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Deutsches Institut für Menschenrechte : die "General Comments" zu den VN Menschenrechtsverträgen; deutsche Übersetzung und Kurzeinführungen [Rezension]

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Deutsches Institut jur Menschenrechte (Hrsg.):

Die "General Comments" zu den VN- Menschenrechtsvertragen. Deutsche Uberset- zung und Kurzeinflihrungen; Nomos Verlags- gesellschaft 2005, 627 S., ISBN 3-8329-0958- 3, EUR 48,00.

Die Bundesrepublik Deutschland ist auf vOlkerrechtlicher Ebene eine Vielzahl von vertraglichen Verpflichtungen menschenrechtlicher Art eingegangen. Diese vOlkerrecht- lichen Bindungen legen sich gleichsam wie ein Netz urn den Staat und sollen einen moglichst ltickenlosen Men- schenrechtsschutz gewahrleisten. Einige dieser Vertrage enthalten umfassende Menschenrechtskataloge, die den Grundrechten des Grundgesetzes in nichts nachstehen, ja zum Teil sogar dartiber hinausgehen. Zu nennen sind hier insbesondere der Internationale Pakt tiber btirgerliche und politische Rechte (lPBPR) sowie def lnternationale Pakt tiber wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR), beide im Jahr 1966 zu Hochzeiten des Kalten Krieges geschlossen, was die Aufspaltung der doch an sich als unteilbar gedachten Menschenrechte in zwei getrennte Vertragsdokumente mit sich brachte. Andere Menschenrechtsvertrage sind thematisch eingegrenzt, wie z.B. das Dbereinkommen zur Beseitigungjeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDA W) oder das Dber- einkommen tiber die Rechte des Kindes (UN- Kinderrechtekonvention), das Internationale Dberein- kommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskri- minierung (lCERD) oder das Dbereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder ernied- rigende Behandlung oder Strafe (UN- Antifolterkonvention).

In der taglichen innerstaatlichen Rechtsanwendung spie- len diese Rechtsnormen eine ausgesprochen untergeord- nete Rolle. Durchaus zu Unrecht, denn sie sind Teil des geltenden Rechts, stehen doch die genannten Vertrage gem. Alt. 59 Abs. 2 Satz 1 GG innerstaatlich im Rang eines einfachen Bundesgesetzes. Nur selten treten sie einmal in das Bewusstsein einer breiteren juristischen Offentlichkeit, so geschehen etwa in der Debatte urn den

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Fall des Frankfurter Polizeivizeprasidenten Daschner, wo zur Beantwortung der Frage, ob die Androhung unmit- telbaren Zwangs gegentiber dem mutmaBlichen EntfUhrer des Jakob von Metzler bereits den Tatbestand der "Fol- ter" erfUllte, gemeinhin - und zutreffend - auf die Folter- definition abgestellt wurde, wie sie in Art. 1 der UN- Antifolterkonvention zu finden ist. Anlass, sich mit dem Inhalt der Menschenrechtsvertrage naher vertraut zu machen, besteht somit allemal. Die Schwierigkeit fUr den Rechtsanwender besteht indes darin, dass die Menschen- rechtsgarantien ahnlich wie die national en Grundrechte oftmals nur generalklauselartig formuliert sind und daher

"henmtergebrochen" werden mtissen, urn in der Uiglichen Rechtsanwendung handlungsleitend wirken zu konnen.

Diese Aufgabe, die im innerstaatlichen Recht wesentlich das Bundesverfassungsgericht erftillt, wird auf internati- onaler Ebene von den sog. monitoring bodies versehen.

