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A3150 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4828. November 2003
auf. Eine echte gesellschaftliche Aner- kennung allgemeinmedizinischer haus- ärztlicher Tätigkeit wird aber erst dann erreicht sein, wenn an allen Hochschu- len allgemeinmedizinische Lehrstühle mit einer adäquaten finanziellen Aus- stattung zur Verfügung gestellt werden.
Abschließend mein „Credo“: Zur hausärztlichen Tätigkeit gehört in erster Linie die Begeisterung für die Arbeit am Menschen, danach erst die Begeisterung für die Naturwissenschaft.
Der Hausarzt der Zukunft muss sich rückbesinnen auf ein Menschenbild, das Jahrhunderte diesen Beruf geprägt hat. Die hausärztliche Heilkunde bedarf einer erweiterten Ethik und einer wesentlich umfassenderen Lehre, als sie die klassischen Fächer wie Innere Medizin oder Chirurgie vermitteln. Die neue Ethik, deren Fahnenträger der neue Hausarzt werden könnte, muss die Medizintechnik einholen, muss der naturwissenschaftlichen Seite der Me- dizin die humanistische Dimension zur Seite stellen.
Der Hausarzt der Zukunft wird dort an Bedeutung gewinnen, wo er bereit ist, den sich ihm anvertrauenden Kran- ken in einem zunehmend kalten, ja eisigen Klima der ratio zu wärmen, ihn aus dem Würgegriff eines immer enger werdenden bürokratischen Netzes zu befreien. Wenn zu diesen Kardinaltu- genden des neuen Hausarztes ein brei- tes Fachwissen, der Mut zur wagenden Verantwortung hinzutritt, dazu noch die Fähigkeit, den sich ihm anvertrau- enden Menschen ein Leben lang bis zum Zeitpunkt des Sterbens zu betreu- en, wird auch der Kranke und potenziell Kranke die Dienste seines Hausarztes anerkennen. Dann wird er ihn auch als persönlichen Lotsen für seine Gesund- heit und Krankheiten anerkennen und sich ihm anvertrauen. Langfristig wird nur unter diesen Bedingungen eine menschliche Medizin gleichwertig neben der sich stürmisch weiter ent- wickelnden techno-biochemischen Me- dizin bestehen bleiben und nicht zuletzt auch Garant für eine Stabilisierung der aus dem Ruder laufenden Kosten sein.
Dr. med. Wolf-Rüdiger Weisbach Arzt für Allgemeinmedizin Fernblick 2
51570 Windeck-Herchen E-Mail: Dr.Weisbach@gmx.de
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äglich gehen in Deutschland 386 Millionen Zigaretten in Rauch auf – viele davon in Innenräumen.Tau- sende von Chemikalien, darunter gifti- ge und Krebs erregende Stoffe, durch- ziehen Privatwohnungen und öffentli- che Einrichtungen und lagern sich anWänden, Fußböden und Teppichen ab.
Tabakrauch ist mit Abstand der bedeu- tendste und gefährlichste Innenraum- schadstoff und die führende Ursache von Luftverschmutzung in Räumen.
Rauchen ist nicht ausschließlich ein vom jeweiligen Raucher persönlich zu verantwortendes Gesundheitsrisiko.
Vielmehr erleiden auch tabakrauchbe- lastete Nichtraucher teils schwerwie- gende Gesundheitsschäden. Die Bela- stungen durch Tabakrauch führen zu zahlreichen Erkrankungen wie Husten, Übelkeit, Kopfschmerzen, akuten und chronischen Herz-Kreislauf-Erkran- kungen, Erkrankungen der unteren Atemwege wie Lungenentzündung oder Asthma sowie zu Krebserkran- kungen. Nichtraucher, die dem Tabak- rauch ausgesetzt sind, können daher – wenn auch im geringeren Ausmaß und mit geringerer Häufigkeit – die gleichen Gesundheitsschäden wie aktive Rau- cher erleiden. Zwar sind rund zwei Drit- tel der Bevölkerung Nichtraucher, gleichwohl lebt rund ein Drittel mit ei- nem Raucher in einem Haushalt. In öf-
Foto:Deutsches Krebsforschungszentrum
Dem Qualm schutzlos ausgesetzt
Die gesundheitlichen Auswirkungen des Passivrauchens sind besonders für Kinder erheblich. Das Deutsche Krebsforschungszentrum gibt Handlungsempfehlungen.
