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DFG Sonderforschungsbereich 700 Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit - Neue Formen des Regierens?

DFG Research Center (SFB) 700 Governance in Areas of Limited Statehood - New Modes of Governance?

Ein Beitrag aus dem Teilprojekt A1

Sonderforschungsbereich 700 (Hrsg.)

Grundbegriffe

SFB-Governance Working Paper Series • Nr. 8 • Oktober 2007

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DFG Sonderforschungsbereich 700 Freie Universität Berlin

Alfried-Krupp-Haus Berlin Binger Straße 40

D-14197 Berlin Tel.: +49-30-838 58502 Fax: +49-30-838 58540

E-Mail: sfb700@zedat.fu-berlin.de Web: www.sfb-governance.de

Diese Publikation kann im Internet unter www.sfb-governance.de/publikationen abge- rufen oder in gedruckter Form per E-Mail an sfb700@zedat.fu-berlin.de bestellt werden.

Sonderforschungsbereich 700 (Hrsg.) 2007: Grundbegriffe. Ein Beitrag aus dem Teilprojekt A1, SFB-Governance Working Paper Series, Nr. 8, DFG Sonderforschungsbereich 700, Berlin, Oktober 2007.

ISSN 1864-1024 (Internet) ISSN 1863-6896 (Print)

Diese Arbeit ist im Sonderforschungsbereich 700 Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit – Neue Formen des Regierens entstanden und wurde auf seine Veranlassung unter Verwendung der ihm von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellten Mittel gedruckt.

Inhalt

Governance 4

RäumebegrenzterStaatlichkeit 6

Steuerung 8

Governance-Leistungen 10

Kollektivgüter 11

Effektivität 12

GoodGovernance 13

Gouvernementalité 14

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SFB-Governance Working Paper Series • Nr. 8 • Oktober 2007 |

Sonderforschungsbereich 700 - Grundbegriffe Ein Beitrag aus dem Teilprojekt A1

Vorwort

Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit ist ein vergleichsweise junges Forschungs- feld. Seine gemeinschaftliche Bearbeitung im interdisziplinären Sonderforschungsbereich (SFB) 700 setzt einerseits eine Bestimmung der Grenzen des Feldes und andererseits eine ge- meinsame Sprache voraus. Eine Einigung auf Kernkonzepte und Grundbegriffe ist in diesem Sinne zentrale Bedingung einer erfolgreichen gemeinsamen Erforschung von Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit.

Aus diesem Grund haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des SFB 700 im er- sten Forschungsjahr 2006/2007 eine rege Debatte um eine gemeinsame begriffliche und konzeptuelle Forschungsgrundlage geführt. Das vorliegende Arbeitspapier fasst die bishe- rigen Ergebnisse dieser Debatte zusammen. Es versteht sich in erster Linie als interne Ser- viceleistung an den Gesamt-SFB und hat den Charakter eines Zwischenberichts. Denn letzt- lich entscheidet die fortschreitende Erkenntnis im SFB 700 über Erweiterungen des Kanons an zentralen Begriffen und Konzepten oder über notwendige Revisionen. Auf die Irritationen aus der empirischen Forschung ist der SFB 700 in diesem Sinne gespannt und begreift die folgenden Begriffsklärungen als work in progress.

Entwürfe zu dem vorliegenden Glossar wurden von verschiedenen Mitgliedern des SFB 700 geliefert, denen wir an dieser Stelle herzlich danken wollen. Die Kernbegriffe des Glossars selbst wurden dann auf einer Klausurtagung des SFB 700 im Januar 2007 sowie auf späteren Jours Fixes während des Sommersemesters diskutiert. Außerdem fließen hier die Ergebnisse der Eröffnungskonferenz des SFB 700 ein, die im Februar 2007 stattfand. Allen Teilneh- merinnen und Teilnehmern an den vielfältigen Diskussionen sei herzlich gedankt. Der hier vorliegende Text wird vom Teilprojekt A1 des SFB 700 verantwortet und versteht sich – wie gesagt – als Serviceleistung an den Sonderforschungsbereich und darüber hinaus.