Dabei handelt es sich urn mit unabhangigen Experten besetzte Gremien, welche die Einhaltung der Vertrags- pflichten durch die jeweiligen Vertragsstaaten tiberwa- chen. Die Kompetenzen dieser Gremien sind unter- schiedlich ausgestaltet: So sind, urn das Beispiel des IPBPR zu nennen, alle Vertragsstaaten verpflichtet, dem Menschenrechtsausschuss in gewissen Abstanden einen Bericht tiber die innerstaatliche Situation der Menschen- rechte abzugeben (sog. Staatenberichtsverfahren; die Bundesrepublik hat zuletzt im Jahr 2002 ihren 5. Staatenbericht gegentiber dem Menschenrechtsaus- schuss abgegeben, online abrufbar unter:

http://www.auswaertiges-amt.de/di plo/de/ Aussenpoliti k/

MenschenrechtelDownloadiBericht5_ZivilpakLpdf).

Dartiber hinaus konnen sich die Staaten durch gesonderte Erklarung dem sog. Staatenbeschwerdeverfahren unter- werfen. Diejenigen Staaten, die das (erste) Fakultativpro- tokoll zum IPBPR ratifiziert haben, haben damit zugleich das sog. Individualbeschwerdeverfahren akzeptiert. Hier kann der Ausschuss ahnlich wie ein innerstaatliches Gericht auch von Einzelpersonen angerufen werden, allerdings mit dem Unterschied, dass die "Entscheidun- gen" des Menschenrechtsausschusses formaljuristisch nicht bindend sind. Auch fUr die anderen Menschen- rechtsvertrage gilt, dass das Staatenberichtsverfahren den Zuerst ersch. in : HRRS : Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im

Strafrecht ; 7 (2006). - S. 382-384

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) URL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-240836

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Mindestbestand an Kontrolle darstellt, wahrend die dar- tiber hinausgehenden Kompetenzen der jeweiligen U- berwachungsorgane unterschiedlich ausgestaltet sind.

1m Zusammenhang mit dem Staatenberichtsverfahren stehen die "Allgemeinen Bemerkungen" ("General Comments"), deren Funktion heute darin besteht, den Staaten die Erflillung ihrer Berichtspflicht zu erleichtern, indem das jeweilige Vertragsorgan sein Verstandnis einzelner Normen naher erlautert. In ihrer Gesamtschau bilden die General Comments somit eine Art "Kommen- tierung" des jeweiligen Vertrages. Dabei flieBen durch- aus auch Erfahrungen aus etwaigen Individualbeschwer- deverfahren mit ein, so dass es nicht weiter verwundert, wenn nach einer gewissen Zeit eine "Neukommentie- rung" erforderlich werden kann, also frtihere Allgemeine Bemerkungen durch neue ersetzt werden mtissen (so etwa geschehen im Fall des Art. 7 IPBPR betr. Folter sowie grausame, unmenschliche oder erniedrigende Be- handlung, wo der Menschenrechtsausschuss seine All- gemeine Bemerkung Nr. 7 spater durch die Allgemeine Bemerkung Nr. 20 ersetzte).

Wie bereits angedeutet, fehlt den General Comments als solchen die rechtIiche Verbindlichkeit. Sie sind daher dem Bereich des "soft law" zuzurechnen. In diesem Punkt unterscheidet sich der Menschenrechtsschutz auf internationaler Ebene zentral von regionalen Schutzsys- temen, denn Urteile des Europaischen Gerichtshofs flir Menschenrechte (EGMR) beispielsweise sind flir die Vertragsstaaten bindend (Art. 46 Abs. 1 EMRK).

Gleichwohl ware es verfehlt davon auszugehen, der in- ternationale Menschenrechtsschutz sei dem regionalen

"unterlegen". So gibt es Bereiche, in denen die internati- onalen Garantien tiber das auf regionaler Ebene Verbtirg- te hinausgehen, etwa hinsichtlich des allgemeinen Gleichheitssatzes, der auf regionaler Ebene nur akzesso- risch zu den Freiheitsrechten geschtitzt ist (Art. 14 EMRK), auf internationaler Ebene hingegen eigenen Stand hat (Art. 26 IPBPR). Zwar sieht das Protokoll Nr. 12 zur EMRK (Text: EuGRZ 200S, 281) die Etablie- rung eines umfassenden Gleichheitsrechts vor, doch lehnt die Bundesregierung die Ratifizierung dieses Protokolls einstweilen ab (vgl. BT-Drucks. 16/S23, Nr. 32). Der Umfang der international geschtitzten Rechte kann also weiter gehen als auf regionaler Ebene, dies gilt natiirlich erst recht flir die "spezialisierten" Vertrage wie CEDA W oder UN-Kinderkonvention (z.B. Recht auf Bildung gem.