Rauchertelefone
>Info- und Beratungstelefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Telefon:
0 18 05/31 31 31 (12 Cent pro Minute)
>Rauchertelefon des Deutschen Krebsfor- schungszentrums, Telefon: 0 62 21/ 42 42 00
>Info- und Beratungstelefon für die Prävention des Plötzlichen Säuglingstodes, für Schwangere und junge Eltern, Telefon: 01 80/5 09 95 55 (12 Cent pro Minute)
>Helpline – Bayern wird rauchfrei! Telefon:
08 00/1 41 81 41 (kostenfrei)
>Rauchertelefon des Instituts für Raucherbera- tung und Tabakentwöhnung, Telefon: 0 89/
68 99 95 11
>Rauchertelefon des Instituts für Nikotinfor- schung und Raucherentwöhnung Erfurt, Telefon: 03 61/ 6 45 08 16
Textkasten 1
fentlichen Einrichtungen nehmen täg- lich Millionen Nichtraucher die im Ta- bakrauch enthaltenen Schadstoffe auf.
Insbesondere Kinder sind dem Tabak- rauch schutzlos ausgesetzt, weil sie ihre verrauchte Umgebung nicht einfach meiden können.
Passiv rauchende Säuglinge und Kinder sind von dieser Luftverschmut- zung besonders betroffen. So wird der plötzliche Säuglingstod unter anderem mit Tabakrauch in Zusammenhang gebracht. Ferner erleiden Kinder durch Tabakrauch in Innenräumen akute und chronische Mittelohrentzündungen, Lungenentzündungen, Atemwegser- krankungen und Asthma. Passivrau- chen während der Stillzeit und im Kin- desalter erhöht das Risiko unter ande- rem für verzögertes Lungenwachstum, eingeschränkten Geruchssinn, Karies bei Milchzähnen, Verhaltensauffällig- keiten und Übergewicht im Kindesal- ter. Die Gefahren des Rauchens für das ungeborene Kind umfassen Totgebur- ten, Frühgeburten, geringeres Geburts- gewicht, kleineren Kopfumfang und vermindertes Längenwachstum sowie auch die höhere Wahrscheinlichkeit des Tabakkonsums im Teenageralter.
Konzertierte Aktion zum Schutz der Kinder
Jedes zweite Kind in Deutschland lebt in einem Haushalt, in dem mindestens eine Person raucht. Über sechs Millionen Kinder werden täglich Tabakrauch aus- gesetzt. Das Deutsche Krebsforschungs- zentrum (DKFZ), Heidelberg, empfiehlt deshalb in Zusammenarbeit mit der Stif- tung Kindergesundheit eine konzertier- te Aktion zum Schutz der Kinder:
>Die Umsetzung verhältnisorientier- ter Maßnahmen wie rauchfreie öffentli- che Einrichtungen, insbesondere an Or- ten, die häufig von Kindern frequentiert werden: Kindergärten und Kinderspiel- plätze, Schulen, Sportstätten, Einkaufs- zentren, Gaststätten und öffentliche Transportmittel. Maßnahmen, die aus- schließlich auf Ventilation beruhen, rei- chen nicht aus, um ein rauchfreies Um- feld zu schaffen, weil es keinen Nachweis für einen gesundheitsunschädlichen Schwellenwert für Tabakrauch in der Raumluft gibt.
> Aufgrund der besonderen hohen Schadstoffbelastung in Privatfahrzeu- gen durch die geringe Raumgröße soll- te ein Rauchverbot auch in Privatfahr- zeugen mittel- bis langfristig umgesetzt werden. Bereits kurzfristig könnte eine Kampagne für die Problematik sensibi- lisieren.
> Deutliche Tabaksteuererhöhun- gen, die Bekämpfung des Zigaretten- schmuggels, ein Tabakwerbeverbot,Ab- schaffung der Zigarettenautomaten, Produktregulation, Verbraucherinfor- mationen sowie Verkaufsbeschränkun- gen mit entsprechenden Kontrollen.