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Grundbegriffe des SFB 700 |

Governance

=institutionalisierteModidersozialenHandlungskoordination,dieaufdieHerstellungund Implementierung kollektiv verbindlicher Regelungen bzw. auf die Bereitstellung kollektiver GüterfüreinebestimmtesozialeGruppeabzielen

Erläuterung:

(1)Intentionalität:GovernancealsStrukturmeintdieverschiedenenundinstitutionalisierten Arten der Handlungskoordination (s.u. unter Steuerung), die darauf abzielen, kollektiv ver- bindlicheRegelnherzustellenundzuimplementierenbzw.Kollektivgüterfüreinebestimmte sozialeGruppebereitzustellen.WoKollektivgüterunbeabsichtigtoderalsNebenwirkungen andererProzesse(z.B.Markt)bereitgestelltwerden,handeltessichnichtumGovernance.Da- bei darf Intentionalität nicht mit Effektivität verwechselt werden. Ob Governance effektiv Pro- blemelöst,isteineandereFrage,dieimSFB700empirischzuuntersuchenist.Wichtigist, dassesbeiderIntentionalitätvonGovernancekeineswegsaufdieindividuellenHandlungs- orientierungen vonAkteuren ankommt, sondern dass diese Intentionalität imAllgemeinen informellenoderinformellenGovernance-Institutionenverankertist.Deshalbkönnenauch individuelleNutzenmaximiererGovernance-Akteuresein,wennihrHandelnüberinstitutionelle VorkehrungenundProzesseaufGovernanceangelegtist.EinGrundproblemdervonunsun- tersuchten Räume begrenzter Staatlichkeit ist, dass dort die Governance-Institutionen häufig soschwachundsowenigherrschaftsbegrenzendsind,dasssiedieIntentionalitätvonGover- nancenichtherstellenkönnen.

(2)Minimale Normativität: Der Governance-Begriff ist insofern minimal normativ, als er auf die RegelungkollektiverSachverhaltebzw.dieBereitstellungvonKollektivgüternabzielt.„Gemeint ist das ernsthafte und nicht gänzlich erfolglose Bemühen um Ordnung hinsichtlich überle- benswichtigerundSozialitätüberhauptsichernderGüter.“(Ladwig/Jugov/Schmelzle,SFB-Go- vernanceWorkingPaperSeries,Nr.4)„Goodgovernance“meintsehrvielmehr,sonstwäreder Begriff sinnlos.

(3)Kollektiv:Governance-LeistungenwerdenfüreinbestimmtesKollektiverbracht.DieseGrup- pemussnichtterritorialbestimmtsein.JeexklusiverdasKollektiv,destowenigerhandeltes sichallerdingsumGovernance,wasnichtausschließt,dassverschiedeneFormendes„Gauner- ment“imSFB700untersuchtwerden.Analytischsinnvollerscheintes,zwischen„Anspruchs- berechtigten“,„Adressaten“und„Empfängern“vonGovernance-Leistungenzuunterscheiden (vgl. WiMi-Workshop „Räume“ und Diskussion auf dem Jour fixe am 19.4.07). Anspruchsbe- rechtigtewärendiejenigen,die-beispielsweisealsBewohner/inneneinesbestimmten(Gover- nance-)Raumes-legitimerweiseeinenAnspruchaufGovernance-Leistungenerhebenkönnten (etwaSicherheit).Adressatenwärendiejenigen,andiesichdieGovernance-Leistungendefacto richten,undEmpfängerwärendiejenigen,diesiedefactoerhalten.AlledreiGruppenmüssen

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keineswegskongruentsein,diejeweiligenÜberlappungensolltenempirischuntersuchtwer- den.

Klärungsbedarf:

IndenvonunsuntersuchtenRäumenbegrenzterStaatlichkeitwerdenGovernance-Leistungen häufig verknappt oder nur für eine bestimmte – klientelistische Gruppe bereitgestellt. Je exklu- siverderClub,umsoeherhandeltessichum„Gaunerment“.DieGrenzenzwischen„Gauner- ment“ und Governance sind oftmals fließend. Fragen nach dem Inklusions- bzw. Exklusions- gradderBereitstellungkollektiverGütersinddaherzentralfürdieBewertung,obessichdabei umeineGovernance-Leistunghandelt.Analytischbedeutsamistdarüberhinaus,obüberZeit eine„Vergovernancung“,d.h.einesukzessivinklusivereBereitstellungfestzustellenist.DieUn- terscheidungzwischenAnspruchsberechtigten,AdressatenundEmpfängernvonGovernance- Leistungen könnte uns hier einer Klärung näher bringen (siehe hierzu den Begriff: Kollektiv- güterunddasPapierFuhr).

