündigung wird nicht nur

durch das Wunder des Koränsbestätigt, das nur die Kenner des

Arabischen begreifen, sondem auch durch das Zeugniss der Taurät,

deren mehrere Stellen sich auf die Prophetie Muhammed's beziehen.

Ibn Hazm, der in der Tahrif- und Tabdil-Prage eine extreme Stel¬

limg einnimmt und in der Anführung dogmatischer ^) , geschicht¬

licher und geographischer Bedenken gegenüber den biblischen Er¬

zählungen unermüdlich ist, verschmäht dennoch nicht das Zeugniss

der Taurät und führt an die Stellen, welche sich auf Muhammed

beziehen sollen. Nach Deut. 18,18. 33,2 folgt noch der Traum

Nebukadnezar's (Dan. 2, 29 flF.) , indem unter dem Stein , der die

ganze Welt erfüllt, Muhammed zu verstehen sei, der die Völker

trotz der Verschiedenheit ihrer Sprachen, Religionen, Reiche und

Städte unter eine Sprache und Religion gebracht hat und sie zu

einem Volke und Reiche gemacht hat. Der Stelle aus dem Buche

Daniel begegnen wir hier zum ersten Male in der Polemik und

wir werden sie noch angeführt finden, die übrigen Stellen kennen

eines Juden angefülirt, in denen or sich entschuldigt, am Hagg, zu dem er durch 'Ali b. Däwüd eingeladen wurde, nicht theilnohmon zu können.

1) S. übor ihn Pol. Lit. p. 22 uud 99. Goldziher, Die Zähiriten p. 116 u. ff., wo die Bedeutung dos Mannes in der Geschichte des Fikh und

des Kaläms eingehend gewürdigt wird. Die polemischen Bemerkungen Ihn

Hazm's in Betroff der Bibolfälschung sind ebenfalls von Goldziher mitgetheilt worden ZDMG. XXXII p. 36.S ff.

2) Vgl. unten p. 628.

3) S. Anhang.

4) S. unten p. 634 Anm. 2.

(24)

614 Schreiner, Zur Geschichte der Polemiic «ünschen Juden etc.

wir schon in dieser Anwendung durch die Anführungen Sa'adjä's

und al-B^rünl's.

Das meiste Interesse beansprucht für sich die Abhandlung

über die Abrogation. Die Juden, so berichtet Ihn Hazm, sind in

Betreff dieser Frage getheilter Meinung, die Einen leugnen die

Möglichkeit einer Abrogation, die Anderen geben diese zwar zu,

doch soll sie nach ihnen nie stattgefunden haben. Den Haupt¬

beweis der Leugner einer Abrogation bildet die Annahme der Un¬

möglichkeit dessen, dass Gott etwas gebiete und dann wieder ver¬

biete, wogegen nun I. H. in seiner gewohnten Weise losfUhrt. Gegen

diesen Beweis, meint er, sprechen sämmtliche Offenbarungen Gottes

in dieser Welt , denn er verleiht Leben den Lebenden , nimmt es

von ihnen und giebt es ibnen wieder zurück '); er nimmt weg die

Herrschaft eines berühmten Volkes, emiedrigt es und erhebt es

dann wieder *). Er verleiht edle und unedle Eigenschaften , wem

er will, und kann über seine Handlungen nicht befragt werden, aber

seine Geschöpfe müssen Rechenschaft ablegen.

Gegen diese Lehre der Juden spricht auch der Umstand, dass

wenn sie von Heiden bedrängt würden, wäre das Tödten derselben

erlaubt; wenn diese nun ihren Glauben annähmen , so würde dies

verboten werden, welches Verbot ira Falle gewisser Gesetzesüber¬

tretungen wieder aufgehoben wird. „Ebenso verhält es sich mit

allen ihren Gesetzen, denn diese gebieten eine bestimmte Handlung

für eine bestimmte Zeit , und wenn diese Zeit vorüber ist , wird

auch das Gebot aufgehoben. So ist z. B. bei ihnen die Arbeit am

Freitag erlaubt, verboten am Sabbat, am ersten Tage wieder erlaubt

und so verhält es sich auch mit den PasttagenOpfem und allen

übrigen Gesetzen. Dies ist aber die allerwahrhaftigste Abrogation,

die sie leugnen, denn Abrogation ist Nichts anderes, als dass Gott

für einen bestimmten Zeitraum etwas gebietet, nach dessen Ablauf

die gebotene Handlung wieder verboten wird, wobei es ganz gleich-

gütig bleibt, ob Gott den Zeitraum im Voraus angegeben hat oder

nicht". Ein anderes Argument Ibn Hazm's ist folgendes : alle Juden

behaupten, dass die Religion Jakob's nicht die Mose's war, so

dass Jakob Lea und Rachel die Töchter Laban's zugleich heirathete,

während dies durch die Religion Mose's verboten wurde. Ebenso

war die Mutter Mose's die Vaterschwester seines Vaters , die der

Letztere nach mosaischem Gesetze nicht hätte heirathen dürfen.