Art. 28 UN-Kinderkonvention). Und auch dort, wo sich die Garantien decken, kann die Interpretation durch die internationalen Gremien tiber die der regionalen Uberwa- chungsorgane hinausgehen. Ein Beispiel hierflir ist etwa der Umfang menschenrechtlicher Verpflichtungen bei Auslandseinsatzen der Streitkrafte: Wahrend der EGMR in dieser Frage eine restriktive Haltung eingenommen hat (Bankovic-Entscheidung, EuGRZ 2002, 133), ist die Position des Menschenrechtsausschusses hierzu eine umfassendere, was zur Folge hatte, dass die Bundesregie- rung ihren Staatenbericht von 2002 diesbeztiglich nach- traglich prazlsleren musste (deutsche Fassung:

http://institut-fuer-menschenrechte.de/dav!Dokumente/

AntwortBRegdeutschStandOSOl0S.pdf). Dass Entschei-

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dungen der monitoring bodies als solche unverbindlich sind, darf zudem nicht vergessen lassen, dass der Inhalt der Menschenrechtsvertrage selbstverstandlich bindendes Recht ist. Die Frage ist lediglich die der "Interpretations- hoheit".

In deutschen Gerichtsentscheidungen finden sich Ver- weise auf General Comments nur auBerst selten. Promi- nente Ausnahme ist die erste Mauerschtitzenentschei- dung, in welcher der BGH auf General Comment Nr. 6 des Menschenrechtsausschusses verweist (BGHSt 39, 1 [21]). Das Bundesverfassungsgericht hat sich zudem in einem Fall zur Fernwirkung des Verwertungsverbots einer durch Folter eines Dritten erlangten Aussage u.a.

auf die Berichte des Ausschusses zur UN- Antifolterkonvention bezogen, freilich nur in dem Sinne, dass diese der eigenen Interpretation nicht entgegenstiin- den (EuGRZ 1996, 324 [328]). In weit gr6Berem Umfang allerdings nehmen deutsche Gerichtsentscheidungen die materiellen Gewahrleistungen internationaler Menschen- rechtsvertrage in Bedacht (fUr Nachweise vgJ. Robert Uerpmann, German Yearbook of International Law 46 [2003], S.87 [90 ff.]). Dies legt die Vermutung nahe, dass die Einbeziehung des international- menschenrechtIichen case law nicht etwa wegen fehlen- der Relevanz bislang unterblieben ist, sondern vielmehr mangels Verfligbarkeit in deutscher Sprache (so auch Uerpmann, a.a.O., S. 121). Die in einem General Com- ment vertretene Rechtsansicht bildet ungeachtet ihrer formalrechtlichen Unverbindlichkeit jedenfalls ein star- kes Argument in der Hand dessen, der sich auf sie beruft.

Denn angesichts des Fachwissens der in den monitoring bodies vertretenen Experten liegt die Argumentationslast bei demjenigen, welcher der Interpretation der doch gerade zur Durchsetzung der Vertragswerke geschaffe- nen Ausschtisse nicht folgen will (zutreffend Eckart Klein in seinem EinfUhrungsbeitrag zu dem vorliegenden Band, S. 29).

