DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Der Internationale Fortbil- dungskongreß in Badgastein, ein seit 1956 jährlich im März veranstaltetes Gemeinschaftswerk der deutschen Bundesärztekammer und der Öster- reichischen Ärztekammer, befindet sich im Wandel, wie Prof. Dr. Leon- hard Schweiberer (München), der maßgeblich — zusammen mit Sani- tätsrat Prof. Dr. Franz-Carl Loch (Sulzbach/Saar) und Dr. P. Erwin Odenbach (Köln) — den Kongreß wissenschaftlich programmiert, bei der Eröffnung erläuterte. Nicht mehr die akademische Vorlesung ist die Hauptsache; vielmehr dienen in den beiden Kongreßwochen eine Vielzahl von Seminaren, Kursen, Praktika der ärztlichen Fortbildung, diesmal der Betrachtung des chro- nisch kranken Menschen, insbeson- dere dessen medikamentöser Lang- zeitbehandlung, aus dem Blickwinkel der verschiedenen Fachrichtungen — der Kardiologie, Urologie, Nephro- logie, Orthopädie, Gastroenterolo- gie, Gynäkologie und Psychiatrie.
Prof. Schweiberer: Kongresse dieser Art bedürfen aber noch weiterer Verdichtung. „Unter den jung nie- dergelassenen Ärzten kann es sich kaum jemand leisten, 14 Tage seine Praxis zu verlassen." Prof. Schweibe- rer sieht die Umgestaltung der Wis- sensvermittlung als weltweites Pro- blem; dem Fortbildungskongreß nicht nur in Badgastein empfiehlt er vermehrt „Kompaktkurse".
Veränderte Bedürfnisse
Auch Prof. Dr. Hans Joachim Sewering, der Präsident der Bayeri- schen Landesärztekammer, der den 34. Internationalen Fortbildungs- kongreß der Bundesärztekammer am 5. März in Badgastein eröffnete, wies in seiner Einführung und beim berufspolitischen Kolloquium darauf hin, daß derzeit die künftigen For-
men der ärztlichen Fortbildung nicht nur innerhalb der Gremien der Bun- desärztekammer diskutiert werden.
Der Sachverständigenrat bei der
„Konzertierten Aktion im Gesund- heitswesen" hat jüngst eigene Vor- schläge gemacht. In der Tat hört man immer mehr, daß es — bei zu- nehmendem Konkurrenzdruck und sich verschlechternden wirtschaft- lichen Verhältnissen — „kaum mehr drin ist, die Praxis zwei Wochen zu- zumachen". Sewering: Dreieinhalb Jahrzehnte haben die Internationa- len Fortbildungskongresse der Bun- desärztekammer den Bedürfnissen der Kollegen entsprochen, aber die Bedürfnisse haben sich geändert.
Dem muß auch eine künftige Kon- greßgestaltung Rechnung tragen.
Professor Sewerings besonderer Dank galt neben den pflichtgetreuen Kongreßteilnehmern vor allem der Vielzahl deutscher und österrei- chischer Referenten, die sich beim Bundesärztekammer-Kongreß einer hochqualifizierten Fortbildung ihrer Kolleginnen und Kollegen ohne je- des Honorar widmen. In Badgastein bilden verständlicherweise Referen- ten aus den medizinischen Fakultä- ten Bayerns einen Schwerpunkt. Der Präsident der Österreichischen Ärz- tekammer, Primarius Dr. Michael Neumann (Wien), gab bei der Kon- greßeröffnung der Hoffnung Aus- druck, daß es nach der Anfang März erfolgten Gründung einer Ärztekam- mer für Ungarn künftig möglich sein werde, auch deutschsprechende un- garische Wissenschaftler in die In- ternationalen Fortbildungskongresse einzubeziehen.
Prof. Dr. med. Eberhard Buch- born, Direktor der Medizinischen Klinik Innenstadt der Universität München, widmete sich in seinem Eröffnungsvortrag — einer Tradition der großen Lehrer der Inneren Me- dizin folgend, die sich immer wieder auch mit Grundlagen und Grundfra-
gen der Theorienbildung befaßten — einer Durchleuchtung der „Wissen- schaftssprache und Umgangssprache in der Medizin". Er machte den Kongreßteilnehmern die Bedeutung der Sprachkultur zwischen Wissen- schaftssprache und Umgangssprache in der ärztlichen Praxis bewußt, als
„Versuch, dort, wo es geboten ist oder gewünscht wird, für die kurze Dauer einer Sprechstunde oder ei- ner Visite aus den so unterschied- lichen Sprachwelten des Arztes und des Kranken eine für diesen hilfrei- che gemeinsame Wirklichkeit entste- hen zu lassen, in der zwischen- menschliches Verstehen gelingt".
Erstmals ein Zertifikat
Traditionsgemäß bildete die Sportmedizin in Badgastein einen weiteren Seminarschwerpunkt — un- ter der Leitung von Prof. Dr. Klaus- Diethart Hüllemann (Prien/Chiem- see) —, nicht für den Hochleistungs- sportler gedacht, sondern zur inten- siveren Beratung der millionenfach zunehmenden Zahl von Freizeit- sportlern durch die praktizierenden Arzte. Gut besucht waren auch die Sonographiekurse mit ihren prakti- schen Ubungen. Als fortbildungs- wichtig ebenfalls hervorzuheben: das von Dr. Fritz Seuß abgehaltene Se- minar über die kassenärztliche Ab- rechnung, das Seminar Prof. Dr.
Wolfgang Forths (München) über Pharmakotherapie, das Seminar
„Manuelle Medizin" von Prim. Prof.
Dr. Hans Tilscher (Wien).
Erstmals wurde in diesem Jahr den aktiven Teilnehmern am Fortbil- dungskongreß der Bundesärztekam- mer ein Zertifikat verliehen, das sie allerdings in ihren Praxen noch nicht an die Wand hängen dürfen. Es wird bei nachgewiesener Veranstaltungs- präsenz von mindestens 18 Stunden innerhalb einer Woche, bei zwei Wo- chen entsprechend 36 Stunden, er- teilt (nicht zu verwechseln mit dem von Finanzgerichten und Finanzbe- hörden geforderten Präsenznach- weis). Das Fortbildungszertifikat ist ein wichtiges Dokument: es erlaubt dem Arzt jederzeit den Nachweis seiner aktiven Teilnahme an seriöser Fortbildung. DÄ
Fortbildung imWandel
Notizen vom Bundesärztekammer-Kongreß in Badgastein
Dt. Ärztebl. 86, Heft 13, 30. März 1989 (23) A-859