> Notwendig sind Medienkampa- gnen, die die Bevölkerung auf die gesundheitlichen Folgen des Tabakkon- sums und des Passivrauchens – sowie auf ihr Recht auf rauchfreie Luft – aufmerksam machen – einschließlich der Tatsache, dass es keinen unteren Stellenwert für eine gesundheitsun- schädliche Exposition gegenüber Ta- bakrauch gibt. Die besonderen Gefah- ren des Passivrauchens für Kinder sollten insbesondere gegenüber wer- denden Eltern sowie Pädagogen verständlich kommuniziert werden.
Auch Lehrer, Angehörige von Gesund- heitsberufen, Gewerkschaften, Arbeits- schutz, Medien oder Gastronomie müssen informiert werden.
> Evidenzbasierte Beratungs- und Behandlungskonzepte zur Tabakent- wöhnung stehen zur Verfügung. Es ist nachgewiesen, dass der Anteil erfolg- reicher Entwöhnungsversuche durch professionelle Beratung und Behand- lung sowie durch pharmakologische Ent- wöhnungshilfen deutlich erhöht werden kann. Um einen wirksamen Schutz von Ungeborenen und Kindern vor den Be- lastungen des Tabakrauchs zu erreichen, müssen Maßnahmen zur effektiven Sen- kung der Raucherquote, insbesondere bei jungen Erwachsenen, Schwangeren und Eltern, ergriffen werden.
> Beratungen zur Tabakentwöhnung vor und während der Schwangerschaft in der ärztlichen Praxis sowie Beratung von Eltern in Geburtskliniken sind die wichtigsten Maßnahmen zur Verringe- rung der perinatalen Krankheitslast und Sterblichkeit. Schätzungsweise 25 Pro- zent aller Totgeburten und 20 Prozent der Säuglingssterblichkeit könnten in Deutschland vermieden werden, wenn
alle Frauen, die zu Beginn der Schwan- gerschaft rauchen, bis zur 16. Schwan- gerschaftswoche das Rauchen aufgeben würden. Die bisherigen Hürden, bei- spielsweise fehlende Ausbildung der Gesundheitsberufe, unzureichende Zeit- budgets sowie mangelnde Honorierung, müssen zügig abgebaut werden.
Weil in Deutschland noch keine flächendeckende Infrastruktur für die Tabakentwöhnung aufgebaut wurde, sollten Ärzte und Mitglieder anderer Gesundheitsberufe auf nationale oder lokale Rauchertelefone verweisen (Textkasten 1).
> Der Einfluss der Zigarettenindu- strie auf Entscheidungsträger in Politik, Behörden und Medien muss transpa- rent gemacht und zurückgedrängt wer- den. Das Recht von Kindern auf eine gesunde, das heißt rauchfreie Umge- bung muss Vorrang vor den wirtschaft- lichen Interessen eines Industriezweiges haben, der wissentlich ein Produkt vertreibt und bewirbt, das bei be- stimmungsgemäßem Gebrauch einen großen Teil der Konsumenten süchtig und krank macht und künftige Genera- tionen bereits frühzeitig schädigt. Inter- ne Dokumente der Tabakindustrie zum Passivrauchen zeigen, dass die Tabakin- dustrie auch in Deutschland versucht, wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis- se darüber zu verharmlosen, um gesetz- geberische Maßnahmen zu verhindern.
Über industrieabhängige Wissenschaft- ler versucht die Tabakindustrie seit Jahr- zehnten Einfluss auf Politik, Medien und die Wissenschaft zu nehmen, um das Rauchverhalten auf hohem Niveau zu halten.
Dr. med. Martina Pötschke-Langer Dr. PH Annette Bornhäuser
WHO Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle im Deutschen Krebsforschungszentrum, Im Neuenheimer Feld 280, 69120 Heidelberg, E-Mail: who-cc@dkfz.de T H E M E N D E R Z E I T
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Die Publikation „Passivrauchende Kinder in Deutschland – frühe Schädigungen für ein ganzes Leben“ vom DKFZ beschreibt die gesundheitli- chen Risiken des Passivrauchens für Kinder sowie die Handlungsempfehlungen ausführlich. Die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Si- cherung geförderte Broschüre ist kostenfrei er- hältlich beim DKFZ unter who-cc@dkfz.de oder Fax: 0 62 21/42 30 20. Sie kann auch im Internet heruntergeladen werden: www.rauchfrei2004.de.
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