Für weitere Erläuterungen siehe das SFB-Governance Working Paper Nr. 4 sowie den Beitrag von Thomas Risse für das PVS-Sonderheft Governance.

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Grundbegriffe des SFB 700 | 6

Räume begrenzter Staatlichkeit

=territorialeund/oderfunktionaleRäume,indenen

(a) staatliche Institutionen zu schwach sind, um kollektiv verbindliche Entscheidungen treffen undvollständig,notfallsmittelsZwangsgewalt,durchsetzenzukönnen(mangelnde Regel(durch)- setzungsfähigkeit),und/oder

(b)politischeHerrschaftnichtoderwenigeingeschränktist(mangelnde Herrschaftsbegrenzung)

Erläuterung:

(1)StaatlichkeitbeziehtsichaufGovernance-LeistungenimBereichHerrschaft((Durch)Setzung politischer Entscheidungen und Herrschaftsbegrenzung), die ausschließlich von staatlichen AkteurenundInstitutionenerbrachtwerden.DasstaatlicheGewaltmonopolistBestandteilder Regel(durch)setzungsfähigkeitdesStaates.

Die Drei-Elemente-Lehre von Jellinek definiert Staatsgewalt, also Regel(durch)setzungsfähigk eitoderinnereSouveränität,alszentraleVoraussetzungderStaatswerdung.DurchdieAusü- bungvonHerrschaftübereinKollektivundGebietwirdeineEntitätzumVölkerrechtssubjekt unddamitzumStaat.DiesouveräneGleichheitoderäußereSouveränitäteinesStaatesisteine Norm,dieerstdurchdieAnerkennungdurchandereStaatenetabliertwird.

Entsprechend dieser Staatlichkeitsdefinition verstehen wir Staat im Sinne Webers als Herr- schaftsverband oder, in unserer Begrifflichkeit, als besondere Herrschafts-Governance-Struktur.

Der Governance-Definition des SFB 700 folgend erfordern die Herstellung und Durchsetzung kollektivverbindlicherRegelnfüreinebestimmteGruppeModiderHerrschaftsbegrenzung, wenn die Regeln und ihre Durchsetzung unabhängig von bestimmten politischen Regimen oder Regierungen Erwartungssicherheit garantieren sollen. Darüber hinaus ist Herrschafts- begrenzungalsglobalgültigesKriteriumvonStaatlichkeitzuverstehenundspiegeltsichzum Beispiel in der völkerrechtlichen Verpflichtung zur Einhaltung der Menschrechte wider. Durch eine solche Verpflichtung wird sowohl äußere als auch innere Souveränität im Rahmen des Völ- kerrechts begrenzt. Für die völkerrechtliche Ordnung ist Herrschaftsbegrenzung daher konsti- tutiv.NurdurchsiekanndieEinhaltungderMenschenrechtegewährleistetwerden.

Mit dieser minimalistischen Staats- bzw. Staatlichkeitsdefinition grenzt sich der SFB 700 vom Demokratischen Rechts- und Interventionsstaat (DRIS) des Bremer SFB 597 ab, dessen Ver- gleichsfolieeinIdealtypusmodernerStaatlichkeitist,inderdieErbringungfastallerkollek- tiven Güter weitgehend staatlich kontrolliert wird. DiesesVerständnis von Staatlichkeit, das auchvielenKonzeptualisierungenvonStaatlichkeitinderLiteraturzuzerfallen(d)enStaaten zugrunde liegt, ist damit sehr voraussetzungsvoll, weil es an eine spezifische historische Situa- tion – nämlich eben den modernen Rechts- und Interventionsstaat - gekoppelt ist. Den Berliner SFB700interessiertaberinersterLinienichtderAkteurStaatmitseinenhistorischerwach- senen und sich wandelndenAufgaben in einem bestimmten historischen Kontext, sondern

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Governance als allgemeines Problem der Herstellung sozialer Ordnung in seiner historischen undkulturellenVarianz.DieBereitstellungkollektiverGüterindenBereichenSicherheitund Wohlfahrt/UmweltuntersuchenwirdemnachebensowiealternativeHerrschaftsformenzum StaatalsGovernance-LeistungenimKontextbegrenzterStaatlichkeit.