Zudem ist zu tiberlegen, ob nicht die yom Bundesverfas- sungsgericht anerkannte Pflicht zur "Beriicksichtigung"

internationaler Gerichtsentscheidungen (fUr den EGMR:

BVerfGE Ill, 307 [31S ff.]; fUr den IGH: BVerfG, 2 BvR 211SIOI u.a. yom 19.9.2006, HRRS 2006 Nr. 726) konsequenterweise auf die Spruchpraxis der monitoring bodies auszuweiten sind. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zwar zu dieser Frage noch nicht konkret geau- Bert, doch bietet insbesondere die jtingste Entscheidung zur Bedeutung von IGH-Urteilen insoweit Anhaltspunk- teo Dort heiBt es, flir Staaten, die an einem konkreten Verfahren nicht beteiligt seien, hatten die Urteile des IGH "Orientierungswirkung, da die darin vertretene Auslegung Autoritat bei der Auslegung der Konvention [scil. der streitgegenstandlichen Wiener Konsularrechts- konvention] entfaltet." Faktisch mtissten sich die Ver- tragsstaaten, "schon urn die ktinftige Feststellung von Konventionsverletzungen gegen sich zu vermeiden", daher nach Urteilen richten, die gegen andere Staaten ergangen seien (Rn. 61). Wenn das Bundesverfassungs- gericht tiber die fOrmliche Bindungswirkung von IGH- Urteilen hinaus auch deren "Orientierungswirkung" in die verfassungsrechtliche "Berticksichtigungspflicht" mit

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einbezieht, so besteht kein Grund, dies nicht auch fUr die Auffassungen der monitoring bodies zu tun. Auch diese verfiigen tiber "Autoritat bei der Auslegung" des jeweili- gen Vertrags, auch hier tragt das Motiv, "die ktinftige Feststellung von Konventionsverletzungen [ ... ] zu ver- meiden". Die Annahme einer "Beriicksichtigungspflicht"

erscheint hier umso eher annehmbar, als "beriicksichti- gen" eben nicht "beachten" meint, die innerstaatlichen Gerichte also unter Angabe von Grtinden in der Ausle- gung abweichen konnen. Dieser mit Blick auf EGMR- Urteile problematische (vgl. M. Breuer, NVwZ 2005, 412 [413 f.]) "Souveranitatsvorbehalt" erweist sich als mit dem Monitoring-System kompatibel, entspricht er doch des sen unverbindlichem Charakter. Ohne die inter- nationale Spruchpraxis zumindest zu "beriicksichtigen", d.h. sich mit ihren Argumenten auseinanderzusetzen, laufen die deutschen Gerichte indes Gefahr, gegen die vOlkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zu verstoBen, ohne sich des sen iiberhaupt bewusst zu sein. Der "dialogue des juges", welcher im Verhaltnis von nationaler Gerichtsbarkeit und EuGH durch das Vorabentscheidungsverfahren einen institutio- nellen Rahmen erhalten hat, bedarf hinsichtlich der treaty monitoring bodies somit noch der Erweiterung und Ver- tiefung.

Vor diesem Hintergrund ist die Herausgabe des vorlie- genden Bandes, in dem erstmalig samtliche General Comments (Stand: Mai 2004) zu den eingangs erwahnten Menschenrechtsvertragen in deutscher Ubersetzung ver- sammelt sind, vorbehaltlos zu begriiBen. Wie nicht zu- letzt das Beispiel des EGMR lehrt, dessen Urteile offi- ziell nur in englischer und franzosischer Sprache verOf- fentlicht werden, bildet die fehlende VerfUgbarkeit in der eigenen Muttersprache ein wesentliches Rezeptionshin- dernis. Dieses ist fUr die General Comments nunmehr beseitigt. Erganzt wird die Textsammlung durch Einfiih- rungen ausgewiesener Experten in dem betreffenden Bereich. Somit bleibt nur die Aufforderung an Rechts- anwender wie Rechtswissenschaftler, von dies em reichen Fundus aktiv Gebrauch zu machen, urn so das Wort Klaus Vogels von der durch das Grundgesetz verfassten

"offene "StaatIichkeit" praktisch wirksam werden zu las- sen.

Dr. Marten Breuer, Univ. Potsdam

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