V A R I A
A
A282 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 530. Januar 2004
D
er Traum vom Fliegen ist so alt wie die Mensch- heit. Er findet sich in al- ten Sagen (zum Beispiel Dädalus und Ikarus), in der Mythologie (Hermes der flie- gende Götterbote) und in der Technik, angefangen bei den Konstruktionszeichnun- gen von Leonardo da Vinci über Bertlinger, den Schnei- der von Ulm, bis hin zu Pana- marenko (geboren 1940), den belgischen Objektkünstler.Auf der Schwäbischen Alb wurde dieser Traum von ei- nem chronisch schizophren erkrankten Mann weiter ge- träumt. Der 1903 geborene Gustav Mesmer hat zeit sei- nes Lebens nicht aufgehört, seinen Traum zu verwirkli- chen, eines Tages mit seinem
„Flugfahrrad“ von Ort zu Ort zu fliegen. Erstmalig am 10.
Oktober 1932 heißt es dazu lapidar in der alten Kran- kenakte: „Hat eine Flugma- schine erfunden, gibt entspre- chende Zeichnungen ab.“
Die großen Propeller- und Düsenflugzeuge waren dabei seine Sache nicht: „Die ma- che doch nur Lärm und stin- ke tuens.“ Auch die Segelflie- ger entsprachen nicht seinen Vorstellungen: „Da sagt der Wind, wo es lang geht. Ich will fliegen von Ort zu Ort, wie ein Vogel, mit meinem Fahrrad, wohin ich will!“ Mit großer Energie entwarf Mes- mer Flugapparate, stellte sie in Aquarellen dar und baute ganz real Prototypen. Im psychiatrischen Altenheim, in dem er seit 1964 lebte, wur- de ihm ein ehemaliger Stall als Werkstatt zur Verfügung gestellt. Unbeeindruckt von allen Misserfolgen bei seinen Selbstversuchen auf dem Flugfahrrad, verfolgte Mes- mer seine Pläne. Die Ver- wirklichung des Traums vom Fliegen aus eigener Muskel- kraft war sein Lebensziel jen- seits aller Anstaltsmauern.
Seine fluguntauglichen Flug- objekte sind faszinierende
Symbole für das unablässige Bemühen der Menschen, die von der Wirklichkeit real oder vermeintlich gesetzten Grenzen hinauszuschieben, sich durch Rückschläge nicht beirren zu lassen: „Vielleicht klappt es mal, wenn nicht, ha- be ich probiert, was möglich ist“, sagte Mesmer einmal.
Seine Arbeit war eine höchst kreative Bewältigungsstrate- gie und Sinnsuche in einer durch Krankheit und Institu- tionen eingeengten und nur wenig anregenden Umge- bung. Hartmut Kraft
Kunst und Psyche
Ikarus auf dem Fahrrad
Foto:Eberhard Hahne
„Flugfahrrad“, Aquarell auf Papier, 21 cm × 29,5 cm, signiert, undatiert (circa 1980)
Bad Nauheim
Die Zauberflöte
Im Rahmen der Veranstal- tungsreihe „Dolce Cultura Mu- sica“ wird am 28. Februar um 19.30 Uhr im Jugendstil-Thea- ter des Dolce Am Kurpark in Bad Nauheim „Die Zauberflö- te“, ein Gastspiel der Staats- oper Lodz,inszeniert.Die Oper in zwei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart mit dem Li- bretto von Emanuel Schikane- der wurde 1791 in Wien urauf- geführt. Es wird die Geschichte vom aus der Ohnmacht er- wachten Tamino erzählt, der von der Königin der Nacht den Auftrag erhält, ihre vom Moh- ren Monostatos geraubte Toch- ter Pamina zu retten. Das ge- lingt mithilfe des lustigen Papa-
geno im Federkleid, dessen Glöckchenspiel und – mit der Zauberflöte.Tamino und Pami- na werden ein Paar.
Buchungen und weitere In- formationen: Dolce Am Kur- park, Nördlicher Park 16, 61231 Bad Nauheim, Telefon:
0 60 32/30 30, Fax: 0 60 32/
30 34 19; E-Mail: info_amkur park@dolce.com, www.dolce.
com/amkurpark EB
IPPNW
Concert-Edition
Sechs neue CDs der Inter- national Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW) sind jetzt erschienen.
Werke von Schostakowitsch, Kodaly, Schubert, Ravel, Ligeti
und anderen führen nach eige- nen Angaben „in die Atmo- sphäre von IPPNW-Benefiz- konzerten und Kammerkon- zerten der Berliner Philharmo- niker“. Der Erlös kommt unter anderem Not leidenden Men- schen von Kriegen, Industrie- und Naturkatastrophen zugute.
Weitere Informationen:
Telefon: 0 30/8 02 75 27; www.
ippnw-concerts.de EB
Musikreisen
Opern mit Einführungen
Der gemeinnützige Verein zur Pflege klassi- scher Musik mit Sitz in Köln unternimmt Opernreisen mit dem Ziel, klassische Musik zu vermitteln. Im Mittelpunkt der Reisen stehen Einführungsseminare zu den jeweili- gen Opern. Die Mitreisenden werden an-
hand von CDs in die musikalische Struktur eingeführt. Der Verein bemüht sich nach ei- genen Angaben, „mit möglichst wenig theo- retischen Erörterungen auszukommen, so- dass auch der ,blutige Laie‘ ohne Noten- kenntnisse den Seminaren folgen kann“. Für das Jahr 2004 ist unter anderem eine Reise nach Paris (28. bis 31. März; Giuseppe Verdi:
„Othello“) geplant.
Weitere Informationen: Telefon: 02 21/
35 39 44; www.operapoint.de EB Biografie Gustav Mesmer Geboren 1903 in Altshausen. Nach der Schule Arbeit in der Landwirtschaft.
1922 Eintritt in ein Kloster. 1927 erste psychiatrische Auffälligkeiten, worauf ihm der Austritt aus dem Kloster nahe gelegt wurde. 1929 Aufnahme in eine psychiatrische Klinik unter der Diagno- se einer Schizophrenie. Bis zu seinem Lebensende lebte Gustav Mesmer in Kliniken beziehungsweise in einem psychiatrischen Altenheim. In den Acht- zigerjahren erschienen erste Reporta- gen und Filme über sein Lebenswerk.
Literatur
Kraft H: Grenzgänger zwischen Kunst und Psychiatrie, DuMont, Köln 1998