(2)Begrenzte Staatlichkeit istdanngegeben,wennmindestenseinederGovernance-Leistungen Herrschafts(durch)setzungundHerrschaftsbegrenzungstaatlicherseitsnichtodernurteilweise erbrachtwird.InmodernenStaatensicherndasGewaltmonopoleinerseitssowieRechtsstaat- lichkeitundDemokratieandererseits,dassdiesebeidenGovernance-Leistungenerbrachtwer- den,undzwardurchstaatlicheInstitutionenundnichtdurchandereAkteure.

(3)Räume begrenzter StaatlichkeitsindüberdenMangelanstaatlichenGovernance-Leistungen im Bereich Herrschaft definiert. Wenn wir von RäumenbegrenzterStaatlichkeitsprechen,dann meinenwirnichtnurStaatenbegrenzterStaatlichkeit,d.h.Territorien,dienachwievorVöl- kerrechtssubjektesind,denenaberStaatlichkeitsmerkmaleimobenangegebenenSinnefeh- len(alsofragilebzw.zerfallen(d)eStaaten).NatürlichkannsichbegrenzteStaatlichkeitaufdas gesamte Territorium eines Staates beziehen. Der Begriff des „Raumes begrenzter Staatlichkeit“

fokussiert aber die Möglichkeit, dass sie nur einen Teil des Territoriums oder – funktional aus- gedrückt – einen Teilbereich der Politik eines Staates betrifft.

AufgrunddieserFokussierungaufRäumeentfälltimSFB700dieNotwendigkeit,ganzeStaaten zu klassifizieren und zu typologisieren. Die im Rahmenantrag angegebene Typologie beispiels- weisewirdsomitunnötig.

EntscheidendbleibtfürdieTeilprojektedesSFB700,dasssiediejeweiligenRäumebegrenzter Staatlichkeit genau identifizieren, auf die sich ihre Untersuchungen beziehen. Dabei ist offen undmussempirischgeklärtwerden,wosichdieseRäume,dieindenmeistenFällennichtmit dem Staatsterritorium übereinstimmen, auf der Erdoberfläche befinden. Ein Raum begrenzter Staatlichkeitkanndurchausgrenzüberschreitendsein(vgl.dasGebietimNordostenKeniasbis Somaliahinein;oderdasGrenzgebietAfghanistan/Pakistan).PrinzipiellsindRäumebegrenzter StaatlichkeitauchnichtaufdieLänderdesSüdensbezogen;siekönnensichdurchausauch in westlichen modernen Staaten auffinden lassen („Neukölln“-Problematik, Pariser Banlieus etc.).EinkonstruktivistischgeprägtesRaumverständnisumschließtauchRäume,diekeinzu- sammenhängendes Gebiet, sondern eine Relation verschiedener Orte mit gleicher Eigenschaft beschreiben:DerKulturraum„Kurdistan“meintindiesemSinnenichtnureinenbestimmten TeilderTürkei,sondernauchdenNordenIraksebensowiedieverschiedenenTeilederkur- dischenDiasporainverschiedenenwestlichenStaaten.

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Grundbegriffe des SFB 700 | 8

Steuerung

=ModidersozialenHandlungskoordinationzurEinschränkungundAusrichtungvonHand- lungsoptionen

Dabeilassensichunterscheiden:

(1) Hierarchische Steuerung

Hierarchiekennzeichnetdieklassischen,vertikalenFormenhoheitlicherSteuerung.Esgeht umWeisungen(Befehle),denensichAkteureunterwerfenmüssenundderenEinhaltungnot- fallsmittelsZwangsgewaltundgegendieInteressenderAkteuredurchgesetztwird.Vgl.auch die Herrschaftsdefinition von Max Weber („Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“, WuG, S. 28), der den Staat als Herrschaftsverband mit legitimem Gewaltmonopol definiert. Beispiele für hierarchische Steuerung sind Gesetze, aberauchVerordnungenstaatlicherAkteure.

(2) Nicht-hierarchische Steuerung

Nicht-hierarchischeSteuerungsformensindModiderHandlungskoordination,dienichtallein aufhoheitlicheGewaltzurückgreifen.