Dies Alles zeugt für die Möglichkeit der Abrogation, wogegen nicht

eingewendet werden dürfe, dass wenn Etwas früher erlaubt war

und dann verboten wurde, dies nicht als Abrogation zu betrachten

sei, denn es ist nur Sophisterei, einen Unterschied zu machen

1) Den Beweis erwähnt Sa'adjä, Amänät p. Ifl . 2) Aehnlicli ist der vierte Beweis bei Sa'ai^ä p. lt". . 3) Der dritte Beweis des Sa'adjä, das.

(25)

Schreiner, Zur Geschichte der Polemiic zunschen. Juden etc. 615

zwischen Erlaubtem, das dann verboten, und zwischen Verbotenem,

das dann erlaubt wurde. Beides, meint Ibn Hazm, enthält eine

Sinnesänderung Gottes. — Femer beweist der Fall der Gibeoniten,

dass ein früheres Gebot Gottes, nämlich alle sieben Völker in

Palästina auszurotten, in Bezug auf die Ersteren abrogirt wurde.

Ein überaus starkes Beispiel der Abrogation bietet die Erdichtung

der Taurät, dass Gott zu Mose gesprochen haben soU'): „Wahr¬

lich , ich werde dieses Volk ausrotten und dich über ein anderes,

mächtigeres setzen", worauf Mose so lange zu Gott flehte, bis er

den Kindem Israel's vergab. Auch im Buche Jesaia's heisst es,

dass Gott am Ende der Zeiten für sein Haus von den Persern

Diener nehmen wird '^), was mit dem Gebote der Taurät in Be¬

treff des Dienstes der Leviten, die selbst noch in einer gewissen

Ordnung im Tempel den Dienst verrichten durften, nicht vereinbar

ist. In Wahrheit aber verkündete Jesaia den Isläm.

Dies sind die Beweise, welche I. H. für die Abrogation aus

der Schrift anführt und mit denen er den Leugnern derselben ent¬

gegnet. Wir sehen, dass das Alter eiidger dieser Argumente noch

weiter hinaufreicht. Dann wendet er sich gegen diejenigen, welche

zwar die Möglichkeit einer Abrogation zugeben, aber leugnen, dass

sie je stattgefunden habe, und bemerkt, dass derselbe ümstand,

welcher sie an Mose zu glauben bewegt , nämlich die Wunder, sie

auch zum Glauben an Muhammed zwingen muss. Gegen dieselbe

Beweisführung sehen wir schon Sa'adjä polemisiren'), den Kopten

des Ibn Tülün sich ihrer bedienen, ihren ürsprung haben wir auch

schon beleuchtet. Bei Ibn Hazm hören wir zum ersten Male von

Juden, welche die Möglichkeit der Abrogation zugaben und zu denen

später auch Abraham b. Däwüd gehörte.

Ibn Hazm, der ia einem christhchen Lande einen recht tüchtigen

Ketzermeister hätte abgeben können, haben wir auch einen Bericht

zu verdanken, der uns über eine der bemerkenswerthesten Er¬

scheinungen des mittelalterlichen religiösen Denkens Aufschluss gibt.

Es ist dies das letzte Capitel seines Bnehes über die .Religionen

und Secten", welches den Titel: „Abhandlung über diejenigen,

welche die Gleichheit der Beweise behaupten *)' führt. Natürlich

werden hierunter Skeptiker gemeint. Dass es solche schon vor

Ibn 9azm gegeben hat, ist eine sehr interessante Thatsache der

1) Exod. 32, 10. Weitläufiger setzt er sich mit der Stelle auseiuander 1 BI. 64 r.

2) Jes. 56, 6.

3) Amänät p. it*'!'. Guttmann p. 153.

e

4) ÄJobi! ^jilXXj i5Ls ^^^^ |.bLXJ! . Bei al-Mas'ftdi heissen sie f

k.-^*tX*jt _yilXÄJ li'li ^A.

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