Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 21⏐⏐23. Mai 2008 A1153
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ie Approbationsordnung de- finiert die Aufgaben im prak- tischen Jahr (PJ) als die Ausbil- dungsphase, in der „die Studieren- den die während des vorhergehen- den Studiums erworbenen ärztlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertig- keiten vertiefen und erweitern. Zu diesem Zweck sollen sie entspre- chend ihrem Ausbildungsstand unter Anleitung, Aufsicht und Verantwor-tung des ausbildenden Arztes ihnen zugewiesene ärztliche Verrichtun- gen durchführen“. Die Realität im PJ scheint dem geforderten Aufgaben- paket oft zu widersprechen. Die Stu- dierenden beklagen vielfach, dass die Ausbildung nicht ausreichend strukturiert erfolgt und dass an der täglichen Ausbildung unmittelbar beteiligte Ärzte nicht genug Zeit für sie hätten. Ferner wird bemängelt,
dass überwiegend Routineaufgaben erledigt werden müssten und insbe- sondere der Schritt zur eigenverant- wortlichen Patientenbetreuung unter entsprechender Supervision nur in Ausnahmefällen gelingt.
Um Fehlentwicklungen in der akademischen Medizin entgegenzu- wirken und die klinische Lehre im akademischen Umfeld zu verbes- sern, wurde an der Universität Ulm seit 2006 schrittweise eine Neu- strukturierung im PJ-Ablauf vorge- nommen.
Neben einer ausführlichen inter- disziplinären Einführung zu Beginn des praktischen Jahres wurden ver- pflichtend PJ-Campustage einge- führt. Die Qualität der PJ-Ausbil- dung an allen akademischen Lehr- krankenhäusern soll regelmäßig mit der universitären Lehre abgestimmt werden, um die Ausbildung hin- sichtlich der nach dem praktischen Jahr stattfindenden Staatsprüfungen auszurichten. An den Campustagen werden in Form einer Hörsaalveran- staltung die aktuellen Probleme dis- kutiert und nach Lösungen gesucht.
Dieses unmittelbare Feedback er- möglicht es, die Ausbildungsquali- tät an den verschiedenen Standorten zu vergleichen und voneinander zu lernen. Des Weiteren werden an den Campustagen inhaltliche Schwer- punkte gesetzt, wie etwa Trainings zur Kommunikation mit Patienten.
RECHTSREPORT
Vorstandsvergütungen dürfen veröffentlicht werden
Vorstandsmitglieder von gesetzlichen Kranken- kassen sind verpflichtet, die Höhe der jährlichen Vergütung einschließlich Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versorgungsregelungen in einer Übersicht im Bundesanzeiger und gleichzeitig in der Mitgliederzeitschrift der betreffenden Kran- kenkasse zu veröffentlichen. Das hat das Bun- desverfassungsgericht bekräftigt.
Gegen diese Regelung in § 35 a SGB IV hat- ten sich Vorstände von Krankenkassen gewandt.
Sie sahen ihr Recht auf informationelle Selbstbe- stimmung beeinträchtigt. Bereits das Bundesso- zialgericht hatte mit Urteil vom 14. Februar 2007 (Az.: B 1 A 3/06) entschieden, dass diese Rege- lung kein Verstoß gegen das allgemeine Persön- lichkeitsrecht sei und somit nicht verfassungs- widrig. Zwar liege ein Eingriff vor, dieser sei je- doch gerechtfertigt.
Entsprechend der Begründung zum Gesetz- entwurf ziele die Vorschrift in legitimer Weise darauf ab, eine höhere Transparenz über Ange- bote, Leistungen, Kosten und Qualität im Ge- sundheitswesen zu schaffen. Sie solle damit dem Informationsbedürfnis der Beitragszahler und der Öffentlichkeit Rechnung tragen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfas- sungsbeschwerde abgelehnt. Zwar ist eine allge- meine Information über die Vergütung ein Eingriff von nicht unerheblichem Gewicht. Insbesondere ermöglichen entsprechende Daten Rückschlüsse über die wirtschaftlichen Verhältnisse im privaten Bereich. Allerdings soll dem Informationsbedürf- nis der Beitragszahler und der Öffentlichkeit Rechnung getragen werden. Verfassungsrecht- lich sei es nicht zu beanstanden, dass der Ge- setzgeber dem Transparenzinteresse den Vorzug vor dem Interesse an Geheimhaltung gegeben habe. (Urteil vom 25. Februar 2008, Az.: 1 BvR
3255/07) RA Barbara Berner
NEUSTRUKTURIERUNG DES PRAKTISCHEN JAHRES
Zufriedene Studierende in Ulm
Um Fehlentwicklungen in der akademischen Medizin entgegenzuwirken, wurde an der Universität Ulm schrittweise eine Neustrukturierung im Ablauf des praktischen Jahres umgesetzt.
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Foto: Universität Ulm
A1154 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 21⏐⏐23. Mai 2008
S T A T U S
Seit 2006 erfolgte eine schrittwei- se Einführung von PJ-Logbüchern.
In einer ersten Phase wurden Log- bücher für Innere Medizin und Chirurgie eingeführt, gefolgt von al- len Wahlfächern. Die PJ-Logbücher werden zum Beginn des PJ an die Studierenden ausgegeben und dienen während der PJ-Phase zur Orientie- rung und Dokumentation klinischer Aktivitäten. Dabei ist das Logbuch arbeitsteilig in seiner Verwendung.
Sowohl die Studierenden als auch die betreuenden Ärzte erfassen unter- stützend den Zuwachs eines adäqua-
ten Lernfortschritts (siehe Kasten).