DabeilassensichfolgendeFormenunterscheiden:

(a) indirekte Steuerung durch Rückgriff auf Interessenkalküle und Strukturierung von Interessenkonstel- lationen

-SteuerungdurchAnreizeund/oderSanktionen(z.B.bargaining)

-SteuerungdurchinstitutionalisierteRegelungsstrukturen(z.B.institutionalisierte Selbstregelung,Verhandlungs-undWettbewerbssysteme)

(b) weiche Steuerung durch horizontale Strukturierung von Handlungsoptionen

-SteuerungdurchDiskursstrukturierung:Erzeugungvon(unhinterfragbarer)Bedeu tung,z.B.durchdenVersuch,ThemenundInterpretationen(framing)durchzusetzen -SteuerungdurchArgumente:EinsatzvonLern-undÜberzeugungsprozessen,z.B.

arguing,rhetorischesHandelnundhypocrisy

-SteuerungdurchSymbole:PräsentationvonSymbolenzurErzeugungvonResonanz beidenAdressaten

Erläuterung:

Es handelt sich hier um analytische Unterscheidungen, empirisch vorfindbar sind hingegen häufig institutionalisierte Mischformen aus harter und weicher Steuerung. Im modernen Staat werden Gesetze beispielsweise häufig nicht nur hierarchisch durchgesetzt, sondern über Aus- handlungsprozessemitgesellschaftlichenAkteuren.Umgekehrterfordernvielenicht-hierar- chischeSteuerungsformenmehroderwenigerlange„SchattenderHierarchie“.DasProblem

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SFB-Governance Working Paper Series • Nr. 8 • Oktober 2007 |

indenvonunsuntersuchtenRäumenbegrenzterStaatlichkeitistoftmals,dassder„Schatten derHierarchie“extremkurzist,sodassnicht-hierarchischeSteuerungsformennichtnurkom- plementär zu hierarchischer Steuerung erfolgen, sondern diese substituieren (müssen). Die analytischenUnterscheidungendienenderKategorisierungunddemmappingdesempirischen Materials, es ist nicht zwingend, dass sie in Reinform empirisch vorfindbar sind.

Zum Verhältnis von Governance und Steuerung: Der Steuerungsbegriff ist stärker akteurszen- triert, wohingegen der Governance-Begriff eher auf Strukturen und Prozesse abhebt. Der Steu- erungsbegriff erlaubt damit, systematisch Akteursinteressen, -identitäten und –ressourcen in den Blick zu nehmen und der „Machtblindheit“ des Governance-Begriffs entgegen zu wirken.

Allerdings darf die Verwendung des Steuerungsbegriffs nicht dazu führen, in die alte Trennung zwischenhandelndemSteuerungssubjekt(dersouveräneStaat)undpassivemSteuerungsobjekt (Gesellschaft)zurückzufallen.DenngeradeinunserenRäumenbegrenzterStaatlichkeitmacht dieseTrennungwenigSinn.

Für weitere Erläuterungen vgl. den Beitrag von Göhler im SFB 700 Eröffnungsband sowie SFB-Governance Working Paper Series, Nr. 5; s. auch die SFB 700-Projektanträge A1 Risse/Lehmkuhl und A2 Göhler.

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Grundbegriffe des SFB 700 | 10

Governance-Leistungen

=BereitstellungvonkollektivenGüternundkollektivbindendenEntscheidungen,dieräumlich undzeitlichvariierenkönnen;LeistungenindenBereichenHerrschaft,SicherheitundWohl- fahrt/Umwelt,diedurchstaatlicheund/odernicht-staatlicheAkteurebereitgestelltwerden

Erläuterung:

DieBereitstellungvonKollektivgüternundderAkteurStaathabensichimmodernenEuropa dialektischentwickelt.DieseempirischeEntwicklungspiegeltsichu.a.imeuropäischenGo- vernance-Konzeptwider:mindestensalsGarantfürdasFunktionierender„neuen“Formendes RegierenswirdeinfunktionierenderStaatvorausgesetzt.

Eine äquivalenzfunktionalistische Beobachtung von Governance-Leistungen in Räumen be- grenzter Staatlichkeit geht - entsprechend der Empirie außerhalb der OECD-Welt - nicht mehr von einem funktionierenden Staat als Governance-Erbringer oder von einem„Schatten der Hierarchie“aus.Siefragtdanach,werwelcheKollektivgüterwieundfürwenerbringt.Dies eröffnet einen Vergleichsbereich für funktional gleichwertige, jedoch substantiell verschiedene ArtendesRegierens.

Klärungsbedarf:

EsfragtsichindiesemZusammenhang,ob(a)dieStaatsfunktionendesmoderneneuroameri- kanischenNationalstaatesauchinanderenRäumenoderZeitenalskollektiveGüterbetrachtet werdenundob(b)weitere,andereGovernance-Leistungenangebotenbzw.nachgefragtwerden.

EineGovernance-ForschunginRäumenbegrenzterStaatlichkeitkönntealsoaufeineErwei- terungoderStauchungdesklassischenSetsanStaatsfunktionenalsGovernance-Leistungen hinauslaufen.

Für weitere Erläuterungen siehe das SFB-Governance Working Paper Nr. 2 von Anke Draude.

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Kollektivgüter

=Güter,diesichdurchmindestenseinevonzweiEigenschaftenauszeichnen:(a)Nicht-Rivalität imVerbrauch (die Nutzung des Gutes durch einenAkteur beeinträchtigt nicht die Nutzung durchweitereAkteure);(b)Nicht-AusschließbarkeitvomGebrauch(niemandkannvonderNut- zungdesGutesausgeschlossenwerden)

Erläuterung:

Die folgende Tabelle zeigt, dass Kollektivgüter gemäß dieser Definition Club-, Allmende- und öffentliche Güter umfassen. Reine öffentliche Güter beinhalten dabei beide Eigenschaften der Nicht-RivalitätundNicht-Ausschließbarkeit.DemgegenüberzeichnensichreinprivateGüter sowohldurchRivalitätimVerbrauchalsauchdurchAusschließbarkeitausundsindsomitkei- neKollektivgüter.

Rivalität im Konsum Ausschließbarkeit

im Konsum

RivalisierendimKonsum (Nutzungsrivalität)

Nicht-rivalisierendimKonsum

AusschließbarimKonsum

Private Güter

Beispiele:

oKuchen oBrennholz

Clubgüter

Beispiele:

oTheatervorstellung oTierpark

Nicht-AusschließbarimKonsum (freierZugangzurNutzung)

Allmendegüter/

Gemeinschaftsgüter

Beispiele:

o Meeresfischerei oWaldspaziergang

Öffentliche Güter

Beispiele:

oTageslicht,Schutzder Ozonschicht

oWaldreservatzumSchutz derbiolog.Diversitätoder SchutzwaldgegenLawinen

Für weitere Erläuterungen siehe den Beitrag von Chojnacki/Branovic zum SFB 700-Eröffnungsband.

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Grundbegriffe des SFB 700 | 12

Effektivität

=„PrinzipderBewertunggesellschaftlichen,wirtschaftlichen,politischenoderadministrativen Handelns,dasaufdemVergleichdesangestrebtenZielzustands(Soll)unddemtatsächlicher- reichten Zustand oder dem eingetretenem Ereignis (Ist-Zustand) basiert“ (Schmidt 1995: 243)

Output

InstitutionalisierungvonRegelnoderBereitstellungvonad- ministrativen Maßnahmen/Instrumenten/Services (egal ob diesezurProblemlösungbeitragen)

Outcome oder Compliance Wirkung aufVerhalten der Zielgruppe bzw. erkennbareVer- haltensänderungaufAkteursebene

Zielerreichung Erreichung der selbstgesteckten Ziele der Governance-Ak- teure

Impact oder Effektivität/

Problemlösungsfähigkeit

Wirkung auf sozio-ökonomisches Umfeld bzw. Problemlö- sungsfähigkeitaufsystemischerEbene

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SFB-Governance Working Paper Series • Nr. 8 • Oktober 2007 | 1

Good Governance

= definiert im entwicklungspolitischen Kontext „gutes“ Regieren entlang von drei zentralen Kategorien: 1) effizientes Management des öffentlichen Sektors, 2) Kontrollmechanismen und Rechenschaftspflichten bei Wahlen, Regierungskonstitution und Regierungsausübung, 3) Eta- blierungvonDezentralisierungundTransparenzmitBeteiligungderZivilgesellschaft

Erläuterung:

DieseKategorienspiegelneinenMindeststandardvon„GoodGovernance“wider,deraufin- ternationalerEbenebesondersvonderWeltbankvertretenwird.Demgegenüberexistierteine erweiterte Definition zum Beispiel im Rahmen des UNDP, die demokratische Grundsätze mit aufnimmt.

Grundsätzlich geht es bei dem Begriff „Good Governance“ um die Frage, unter welchen Bedin- gungenRegierenauseinerTeilnehmerperspektiveals„gut“bezeichnetunddamitalsanerken- nungswürdigbewertetwerdenkann.DieAnerkennungswürdigkeitvonRegierenistgleichbe- deutendmitLegitimitätimnormativenSinne.EineRegierungsführungdarf,allgemeingespro- chen,alsgutgelten,wennsiediefreieundinformierteZustimmungallerRegelungsadressaten alsGleicherverdient.