Eine Evaluation der Logbucheinträ- ge erfolgt durch das Studiendekanat, wobei die Studierenden das Log- buch nach der Auswertung wieder zurückerhalten. Die Auswertung der Logbücher dient nicht zur Benotung oder Bewertung der individuellen Leistungen im jeweiligen PJ-Tertial, sondern der Qualitätssicherung in der Ausbildung.
Die Auswertung von 70 Log- büchern im Jahr 2007 in den Fächern Innere Medizin und Chirurgie ergab, dass sich die Studierenden selbst tendenziell eher schlechter einschätz- ten, als ihnen die Ärzte bescheinig- ten beziehungsweise als die im Log- buch skizzierten Erwartungshorizon- te vorgaben. Anfänglich wurde das erreichte Niveau der jeweiligen Lern- ziele nach Einschätzung der Studie- renden mehrheitlich unterhalb des vorgesehenen Levels, welches die Minimalforderungen an die fachli- che Kompetenz darstellt, gesehen.
Das Logbuch ermöglicht ein ra- sches Erkennen von Defiziten in der Ausbildung und bietet damit auch die Option zu einem zeitnahen Ein- greifen durch den verantwortlichen leitenden Arzt, die zuständige Studi- enkommission oder den PJ-Beauf- tragten. So wurden Defizite in der Beurteilung der unterschiedlichen diagnostischen Verfahren deutlich, wie bei der Interpretation von Rönt- genthoraxbefunden, Beurteilung kom- plexer Laborbefunde, ferner bei der
Erstellung von Erstbehandlungsplä- nen in den konservativen Fächern, oder auch eine mangelnde Kompe- tenz in der Erstversorgung von Kno- chenfrakturen und Durchführung ei- ner parenteralen Ernährung gese- hen. Als weiterer Komplex mit der Notwendigkeit zur raschen Verbes- serung zeigte sich die Kommuni- kationsstruktur zwischen den ver- schiedenen ärztlichen Fachgruppen, vor allem bei der Erstellung von Konsiliaranforderungen oder auch beim Umgang mit „schwierigen Pa- tienten“. Diese als defizitär in der
praktischen Ausbildung erkannten Teilaspekte wurden gezielt als neue Themen in die interdisziplinäre Se- minarreihe aufgenommen oder auch an den Campustagen behandelt.
Die Zwischen- und Abschlussge- spräche zum PJ-Ablauf führen die PJler mit den Ärzten in Leitungsver- antwortung. Sie dienen dazu, den Stand der Ausbildung im unmittelba- ren Kontakt mit den Verantwortli- chen zu erörtern und Probleme oder von den Studierenden entwickelte Lösungsvorschläge zu diskutieren.
Sie können auch vonseiten der Stu- dierenden dazu benutzt werden, ihr Interesse an einer künftigen Beschäf- tigung zu artikulieren und somit die Leitungsverantwortlichen für eine realistische Karriereplanung in An- spruch zu nehmen.
Durch die Neustrukturierung im PJ-Ablauf verbesserte sich bereits nach einem Jahr die Zufriedenheit mit dem PJ-Ablauf unter den Studie- renden. Positiv fiel vor allem die im Rahmen eines besser geplanten Aus- bildungsablaufs erlangte klinische Kompetenz zum eigenständigen ärztlichen Handeln auf. Hier sahen vor Beginn der Neustrukturierung die Studierenden das größte Defizit.
Die Einführung der PJ-Log- bücher hat sich schon nach kurzer Zeit für die Medizinische Fakultät bewährt. Mit den PJ-Logbüchern steht für die Studierenden ein stän- diger Begleiter zur Verfügung, der die Inhalte der praktischen Ausbil-
Durch die Neustrukturierung verbesserte sich bereits nach einem Jahr die Zufriedenheit unter den Studierenden.
dung für Studierende und Lehrende gleichermaßen gut sichtbar doku- mentiert und dabei eine rasche Kon- trolle des Lernfortschritts ermög- licht. Gleichwohl ersetzt ein Log- buchkonzept nicht das unmittelbare Engagement in und für die Aus- und Weiterbildung, die als eine Einheit bestehend aus praktischem Jahr und auch Facharztweiterbildung zu se- hen sind. Somit bleibt die Grundvor- aussetzung für den Erfolg im Studi- um ein großes persönliches Engage- ment aller Beteiligten mit der not- wendigen Empathie zum Lernen und Lehren, oder wie es William Osler einst für die akademische Me- dizin formulierte: „An academical system without the personal influ- ence of teachers upon pupils, is an
Arctic winter.“ I
Prof. Dr. Bernhard O. Boehm, Hubert Liebhardt, Prof. Dr. Jörg M. Fegert E-Mail: bernhard.boehm@uniklinik-ulm.de
DAS PJ-LOGBUCH
Wozu dient das Logbuch?
– Dokumentation/Kontrolle des Lernfortschritts nach Lernzielkatalog
– definierter und strukturierter Ablauf des Tertials
Was macht der Studierende?
– Abgleich des aktuellen mit dem erwarteten Kompetenzstand
– eigenverantwortliche Optimie- rung der eigenen Kompetenz (ge- gebenenfalls Einforderung entspre- chender Ausbildungsangebote)
Was macht der Stations- arzt/klinische Oberarzt?
– Überwachung, Unterstützung und Bestätigung eines adäquaten Lernfortschritts der Studierenden
– Supervision selbstständig durchgeführter Visiten
– Durchführung von Probeexami- na, mündlicher Teil der M2-Prüfung
Verantwortlichkeit des lei- tenden Arztes/Chefarztes?
– Durchführung und Dokumen- tation einer Mittel- und Abschluss- besprechung
– Durchführung von Probeexami- na, mündlicher Teil der M2-Prüfung