Die Forderung nach „Good Governance“ entstammt entwicklungspolitischen und -ökono- mischenKontexten.DieAusgangsfragewar,weshalbesStaateninEntwicklungs-undSchwel- lenländernsoschwerfalle,dievon„Entwicklungsexperten“alsnotwendigerachtetenMaßnah- men gegen Schuldenkrise, Hyperinflation und ähnliche Entwicklungshemmnisse zu ergreifen.

Standardsdes„guten“RegierenssolltenhieralsHilfestellungdienen.Eskamzueinerzwei- fachen Engführung des Begriffs „Good Governance“. Die erste Engführung bestand in einem eher technischen als politischen Gebrauch des Begriffs. In zwei einflussreichen Berichten der Weltbank aus den achtziger Jahren (World Bank 1983; 1987) war von „Good Governance“ als Vo- raussetzungfürWirtschaftswachstumdieRede.WachstumsschübeversprachensichdieAuto- renvorallemvoneinerentschiedenenHinwendungzuMärkten;besseresadministrativesMa- nagement,Transparenz,KontrolleundRechtssicherheitsolltengeeigneteRandbedingungen bilden.MachtfragenwurdeninManagementproblemeumgedeutet.DiezweiteEngführunger- folgte durch eine einseitige Orientierung auf Output-Legitimität. Demokratie kam in Betracht als mögliche unabhängige Variable der Förderung wirtschaftlicher Entwicklung, nicht aber alsintrinsischerWert,andessenVerwirklichungEntwicklungauchzumessenwäre(zudieser zweiten Sichtweise Sen 1999). Dennoch wecken schlechte Erfahrungen mit Versuchen externer Demokratieförderung,aberauchKritikanderAufweichungdesvölkerrechtlichenGrundsatzes dersouveränenGleichheitZweifelanderZweckmäßigkeiteinerdemokratietheoretischenAuf- ladungvon„GoodGovernance“.

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Grundbegriffe des SFB 700 | 1

Gouvernementalité

= komplexes Konzept zur vergleichendenAnalyse historisch kontingenter Formen der Füh- rung (Regierung) von Menschen; erfasst insbesondere historischeVerschiebungen der poli- tisch-epistemologischenRationalität(alsoeineVoraussetzungvonGovernancealsRegierenim vielengerenSinne)

Erläuterung:

ImAllgemeinenhelfendieArbeitenFoucaultsdemSFB700,sensibelzuseinfürdieStandort- gebundenheit von Begriffen, Konzepten oder Ideen. Foucault mahnt immer wieder zu einem reflektierenden Umgang mit kontingenten europäischen Denk- und Wahrnehmungsmustern.

Diese Mahnung betrifft den SFB besonders, der ja aus der Perspektive modern-europäischer Geistes-undSozialwissenschaftenaußereuropäischeRäumebegrenzterStaatlichkeitbeobach- tet.

DasGouvernementalitätskonzeptproblematisiertinsbesonderedieGleichzeitigkeitvonFremd- undSelbststeuerung.DamitrichtetesdenBlickdesSFB700aufdieRegelungsadressaten:einer- seitsaufMachttechnikenzuderenDisziplinierung,andererseitsaufderenFolgebereitschaft.

Inwieweit Regelungsadressaten Einfluss auf die Erbringung von Governance nehmen können, isteinwichtigerPunktbeiderBewertungderQualitätdieserGovernance.

Klärungsbedarf:

Das auf Foucault zurückgehende Gouvernementalitätskonzept ist strukturalistisch angelegt, der Governance-Begriff enthält dagegen sowohl Akteurs- als auch Strukturdimensionen. Inso- fern ist das Verhältnis beider Begrifflichkeiten nach wie vor klärungsbedürftig.

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SFB-Governance Working Paper Series • Nr. 8 • Oktober 2007 | 1

Bisher erschienene Working Paper aus der SFB-Governance Working Paper Series

Risse, Thomas/Lehmkuhl, Ursula 2006: Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit: Neue Formen des Re- gierens? Das Forschungsprogramm des Sonderforschungsbereichs 700 (SFB 700), SFB-Governance Working Paper Series, Nr. 1, DFG-Sonderforschungsbereich 700, Berlin, Dezember 2006.

Draude, Anke 2007: Wer regiert wie? Für eine äquivalenzfunktionalistische Beobachtung von Governance in Räu- men begrenzter Staatlichkeit, SFB-Governance Working Paper Series, Nr. 2, DFG Sonderforschungs- bereich 700, Berlin, Januar 2007.

Kötter, Matthias 2007: Der Governance-Raum als Analysefaktor – am Beispiel von „Räumen begrenzter Staat- lichkeit“, SFB-Governance Working Paper Series, Nr. , DFG Sonderforschungsbereich 700, Berlin, Januar 2007.

Ladwig, Bernd/Jugov, Tamara/Schmelzle. Cord 2007: Governance, Normativität und begrenzte Staatlichkeit, SFB- Governance Working Paper Series, Nr. , DFG Sonderforschungsbereich 700, Berlin, Februar 2007.

Risse, Thomas 2007: Regieren in Räumen begrenzter Staatlichkeit. Zur „Reisefähigkeit“ des Governance-Kon- zeptes, SFB-Governance Working Paper Series, Nr. , DFG Sonderforschungsbereich 700, Berlin, April 2007.

Schäferhoff, Marco/Campe, Sabine/Kaan, Christopher 2007: Transnational Public-Private Partnerships in Inter- national Relations. Making Sense of Concepts, Research Frameworks and Results, SFB-Governance Working Paper Series, No. 6, DFG Research Center (SFB) 700, Berlin, August 2007.

Diese Publikationen können im Internet unter www.sfb-governance.de/publikationen abgerufen oder in ge- druckter Form per E-Mail an sfb700@zedat.fu-berlin.de bestellt werden.

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Grundbegriffe des SFB 700 | 16

Projektbeschreibung des Teilprojekts A1

Das Projekt „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit:

Beiträge zur Theoriebildung“ trägt zur Erarbeitung einer Theorie des Regierens in Räumen begrenzter Staatlichkeit bei. Auf der Grundlage der Auswertung vorhandener theo- retischer Forschungsliteratur zur Governance-Problematik und der von den Teilprojekten des SFB 700 geleisteten em- pirisch-analytischen und theoretischen Arbeiten sollen die konzeptionellen Probleme diskutiert und geklärt werden, die entstehen, wenn die im euro-atlantischen wissenschaft- lichen Diskurs dominierenden Governance-Konzepte auf Räume begrenzter Staatlichkeit außerhalb der OECD-Welt sowie auf historische Varianten angewandt werden.

www.sfb-governance.de/tc

Ursula Lehmkuhl ursula.lehmkuhl@fu-berlin +49-30-838 52604 Thomas Risse risse@zedat.fu-berlin.de +49-30-838 55527 Sebastian Barnutz sebastian@barnutz.de +49 30 838 52321 Lars Brozus brozus@zedat.fu-berlin.de +49-30-838 58501 Anke Draude draude@zedat.fu-berlin.de +49-30-838 58503 Matthias Conrad conrix@zedat.fu.berlin.de +49-30-838 58525 Anna Kucia akucia@zedat.fu-berlin.de +49-30-838 58526 Team

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SFB-Governance Working Paper Series • Nr. 8 • Oktober 2007 | 17

Governance ist zu einem zentralen Thema sozialwissen- schaftlicher Forschung geworden. Der SFB 700 Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit fragt nach den Bedin- gungen von Governance in Räumen begrenzter Staatlich- keit, d.h. in Entwicklungs- und Transformationsländern,

„zerfallen(d)en Staaten“ in den Krisenregionen der Welt oder, in historischer Perspektive, verschiedenen Kolonial- typen. Wie und unter welchen Bedingungen werden Gover- nance-Leistungen in den Bereichen Herrschaft, Sicherheit und Wohlfahrt in Räumen begrenzter Staatlichkeit erbracht, und welche Probleme entstehen dabei? Der SFB 700, ge- fördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), hat seine Arbeit 2006 aufgenommen.

Forschungsprogramm des SFB 700 Partnerorganisationen des SFB 700

Sprecheruniversität:

Freie Universität Berlin Universität Potsdam

Hertie School of Governance

Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Wissenschaftszentrum Berlin (WZB)

European University Institute Florenz (EUI)

Referenzen

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• Sich darauf einigen, was man zusammen beobachten müsste und wie man das am besten so macht, dass alle die Chance haben, das gleiche zu beobachten, wenn das gleiche geschieht?.